Romane & Erzählungen
Ben der Baum (6) - Kapitel 6

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"Ben der Baum (6) - Kapitel 6"
Veröffentlicht am 03. März 2011, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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...Schreiben, ein reines Hobby. Bin noch relativer Neuling und hoffe, hier eine geeignete Plattform zum austauschen gefunden zu haben. Feedbacks sind sehr wichtig, sowohl positive für die Seele, als auch negative zum eventuellen Verbessern. Traut euch! ;-)
Ben der Baum (6) - Kapitel 6

Ben der Baum (6) - Kapitel 6

Kapitel 6

Irgendwo in der Ferne ein lautes Ächzen. Ein Krachen. Holz splitterte. Dann war wieder alles still. Kaum ein Laut war zu hören. War da jetzt ein Baum der Dürre erlegen und gefallen? Ben traute sich nicht, diesen Gedanken weiter zu führen. Er versuchte sich zu beruhigen, sich selber Mut zu machen. Möglicherweise waren das ja auch seine zahlreichen Freunde, die in der Ferne fieberhaft an der von Ihm vorgeschlagenen Wasserleitung bauten. Ja, das wird es gewesen sein, denn zum transportieren von Wasser braucht man Holz. Er selber hatte alle Äste und Zweige gegeben, die er geben konnte. Lediglich seine beiden bewegbaren Äste waren noch an der Stelle, wo sie sich zuvor befanden. Allerdings fühlten sie sich schwach an. Äußerst schwach. Für gewöhnlich bezogen sie Ihre Kraft aus den dichten Verzweigungen und aus dem üppigen Blattwuchs. Da Ben nichts sehen konnte hatte er begonnen zu fühlen. Und er fühlte, dass von dem satten Grün, dass ihn einst bedeckte und so mächtig hat werden lassen, nichts mehr übrig war. Ben war auf dem besten Wege, nur noch eine leere Hülle zu sein, ein hölzerner Baumstumpf. Es war nicht so, dass er Angst davor hatte, seine Existenz zu beenden, vielmehr war es der Gedanke an seine Freunde und wie sehr er sie vermissen würde. Er hatte nie verstanden, warum die Bevölkerung des Waldes der Ansicht war, ihn zu brauchen. Er war sich sehr sicher, dass die Aufgabe des „Königs“ mindestens genauso gut von Chorm, dem Anführer der Wölfe oder gar von Gogon, dem Herren der Affen übernommen werden könnte. Auch diese beiden hatten ein absolut reines Herz und ein gutes Wesen. Zudem konnten sie sich bewegen, ihr Volk auch sprichwörtlich „anführen“ . Er konnte nichts von alledem und dennoch vertrauten sie ihm blind. Jeder einzelne von ihnen. Und möglicherweise war genau das Grund genug, alles so zu lassen, wie es war. Sie hatten eben dieses beinahe magische Vertrauen zu ihm. Vielleicht schöpften sie hieraus Kraft, Mut, Lebenswillen. Er war sich sicher, die Idee mit der Wasserleitung hätte früher oder später irgendwer anders gehabt, doch sie waren alle zu IHM gekommen, trotz größter Not und Verzweiflung. Sie hatten wieder Kraft geschöpft, Hoffung breitete sich aus, als sie bemerkten, dass er noch lebte. Vielleicht war gerade das seine Aufgabe, der Grund seiner Existenz. Den Lebewesen Hoffnung zu geben, den Glauben an sich selbst. Und wenn es so war, dann durfte er diese Hoffnungen auf keinen Fall enttäuschen. Er musste durchhalten, um jeden Preis. Denn auch er vertraute jedem einzelnen von seinen Freunden. Es war eine beinahe unmögliche Aufgabe, tausende von Ästen und Zweigen auszuhöhlen, mit dünneren Zweigen aneinander und nebeneinander zu binden und sich so immer ein kleines Stück weiter dem Gebirge zu nähern. Aber es waren mehrere hundert Tiere zusammen gekommen und jeder von Ihnen gab alle seine verbliebene Kraft um das Tal zu retten. Er vertraute ihnen Allen , und er vertraute Chorm. Er wird die Quelle gefunden haben. Dann mischten sich jedoch wieder ein paar leise Zweifel in die Zuversicht des Baumes. Was, wenn es die Quelle doch nicht gab? Was, wenn die Holzleitungen nicht bis zu ihr reichen? Und was, wenn alles gut gehen sollte? Wohin mit dem Wasser? Er schalt sich selber seiner unvollständigen Idee. Niemand hatte vorher darüber nachgedacht, wohin das Wasser fließen sollte. Auch er nicht. Er war zwar völlig entkräftet, die anderen waren das aber genauso. Er hätte darauf kommen sollen. Denn dies war eine nicht zu unterschätzende Gefahr, die er noch aus der Regenzeit kannte. Große Wassermassen, die über den Waldboden hinwegfegen, wie ein reißender Sturm, alles mit sich rissen, was ihnen in die Quere kam. Bäume, Pflanzen, Tier, Insekten. Ãœbrig blieb meist nicht viel. Eine Rettung wäre ein Damm, an dem sich das Wasser stauen könnte und immer gerade so viel Wasser passieren könnte, wie es für das Tal notwendig wäre. Doch diesen Einfall verwarf er direkt wieder. Wer sollte den bauen? Es waren alle Tiere mit der Leitung beschäftigt, niemand war mehr in seiner Nähe, dem er diesen Plan hätte mitteilen können. Davon abgesehen, hatte man weder genug Holz, noch genug Zeit dafür. Ben überlegte, doch so mehr er sich anstrengte, einen rettenden Einfall zu bekommen, desto undeutlicher wurden seine Gedanken. Er war am Ende. Es gab nichts mehr was er tun konnte. Sein Holz war beinahe komplett ausgetrocknet, seine Kräfte nahezu aufgebraucht. Er kapitulierte, das erste Mal in seinem Leben. Das Bild seiner treuen Freunde zog durch seine Gedanken. Er konnte ihnen nicht mehr helfen. Von dieser Erkenntnis schwer mitgenommen, ließ er seine Äste zu Boden hängen. Wozu jetzt noch anstrengen? Wozu kämpfen, wenn es doch aussichtslos war? Seine beiden Äste berührten den Boden, der trotz der Hitze überraschend weich war, beim Aufprall der Astspitze wirbelte eine Unmenge trockener Sand und Staub durch die Luft. Ben fühlte den Boden, durch die Wucht war eine kleine Kuhle entstanden. Ein Zucken fuhr durch seinen Stamm. Das war es, das war die Rettung. Ein Graben! Ein Graben durch den Wald, bis zum großen See, der einige hundert Fuß weit entfernt lag. So könnte es gehen. Ein letztes Mal nahm Ben, der Herrscher des Tals, all seine Kraft zusammen und schaufelte mit seinen beiden Ästen den Sand vor ihm zur Seite, soweit er konnte. Nun musste er nur noch alle anderen Bäume des Waldes davon überzeugen, es ihm gleich zu tun. Dafür bräuchte er nur seine Wurzeln versuchen ein kleines Stück zu bewegen. Alle großen und kleinen Bäume des Waldes standen relativ dicht beisammen, die Wurzeln kreuzten sich unter dem Waldboden auf dichtem Raum. So konnten sie seit Beginn Ihrer Existenz miteinander kommunizieren. Aufgrund dieser Tatsache wusste Ben auch immer, was an anderen Stellen des Waldes vor sich ging. Dieses Mal blieb ihm nur noch zu hoffen, dass seine Baumfreunde noch aufnahmefähig waren, sein Signal zu verstehen. Mit aller Macht versuchte er alle Wurzeln auf einmal so zu bewegen, dass alle umliegenden Bäume und Pflanzen wussten, was zu tun war. Es kostete ihn unglaubliche Kraft, Schmerzen der Anstrengung durchfuhren ihn. Doch es gelang ihm, ein Donnern unter der Erde brachte dem Baum Gewissheit, es hatte geklappt. Unendliche Sekunden lang lauschte er nun, wartete auf eine Reaktion. Dann vernahm er das Schaben und Schaufeln der anderen Bäume, der eine schneller, der andere etwas langsamer, offensichtlich ebenfalls mit allerletzter Kraft. Aber es klappte. Erschöpft entkrampfte sich der mächtige Baum. Ihm wurde schwindelig. Er wollte die Augen öffnen, wollte ein letztes Mal schauen, doch das gelang ihm nicht mehr. Er ließ seine Äste wieder hängen, dieses Mal konnte er sie aber nicht mehr heben. Er spürte, wie ihn seine Kräfte endgültig verließen. Dann wurde ihm kalt. Sehr kalt.

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Der Wolf saß ganz still, bewegte sich kein bisschen und versuchte auch, jedes noch so kleine Geräusch zu vermeiden. Er hatte nicht mit der Cleverness des Panthers gerechnet. Erst war er planlos und panisch davon gerannt, hatte sich aber schnell wieder gefasst, als er bemerkte, dass er vor einem tiefen Abgrund stand, der hunderte von Metern in die Tiefe führte und in einem regelrechten Meer aus Wasser und riesigen Felsen mündete. Hier war die Situation aussichtslos, er befand sich in einer Sackgasse. Direkt vor ihm die Klippe, dort hinunter springen war unmöglich, der Abgrund war so tief, dass er sich sicher das Genick gebrochen hätte. Rechts und links von ihm zwei riesige Felswände. Es gab keinen Ausweg. Für Chorm aber war Aufgeben auch in so einer Situation völlig indiskutabel, also zählte er ganz langsam bis Zehn, beruhigte sich und als er sich wieder gefangen hatte, kam ihm die rettende Idee. Neo müsste gleich hier sein, blind vor Wut, voller Hunger und Hass. Er würde nicht groß nachdenken, der Panther war im Blutrausch. An der linken Felswand hatte der Wolf mehrere kleine Vorsprünge entdeckt, die gerade groß genug waren für seine Pranken, ein paar Meter über dem Boden erblickte er einen größeren Felsvorsprung auf dem der Eingang zu einer kleinen Höhle zu sehen war. Chorm zögerte keine Sekunde, es kostete ihn viel Mühe, das Gleichgewicht zu halten, schließlich war es ihm aber gelungen, sich im Eingang der Höhle zu verstecken und dem Ungetüm auf zu lauern. Doch von dem war weit und breit keine Spur. Der Panther hätte längst über den schmalen Trampelpfad hierher gelangt sein müssen. Eben dieser Pfad war der einzige Zugang in die Sackgasse. Wenn Chorm schnell genug war, wenn er den richtigen Moment treffen würde, hätte er vielleicht eine Chance. Er müsste sich mit einem Satz auf das Tier stürzen, ihn sofort kampfunfähig machen. Seinen immer noch stechenden Durst, die Kräfte, die ihm schwanden und sein großer Hunger, all diese Dinge hatte er für den Moment komplett verdrängt. Jedes einzelne Nackenhaar stand vor Anspannung zu Berge. Jeden Moment musste es soweit sein.
Ein brachialer Stoss in die Seite raubte dem Wolf für den Bruchteil einer Sekunde alle Sinne. Der Schmerz breitete sich über den gesamten Körper aus, er schnappte nach Luft. Ohne zu wissen, wie ihm geschieht folgte ein weiterer Stoss, der ihn ein Stück weit seitlich über den Fels schleudern ließ. Dieses Mal war der Schmerz beinahe unerträglich. Nur mit Mühe konnte Chorm den Kopf heben. Wie war das möglich? Das war Neo! Wie hatte er sich anschleichen können? Chorm war benommen, konnte sich kaum rühren. Der Kräfteverschleiß der letzten Stunden zollte seinen Tribut. Nur mit Mühe konnte er verstehen, was die Panther sagte, die Häme in der Stimme entging ihm aber auch in diesem Zustand keineswegs.
„Du bist schlau, Wolf, aber nicht schlau genug. Hast du wirklich geglaubt, ich laufe dir blind in die Falle?“
Chorm wurde beinahe schwarz vor Augen, er war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Er wusste aber, sollte das passieren, wäre das sein Ende. Er versuchte, alle Kraft aufzubringen, in das Gespräch mit einzusteigen, den Panther abzulenken, Zeit zu gewinnen, bis Cula mit Hilfe zurück war. Vielleicht hatte er noch diese kleine Chance. Aufgeben war auch in dieser Situation für den Herren der Wölfe keine Option.
„Wo kommst du her und was willst du von mir?“ stammelte er mit heiserer Stimme.
„Ach Wölflein, es ist für dich zwar nicht mehr von Bedeutung, aber siehst du die Höhle hinter mir, die Höhle in der du dich versteckt hieltest, um mir aufzulauern? Ich kenne dieses Gebirge wie meine Westentasche, seit du mich damals aus dem Tal vertrieben hast. Ein paar Meter von hier ist ein weiterer Eingang zu dieser Höhle, die mich direkt an diesen Ausgang geführt hat. Das Tal unten am Fuß der Berge mag deine Heimat sein, aber hier bist du in meiner Heimat. Und du bist nicht erwünscht….“ Ein hämisches Lachen schallte durch die angrenzenden Felswände. Es schien von überall zu kommen. „Was hast du mit mir vor?“ versuchte Chorm energisch zu fragen, doch seine Stimme war alles andere als bedrohlich, die Antwort auf seine Frage kannte er zudem.
„Weißt du, Chorm, ich habe damals schon eine Zeit lang darüber nachgedacht, ob mein Handeln falsch war. Ich wollte wieder zurück ins Tal, vermisste meine Familie, meine Freunde. Doch je länger ich das tat, desto mehr Hass und Abscheu empfand ich meiner alten Heimat gegenüber. Wer seid ihr dort unten, dass ihr einem mächtigen Wesen wie mir vorschreibt, wovon ich mich ernähre? Wer seid ihr, mir meine Natürlichkeit zu nehmen? Ich bin seitdem weit herumgereist, immer wieder hierhin zurückgekehrt, und überall galt das Gesetz der Natur: Fressen oder gefressen werden! Ãœberall! Hörst du mich, Wölflein?“ Die Stimme des Panthers bebte bei diesen Worten vor Wut.
„Nicht bei uns! Es können alle Tiere friedlich zusammen leben! Seit unzähligen Jahren!“ Chorms Stimme hatte sich wieder etwas erholt, klang energischer. „Warum diese Entbehrungen, du sturer Wolfshund? Warum sollte man gegen seine Natur, seine Triebe ankämpfen? Warum sollte ICH dagegen ankämpfen wollen? Um Tiere zu verschonen, Leben zu lassen, die MICH aus dem Tal geworfen haben? MICH?“ Neo konnte seine Wut nicht mehr zurück halten. Er nahm Anlauf, senkte seinen mächtigen Kopf und stürmte auf den immer noch benommenen Wolf zu. Der versuchte sich aufzurichten, gerade als er sich zum Sprung bereitmachte, prallte ihm der Panther jedoch mit voller Wucht in die Seite. Chorm kam ins Straucheln, verlor das Gleichgewicht und ohne dass er irgendwas dagegen tun konnte, stürzte er den Höhlenfels hinunter, landete mit einem harten Aufprall auf dem steinigen Felsboden, durch die Wucht glitt er noch ein gutes Stück durch den steinigen Sand, ehe er zum Liegen kam. Sofort versuchte er sich zu orientieren, wollte mit seinen Vorderpfoten tasten, doch er war mittlerweile so geschwächt, dass er diese nicht mehr spürte. Lediglich seine Hinterbeine merkte er noch. Sie hingen in der Luft. Chorm war kurz davor den riesigen Abgrund hinunter zu stürzen.

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elmanu
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lg,
H.
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