Biografien & Erinnerungen
REGIE: Mein Leben - Teil 1 - Auszüge aus dem Leben eines Chaoten

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"REGIE: Mein Leben - Teil 1 - Auszüge aus dem Leben eines Chaoten"
Veröffentlicht am 10. Februar 2011, 50 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Ich verkörpere einen Menschen mit vielen Gegensätzen und unterschiedlichsten Facetten. Ich bin schüchtern und forsch. Ich bin Langweiler und Draufgänger. Ich bin traurig und zum Heulen komisch. Ich bin Stubenhocker und Party-Guy. Ich bin ein Träumer, dennoch Realist. Ich bin nass und trocken, Liebender und Geliebter, Verführer und Verführter, Dreckschwein und Sympath, Frieden und Krieg; ich bin Liebe und Hass, traurig und zum Heulen komisch. Ich ...
REGIE: Mein Leben - Teil 1 - Auszüge aus dem Leben eines Chaoten

REGIE: Mein Leben - Teil 1 - Auszüge aus dem Leben eines Chaoten

Beschreibung

Als gut gereifter 79-er Jahrgang verkörpere ich einen Menschen mit vielen Gegensätzen und unterschiedlichsten Facetten. Ich bin schüchtern und forsch. Ich bin Langweiler und Draufgänger. Ich bin traurig und zum Heulen komisch. Ich bin Stubenhocker und Party-Guy. Ich bin ein träumender Realist. Ich bin nass und trocken, Liebender und Geliebter, Verführer und Verführter, Dreckschwein und Sympath, Frieden und Krieg; ich bin Liebe und Hass, der depressive Clown. Ich hasse Kälte und Hitze - Ich bin der geduldige Choleriker. Ich frage und gebe Antwort. Nach einer unschönen, schwierigen Kindheit zog ich als Siebzehnjähriger hinaus in die große Welt. Weit weg von meiner geliebten Rabenmutter, weit weg vom kleinbürgerlichen Spießbürgertum, weg von Prügel, Verboten und Nichtbeachtung. Wollte das Leben und die Liebe kennen lernen, genießen, nachholen, was mir Zuhause stets verwehrt war. Jedoch wurde diese neu gewonnene"Freiheit" zu meinem Verhängnis und soll mit dieser Niederschrift jeden anmahnen, sein Leben nicht unbedingt nach meinen Mustern zu leben. Vor Allem für die Jugend möchte ich ein Ratgeber sein und mit manch krassen Szenen aus meinem Leben schockieren, provozieren, aber auch zum Nachdenken anregen. Diese Autobiografie handelt von 1997 bis dato und ist noch in Reinform geschrieben; d.h. unlektoriert und wenig ausgearbeitet. Neue Kapitel werden nach und nach hochgeladen.

Trennung vom Elternhaus

Kaufbeuren,  13. Mai 1997. Derzeit besuche ich die Blockschule für Maler- und Lackierer Auszubildende. Die Trennung von meiner ersten großen Liebe Steve liegt gerade knappe drei Monate zurück und ich verspüre immer noch diesen unerträglichen Schmerz in mir.

Es regnet in Strömen. Der Stadtkern ist in ein trauriges Grau gehüllt. Ich ertrage es nicht. Wie in manchen Blockschulwochen zuvor schon, hole ich mir eine Pulle Wein und treffe mich mit zwei Freunden. Wir sitzen an der Tankstelle und trinken. Immer wieder, irgendwann schwankend, hol ich Nachschub. So einiges von diesem Tag hat sich in den unendlichen Weiten meines Gehirns verloren, darum kann ich manches hier nur aus Erzählungen von Freunden und Ärzten wiedergeben.

Am nächsten Morgen wache ich in einer weißen Leinenbettwäsche auf. Helle Sonnenstrahlen dringen durch die Jalousien. Die fremde Umgebung bereitet mir Unbehagen und ich bemerke: Ein Krankenhaus. Ich fühle mich wie in einem falschen Film, reiße mir die lästigen Kabel und Schläuche vom Körper und versuche aufzustehen, als eine Krankenschwester das Zimmer betritt. „Guten Morgen! Sie haben ganz schön Glück gehabt, dass sie noch leben. Wissen Sie das?!“ sagt die mahnende Stimme der Frau. „…will eine rauchen!“ grunze ich.

Im Laufe der nächsten Stunden wird mir von Ärzten und Psychiatern klar gemacht, dass ich als Minderjähriger hier nicht einfach so weg kann. Ich befinde mich nach meinem Suizidversuch unter 4,3 Promille Alkohol zur Eigensicherung in der Psychiatrie. Von einem der obersten Stockwerke des Kaufbeurer Parkhauses sei ich gestürzt. Unter erheblichem Einfluss von Alkohol und Drogen war ich gestanden, heißt es. Dass ich das überlebt habe, grenzt fast an ein Wunder, meint der Oberarzt Herr Dr. Eckermann. Kleinere Bäume und Büsche unterhalb des Gebäudes hatten mich abgefangen und Schlimmeres verhindert.

Von den Verletzungen meines Parkhaussprungs erhole ich mich relativ bald und zwei Wochen später kommen meine Eltern zu Besuch. Es war ein Schock für sie. Vor Allem für meine Mutter, die sich sehr schnell aufregte, wenn ich wieder mal Schwierigkeiten machte. Mein Vater hingegen, der geduldige Ruhepol der Familie, hielt sich stets bedeckt, sagte nie allzu viel zu unangenehmen Themen. Aber seinen Augen sehe ich an, dass er sich heimlich für seinen Sohn schämt.

Ich bin mittlerweile auf die Therapiestation H3 verlegt. Vater und Mutter sind natürlich nicht begeistert, über das, was ich mir da geleistet hatte. Mein Ausbildungsvertrag wird auf beidseitiges Einvernehmen gelöst und auf die Frage meiner Mutter, wie es denn danach nun weitergehe mit mir, antworte ich knapp: „Ich komm nimmer heim!“ Das ist wohl für beide ein Schlag ins Genick. Ich kann es an ihren Gesichtern erkennen. „Im Juli werd' ich eh achtzehn und dann geh ich meinen eigenen Weg.“

Nach einigen Wochen habe ich mich relativ gut auf der Station eingelebt und finde mich mit dem plötzlichen, neuen Leben ab. Die Patienten sowie die Pfleger werden zu meiner Ersatzfamilie. Regelmäßig erhalte ich die weitergeleitete Post von Lars, einem drei Jahre jüngeren Jungen, der mich auf eine Kontaktanzeige im Januar anschrieb. Und immer sind ein paar Mitpatienten neugierig um mich versammelt, wenn Post von ihm kommt. So rückt auch der Tag immer näher, an dem wir uns endlich persönlich kennen lernen wollen.


Lars

Mein achtzehnter Geburtstag geht relativ unspektakulär über die Bühne. Ein paar Mitpatienten und einige Freunde aus Kaufbeuren, sowie Evelyn und ihr Freund aus meinem Heimatort sind geladen. Anders als sonstige Geburtstage zur Volljährigkeit gefeiert werden – mit Kaffee, Kuchen und Zigaretten.

Der 05. Juli bricht an, der Tag, an dem ich nach Sachsen zu Lars fahre. Die Nacht zuvor kann ich kaum schlafen, sitze nervös in den Aufenthaltsfluren umher und rauche eine Zigarette nach der anderen. Da ich nun endlich volljährig bin, kann ich meine Wochenenden selbst bestimmen.

Frohen Mutes laufe ich morgens zum Bahnhof, kaufe mir ein Wochenendticket und fahre nach München, wo ich umsteigen muss. Im Zug nach Plauen höre ich Musik und genieße den herrlichen Ausblick aus dem Zugabteil. Nach vielen Stunden Fahrt komme ich schließlich in Zwickau an. Meine Augen brennen, mein Herz rast. Ich laufe die Treppen des Bahnsteigs hinunter und da steht er. Ein bildhübscher Junge mit blauen Augen. Wir geben uns die Hand und gehen los, auf den Bus in seinen 10 km entfernten Heimatort. Lars hat noch Zeitungen auszutragen; ich helfe ihm dabei.

Während unserer Unterhaltung, unserem persönlichen Kennenlernen, erlaube ich mir einen Scherz. „Lars, ich muss Dir was sagen. Ich bin eigentlich gar nicht schwul. Ich wollte eben nur mal einen Schwulen kennen lernen, darum bin ich hier.“ Enttäuschten Blickes sieht er mich an und stammelt: „Nee, nä?“ Daraufhin nehme ich seine Hand und sage: „Hey, das war nur Spaß. Ich finde dich schrecklich süß!“ Es folgt ein langer intensiver Kuss und es stört uns nicht, als eine alte Frau an uns vorbeigeht und uns argwöhnisch mustert. Ich fühle mich wie im Himmel, mit all den Schmetterlingen im Bauch. Es ist um uns geschehen. Wir sind verliebt.

Lars muss nochmal nach Hause und verspricht, mich Abends in meiner angemieteten Pension zu besuchen. Er ist nicht geoutet und erzählt seinen Eltern, er sei bei einer Freundin über Nacht.

Das Pensionszimmer ist sehr schön ausgestattet, sogar ein Balkon mit Blick aufs schöne Erzgebirge ist dabei. Gegen Abend treffe ich mich mit Lars und wir verbringen wunderschöne Stunden mit  heißem Sex miteinander.

In den frühen Morgenstunden stehen wir auf und frühstücken bei herrlichem Sonnenschin auf dem Balkon. Anschließend geht er nach Hause um sich für seine Prüfung am Montag vorzubereiten. Auch für mich ist es an der Zeit, zurück zu fahren, denn bis Sonntagabend muss ich wieder auf der Station sein. Lars begleitet mich noch bis Plauen. Im Zug knutschen wir ungehemmt, auch wenn einige Leute gucken oder kichern; es kümmert uns nicht. In Plauen nehme ich die Anschlussbahn. Lars winkt mir nach. Berauscht von Liebe und Glück  sitze ich im Zug nach Hause, denke nur an ihn und freue mich schon auf unser nächstes Treffen.

Nur drei Tage später kommt ein Brief von ihm in dem er seine all nur erdenklichen Gefühle für mich ausdrückt. Es ist sein fünfundzwanzigster Brief in meiner Sammlung. Auch umrandete er eine „original Träne“ die ihm vor Sehnsucht nach mir auf das Blatt Papier gefallen war. Ich vermisse ihn.

München

In den folgenden Wochen können wir uns nicht sehen. Mir fehlt das nötige Geld und Lars verbringt mit seinen Eltern einen Urlaub auf Teneriffa.

Am 29. Juli '97 setze ich mich wohl endgültig über alle Grenzen hinweg. Meine Therapie sollte sechs Monate dauern, nur habe ich dazu keinen Bock mehr. Nachmittags laufe ich in die City und treffe mich mit Elli. Sie ist ein paar Jahre älter als ich, 1,85 groß und arbeitet als Model. Elli hat ihren spendablen Tag; sie lädt mich in eine Kneipe ein. Dort trinke ich einen Whisky Cola nach dem Anderen.  Irgendwann wird mir klar, dass ich in diesem Zustand nicht auf der Station auftauchen bräuchte, somit gehe ich anschließend zum Berliner Platz in einen Gay-Club und setze dort mein Saufgelage fort. Recht lustig ist es und ich amüsiere mich prächtig, bis ich irgendwann gegen zwei Uhr nachts mit einer Alkoholvergiftung auf den Damentoiletten liege.
Ein Fremder erbarmt sich meiner und fährt mich ins Bezirkskrankenhaus. Was mich dort erwartet, kann man sich denken.

Als ich meinen erheblichen Rausch ausgeschlafen habe, werde ich vor die Wahl gestellt. Drei Wochen kein Ausgang als Maßnahme und die Therapie setzt sich fort, oder Entlassung auf eigenen Willen. Ich wähle Letzteres, unterschreibe, packe meine Tasche und gehe hinaus in die große Welt.

Frei wie ein Vogel schlendere ich durch Kaufbeuren. Am Stadtbrunnen treffe ich einige Freunde und sofort hat Ramon eine Bekannte aus seiner Nachbarschaft parat, die mich sicher bei sich aufnehmen würde.

Andrea ist eine Schlampe wie sie im Buche steht. Sie ist etwa 20 Jahre alt, lebt in einem völlig verwahrlosten Appartement, das sie von ihrer Mutter bekommen hat. Die ersten Tage bin ich damit beschäftigt, etwas Ordnung in ihre Bude zu bringen. Die kleine Küche ist nicht zugänglich, denn wenn man die Tür öffnet, fällt einem zuerst eine stinkende, befleckte Matratze, anschließend Müll und allerhand Unrat entgegen. Dieses Appartement vollständig zu reinigen würde sicher einige Tage oder Wochen in Anspruch nehmen. Somit beschäftige ich mich nur mit einer groben Reinigung. Ich mach das gern.

Fast täglich kommen Kumpels zu ihr, täglich wird gekifft und Party gemacht. Das gefällt mir irgendwie. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt, in dem ich selbst bestimmen kann, wie ich meinen Tag gestalte. Frei von jedem Druck und weit weg von meiner lieben Rabenmutter.

Am 06. August schnappe ich meinen Rucksack und trampe nach Augsburg. Ich muss mal raus, was erleben. Im Walkman laufen die Soundtracks zu „Natural Born Killers“, einem Film den ich bislang noch nicht kenne.

Ich genieße den Sommertag am Augsburger Brunnen bei den Punks und lass mich voll laufen. Später ziehe ich in ein paar Schwulenlokale, in denen nicht sonderlich viel los ist. Irgendwann spät abends im Suff hab ich einen etwa gleichaltrigen, gut aussehenden Italiener an den Fersen kleben. Nachts gehen wir ins Rubenbauer am Bahnhof und setzen uns an den Tresen, trinken Bier. Dort lernen wir eine etwas verwirrte, stark angetrunkene Frau kennen. Auf ihren Wunsch hin begleiten wir sie irgendwann frühmorgens nach Hause. Sie überlässt uns ihr Bett und legt sich auf die Couch. Der italienische Junge küsst mich. Wir lieben uns und schlafen ein.

Ich wache auf. Es ist gerade Mittag und wieder ein wunderschöner Sommertag. Der italienische Junge sitzt auf dem Balkon und putzt seine Schuhe. Die Frau, die wir nach Hause begleitet hatten, sitzt zitternd am Küchentisch, neben ihr steht eine halbe Flasche Korn. Jetzt erst wird mir klar, was sie für ein Problem hat. Ich setze mich zu ihr und sie beginnt zu erzählen. „Da trink, Junge trink.“ sagt sie mit zitternder Stimme und schiebt die Flasche zu mir herüber. Ich lehne dankend ab. So früh am Morgen ein solch hartes Zeugs ist nichts für mich.
Die Frau erzählt, wie ihr Mann sie mit ihrer Tochter sitzen ließ. Aus einem einst florierenden Geschäft nahm er sich alle Anteile und verschwand ins Ausland. Sie beginnt zu weinen. „Ich bin so allein!“ schluchzt sie. Ich versuche, die Frau zu trösten.
Der Junge bedankt sich und zieht weiter. Er gibt mir eine Telefonnummer, wo ich ihn erreichen könne. „Ähm.. wie heißt du noch?“ frage ich etwas peinlich berührt. „Alessandro. Du fragen nach Alessandro.“ Die Frau Ende Dreißig bittet mich, doch einige Zeit bei ihr zu bleiben, da ich doch sowieso keine Wohnung hätte. Ich sage ihr, dass ich das Angebot gerne annehme. Jedoch wolle ich erstmal nach München fahren, etwas erleben. Augsburg ist mir doch etwas zu kleinbürgerlich und ausgestorben.

Die Frau drückt mich fest an sich, fast wie eine Mutter, weint und lässt wieder ab. „Bitte pass' auf Dich auf, Du bist ein netter Junge!“ sagt sie und drückt mir 30 Mark in die Hand. „Du ich hab noch…“ stottere ich. „Ach nimm nur! Ich leb' ganz gut mit dem was ich geerbt hab!“ erwidert sie und ich erkenne ein kleines Lächeln in ihren Augen. Ich bedanke mich und gehe.
Was für ein Tag. Schöner kann ein Sommertag nicht sein. Ich stelle mich an eine Landstraße und ich muss nicht lange warten, bis mich jemand nach München mit nimmt.

Da stehe ich nun am Münchener Hauptbahnhof mit einem Rucksack und etwa 80 Mark in der Tasche. Das muss erstmal gefeiert werden. Ich kaufe mir eine 2 Liter Flasche „Pennerglück“ (ugs. Tafelwein), setze mich auf die Galerietreppe und trinke vor mich hin, quatsche hin und wieder ein paar Leute an und verliere irgendwann die Kontrolle.

Irgendwann stehen drei junge Sanitäter um mich herum und wecken mich. Ich war wohl kurz bewusstlos durch den vielen Rotwein auf nüchternem Magen. Nach einer Infusion geht es mir schnell wieder besser und ich ziehe weiter Richtung Stachus. Auf dem Weg dorthin erlebe ich erstmal die Härten der Münchener Polizei. Sprechen mich zwei ziemlich schräge Vögel an, zeigen ihren Ausweis und filzen mich von oben bis unten. Ich komme mir vor, wie in einem falschen Krimi. Aber auch das ist schnell erledigt und ich kann meinen Fußmarsch fortsetzen.

Erding

Am Stachusbrunnen mache ich mir einen Spaß daraus, die Passanten auf Englisch zu fragen, wo das „Soul City“ sei. Ein Schwulenclub, den ich im letzten Jahr bei meinem ersten München-Trip kennen lernte. Dadurch stoße ich später auf einen 22jährigen, der mir den Weg auf Englisch sehr gut erklären kann und mir die Story vom amerikanischen Touristen abkauft. Irgendwann sage ich in bayerischem Akzent:“Ja red' halt deutsch!“ Er sieht mich verwundert an und wir müssen beide lachen.

Er heißt Micha, bis auf sein Äußeres aber ein sehr sympathischer Typ. Ihm erzähle ich bei einem gepflegten Bierchen meine Story und er bietet mir an, dass ich bei ihm wohnen könne, bis ich mich etwas gefestigt habe. Er bewohnt in einem kleinen Ort bei Erding ein schönes Appartement. Und meine erste Zeit in München beginnt.

Mein erster Monat in München verläuft sehr erlebnisreich. Fast täglich fahre ich mit der S-Bahn rein, lerne die Stadt und die Schwulenszene kennen. Jungs spreche ich meist auf der Straße an. Es ist der gewisse Kick, der mich reizt, Heteros herum zu kriegen.
Es dauert nicht lange, da werde ich bei einem meiner täglichen Streifzüge als Model entdeckt. Ich arbeite für  ein paar kleine Labels und habe nebenbei einen Job als Werbeverteiler. Ich komme recht gut aus und versaufe mein Geld bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Mit anderen Jungs, oder allein.

Meine Freizeit verbringe ich vermehrt bei einer Gruppe Punks im Marienhof. Sie scheinen Gefallen zu haben, an dem etwas verrückten Schwulen in Schlaghosen und Nadelstreifensakko und zwei mit Wachs gedrehten Hörnchen auf dem Kopf.

An einem Tag Ende August beschließe ich, Lars wieder zu sehen. Ich hatte ihn bisher erst zweimal besucht, und er kann schlecht so weit fahren ohne eine gute Ausrede. Bei Micha habe ich mich gut eingelebt, habe  Arbeit und Geld und bin ziemlich glücklich. Da ist leider noch eine Schattenseite, die mir noch nicht recht bewusst ist. Mein Alkoholkonsum. Was mir anfangs angenehm und normal erschien, wird immer regelmäßiger.

So auch während der Fahrt nach Zwickau bringe ich etwa sieben Bier und eine Flasche Sekt zusammen, die eigentlich für unser Wiedersehen bestimmt war. In Zwickau will ich nicht lange auf den Bus warten und versuche die restlichen 10 km zu trampen. Nach etwa zehn Minuten Wartezeit nimmt mich ein Typ mit, der ein paar Jahre älter ist als ich. Wir unterhalten uns sehr angeregt, auch übers Kiffen, bis er mich bittet, eine Bonbondose aus dem Handschuhfach zu nehmen und sie zu öffnen. Es befindet sich eine Art bräunliches Gras darin, welches ich zuvor noch nicht gesehen hatte. Der Fahrer meint, das sei ein Gras, was total rein haut. Wir halten an einem Waldrand und gehen ein Stück ins Dickicht zu einer Lichtung. An einem Baumstamm setzen wir uns und der Kerl baut die Tüte.
Der Flash kommt schnell und sehr heftig. Ich fange an, über den Wald zu philosophieren und der Typ lacht sich halbtot.
Anschließend fährt er mich weiter in die sächsische Kleinstadt und verabschiedet sich. Lars und ich hatten uns für 19 Uhr verabredet; ich habe noch etwas Zeit. Neben dem Taxihäuschen am Marktplatz stelle ich meine Tasche auf eine Bank, muss kotzen und verliere mein Bewusstsein.

Ich wache auf und bemerke, dass ich mich auf einem alten Canapé befinde. Eine Uhr an der Wand zeigt auf zehn. Erschrocken setze ich mich auf und sehe zwei Männer an Computern sitzen. Der eine telefoniert, ein Anderer trinkt Kaffee. „Guck mol, Dieter! Der Jong is ofjewacht!“  sagt er lachend. „Wo bin ich hier?!“ frage ich. Der Mann erklärt mir, dass ich mich in der Taxizentrale befinde. In dem Ort, wo ich ursprünglich Lars treffen sollte. „Hier haste nen Kaffee.“ sagt der Mann. „Biste draußen umjeklappt. Haste zuviel jesoffen, mei Jong!“ „Wo ist meine Tasche?“ frage ich weiter. Der Taxifahrer erklärt mir, dass da zwar eine herrenlose Tasche auf der Bank lag, sie aber nicht wussten, dass sie mir gehört. Ein Junge mit blonden, mittellangen Haaren holte sie etwa 20 Min. später ab. „Lars!“ rufe ich. „Scheiße!“ Ich erkläre den hilfsbereiten Leuten meine Situation und dass er wohl der Junge war, mit dem ich verabredet war. Sie lassen mich telefonieren und machen mir eine Pension klar. Ich bedanke mich herzlich für die Hilfe und treffe mich gegen Mitternacht mit Lars. Er hatte meine Tasche gleich erkannt und sie an sich genommen. Überall habe er mich gesucht, berichtet er. Ich erzähle ihm von meinem kleinen „Zwischenfall“. Begeistert ist er nicht davon.

Im Morgengrauen geht Lars nach Hause. Er hätte Samstag und Sonntag keine Zeit, meint er. Ich erkenne Bedrückung in seinen Augen. Traurig trete ich meine Heimreise an.

In den folgenden Wochen kommen nicht mehr so viele Briefe von Lars. Er begründet dies damit, dass er in der Schule so ungeheuren Druck hätte.

Im September lerne ich den siebzehnjährigen Sven am Hauptbahnhof kennen. Er erzählt, dass er aus der Nähe von Passau stamme und in München eine Friseurlehre beginnen möchte. Auf der Suche nach einer WG sei er auch. Ich kläre das mit Micha und Sven kann bei uns wohnen. Er gefällt mir. Zwei Male werden wir intim.

Der Briefkontakt mit Lars wird immer weniger; auch sagt er immer wieder unsere Treffen ab, was mich sehr traurig stimmt. Ich ertränke meinen Frust darüber in regelmäßigen Alkoholräuschen und irgendwann stürze ich so sehr ab, dass ich nach und nach meine Jobs verliere.

Am 03. Oktober werde ich nach einer durchzechten Nacht gegen 10 Uhr morgens bewusstlos mit 4,2 Promille im Wasser des Stachusbrunnen aufgefunden und in die Nussbaumklinik eingeliefert. Ich kann nach Aufklaren wieder nach Hause.

Eines Nachts zu Ende Oktober komme ich nach Hause und möchte aufsperren, doch der Schlüssel steckt von innen, was mich stutzig macht. Das kam noch nie vor. Es ist zu vernehmen, dass der Fernseher läuft. Ich klingle Sturm; keiner öffnet. Irgendwann hämmere ich wild an die Türe – keine Reaktion. Die Türe nebenan öffnet sich und eine Nachbarin Mitte Dreißig steckt ihren Kopf durch den Türspalt. Ich kenne sie vom Sehen im Hausflur. Sie wirkt immer recht freundlich und witzig. „Kann ich Dir irgendwie helfen?“ fragt sie während ich bemerke, dass sie im Nachthemd vor mir steht. „Ach nee..Hmm… Na, die lassen mich nimmer rein!“ gebe ich zur Antwort. Sie bietet mir an, rein zukommen, sie habe gerade einen Weißwein aufgemacht. Ich willige ein.

Sie bietet mir gleich das Du an. Sie fühle sich immer so alt, wenn sie jemand mit dem Nachnamen anspreche. Das geht mir ähnlich. Eine Seelenverwandte? Jedenfalls verstehen wir uns recht gut. Wir trinken Weißwein und unterhalten uns. Auch über die ziemlich verfahrene Situation mit meinen Mitbewohnern. Mir war zwar in letzter Zeit aufgefallen, dass Micha und Sven zunehmend komischer wurden und sich mehr und mehr zurückzogen. Auch fehlten immer wieder mal Alltagsgegenstände wie Ladegerät für meinen Anrufbeantworter, WC Papier oder eigens gekaufte Lebensmittel im Kühlschrank. Aber dass sie mich aussperren würden, wäre mir nie in den Sinn gekommen.
„Weißte was? Bleib doch einfach bei mir, bis die Sache geklärt ist, oder bis Du was Anderes gefunden hast.“ meint Silke. „Du… danke. Aber das kann ich nicht annehmen. Du kennst mich doch gar nicht!“ sage ich verwundert. „Ich kenn' Dich gut genug, dass ich weiß, dass Du in Ordnung bist. Außerdem kannst dann mal deine Kochkünste unter Beweis stellen, denn ich bin nach der Arbeit einfach zu faul dazu. Und was ist?“ Schließlich lasse ich mich überzeugen und bedanke mich.

Am nächsten Tag räumt sie mir einen Schrank frei, wo ich meine Sachen unterbringen kann. Silke mag mich wie eine große Schwester. Auch zieht sie sich abends ungeniert vor mir aus, so dass ich ihre Titten sehen kann. Sie weiß, dass ich auf Jungs stehe. Ich bin ihr „Kleener Punk“.

Am 01. November wanke ich nachts wieder einmal recht betrunken durch die Straßen. Ich vermisse Lars und ich kann nicht begreifen, warum er plötzlich keine Zeit mehr für mich hat. Ab und an ein paar knappe Worte auf Papier und das war‘s. Ich denke an unsere ewigen Telefonate, an die süßen Worte, die er mir ins Ohr geflüstert hatte.

Ich geselle mich zu ein paar Obdachlosen am Stachus und höre mir ihre Lebensgeschichten an. Für mich stehen Obdachlose schon immer auf der menschlich gleichen Schiene wie jeder Andere. Nur ist in deren Leben was falsch gelaufen. Wir singen, trinken und erzählen uns Schwänke aus unserem Leben. Gegen ein Uhr Nachts kommen Polizisten und verweisen uns  recht forsch vom Stachus-Betriebsgelände. Mit Murren und Knurren ziehen wir von dannen, finden uns aber schon recht bald wieder im Untergeschoss wieder und setzen unser Saufgelage fort.

Zwei Stunden und viele Flaschen Rotwein später tauchen die  uniformierten Störenfriede abermals auf, rufen Verstärkung herbei und zitieren uns mit martialischen Gesten zum Auto hinauf. Wir sollten uns alle einer aufwändigen Personenkontrolle unterziehen und wenn man uns dann nochmal dort sähe, würden sie uns über Nacht in Haft nehmen. Als mir einer der Polizisten meinen Rucksack mit Gewalt vom Rücken reißen will, trete ich ihm ins Schienbein und möchte mich losreißen. Zwei Andere nehmen mich in den Griff und drücken mich nach unten, wo ich mich in der Diensthose des Angreifers verbeiße, bis dieser schreiend von mir lässt. Ich reiße mich los, renne davon, quer über den Stachus. Drei Uniformierte verfolgen mich. Angst, Wut und Ausweglosigkeit ergeben in meinem Kopf eine explosive Mischung. Ich laufe direkt über die Sonnenstraße und werfe mich vor ein heranfahrendes Taxi. Dieser Stunt kostet mich einige Prellungen und Schürfwunden und eine Fahrt im Dienstwagen nach Haar, in die ansässige Psychiatrie.

Mein erster Aufenthalt in der Anstalt ist nach drei Tagen beendet. Silke hatte sich Sorgen gemacht. Zwei Wochen nach diesem Vorfall erreicht mich eine Rechnung des Taxiunternehmens, welches einen Schaden von rd. 900,00 DM anwaltlich geltend macht, da der Unfall durch meine Absicht entstand. Diese Rechnung bezahlte ich jedoch nie. Woher auch?

Peter in Dachau

Eines Nachts im November bin ich mit einem befreundeten Künstler im Kunstpark Ost unterwegs. Grimassen-Ludwig kennt man aus der Mc-Donalds Werbung, aus dem Game „Shine“ und unzähligen TV Produktionen. Er ist fast siebzig, ein verrückter und angenehmer Zeitgenosse. Der Kunstpark auf dem ehemalige Pfanni-Gelände ist ein Areal mit unzähligen Clubs und Bars, die überwiegend von Freunden der Technomusik besucht werden.
Während wir von Club zu Club schlendern und Joints rauchen, werden wir von einem Kamerateam angesprochen. Ein blonder Kameramann und der durchtrainierte, sportlich wirkende Kollege, der sich als Peter vorstellt. Sie suchen Gäste für eine Bärbel Schäfer Produktion bei RTL. Als ich erzähle, dass ich aus meiner WG flog, ist für Peter das Bild eines perfekten Studiogastes geschaffen, zum Thema – „Zieh endlich aus!“ Wir vereinbaren einen Casting Termin in Silkes Wohnung in Erding. Sven ist auch dabei. Micha nicht.
Mitte November ist es dann soweit. Sven und ich fliegen nach Köln. Am Flughafen werden wir von einem Chauffeur ins Hotel gefahren. Ein paar Stunden später holt man uns ab und fährt uns zu den RTL Studios nach Hürth-Kalscheuren.
Ich ziehe mir ein paar Flachmänner rein, um locker zu werden. Ein Gast hat eine Tüte dabei, die wir im Gästeraum rauchen. Bärbel Schäfer führt ein kurzes Vorgespräch mit uns. Es ist seltsam, jemanden vor sich zu haben, den man nur als Fernsehbild kennt.
Dann haben wir unseren Auftritt. Später wird mir das peinlich sein – jetzt ist es mir egal. Jugendsünden haben auch ihren Spaß. Außerdem bringt es 200 DM Gage. Abends nach der Aufzeichnung habe ich mit Sven nochmal richtig Spaß im Bett, obwohl wir zuvor noch verhasste Kontrahenten vor der Kamera waren. Anschließend schmeiße ich mich ins Kölner Nachtleben und lande irgendwann betrunken im Bett einer Tunte. Die Sendung wird Mitte November ausgestrahlt.

Peter, der Caster wird zu einem guten Freund. Er ist auch schwul, 33 Jahre alt und liegt daher nicht in meinem Beuteraster. Aber ich sehr wohl in seinem.  Er teilt sich mit seiner Mutter eine große Dreizimmerwohnung in Dachau und holt mich zu sich.
Die Zeit bei Peter hat gute, sowie auch schlechte Seiten. Die Schattenseite des Alkoholikers. Er tut zwar so gut wie alles für mich, ja Peter liebt mich sogar. Aber er trinkt schon nach dem Aufstehen seine Wodka-Eistee Mischung. Und gegen Abend wird er dann unerträglich. 
Gut, ich habe alles bei Peter. Brauche mich um nichts kümmern. Jedoch fühle ich mich durch seine „Liebe“ oft erdrückt. Zwischen uns kann nichts laufen; er ist mir zu alt. Ja einmal… einmal, als ich recht betrunken war, da hatte ich was mit ihm…

Oftmals muss ich abends miterleben, wie er sich mit seiner Mutter zofft, wenn sie ihm keinen Wodka rausrückt. Sie meint es wohl auch nur gut mit ihm und weiß manchmal selbst nimmer, was sie tun soll. Manchmal tut sie mir leid. Hilde, seine Mutter, ist Filialleiterin bei Norma, somit ist der Haushalt stets versorgt.

Peter führt neben seinem Casting-Job bei RTL noch eine Detektivagentur, die aber, wie ich in den folgenden Monaten merke, nur noch ein zerbrochener Traum ist. Ja es gibt viele Zeitungsartikel über ihn, über seine florierende Detektei in der Annastraße in Augsburg und den Mitgliedsausweis im BID (Bund Internationaler Detektive). Doch bekomme ich nach Durchsicht seiner Akten irgendwann heraus, dass dieses Geschäft so gut wie tot ist. Immer wieder versucht er, aufzustehen und etwas in die Hand zu nehmen. Er hat Pläne. Pläne mit mir. Ich weiß nicht recht, ob das Hand und Fuß hätte. Mehrmals versuche ich, Peter trocken zu bekommen – ohne Erfolg.

Tagsüber trinke ich selten Alkohol. Meist ab Abend beginne ich mit Glühwein oder warmem Baileys. In Dachau fühle ich mich irgendwann geborgen, fast wie Zuhause und ich fahre nur noch selten in die City. Morgens, wenn ich aufstehe, liegt da meist ein Notizzettel und eine Schachtel Davidoff an meinem Platz im Wohnzimmer: „Guten Morgen John. Die Zigaretten sind für Dich, hab Dir Kaffee gemacht… Hab Dich lieb…etc.“ Ich finde das immer sehr süß – jedoch kann und will ich jenseits der platonischen keine wirkliche Liebe für ihn empfinden.

Am 18. Dezember kommt ein Brief von Lars. Ich öffne ihn. In einem zwei  Seiten langen Text macht er unmissverständlich klar, dass Schluss ist. Dass unsere Beziehung sowieso keinen Sinn mehr hätte. Dass ihn meine Sauferei in den letzten Monaten ankotzt, usw.
Mit den Worten: „Ciao, 4 ever in my mind, Lars“ beendet er seine Zeilen. Das ist ein Schlag ins Genick. Es kommt selten vor, dass ich schon mittags Alkohol trinke, aber nun gieße ich mir von Peters Wodka ein; anschließend gehe ich mit einer Flasche Wein und meinem Walkman in die Dachauer City und betrinke mich.

Die kommenden Wochen werden nicht einfach. Das Einzige, was hilft, die Trennung besser zu verkraften, ist die Tatsache, dass ich Lars einige Monate nicht mehr gesehen hatte.

Irgendwann im Dezember schickt meine Mutter ein Fax, dass in meinem Heimatort ein Klassentreffen der neunten Jahrgangsstufe stattfindet. Ich fahre dorthin und treffe mich vorher mit Evelyn, einer ehemaligen guten Freundin und ihrem Freund und lade die beiden spontan dorthin mit ein. Der Abend verläuft ganz unterhaltsam, jedoch hatte ich nie großen Bezug zu den meisten Leuten in meiner Klasse und will ihn auch jetzt nicht haben. Für mich waren das schon immer kleinbürgerliche Bauern, ohne jeglichen Bezug zur Realität. Nach dem Klassentreffen und nachdem ich mich reichlich mit Alkohol beschenkt hatte, kann ich bei Evelyns Freund schlafen. Er ist ein Jahr älter als ich, sieht recht gut aus, und wir schlafen in einem Bett. Irgendwann stupst er mich an und fragt mich, wie das denn so sei, schwul zu sein. Gähnend antworte ich: “Probier’s aus, dann weißt es. Wie soll ich Dir das jetzt erklären…“ Und da kommt plötzlich seine Hand in die Nähe meines Intimbereichs. Dann geschieht es. Erst zögernd, dann recht aufgegeilt gebe ich mich ihm hin und erlebe abermals eine heiße Nacht mit einem vermeintlich Heterosexuellen.

An Weihnachten besuche ich meine Eltern. Das neue Jahr feiere ich mit Peter, seiner Mutter und Benny, einem hübschen Jüngeren, den ich ein paar Wochen zuvor kennen gelernt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Sex mit elf verschiedenen Jungs, darunter auch Steve und Lars, mit denen ich eine kurze Beziehung führte.

Ich schreibe Lars ab und an, weil ich mir immer noch Hoffnungen mache. Am 05. Februar 1998 kommt  dann ein Brief von ihm, der an Peter adressiert ist. Er teilt darin mit, dass er nicht mehr mit mir schreiben wolle. Und er bittet Peter, mir zu helfen, ihn zu vergessen. Abermals ein Schlag für mich, den ich nur schwer verdauen kann.

Im Februar 1998 beginne ich eine neue Lehrstelle bei einem ortsansässigen Friseur. Diese breche ich jedoch nach sechs Wochen wieder ab, weil ich nicht damit klarkomme, fremden Menschen in den Haaren herum zu fummeln. Ich habe nicht wirklich eine Perspektive.

Am 05. März gibt es Streit mit Peter, der aufgrund seines Alkoholkonsums wieder mal unerträglich wird. Ich flüchte mich in die Dachauer Innenstadt und besuche ein Musiklokal am Dachauer Bahnhof um mich etwas zu zerstreuen. Ich lerne Musiker und eine Menge netter Jungs kennen. Gegen halb zwei  Uhr nachts laufe ich ziemlich betrunken, aber auch heiter gestimmt nach Hause. Nach einigem Klingeln, öffnet mir ein stockbesoffener Peter, der mir  meine gepackten Taschen vor die Haustür wirft und schreit: „Raus!“ „Ach so ist das also, wenn Dein Geliebter nicht spurt, wie Du es gern hättest, setzt Du ihn vor die Tür?“ Peter lallt nur unverständliches Zeug, geht zurück in sein Zimmer und fällt auf sein Bett. „Raus! Verpiss Dich!“ schreit er abermals, woraufhin dann seine Mutter aus dem Schlafzimmer kommt und meint:“ Mensch Peter, du bist wieder so besoffen! Geh doch schlafen und gut is!“
Der Streit läuft zu Hochform auf. Wieder fühle ich diese grausigen Gedanken in meinem Kopf. Laufe ich in die Küche, nehme mir das größte Brotmesser aus der Schublade, gehe zurück in Peters Zimmer und meine: „OK! Ich gehe! Sieh zu!“ Im gleichen Moment setze ich an meinem linken Unterarm an und schneide mir zwei tiefe Wunden ins Fleisch – über Kreuz, damit es nur einen Sinn hat. Sofort spritzt das Blut in alle Richtungen und bevor ich mich am rechten Arm verletzen kann, verpasst mir Peter schreiend und fluchend zwei heftige Schläge ins Gesicht. Ich lande unter dem Schreibtisch, blute vor mich hin und bekomme irgendwann fast nichts mehr von dem Zirkus mit, der sich im Hintergrund abspielt.

Im Dachauer Kreiskrankenhaus komme ich zu mir, die Wunde ist genäht. Anschließend werde ich wieder mal in die Psychiatrie nach Haar verfrachtet. Für eine Woche. Ich muss lange Zeit eine Gipsschiene tragen, da ich auch die Sehnen durchtrennt hatte.
Peter besucht mich sehr oft und holt mich bei meiner Entlassung ab. Er hat Schuldgefühle wegen des Vorfalls und er macht endlich eine medikamentöse Entgiftung.
Und so sitzen wir eines Abends zu dritt da und sehen fern, als Peter plötzlich merkwürdige Grimassen macht und den Kopf hin und her bewegt. Ich will erst lachen, da ich meine, er mache nur einen Scherz, da wird mir bewusst, dass er wohl einen Krampfanfall hat. Der Anfall ist sehr heftig, Peter fliegt mit einem Satz aus dem Sessel. Seine Mutter reagiert sehr hysterisch und ich versuche indessen, ihm ein Feuerzeug zwischen das obere und untere Gebiss zu stecken, damit er sich nicht die Zunge abbeißt oder verschluckt. Wir rufen den Notarzt und Peter kommt etwas zu sich. Er scheint sehr benommen und kann kaum gehen. Ich bin schockiert, zum ersten Mal zu sehen, was bei einem Alkoholentzug geschehen kann. Der Notarzt bringt ihn ins Kreiskrankenhaus Dachau, wo ich ihn am nächsten Tag abhole. Peter hat nun Angst vor einer erneuten Entwöhnung und trinkt wieder heimlich. Mittlerweile kenne ich seine Alkoholverstecke schon.

Peter möchte sein Verhalten wieder gut machen und schenkt uns eine einwöchige Reise nach Mallorca. Am 01. April fliegen wir und lernen im Flugzeug ein Männerpaar um die Vierzig aus dem Ruhrgebiet kennen. Ich wette mit Peter, dass die Beiden schwul sind. „Die Beiden? Glaub nicht an so einen Zufall. Dann sitzen die auch noch vor uns.“ meint Peter. „Tja, Gay-Business-Class! rufe ich lachend und schenke mir noch Rotwein nach um mich locker für meinen ersten Flug zu machen.

Augsburg

Auf Mallorca angekommen, begutachten wir erstmal unser Hotelzimmer und machen uns dann auf den Weg ins spanische Nachtleben. Die Schachtel Zigaretten kostet rund eine Mark, der Alkohol ist auch fast geschenkt und so fröne ich fast täglich meiner Leidenschaft – Saufen. Auch mein reges Sexleben kommt nicht zu kurz. Die Insel hat jede Menge schöner Jungs, die Abends in den Strandbars herum sitzen und anscheinend nur darauf warten, von mir beglückt zu werden. Nach einer Woche Party, Strand und Jungs kommen wir recht verkatert zurück und brauchen erstmal Urlaub vom Urlaub.

Ein paar Tage nach unserer Rückkehr läutet das Schicksal eine neuen neuen Lebensabschnitt ein. Es gibt es wieder einen üblen Krach. Ich komme mit Peters Sauferei und seiner sinnlosen Eifersucht nicht mehr klar. Immer wenn er betrunken ist, kann oder will er nicht verstehen, dass ich für ihn niemals die Liebe empfinden kann, die er für mich empfindet. Wieder einmal kommt der Satz: „Verpiss Dich!“ Und ich gehe. Wortlos verlasse ich das Haus, die Stadt und fahre mit der S Bahn nach München. Endlich, nach einem halben Jahr fühle ich mich wieder frei wie ein Vogel. Weg von diesem immer trinkenden und eifersüchtigen Menschen.

In dieser Zeit lerne ich den siebzehnjährigen Martin kennen und bin oft mit ihm zusammen. Nur zu Peter bringe ich ihn nie mit, da ich genau weiß zu was das führen würde.
So schlendere ich durch die Stadt und besuche das S.U.B. in der Müllerstraße (schwuler Szenetreff, Kommunikationszentrum für schwule Jugendliche) und trinke Wein. Ein ca. 40jähriger Mann spricht mich an. Er stellt sich als Robert vor. Wir führen ein sehr langes Gespräch. Daraufhin bietet er mir an, ich könne in seinem Grafikstudio arbeiten und lernen und wenn er sähe, dass das klappt, könne ich seine zweite Eigentumswohnung in Augsburg-Neusäß beziehen. In dieser Zeit komme ich zum ersten Mal ins Grübeln, warum es das Leben wohl immer so gut mit mir meint. Fliege ich wo raus, ergibt sich durch Zufall sofort wieder eine Gelegenheit, Boden unter den Füßen zu bekommen.

So beziehe ich dann ende April eine Luxus – Penthouse Wohnung mit großem Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern, Küche, Bad, Wintergarten und Dachterrasse und fahre täglich mit dem Zug nach München in die Arbeit. Ein neuer Abschnitt beginnt für mich. Nun lerne ich, was es bedeutet, Geld zu haben. Arbeit und Einkünfte habe ich genug.

Ich lerne den Umgang mit Mac, Quark Xpress und anderen diversen Grafikprogrammen. In der Freizeit absolviere ich regelmäßig ein Judo Training, was mir recht viel Spaß macht.
Jedoch hat dieses recht stressige Leben auch Schattenseiten. Vermehrt komme ich in den Genuss von hochprozentigem Alkohol. Fast schon regelmäßig trinke ich nach der Arbeit im Zug jede Menge Rum mit Cola. An den Wochenenden feiere ich rauschende Partys mit fremden Jungs in der Wohnung. Martin zieht irgendwann vorübergehend zu mir. Diese Beziehung hält jedoch nicht lange, als ich bemerke, dass der Junge einen gehörigen Schaden hat.

Ich lerne dann bald darauf Alex kennen, der genauso alt ist  wie ich. Er ist Student und hat ein kleines Zimmer in Schwabing. Mit ihm führe ich mehr oder weniger eine heiße Liaison. Öfter schlafe ich bei ihm, um dann mehr Zeit zu haben, wenn ich morgens zur Arbeit muss.

Vermehrt geht es mir morgens schlecht, wenn ich zur Arbeit erscheine. Das liegt an meinen abendlichen Räuschen. Häufig genehmige ich mir dann vor oder während der Arbeit kleine Schnäpse, und meinem Kreislauf geht es dann schnell besser. Robert, mein Arbeitgeber bemerkt nie etwas davon.

Eines Sonntags im Juli hänge ich am Augsburger Bahnhof herum und lerne den sechzehnjährigen Johannes kennen. Eine Woche später besucht er mich und wir haben Sex. Schon bald ist er regelmäßig bei mir.
Eines Abends ist wieder eine rauschende Party im Gange, da klingelt es an der Türe Sturm. Polizisten stehen vor der Türe und drängen mich, sie einzulassen. Sie suchen nach Johannes. Er sei aus einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche abgehauen und nicht zurückgekehrt. Sie nehmen ihn mit. Nicht nur ihn. Auch eine ungeladene Waffe, die nicht angemeldet ist, finden sie durch Zufall. Das ergibt eine Anzeige.

Eines Nachts trinke ich so dermaßen viel, dass ich mich nicht in der Lage fühle, nach München zu fahren. Mein Rausch geht bis in die Morgenstunden. Stockbesoffen rufe ich Robert an, dass ich nicht zur Arbeit komme. Er schimpft. Auch er hatte mittlerweile meine Probleme im Umgang mit Alkohol mitbekommen. In absolutem Rausch gehe ich zu einer Arztpraxis, die gleich um die Ecke ist und will  einen HIV Test machen. Doch aufgrund meines Rausches werde ich abgewiesen. Laut fluchend und schimpfend verlasse ich die Praxis, falle seitwärts die Treppen hinunter, wobei ich eine sehr große Topfpflanze ins Rollen bringe, die dann mit mir den Abgang nach unten macht. Das schwere Tongefäß kracht durch die Glasfront des Treppenhauses und fällt mit lautem Getöse auf die Straße. Da hab ich was angerichtet. Zum Glück falle ich nicht auch durch die Glasfront, sondern bleibe am letzten Treppenabsatz liegen. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Der Arzt und die Helferinnen eilen aus der Praxis und schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, als sie das sehen. Sehr schnell sind  auch die Polizei und der Notarzt zur Stelle. Ich bekomme davon nimmer viel mit und werde ins Klinikum Augsburg-Steppach gebracht. Zwei Brüche an Ellenbogen und dem linken Bein sowie mehrere schwere Prellungen hatte ich mir bei dem Treppensturz zugezogen. Verletzt wurde zum Glück niemand, als das Tongefäß mit der Palme auf die Straße krachte. Nach einer Woche kann ich entlassen werden und habe eine weitere Rechnung über einen Sachschaden von knapp 3000,00 DM und eine Anzeige im Haus.

Robert erfährt irgendwann von Beschwerden der Hausbewohner und den Vorkommnissen mit der Polizei und ist sehr verärgert. Er kündigt mir fristlos die Wohnung und ich muss mir etwas Anderes suchen.
Im August beziehe ich dann eine kleine Dachgeschosswohnung in Garching. Regelmäßig bin ich in der Szene unterwegs, lerne sehr viele Leute kennen, habe viele, wechselnde Geschlechtspartner, die meist jünger als ich sind.

Irgendwann hänge ich nur noch betrunken in Szenekneipen rum. Ich bin begehrt bei den Männern und lasse mich aushalten. Zur Arbeit erscheine ich nicht mehr. Robert schreibt mehrere SMS, dass ich zur Arbeit kommen solle, ansonsten kündige er auch das Arbeitsverhältnis. Es ist mir alles egal. Ich lasse mich lieber als Schönling feiern und genieße das Herumhängen in den Lokalen. Im September dann verliere ich auch noch meine Wohnung in Garching.

CLIFFHANGER

Das waren nun anderthalb Jahre meines Lebens. Wenn ihr interessiert seid, wie es weiter geht, stelle ich auch folgende Teile ein. Ich kann schon jetzt versprechen; es wird noch viel, viel turbulenter...

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Über den Autor

Contrapunctus
Ich verkörpere einen Menschen mit vielen Gegensätzen und unterschiedlichsten Facetten. Ich bin schüchtern und forsch. Ich bin Langweiler und Draufgänger. Ich bin traurig und zum Heulen komisch. Ich bin Stubenhocker und Party-Guy. Ich bin ein Träumer, dennoch Realist. Ich bin nass und trocken, Liebender und Geliebter, Verführer und Verführter, Dreckschwein und Sympath, Frieden und Krieg; ich bin Liebe und Hass, traurig und zum Heulen komisch. Ich hasse Kälte und Hitze - Ich bin der geduldige Choleriker. Ich frage und gebe Antwort. Eine interessante Mischung, die stets darauf wartet, gezündet zu werden.

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