Biografien & Erinnerungen
Martin der Pfarrer, und ich

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"Martin der Pfarrer, und ich"
Veröffentlicht am 16. Dezember 2006, 184 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Martin der Pfarrer, und ich

Martin der Pfarrer, und ich

Beschreibung

Mit der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden eine leidenschaftliche Beziehung, welche in Chaos endet.Namen und Orte der beteidigten Personen wurden geändert.

Wie alles begann

In der Waldorfschule müssen meine Kinder einen christlichen Hauch mitbekommen haben. Was ich persönlich nicht besonderst gut fand. Ich selbst war zwar getauft und ging als Kind regelmäßig zum Konfirmandenunterricht. Meine Eltern waren damals in der Partei und so durfte ich nicht an der Konfirmation teilnehmen. Mit dem 18. Lebensjahr wurde ich Kirchenmitglied und bezahlte regelmäßig meine Kirchsteuer. Selbst als ich einen Berufssoldaten heiratet, konnte nichts mich dazu bewegen aus der Kirche auszutreten. Das Thema Kirche erledigte sich für mich als ich 23. Jahre war. Unser erstes Kind war kurz nach der Geburt verstorben und, anstatt Trost vom damaligen Pfarrer zubekommen bekam ich zur Antwort, weil Gott mich liebt hat er mir das liebste genommen. Ich war der Meinung, das sein Gott dann nicht mein Gott sein kann. Fuhr am nächsten Tag zum Amtsgericht und trat aus der Kirche aus. Von da an, war das Thema Kirche für mich erledigt. Ich habe nie wieder eine Kirche betreten. Ende der Ferien kam unser Sohn Jochen auf die Idee, dass ich mit ihm zum Pfarrer soll. Ich sollte ihn zum Konfirmandenunterricht anmelden. Ich musste mich erst einmal erkundigen, wie der Pfarrer hieß und wo er wohnte. Ich fuhr mit Jochen zum Nachbarort, wo der Pfarrer wohnte. Jochen klingelte, aber nichts passierte. Ich wollte schon gehen, als Jochen sagte: „ Sein Auto steht unten. Er muss zu Hause sein.“ Verwundert fragte ich: „Woher kennst du das Auto des Pfarrers?“ „Der kommt damit immer zum Gottesdienst, wo ich manchmal hingehe“, sagte Jochen kleinlaut. Bevor ich noch etwas sagen konnte, ging plötzlich die Tür auf. Vor mir stand ein etwas älterer, großer, sonnengebräunter Mann, mit kurzem schwarzen Haar. Der Mann war nur mit einem Handtuch bekleidet. Ich sah vor Schreck noch einmal auf den Klingelknopf. Ich dachte, das kann doch unmöglich der Pfarrer sein. Ich war wie von den Socken. Vom Pfarrer hatte ich eine andere Vorstellung. Er muss mir mein Entsetzen angesehen haben und sagte prompt: „Das ist heute so heiß. Ich musste erst einmal duschen. Kommen sie doch erst einmal herein.“ Er schob uns in sein Arbeitszimmer, wo wir Platz nehmen sollten. Er zog sich schnell einen Bademantel über. Er fragte: „Was kann ich für sie tun?“ Ich antwortete: „Ich möchte mein Kind zum Konfirmandenunterricht anmelden. Ich bin aber nicht in der Kirche. Geht das trotzdem?“ Der Pfarrer sah Jochen an und sagte: „Du bist doch der kleine der immer zum Gottesdienst kommt. Ja, natürlich geht das. Ich musste die Adresse von Jochen hinterlassen. Der Pfarrer wollte eine Einladung zum Konfirmandenunterricht schicken. Ich bedankte mich und fuhr mit Jochen nach Hause. Als der Konfirmandenunterricht begann, hatte der Pfarrer vergessen Jochen einzuladen. Worüber Jochen sehr traurig war. Er ging dann ohne Einladung zum Konfirmandenunterricht. Obwohl Jochen nun regelmäßig zum Vorkonfirmandenunterricht ging und sogar deinen jüngeren Bruder Konrad mitnahm konnte mich nichts bewegen Sonntags mit den Kindern in den Gottesdienst zugehen. Da der Vorkonfirmandenunterricht und der Gottesdienst im Nachbarort stattfanden brachte ich die beiden immer mit dem Auto hin und wartete dann auch, solange im Auto. Der Pfarrer grüßte vom weiten. Ich wechselte mit ihm kein Wort.

Die Ehekrise


Im September waren die Kinder über das Wochenende bei ihren Freunden. Mein Mann kam auf die Idee, mal ohne die Kinder zu verreisen. Wir wollten für drei Tage in die Tschechei fahren. Aber so ganz alleine waren wir nicht. Seine Arbeitskollegin kam mit ihrem Freund mit. Wir fuhren mit einem Auto. Das Wochenende war für mich der Horror. Ich fühlte mich wie das dritte Rad am Wagen. Als das Geld der Kollegin alle war, war ich wieder gut genug. Ich durfte ihr was geben, was sie mir bis heute noch schuldet. Nichts ging ohne sie. Selbst abends hatte sie stundenlang in unserem Hotelzimmer gesessen, oder hatte sich irgend einen Vorwand ausgedacht, um in der Nähe meines Mannes zu sein. Wir waren Mittagessen und ich bestellte mir eine Portion Gulasch. Der Gulasch sah sehr lecker aus und es war eine Riesenportion. Ich hatte gerade die ersten Happen im Mund, als mein Mann zu mir sagte: „Das willst du doch wohl nicht alles essen? Du bist Fett genug!“ Ich sagte nichts auf seine Äußerungen und seine Kollegin grinste mich frech an. Jetzt erst Recht, dachte ich und aß den Gulasch auf. Ich war fertig mit Essen und musste schleunigst zur Toilette, wo ich den Gulasch wieder erbrach. Dann ging es von vorne los. Ich konnte essen und musste mich anschließend übergeben. Mein Mann nörgelte ständig an mir rum. Er hatte ständig etwas an mir auszusetzen. Mal haben ihm die Schuhe nicht gefallen, ein anderes mal waren es die Haare, die zu lang waren oder zu kurz, oder die Haarfarbe hat ihm nicht gepasst. Ständig sagte er zu mir, ich sehe alt aus und habe Falten im Gesicht. Manchmal kam morgens schon der Spruch, ob ich schon in den Spiegel gesehen habe. Ich dachte der Kurzurlaub frischt ein bisschen unsere Ehe auf, aber genau das Gegenteil trat ein. Ich hatte die Nase voll.
Mein Mann hatte am Montag nach dem Kurzurlaub Spätdienst. Die Kinder waren beide zum Geburtstag und blieben über Nacht bei ihrem Freund. Bevor mein Mann zur Arbeit gegangen ist, machte er mich mit Worten mal wieder nieder. Ich hielt nicht meinen Mund und konterte zurück. Das war mein Mann nicht gewöhnt von mir. Ich war immer die jenige, die klein bei gegeben hatte. Aber das war jetzt vorbei. Ich wollte nicht mehr so weiterleben. Der Höhepunkt war, als er mir den Autoschlüssel für mein Auto weg nahm. Er war der Meinung ich soll mir eine Arbeit suchen, wo ich mehr Geld verdiene. Bis jetzt bezahlt er den Sprit für mein Auto. Also kann er entscheiden, ob ich damit fahre oder nicht. Er nahm die Autoschlüssel mit zur Arbeit. Ich hatte einen Zweitschlüssel, aber mein Stolz hielt mich davon ab mit dem Auto zu fahren. Das passierte öfters mal, dass er mir den Autoschlüssel wegnahm. Ich hatte beschlossen ihn zu verlassen. Ich rief Johannes in seiner Praxis an. Seine Sprechstundenschwester erklärte mir, dass Johannes seit dem Mittag schon frei hatte. Darauf hin, rief ich ihn auf dem Handy an. Ich habe Johannes gefragt ob er für mich Zeit hätte. Johannes sagte sofort: „Ja. Du kannst gegen 18.00 Uhr, zu mir nach Hause kommen. Wenn ich noch nicht da bin, warte bitte.“ Ich fragte Johannes: „Wo bist du eigentlich?“ „Na zu Hause“, sagte Johannes. Irgendwie, war ich total durch den Wind. Ich habe mich um 15.30 Uhr auf mein Fahrrad gesetzt und fuhr zu Johannes nach Hause. Als ich vor seiner Tür ankam sah ich auf die Uhr. Ich musste feststellen, es war erst kurz vor 16.00 Uhr. Ich hatte mich um zwei Stunden vertan. Ich sah Johannes sein Auto vor der Tür stehen, dachte er muss ja da sein und klingelte. Am anderen Ende der Wechselsprechanlage meldete sich seine Frau. Ich sagte kurz meinen Namen, und dass ich zu Johannes will. Ich dachte gleich legt sie los und beschimpft mich aufs Übelste. Aber nichts dergleichen geschah. Fast überfreundlich sagte sie: „Ich drücke.“ Sie betätigte den Summer und ich öffnete die Tür und ging zum Haus. Als ich am Haus war öffnete sie die Eingangstür. Sie gab mir die Hand und sagte freundlich: „Sie wollen zu meinem Mann?“ „Mm“, sagte ich. „Er ist unten im Arbeitszimmer. Den Weg kennen sie ja. Ach, um was ich sie noch bitten möchte, seien sie leise und rufen sie ihn vorher nicht. Er wird schlafen und ich möchte nicht, das er sich erschreckt. Gehen sie einfach rein. Er weiß ja, dass sie kommen.“ Im stillen dachte ich, man ist die Frau fürsorglich. Von dieser Seite hatte ich sie noch nicht kennensgelernt. Ich ging zu seinem Arbeitszimmer, machte die Tür auf und sah Johannes mit einem mir unbekannten Mann. Johannes saß auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch und der mir unbekannte Mann kniete vor Johannes. Von ihm sah ich nur den Kopf. Johannes saß mit freiem Oberkörper auf den Stuhl. Mehr sah ich nicht, weil der Schreibtisch davor stand. Dieser war von meiner Seite aus geschlossen. Ich stand in der Tür, dachte mir meinen Teil und brachte kein Wort heraus. Beide waren so mit sich beschäftigt, dass sie mich nicht kommen hörten. Meine Beine waren wie Blei. Ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen und brachte noch immer kein Wort heraus. Ich war total schockiert. Irgendwann musste Johannes mich bemerkt haben und er sagte zu mir: „Lass es dir erklären. Es sieht anders aus als es ist.“ Da erst gehorchten mir meine Sinne wieder und ich schrie ihn an: „Du brauchst mir nichts mehr erklären. Was ich gesehen habe reicht mir. Für dich wollte ich meinen Mann verlassen.“ Ich rannte weg. Ich hörte noch wie Johannes hinter mir herrief: „Warte doch.“ Ich wollte da weg. Einfach nur weg. Als ich von unten hoch kam, stand Johannes seine Frau in der Haustür. Sie hatte die Haustür schon geöffnet und hielt mich beim vorbeirennen am Arm fest. Sie lachte mich an und sagte: „Na, endlich von ihm kuriert?“ Ich antwortete ihr nicht. Ich schnappte mir mein Fahrrad und wollte nach Hause fahren. Ich wollte hier weg. Einfach nur weg. Mir liefen die Tränen über das Gesicht. Ich habe das alles nicht verstanden. Warum ausgerechnet Johannes? Für mich brach eine Welt zusammen. Ich wollte meinen Mann für ihn verlassen und nun musste ich so etwas sehen. Ohne nach rechts oder links zu sehen, geschweige denn auf den Verkehr zu achten, fuhr ich mit meinem Fahrrad drauflos. Meine Gedanken kreisten immer noch um das eben Erlebte. Durch ein lautes quietschen von Bremsen wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Jemand brüllte mich an: „Wo haben sie ihre Gedanken? Können sie nicht nach rechts und links sehen. Sie sind mir direkt vor das Auto gefahren.“ Völlig erschrocken sah ich hoch. Der Autofahrer war inzwischen aus seinem Auto gestiegen. Jemand sagte zu mir: „Um Himmelswillen, das sind ja sie. Wie sehen sie denn aus! Ist irgendwas Schlimmes passiert?“ Es war der Pfarrer. Ich hatte ihm vor seiner Haustür die Vorfahrt genommen. Bevor ich auf seine Frage antworten konnte nahm er mein Fahrrad und schob mich von der Straße. Immer noch brachte ich kein Wort heraus. Ich stand, da wie angewurzelt. Der Pfarrer fuhr sein Auto von der Straße und kam zu mir zurück. Er fragte noch einmal: „Was ist denn bloß passiert? So durch den Wind wie heute habe ich sie ja noch gar nicht erlebt. So durcheinander wie sie sind, kann ich sie nicht weiterfahren lassen. Ich nehme sie jetzt mit zu mir nach oben. Wenn sie möchten können sie mir erzählen was passiert ist.“ Er nahm mich am Arm und zog mich mit in seine Wohnung. Er brachte mich in sein Wohnzimmer und ging in die Küche um Kaffee zu kochen. Als er mit dem Kaffee zurück kam, sagte der Pfarrer: „Wenn ich gewusst hätte, dass sie heute schon kommen, hätte ich noch einen Kuchen gebacken.“ Ich heulte immer noch und konnte mich einfach nicht beruhigen. Außer Schluchzen brachte ich kein Wort heraus. Etwa nach einer Stunde hatte ich mich ein bisschen beruhigt. Der Pfarrer sagte: „Einfach mal raus damit. Wenn man seinen Kummer einmal ausgesprochen hat, ist manches einfacher.“ Da fing ich richtig an zu heulen. Irgendwann fing ich an zu erzählen, was mir gerade passiert war. Der Pfarrer hörte aufmerksam zu, stand auf und holte mir ein Paket Taschentücher. Die gab er mir mit den Worten gegeben: „Die saugen zwar nicht den Kummer auf, aber sie trocknen die Tränen.“ Ich trocknete mir meine Tränen ab und saß da, wie ein Häufchenelend. Der Pfarrer setzte sich neben mich und sagte: „Schöne Scheiße! Aber mit dem Leben ist es wie mit einer Pralinenschachtel. Da weiß man auch erst was drin ist, wenn man sie öffnet.“ Ich habe den Satz damals nicht verstanden. Nachdem ich mir meinen Kummer von der Seele gesprochen hatte, ging es mir besser. Den einzigen Kommentar den der Pfarrer dazu gab war: „Vielleicht sind sie vor etwas weggerannt, wofür es eine simple Erklärung für gibt.“ Wutentbrannt sagte ich zum Pfarrer: „Ich will diesen Scheißkerl nicht wiedersehen. Dieses Mal ist er für mich gestorben. Und wenn er mir noch fünf mal das Leben rettet. Der Pfarrer sah mich entsetzt an und sagte leise: „Ich kann ihre Wut verstehen, aber es ist schwer, ein einmal ausgesprochenes Wort zurück zunehmen.“ Da wurde ich richtig trotzig. Ich sagte: „Ich hab doch Recht! Oder was hätten sie an meiner Stelle gemacht?“ Der Pfarrer antwortete zurück: „Was ich gemacht hätte, ist hier nicht ausschlaggebend. Ihr Problem liegt viel tiefer.“ Ich kochte vor Wut. Am liebsten hätte ich den Herrn Pfarrer in der Luft zerrissen. Ich ärgerte mich über mich selbst und darüber, dass ich ihm alles brüh warm erzählt hatte. Ich hatte keine Lust mich von ihm belehren zulassen. Für mich stand fest, Männer halten zusammen. Ich stand auf, bedankte mich für den Kaffee und fuhr nach Hause. Zu Hause habe ich meinen Kummer ertränkt. Ich drehte mir eine Flasche Lambrusco rein. Am anderen Morgen hatte ich fürchterliche Kopfschmerzen. Mein Mann gab mir die Autoschlüssel wieder und die Welt sah schon etwas besser aus.
Johannes rief mich am anderen Tag auf Arbeit an. Er bat mich um eine Aussprache. Ich lehnte ab und sülzte ihn noch etwas voll. Dann legte er den Hörer auf. Das empfand ich als Frechheit. Ich kam mir vor, als hätte ich etwas verbrochen. Ich wählte seine Nummer und er ging gleich ran. Dann schrie ich durchs Telefon: „Wenn hier jemand den Hörer auflegt und das Gespräch beendet, dann bin ich das“, und legte den Hörer wieder auf. Ich wusste, dass sich Johannes darüber ärgerte. Das wollte ich auch erreichen. Kurze Zeit später klingelte mein Telefon. Johannes war am anderen Ende und schrie durchs Telefon: „Was bildest du dir eigentlich ein? Was denkst du wen du vor dir hast?“ „Den letzten Arsch. Einfach einen alten Mann, der wahrscheinlich in einer Lebenskrise steckt“, schrie ich zurück. Auf der anderen Seite wurde es still. Johannes sagte nur noch: „Lass es dir doch erklären.“ Ich sagte noch: „Ich will einfach deine Lügen nicht mehr hören. Sonst glaub ich irgendwann, dass du mich wirklich liebst.“ Prompt kam von ihm zurück: „Mach ich auch. Ich werde alles dafür tun, damit du mir glaubst. Du weißt doch, ich kann warten.“ Ich legte den Hörer auf ohne darauf zuantworten. Ich hatte erst einmal meine Genugtuung. Ich wusste, Johannes wird sich darüber noch tagelang ärgern. Kaum waren zehn Minuten vergangen klingelte mein Telefon wieder. Es war Johannes der am anderen Ende der Telefonleitung vor Wut kochte und durch den Hörer schrie: „So kannst du mit mir nicht umgehen. Lass uns reden.“ Ich antwortete kurz: „Und ob ich das kann“, und legte den Hörer auf. Johannes wurde jetzt für mich berechenbar. Von nun an konnte ich voraussehen, wie er reagiert. Danach klingelte das Telefon noch oft. Ich ging aber nicht ran.

Ein schlechtes Gewissen

Im Januar hatte ich eine Gallen Operation an der ich fast gestorben wäre. Ich hatte Glück das Johannes meine erste Liebe als Arzt im Krankenhaus arbeitete. Wäre er nicht gewesen hätte ich die OP nicht überlebt. Ich war damals mit ihm im bösen auseinandergegangen. Jetzt hatte er mir das Leben gerettet.
Ab März habe ich meine Kinder wieder regelmäßig zur Waldorfschule gefahren und dort wieder ehrenamtlich gearbeitet. Sonst habe ich die Jungs nur zum Konfirmandenunterricht gebracht und abgeholt aber nach diesem Vorfall im Krankenhaus, ging ich mit Jochen manchmal sonntags in den Gottesdienst. Jochen freute sich darüber sehr. Selbst Konrad kam oft mit. Ich habe mich mit Johannes alle zwei Wochen zum Essen verabredet. Am vorletzten Märzwochenende rief mich ein alter Schulfreund an. Er hatte am Ersten April Geburtstag und wir waren eingeladen. An diesem Samstag als er anrief fragte er mich, ob er bei mir vorbeikommen kann. Ich sagte ja. Kurze Zeit später rief mich Johannes an. Er wollte mit mir Essen gehen. Ich sagte Johannes das geht nicht ein Schulfreund kommt. Johannes ließ nicht locker und überredete mich so lange, bis ich zusagte. Ich rief meinen Schulfreund an und sagte ihm, dass ich mich nicht fühle. Er solle morgen Mittag zum Essen kommen. Ich merkte, dass mein Schulfreund enttäuscht war. Ich hatte das Gefühl, er wollte mir etwas Wichtiges sagen. Ich hatte aber keine Lust, irgendwelchen seelischen Müll auf mich zu Laden. So ging ich an diesem Abend mit Johannes essen. Kurz vor Mitternacht brachte mich Johannes nach Hause. Als ich ins Wohnzimmer kam, klingelte das Telfon. Johannes war gleich wieder los gefahren. Er konnte der Anrufer nicht sein. Ich vermutete meinen Schulfreund. Ich hatte einfach keine Lust mehr mit ihm zu sprechen. Ich nahm den Hörer nicht ab und ging ins Bett. Am nächsten Mittag wartete ich vergebens auf Andreas. Ich rief ihn an aber Andreas ging nicht ans Telefon. Jetzt war ich ein bisschen verärgert. Ich rief Andreas Mutti an und fragte ob er bei ihr sei.. Gerda wunderte sich das Andreas nicht bei mir war. Sie wollte gleich mal in seine Wohnung gehen und sehen, wo er bleibt. 20 Minuten später klingelte es an der Haustür. Es war die Mutter von meinem Schulfreund. Sie sah fürchterlich aus und weinte bitterlich. Als ich sie sah, hatte ich ein ungutes Gefühl. Sie sagte: „Ich habe Andreas tot in seiner Wohnung gefunden.“ Ich war wie geplättet. Plötzlich bekam ich ein schlechtes Gewissen und machte mir Vorwürfe. Ich rief die Polizei und den Notarzt und fuhr mit ihr in die Wohnung von Andreas. Ich werde den Anblick nie vergessen wie Andreas dalag in der Hand hatte er noch den Telefonhörer. Als die Polizei die Widerwahltaste am Telefon drückte nahm am anderen Ende Mein Mann das Telefon ab. Es war Andreas der mich nachts angerufen hatte. Dauernd dachte ich, hättest du den Hörer abgenommen, wäre das vielleicht nicht passiert. Der Todeszeitpunkt war kurz nach Mitternacht. Kurz nach dem, das Telefon bei mir klingelte. Die Todesursache war eine Lungenembolie. Ich konnte mit niemandem darüber reden. Mein schlechtes Gewissen plagte mich. Das letzte was ich Andreas sagte war eine Lüge. Das schlimmste daran was ich konnte sie nie mehr zurücknehmen. Ich hoffte, mit der Beerdigung ist auch mein schlechtes Gewissen weg. Das war aber nicht so. Es wurde nach der Beerdigung noch schlimmer. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen und sah ihn immer vor mir. Richtig essen konnte ich auch nicht mehr. Ich nahm in dieser Zeit etliche Kilo ab. Weder mein Mann, noch Johannes bemerkten etwas. Es kam hinzu, dass mein Mann von seiner neuen Kollegin in den höchsten Tönen schwärmte. Jedes zweite Wort war ihr Name. Sie kam zu uns nach Hause und freundete sich mit unsere Kinder an. Selbst meine Kinder fingen an sie zu vergöttern. Wenn ich dieses Thema ihnen gegenüber ansprach, habe ich angeblich immer alles zu eng und verbissen gesehen. Es war, als ob sie dazu gehörte. Sie brachte sogar ihre Klamotten zum nähen mit. Wenn Madam etwas Besonderes essen wollte, musste ich es kochen. Meine Ehe funktionierte nicht mehr so, wie sie sollte. Plötzlich war ich immer die Böse und sie die Gute. Alles was ich tat, war falsch. Ich versuchte das Johannes zu erzählen, musste aber feststellen, auch er hatte nicht zugehört.
Ende Mai brachte ich Jochen zum Konfirmandenunterricht. Als ich ihn abholte sagte Jochen zu mir: „Mutti warte mal, der Pfarrer möchte mit dir reden.“ Ich wunderte mich darüber, denn ich hatte nie ein Wort mit ihm gewechselt. Außer, als ich Jochen angemeldet hatte. Ich habe gewartet und es dauerte auch nicht lange, bis der Pfarrer kam. Er sagte zu mir: „Seit einiger Zeit ist mir aufgefallen, dass sie sehr schlecht aussehen. Es würde ihnen sicherlich gut tun, mit jemandem zu reden. Ich habe als Pfarrer Schweigepflicht. Außerdem habe ich gerade frischen Apfelkuchen gebacken und bei einer Tasse Kaffee lässt es sich besser reden.“ Er gab mir seine neue Adresse, da er inzwischen umgezogen war. Der Pfarrer sah mir an, dass ich sehr skeptisch schaute und sagte: „Kommen sie in einer Stunde zu mir, dann habe ich Zeit.“ Dann ließ er mich einfach stehen, ohne dass ich Antworten konnte. Ich bin mit Jochen nach Hause gefahren und war mir sicher, dass ich nicht zum Pfarrer fahre. Als ich zu Hause war musste ich mich übergeben. Das passierte in letzter Zeit öfters. Da habe ich zu mir selbst gesagt, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Der Pfarrer soll ja nur zuhören. Er muss ja nichts sagen. Von einmal hingehen, geht die Welt nicht unter. Ich dachte mir noch, dass ich ihm ja nicht alles erzählen muss. Meine Ehe geht ihn nichts an. Ich fuhr dann doch zum Pfarrer. Der war doch etwas erstaunt, dass ich kam. Er sagte: „Ich hätte nicht gedacht, dass sie kommen.“ Um die erste Begegnung unter vier Augen etwas zu entspannen, sagte ich: „Ich esse für mein Leben gern Kuchen. Bei Selbstgebackenem kann ich erst recht nicht nein sagen.“ Jetzt musste sogar der Pfarrer lachen. Er bat mich ins Wohnzimmer, wo der Tisch schon gedeckt war. Wir unterhielten uns über belanglose Sachen. Er stellte keine Fragen und ich erzählte nichts. Als ich das erste mal auf die Uhr sah, war es schon 20.30 Uhr. Ich verabschiedete mich schnell. Der Pfarrer brachte mich zur Tür und sagte: „Was halten sie davon, wenn sie nächsten Mittwoch, nach dem Konfirmandenunterricht, wieder zu mir kommen. Ich glaube, wir haben eine ganze Menge worüber wir uns unterhalten können.“ Ich sagte: „Mal sehen“ und ich fuhr nach Hause. Er rief hinterher: „Ich backe vorsichtshalber einen Kuchen.“ Eigentlich war er mir sympathisch. Er konnte zuhören und hatte nicht dazwischen geredet. Es war, als würden wir uns schon Jahre kennen. Bis der Pfarrer Anfang Juli in Urlaub ging, trafen wir uns jede Woche einmal. Manchmal dachte ich, ich bin im falschen Film. Eigentlich wollte der Pfarrer sich meine Probleme anhören. Nun war ich die jenige, die sich seine Probleme anhörte. Er erzählte mir von seinen Kindern und dass er in Scheidung lebt. Jetzt war ich diejenige die ihm zuhörte. Er wollte auch meinen Rat. Es dauerte nicht lange und ich kannte seine ganze Familie vom Erzählen. Ich wusste, dass sein Vater auch Pfarrer war und sich von seiner Mutter scheiden ließ. Ich wusste, das seine Brüder auch Pfarrer waren und der eine schwer krank war. Ich wusste, dass ein Bruder Ärger mit der Kirche hatte, weil angeblich der Lebenswandel nicht so war, wie die Kirche sich das vorstellte. Nur von seiner Schwester erzählte er wenig. Ich wusste, das seine älteste Tochter fast mit dem Pfarrstudium fertig war. Es gab nichts, was er mir nicht erzählte. Er hatte bis zu seinem Urlaub nicht gefragt, was ich für Probleme hatte. Beim letzten Treffen vor seinem Urlaub bat er um meine Telefonnummer von zu Hause. Als ich ihn fragte: „Wo für?“ Antwortete er: „Na, sie haben doch Geburtstag. Da möchte ich wenigstens gratulieren.“ Ich war darüber sehr erschrocken. Ich habe ihm nie erzählt wann ich Geburtstag habe. Er antwortete darauf hin: „Sie stehen im Taufregister des Kirchenbuches. Daher weiß ich das. Wenn ich aus dem Urlaub zurück bin, können wir ja mal gemeinsam reinschauen. Da ich sehr neugierig war sagte ich: „Ja.“ So hatten wir gleich einen neuen Termin. Tatsächlich klingelte an meinem Geburtstag das Telefon und der Pfarrer gratulierte. Der Pfarrer segnete mich am Telefon. Das mag zwar komisch klingen, aber von dem Tag an ging es mir besser. Ich hatte gesundheitlich keine Probleme mehr. Das Glück verließ mich erst wieder, als die Freundschaft mit dem Pfarrer auseinander ging.
. Die freiwillige Arbeit in der Waldorfschule gab mir nicht die Bestätigung, die ich brauchte. Der Pfarrer hatte mir gesagt, dass ein privates Unternehmen jemanden sucht, der ältere Leute in ihren Wohnungen betreut. Dort bewarb ich mich. Obwohl der mich einstellende Geschäftsführer sehr skeptisch war, bekam ich die Stelle. Er hielt mich für zu jung. Die Arbeit machte mir Spaß. Ich brauchte den Leuten nur zuhören und Veranstaltungen organisieren und sie besuchen, wenn sie im Krankenhaus lagen. Außerdem war es eine Halbtagsstelle. Ich konnte mir meine Arbeitszeit selber einteilen und somit weiterhin die Kinder zur Schule bringen und abholen. Mit dem neuen Schuljahr fing auch der Konfirmandenunterricht wieder an. Mit dem Beginn vom Konfirmandenunterricht traf ich mich wieder regelmäßig mit dem Pfarrer.


Vorbereitung der Konfirmation

Mittwoch war wieder Konfirmandenunterricht. Ich brachte meine Kinder hin und verschwand schnell wieder. Auch als ich die Kinder abholte, mußten sie fast ins Auto fliegen. Es war mir einfach peinlich den Pfarrer unter die Augen zutreten. Am Donnerstag, nach dem Konfirmandenunterricht, klingelte mein Telefon. Ich dachte es wäre Johannes, nahm den Hörer ab und sagte: „Du kannst mich mal.“ Die Stimme am anderen Ende fragte: „Was darf ich denn?“ Jetzt erst erkannte ich die Stimme. Es war der Pfarrer. Ich sagte: „Tut mir leid. Ich dachte, es wäre jemand anderes.“ Der Pfarrer sagte zu mir: „Ich habe gestern auf sie gewartet. Wo waren sie denn?“ Ich log und sagte: „Ich hatte keine Zeit. Auch in den nächsten Wochen hatte ich keine Zeit zukommen.“ Dann war es einen Moment still in der Leitung, und der Pfarrer sagte: „Ich hoffe doch, sie planen keinen Feldzug. Aber mein Angebot steht. Sie können jeder Zeit kommen und mit mir reden.“ Ich sagte zu ihm: „Ich sagte doch gerade, daß ich keine Zeit habe, und daran wird sich auch nichts ändern.“ „Dann nicht“, sagte der Pfarrer, wünschte mir einen angenehmen Tag und legte auf. Ich dachte nur, na prima, die sind doch alle gleich. Ich schaffte es dann, dem Pfarrer bis Mitte November komplett aus dem Weg zugehen. In dieser Zeit fragte er immer die Jungs wie es mir geht. Sie bestellten auch immer Grüße von ihm, die ich nie erwiderte.
In der Waldorfschule lief alles ganz gut. Einmal die Woche ordnete ich die Bibliothek, oder kümmerte mich um andere Sachen.
Mitte November brachte Jochen vom Konfirmandenunterricht eine Einladung zum Elternabend mit. Ich wollte dort nicht hingehen. Jochen war entsetzt. Er sagte: „Mutti, das kannst du doch nicht machen! Der Pfarrer will mit den Eltern den Termin für die Konfirmation und die ganze Vorbereitung absprechen.“ Ich sagte: „Mal sehen wie ich das mache. Ich schicke Papa.“ Ich bat meinen Mann zur Elternversammlung zu gehen. Mein Mann sah auf seinen Dienstplan und sagte: „Ich habe Spätdienst. Du mußt schon selber hingehen.“ Mir blieb nichts anderes übrig, als selbst zur Elternversammlung zugehen. Der Pfarrer schlug den Termin für die Konfirmation vor. Es war Pfingstsonntag 1999. Alle Eltern waren damit einverstanden. Dann unterbreitete der Pfarrer einen sehr seltsamen Vorschlag. Er wollte, daß alle Konfirmanden mit ihren Gästen gemeinsam den Tag der Konfirmation verbringen. Er begründete es damit, daß es für ihn einfacher ist. Dann muß er nicht, zu zehn Familien nach Hause. Zu meinem Erstaunen waren damit alle Eltern damit einverstanden. Selbst der Pfarrer war darüber verwundert. Der Pfarrer spielte in seiner Freizeit in einer Pastorenband. Er bot uns an, daß die Pastorenband kostenlos zur Familienfeier spielt. Somit konnten die Kosten für eine Musikband eingespart werden. Die Eltern waren begeistert. Jetzt kam der unerfreuliche Teil. Der Pfarrer sagte klipp und klar: „Ich kann mich nicht um die Organisation kümmern. Das muß jemand von den Eltern übernehmen.“ Dann ging es plötzlich los. Keiner wollte die Feier organisieren. Die Argumente waren:keine Zeit, untalentiert im Organisieren, zuviel Arbeit und so weiter. Der Pfarrer kochte schon vor Wut. Der Pfarrer sah mit ernstem Blick in die Runde. Plötzlich sprach er mich an: „Wie sieht es mit ihnen aus? Sie haben doch Erfahrung darin. Das ist doch ihre tägliche Arbeit. Da kann doch nichts schief gehen. Sollten sie jetzt auch nein sagen, laß ich die Konfirmation ausfallen.“ Alle Eltern sahen mich erwartungsvoll an. Jeder hatte ein anderes Argument, warum ausgerechnet ich das machen sollte. Ein Vater sagte sogar: „Du mußt das schon machen. Oder kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren, wenn deinetwegen die Konfirmation ausfällt.“ Plötzlich hatte ich ein Problem. Ich saß zwischen zwei Stühlen. Man konnte mir sehr schnell ein schlechtes Gewissen einreden. Ich wußte auch, daß ich mit dem Pfarrer zusammenarbeiten muß, wenn ich ja sage. Darauf hatte ich überhaupt keine Lust. Ich argumentierte, daß ich für so viel Leute noch nie eine Feier organisiert hatte. Ich fragte: „Was passiert, wenn alles schief geht, oder ich etwas vergesse?“ Aber die anderen machten mir Mut und sagten: „Du wirst das schon machen, da geht nichts schief.“ Was macht man nicht alles für seine Kinder. Nach langem hin und her willigte ich schließlich ein. Wir legten gleich den Termin fest, bis wann die Eltern die Anzahl ihrer Gäste bei mir melden mußten, damit ich den passenden Saal suchen konnte. Dann legten wir noch einen Termin für Februar fest, an dem ich mit den Eltern, den Ablauf der Feier besprechen wollte. Dann kam der unerfreuliche Teil der Versammlung. Der Pfarrer hatte bemängelt, daß die Kinder sich nicht ordentlich auf die Konfirmation vorbereiten. Sie kamen nicht regelmäßig zum Gottesdienst und auch von den Eltern fehlte jede Spur. Damit sich das änderte, hatte sich der Pfarrer ein Punktesystem ausgedacht. Jeder Konfirmand mußte bis zur Konfirmation 30 Punkte erreichen. Für jeden Besuch beim Gottesdienst gab es einen Punkt. Für jeden mitgebrachten Familienangehörigen einen weiteren dazu. Ich rechnete kurz und mußte feststellen, daß ich zweimal im Monat sonntags zum Gottesdienst mußte, damit Jochen konfirmiert werden konnte. Ich sagte zum Pfarrer: „Das geht so nicht. Meinen sie ich habe sonntags nichts besseres zutun, als zum Gottesdienst zurennen.“ Strafend sah er mich an. Ich dachte ich falle vom Stuhl. Der Pfarrer sagte zu mir: „Ich weiß gar nicht, warum sie sich so aufregen. Sie sind nicht einmal Mitglied in der Kirche und zahlen auch keine Kirchensteuer. Die Kirche ist ein Dienstleistungsunternehmen. Sehen sie es als Gegenleistung an. Sie kommen sonntags in die Kirche und ich konfirmiere ihr Kind.“ Ich war sprachlos. Die Antwort war der Gipfel der Frechheit. Dann sagte ich bissig zurück: „Das geht hier nicht um mich, sondern um mein Kind. Ich habe ihnen auch gesagt, daß ich nicht in der Kirche bin. Wenn ihnen das nicht paßt, dann gehe ich.“ Er sah mich an und sagte: „Es war nicht so gemeint.“ Ich dachte, du Arsch, nicht einmal entschuldigen kannst du dich. Die anderen Eltern wagten nicht einmal eine Widerrede gegen die hohe Punktzahl. Die Versammlung war beendet. Beim herausgehen bat mich der Pfarrer, nächsten Mittwoch vorbeizukommen um den Ablauf der Konfirmation mit ihm abzusprechen.
Ich brachte die Kinder am nächsten Mittwoch zum Konfirmandenunterricht. Als ich sie abholte, wartete der Pfarrer schon auf mich. Er erinnerte mich daran, daß ich bei ihm vorbei kommen sollte. Ich brachte die Kinder nach Hause und fuhr anschließend zum Pfarrer. Ich ärgerte mich immer noch darüber, daß er mich vor allen Leuten runter gemacht hatte. Der Pfarrer war zwar nett und freundlich, aber trotzdem war etwas frostiges zwischen uns. Dann sagte er mir: „Ich muß Jochen vor der Konfirmation taufen, sonst kann er nicht konfirmiert werden.“ Ich sagte zu ihm: „Dann müssen sie das tun.“ Er sagte: „Für die Taufe braucht Jochen Taufpaten. Haben sie welche?“ Ich sagte: „Nein. Wo soll ich die her bekommen. Bei uns ist keiner in der Kirche.“ Der Pfarrer sagte: „Fragen sie doch in der Kirchengemeinde, ob jemand als Taufpate zur Verfügung steht.“ Ich sagte zu ihm: „Ich will keinen Fremden fragen. Wenn das nicht ohne geht, dann bleibt es. Dann kann er eben nicht konfirmiert werden und Konrad im nächsten Jahr auch nicht. Dann hat sich ja hier alles erledigt.“ Ich stand auf, nahm meine Tasche und ging. Ich hatte meine Hand schon auf der Türklinke, als der Pfarrer hinter mir stand und sagte: „Seien sie doch nicht immer gleich so bockig und rennen sie nicht gleich weg. Ich bin doch kein Unmensch. Wenn sie nicht so wollen, wie ich mir das vorgestellt habe, dann muß ich mir etwas anderes einfallen lassen. Gehen sie zurück und setzen sie sich wieder.“ Ich dachte mir, na ja, geht doch. Dann machte er mir den Vorschlag, Jochen am Tag der Konfirmation zutaufen, denn am Tag der Konfirmation, wurden die Taufpaten von ihren Pflichten entbunden. Damit war ich einverstanden. Es war ziemlich spät geworden durch das ganze hin und her. An diesem Tag konnten wir uns nicht mehr über den Ablauf der Konfirmation unterhalten. Der Pfarrer rief mich noch einmal an und bat mich am nächsten Mittwoch wieder zukommen. Was ich auch tat. Es kehrte wieder Regelmäßigkeit, in unsere wöchentlichen Treffen ein. Wir einigten uns darauf, daß die Konfirmation erst nachmittags um 14.00 Uhr stattfand. Das ersparte uns ein Essen in der Gaststätte. So konnten wir ab 16.00 Uhr gemeinsam Kaffee trinken. Die Band sollte dann ab 18.00 Uhr spielen und um 20.00 Uhr war das Abendessen geplant. Das Ende der Feier setzten wir auf Mitternacht fest. Ich hatte die Rückmeldung der Eltern über die Anzahl der Gäste bekommen. Ich konnte jetzt eine Gaststätte suchen, die über 200 Gäste zum Feiern unterbringen konnte. Eine Tanzfläche mußte sie auch noch haben. Bis zum Treffen mit den Eltern mußte ich die Gaststätte gefunden haben. Bis dahin mußte ich auch planen, wieviel Kuchen und welche Sorten jede Familie mitzubringen hatte. Auch die Vorschläge für das Abendessen mußten bis dahin fertig sein. Desweiteren kam hinzu, daß in der Kirche Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden. Dadurch mußte die Kirche vor der Konfirmation gründlich gereinigt werden. Girlande und Taufbeckenkranz, Blumengebinde, Altarschmuck sowie die Dekoration für die Gaststätte mußten organisiert werden. Es war noch unheimlich viel Arbeit. Zum Gottesdienst mußte ich auch noch, um für Jochen Punkte zusammeln.
Anfang Dezember, als ich wieder mittwochs beim Pfarrer war, beschwerte ich mich bei ihm. Ich sagte zu ihm: „Wenn sie wollen, daß ihre Kirche voll wird, dann hängen sie einen Zettel aus damit man weiß wann Gottesdienst ist. Der Schaukasten steht doch nicht umsonst vor der Kirche.“ Ich sah dem Pfarrer förmlich an, wie er sich darüber ärgerte. Wie konnte ich es wagen, seine Arbeit zukritisieren. Wütend verließ der Pfarrer sein Wohnzimmer. Als er zurück kam, gab er mir einen Schlüssel und einen Zettel. Er sagte: „Der Schlüssel ist für den Schaukasten. Auf den Zettel stehen die Termine für den Gottesdienst. Wenn ihnen nicht gefällt wie ich das handhabe, machen sie es doch besser.“ Verwundert sah ich ihn an und sagte: „Ich habe nicht ihre Arbeit kritisiert, sondern, daß sie gar keine Termine für den Gottesdienst im Schaukasten haben.“ Der Schaukasten war nämlich leer. Ich gab ihm Schlüssel und Zettel zurück. Der Pfarrer nahm den Schlüssel nicht zurück, sondern sagte: „Der Gemeindekirchenrat hängt mir wegen der Schaukästen auch schon ständig in den Ohren. Machen sie das jetzt.“ Jetzt reichte es mir. Ich antwortete ihm: „Nur wegen dem Schaukasten? Mir sind noch ganz andere Sachen zu Ohren gekommen.“ Wütend sagte ich noch: „Sie sollen es ja nicht einmal schaffen, die alten Gemeindemitglieder, zum Geburtstag zu besuchen. Und Junge Gemeinde gibt es auch nicht. Sie brauchen sich doch nicht zuwundern, wenn ihnen die Mitglieder wegrennen.“ Als ich ausgesprochen hatte dachte ich, der Pfarrer springt aus seinem Anzug. Dem stand die Wut förmlich im Gesicht geschrieben, als er zu mir sagte: „Das sind die Richtigen. Nicht in der Kirche sein, aber ständig meckern. Machen sie es doch besser.“ Der Pfarrer schwieg. Plötzlich, als ob ihm ein Licht aufging, sagte er: „Können sie mir Mal sagen, woher sie das alles wissen?“ Ich antwortete immer noch wütend: „Mich sprach der Vorsitzende vom Gemeinderat an, weil man mein Auto öfters bei ihnen vor der Tür gesehen hat. Er dachte, wir sind befreundet. Ich sollte meinen guten Einfluß auf sie ausüben, damit sie ihre Gemeindearbeit ordentlich machen.“ Da hat er ersteinmal gegrübelt. Der Gemeindekirchenrat hatte sehr konservative Ansichten und der Pfarrer seinen eigenen Kopf, mit dem er öfters durch die Wand wollte. Außerdem ließ der Pfarrer sich von keinem aus der Gemeinde dutzen. Das war der Gemeindekirchenrat nicht gewöhnt. Der Pfarrer sagte kein Wort mehr zu diesem Thema. Er war mittlerweile zu seinem Fenster gegangen und sah hinaus. Ich warf den Schlüssel und den Zettel provokativ in meine Tasche. Ich kochte immer noch vor Wut, ging zu ihm hin und schupste ihn an. Ich sagte: „Sehen sie mich gefälligst an, wenn ich mit ihnen rede.“ Der Pfarrer war etwas durcheinander. Wie von Geisterhand geführt, setzte er sich hin. Ich sagte zu ihm: „ Von ihren Vorhaltungen, daß ich nicht in der Kirche bin, habe ich die Nase voll. Wenn sie ordentlich nachgesehen hätten, hätten sie auch meine Austrittserklärung gefunden. Statt mir das immer vorzuhalten hätten sie vielleicht mal fragen sollen, warum ich ausgetreten bin.“ Der Pfarrer sagte immer noch kein Wort. Er saß nur schweigend da und sah auf den Fußboden. Wiederum mußte ich ihn auffordern mich anzusehen, wenn ich mit ihm redete. Ich wartete nicht mehr auf eine Reaktion von ihm. Erzählte ihm von unserem verstorbenem Kind und was der damalige Pfarrer zu mir sagte. Er hörte sich das schweigend an und sagte leise: „Das tut mir leid.“ Ich ärgerte mich anschließend, daß ich dem Pfarrer das erzählt hatte. Wieder hatte ich etwas von mir Preis gegeben, was ihn nichts anging. Ich nahm meine Tasche und ging ohne mich zu verabschieden. Auch er sagte kein Wort mehr.
Am anderen Tag als ich von der Arbeit kam, überlegte ich mir etwas für die Schaukästen. Jeden Monat suchte ich bestimmte Themen heraus, nachdenen ich die Schaukästen gestaltete. Es war eine sehr mühselige Arbeit. Ich hatte Unterstützung von meinem Mann und den Kindern. Am gleichen Abend machte ich die Schaukästen fertig. Zwei Tage später klingelte bei uns das Telefon. Mein Mann nahm den Hörer ab und meldete sich. Er rief mich ans Telefon und sagte: „Es ist für dich. Der Pfarrer.“ Ich dachte nur, was will der schon wieder und meldete mich. Der Pfarrer muß gemerkt haben, daß er unerwünscht war. Er entschuldigte sich am Telefon, für die Störung. Plötzlich sagte er: „Ich möchte mich nur bedanken.“ „Für was?“ fragte ich barsch. „Na, für die schönen Schaukästen. Der Gemeindekirchenrat hat bei mir angerufen und die schönen Schaukästen gelobt. Ich habe aber gleich gesagt, daß sie die gestalten. Ich wollte nur das Lob weiter geben“, sagte er. Jetzt mußte ich lachen. Ich bedankte mich für den Anruf und legte den Hörer auf. Gleich klingelte das Telefon wieder. Ich nahm den Hörer ab und sagte: „Ja bitte.“ „Hier ist noch einmal der Pfarrer. Ich war noch nicht ganz fertig. Ich möchte mich noch einmal mit ihnen unterhalten. Es ist nicht gut, wenn man mit, soviel Mißverständnissen auseinander geht“, sagte der Pfarrer. Ich lehnte dankend ab. Diesmal war er schneller und legte auf.
Bis zu den nächsten Elterntreffen, im Februar, war noch Zeit. Ich beschloß, den Pfarrer in dieser Zeit aus dem Weg zugehen. Es gab nur ein Problem. Wie bekomme ich für Jochen die Punkte zusammen. Zu Heiligabend ergab sich eine Möglichkeit. Es mußten so viele Angehörige wie möglich an Heiligabend mit in die Kirche gehen, also nahmen wir meine Eltern mit. Auch mein Mann ging mit in die Kirche. Das waren für Heiligabend schon einmal sechs Punkte. Meine Kinder nahmen am Krippenspiel teil. Dieses wurde in zwei verschiedenen Kirchengemeinden aufgeführt. Wir sind auch in die andere Kirche mitgegangen und bekamen die gleiche Punktzahl noch einmal. Somit hatten wir schon 12 Punkte für Jochen. Heiligabend konnte der Pfarrer mich nicht ansprechen, weil die Kirche voll war. Silvester haben wir das gleiche gemacht. Bloß, da kamen meine Geschwister mit ihren Familien mit. Wieder gab es 12 Punkte für Jochen. Somit hatte Jochen insgesamt 24 Punkte. Es fehlten ihm noch sechs Punkte, aber er hatte noch fünf Monate Zeit. Ich brauchte dadurch sonntags nicht mehr zum Gottesdienst. Bis zu dem Elternabend im Februar ging ich dem Pfarrer gekonnt aus dem Weg.
Der Elternabend im Februar fand nicht wie gewöhnlich im Gemeindekirchenraum statt, sondern beim Pfarrer in der Wohnung. Der Elternabend fand genau Rosenmontag 19.00 Uhr statt. Ich mußte aber mit meinen alten Leutchen Fasching feiern. Ich konnte die Feier nicht verlegen. Die Alten Leute bestanden darauf, Rosenmontag zufeiern. Im Vorfeld entschuldigte ich mich bei einer Mutti, daß ich mich um etwa eine halbe Stunde verspäten werde. Wie das manchmal so ist, kam ich von der Faschingsfeier nicht weg. Meine alten Leutchen fanden einfach kein Ende. Mittlerweile war es 20.00 Uhr, als ich beim Pfarrer vor der Tür stand. Ich hatte ein komisches Gefühl und es war mir peinlich, daß es so spät geworden war. Ich klingelte und der Pfarrer öffnete die Haustür. Er begrüßte mich mit den Worten: „Je später der Abend um so schöner die Gäste. Kommen sie ruhig herein. Alles wartet schon auf sie.“ Ich war schon wieder pappe satt und ging an ihm vorbei Richtung Wohnzimmer, wo ich die anderen schon hörte. Es war eine fröhliche Runde. Es standen schon leere Weinflaschen auf den Tisch und es wurde gelacht. Dann betrat der Pfarrer das Zimmer und sagte in die Runde: „Schnell die alkoholischen Getränke vom Tisch, sonst heißt es noch der Pfarrer trinkt während seiner Dienstzeit und macht seine Arbeit nicht richtig.“ Das saß. Ich wußte genau, daß er mich meinte. Nach diesen Worten verstummten die Anderen plötzlich. Ich sagte zum Pfarrer: „Lassen sie das endlich. Was habe ich ihnen getan, daß sie mich laufend vor anderen schlecht machen.“ Der Pfarrer lachte und sagte: „Hey, wir feiern. Das war doch nur Spaß.“ Ich sagte: „Auf solchen Spaß kann ich verzichten.“ Dann setzte ich mich auf den freien Platz, direkt neben den Pfarrer. Ein Vater, der neben mir saß, sagte zu mir: „Was herrscht denn zwischen euch für ein Ton? Wir dachten alle ihr seid befreundet?“ Ich sagte nur: „Der Schein trügt.“ Ich teilte den Eltern mit, in welcher Gaststätte wir feierten und welche Familie wieviel und welche Kuchensorten mitzubringen hatte. Ich machte auch gleich die Einteilung für die Reinigung und Ausschmückung der Kirche. Es war so organisiert, daß jede Familie eine eigene Festtafel im Saal hatte. Ich machte den Vorschlag, daß es zum Abendbrot warmes Essen gibt. Ich bat jedes Elternteil darum, sich in der Gaststätte, wegen der Getränke, noch einmal zumelden. Darum mußte sich jeder selbst kümmern. Damit waren alle einverstanden. Ich wollte mich verabschieden, als der Pfarrer sagte: „Ich hätte auch noch etwas zusagen.“ Es ging um den Vorstellungsgottesdienst. Der Pfarrer nannte den Termin, wann dieser stattfand. Dann sagte er und sah mich dabei an: „Auch wenn manche Kinder ihre Punktzahl fast erreicht haben möchte ich, das wenigstens an diesem Tag ein Elternteil mit in der Kirche erscheint.“ Plötzlich wurden alle Eltern unruhig. Dann sagten sie der Reihe nach: „Aber Herr Pfarrer, wir kommen doch immer regelmäßig in den Gottesdienst. Strafend sah der Pfarrer mich an. Er sagte: „Sie ja, aber.“ Genau an dieser Stelle fiel ich ihm ins Wort und sagte: „Sagen sie ruhig das sie mich meinen. Ich bin das ja von ihnen gewöhnt.“ Plötzlich wollten alle Anwesenden wissen, warum ich nicht in die Kirche gehe. Ich wollte an dieser Stelle nicht großartig erklären, daß ich mit dem Pfarrer nicht klar kam. So log ich und sagte: „Ich kenne weder das Vaterunser, noch kann ich beten und die Gottesdienstordnung kenne ich schon gar nicht.“ Das war, daß größte Eigentor, was ich mir geschossen hatte. Geistesgegenwärtig antwortete der Pfarrer: „Da können wir Abhilfe schaffen. Das kann ich mit ihnen üben. Im übrigen brauche ich noch jemanden, der auf der Konfirmation die Dankesrede der Eltern hält. Da würde ich sie gleich vorschlagen. Dann können sie gleich das gelernte unter Beweis stellen.“ Ich war sprachlos. Alle anderen Eltern waren davon total begeistert. Sie befürworteten den Vorschlag vom Pfarrer. An ihren Gesichtern war ihnen anzusehen, das jeder froh war die Rede nicht selber halten zu müssen. Ich kam da nicht wieder raus. Im Stillen dachte ich, na warte Pfarrer, dir wird das Üben mit mir, schon vergehen. Ich nahm mir fest vor, dem Pfarrer die Hölle heiß zu machen. Es sollte ihm schon noch vergehen, mit mir zuüben. Es war bestimmt schon nach zehn Uhr und die Runde löste sich langsam auf. Als ich gehen wollte sagte der Pfarrer zu mir: „Denken sie daran! Kommen sie auch nächsten Mittwoch?“ Ich grinste ihn an und sagte: „Na klar, da können sie sich drauf verlassen.“ Und fuhr nach Hause.
Bei den Kindern in der Schule war weiterhin alles in Ordnung.
Ein paar Tage später traf ich zufällig Johannes beim Einkaufen. Ich ignorierte ihn und ging an ihm vorbei. Er lief hinter mir her und ließ sich nicht abschütteln. Plötzlich sprach er mich an und sagte: „Wir hatten ausgemacht, daß wir mindestens einmal im Monat gemeinsam essen gehen. Du hast dich ja ewig nicht gemeldet. Immer, wenn ich dich anrufe legst du einfach auf.“ Es war brechendvoll im Einkaufszentrum. Ich wollte auch kein Aufsehen erregen und mich mit ihm streiten. Ich sagte nur zu ihm: „Was willst du eigentlich von mir, nachdem was passiert ist? Ich Blöde heule mir deinetwegen die Seele aus dem Leib und du? Du...“ Als ich das du ausgesprochen hatte, packte mich Johannes fest am Arm. Er war sehr wütend und sagte ziemlich laut: „Überleg dir jedes einzelne Wort nach dem du.“ Ich dachte in diesem Moment, er kann Gedanken lesen. Johannes hielt mich immer noch krampfhaft fest. Als plötzlich, wie aus heiterem Himmel, Hilfe erschien. Plötzlich stand neben mir der Pfarrer. Er faste mich am anderen Arm und zog mich von Johannes mit den Worten weg: „Gut, daß ich sie treffe. Ich habe mit ihnen über die Konfirmation noch Einiges zu bereden.“ Johannes hatte sich darüber so erschrocken haben, das er mich plötzlich losgelassen hatte. Zu Johannes sagte ich nichts mehr. Er blieb wie angewurzelt stehen und sah uns hinterher. Der Pfarrer hielt mich immer noch krampfhaft fest, obwohl wir schon einige Schritte von Johannes entfernt waren. Ich sagte zum Pfarrer: „Langsam können sie mich Mal los lassen. Ich dachte, wir hatten mit der Konfirmation alles besprochen. Was ist denn noch?“ Er ließ mich los und sagte: „Das war doch bestimmt der Scheißkerl oder? Ich wollte nichts. Ich wollte sie nur aus der unangenehmen Lage befreien.“ „Meinen sie das schaffe ich nicht alleine? Da brauche ich Gottes Hilfe zu?“ Sagte ich bissig zu dem Pfarrer. Der wiederum antwortete noch bissiger: „Hat ihnen schon jemand gesagt, daß sie eine Zicke sind.“ Darüber ärgerte ich mich noch mehr. Johannes beobachtete uns immer noch. Es war mir zu blöd, mich mit dem Pfarrer auch noch rumzustreiten. Ich antwortete ihm nicht und ging einfach weiter. Ich nahm mir vor es ihm richtig heimzuzahlen. Jetzt konnte er Mal eine richtige Zicke kennenlernen.
Mittwoch fuhr ich wie versprochen zum Pfarrer. Als der mir die Tür öffnete war er sehr erstaunt, daß ich kam. Er sagte zu mir: „Sie versetzen mich immer wieder in Erstaunen.“ Ich dachte, warte man ab. Du staunst noch viel mehr. Er kochte schnell Kaffee und wir setzten uns in sein Wohnzimmer. Der Pfarrer fragte: „Womit wollen wir uns heute beschäftigen?“ Nach kurzem Überlegen sagte ich: „Vielleicht die Zehn Gebote? Die kenne ich gar nicht.“ Er sagte nur: „Na ja, das ist ja schon ein Anfang. Ich sehe, daß sie sich bemühen.“ Dann fing der Pfarrer an zu erzählen. Er erklärte mir, in welchem Teil der Bibel die Zehn Gebote standen. Jedes einzelne Gebot sagte er auswendig auf und erklärte mir dessen Bedeutung. Neugierig lauschte ich seinen Worten. Er hatte eine sehr angenehme Stimme. Seine Aussprache, war sehr deutlich. Manchmal hörte ich einen belehrenden Unterton heraus. Nach anderthalb Stunden hatte er mich genug belehrt. Er fragte mich, ob ich das alles verstanden hätte. Ich antwortete ihm: „Ja natürlich. Ich habe ihnen doch zugehört. Herr Pfarrer kann ich auch eine Frage stellen?“ Der Pfarrer sah mich etwas komisch an und sagte: „Natürlich, fragen sie ruhig. Dafür bin ich da, um ihre Fragen zu beantworten.“ Ich sagte daraufhin: „Sie sind sich sicher, daß sie alle meine Fragen beantworten können die ich habe?“ Der Pfarrer sagte: „Wenn ich nicht bibelfest bin, wer dann? Nun los, fragen sie schon. Was wollen sie wissen?“ Ich griff vorsichtshalber nach meiner Tasche. Ich dachte, wenn er die Frage hört wirft er dich achtkantig raus. Ich fragte ihn: „Und Herr Pfarrer, gegen wie viele Gebote haben sie schon verstoßen?“ Jetzt wartete ich auf den Hinauswurf. Aber nichts passierte. Der Pfarrer stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis er antwortete. Er sah immer noch aus dem Fenster und sagte: „Eigentlich gegen keins.“ Ich sagte zum Pfarrer: „Mit eigentlich, kann man die Frage nicht beantworten. Es gibt nur ja oder nein. Sehen sie mich das nächste Mal an, wenn sie mit mir reden.“ Genervt drehte er sich zu mir um. Ich sagte noch einmal zu ihm: „Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.“ So richtig genervt antwortete er: „Dann eben nein.“ Innerlich mußte ich über ihn lachen. Ich sagte zu ihm: „Sie haben niemals eine Ameise tot getreten? Haben sie niemals, als Kind, in Nachbars Garten einen Apfel gestohlen. Niemals einer anderen Frau hinterher gesehen und niemals ihren Bruder um die besseren Noten beneidet. Dann sind sie ja wirklich ein Heiliger.“ Der sah mich daraufhin an. Es hatte den Anschein, als ob in seinem Kopf ein Film abläuft. Er starrte mich an, sagte aber immer noch kein Wort. Die Spannung im Raum wurde durch das klingeln, seines Handys unterbrochen. Er nahm es aus der Hosentasche, meldete sich und drehte sich von mir weg. Das Handy war ziemlich laut, so daß ich Wortfetzen vom anderen Ende, mithören konnte. Ich hörte Wörter wie Schatz und Liebling und letzte Nacht. Er antwortete nur mit, hm und ja. Es war ihm peinlich. Er faste sich kurz und sagte zu seiner Gesprächspartnerin: „Ich kann jetzt nicht. Ich rufe dich nachher noch einmal an.“ Er steckte das Handy wieder in seine Hosentasche und sagte zu mir: „Das war privat.“ Ich sagte darauf: „Das konnte ich mir schon denken. Der liebe Gott wird nicht anrufen und Liebling sagen.“ Er wollte etwas darauf antworten, verkniff es sich aber. Ich mußte noch eins draufsetzen und sagte: „Ach, noch nie gegen ein Gebot verstoßen? Du sollst nicht Ehe brechen. Vielleicht davon schon Mal was gehört? Sie sind doch noch verheiratet. Oder?“ Als ich das sagte, grinste ich ihn dabei an. Ich nahm meine Tasche und sagte zu ihm: „Es ist wohl besser ich gehe jetzt.“ „Ja“, antwortete er zurück. Ich war fast an der Wohnungstür, als der Pfarrer zu mir sagte: „Nein, bleiben sie hier. Dann steht das Nächste zwischen uns.“ Ich weiß nicht, was mich geritten hatte. Ich ging zurück und setzte mich wieder. Ich sagte kein Wort, sondern wartete einfach ab was kommt. Dann fing der Pfarrer an zu erzählen. Er erzählte, daß er eine Freundin hat. Das er Krach mit seiner Ehefrau hatte und das seine Kinder kein Wort mehr mit ihm wechselten. Je mehr Kummer er sich von der Seele redete, um so sympathischer wurde er mir. Ich merkte, daß auch er ganz normale Probleme hatte. Er tat mir jetzt leid. Ich hörte ihm aufmerksam zu. Als er fertig war sagte er zu mir: „Ich habe genug Probleme und sie auch. Wir müssen uns nicht das Leben gegenseitig zur Hölle machen. Lassen sie uns Frieden schließen.“ Ich sagte zu ihm nur: „Sie haben Recht.“ Ich stand vom Sofa auf und fragte ihn noch: „Soll ich am nächsten Mittwoch wieder kommen?“ „Ja“, antwortete er. Er brachte mich zur Tür. Ich fuhr nach Hause. Von nun an stritten wir uns mittwochs sehr selten. Jeden Mittwoch brachte er mir die Bibel ein Stück näher. An seinem Verhalten änderte sich schlagartig etwas mir gegenüber. Ab jetzt fragte er mich ständig, wie es mir geht. Unsere Unterhaltungen wurden privater. Er erzählte viel von seinen Problemen. Ich hielt mich immer zurück und erzählte nichts von meinen Problemen. Bis zu einem bestimmten Tag, als es zwischen meinem Mann und mir zum Streit kam.
Anfang Mai bekam ich plötzlich anonyme Anrufe. Manche Tage war es ganz schlimm. Meistens kamen die Anrufe, wenn mein Mann Dienst hatte. Nachts waren es manchmal bis zu 30 Anrufe. Wenn ich den Hörer abnahm, wurde am anderen Ende wieder aufgelegt. Wenn ich nicht ran ging, klingelte es ununterbrochen. Ich konnte das Telefonkabel auch nicht rausziehen, denn es hätte ja auch Mal etwas mit meinem Mann sein können. Ich war mit meinen Nerven völlig am Ende. Jedesmal, wenn es klingelte, zuckte ich zusammen. Ich erzählte das meinem Mann und der meinte, ich soll mich nicht so haben. Ich hatte das Gefühl, er glaubte mir nicht. Bis er eines Tages außerplanmäßig dienstfrei hatte und das Telefon wieder mitten in der Nacht klingelte. Das passierte in dieser Nacht öfter. Immer, wenn mein Mann ranging legte der Anrufer wieder auf. Mein Mann tat es immer noch für eine Bagatelle ab. Er meinte, laß es doch klingeln und geh einfach nicht ran. Das war leichter gesagt als getan. Es hätte auch Mal etwas Wichtiges mit den Kindern in der Schule sein können.
Ich stand Mittwochvormittag in der Küche und backte Kuchen für den Kaffeenachmittag auf Arbeit. Ich telefonierte mit meiner ehemaligen Freundin Sahra. Wir hatten das Gespräch beendet und ich legte den Hörer auf, als plötzlich das Telefon klingelte. Ich dachte, Sahra hätte etwas vergessen zu sagen. Ich nahm den Hörer ab, als plötzlich eine männliche Stimme durch das Telefon brüllte: „Ich mach dich alle. Ich bring dich um.“ Das wiederholte er noch zweimal. Ich war wie gelähmt und konnte den Hörer nicht auflegen. Erst als der Anrufer auflegte, ließ ich den Hörer los. Dann bekam ich einen Schreikrampf und panische Angst. In meiner Verzweiflung rief ich meinen Mann an, der Frühdienst hatte. Ich erzählte ihm unter Tränen was gerade passiert war. Mein Mann kam sofort nach Hause und informierte seine Kollegen. Die Kriminalpolizei kam und ich mußte alles erzählen. Die Kriminalpolizei entschied, das LKA hinzu zuziehen. Dann wurde ich durch das LKA noch einmal vernommen. Das LKA baute ein Mitschnittgerät auf, das alle Telefongespräche aufzeichnete. Ich war mit meinen Nerven am Ende. Auch nach der Morddrohung war mein Mann immer noch der Meinung, ich übertreibe. Am gleichen Abend fuhr ich zum Pfarrer. Der sah mir den Ärger an. Er fragte, wie immer, wie es mir geht. Ich antwortete darauf: „Gut! Wie soll es mir schon gehen?“ Der Pfarrer antwortete: „Das ist gelogen. Wenn es ihnen gut gehen würde, würden sie nicht so scheiße aussehen. Los, raus damit, geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Ich antwortete ihm nicht und er ließ nicht locker. Irgendwann ist alles aus mir rausgesprudelt. Ich war auf eine Art froh, daß mir jemand zuhörte. Der Pfarrer hörte aufmerksam zu. Manchmal hakte er auch nach, wenn ihm etwas nicht ganz klar war. Als ich mir meinen Kummer von der Seele geredet hatte, sagte er zu mir: „Es ist immer schwer, als Außenstehender einen Rat zugeben. Noch dazu, wenn man weiß, daß der Rat sowie so nicht angenommen wird. Sie müssen ihr Problem an der Wurzel packen. Schicken sie ihren Johannes zum Teufel und ihren Mann gleich hinterher. Reichen sie die Scheidung ein. Zum anonymen Anrufer kann ich nur soviel sagen, daß sich vielleicht jemand in sie verliebt hat und traut es sich nicht, ihnen zu sagen. Vielleicht will er so auf sich aufmerksam machen. Einen anderen Rat kann ich ihnen nicht geben.“ Ich war etwas geschockt. Mit so einer Antwort hatte ich nicht von einem Pfarrer gerechnet. Nach diesem Gespräch rief er öfters bei mir zu Hause oder auf der Arbeit an um zu fragen, wie es mir geht. Auch mittwochs, wenn wir uns trafen, hakte er nach. Ich habe seine Fragen nie beantwortet. Wir sind gut miteinander ausgekommen. Unsere anfänglichen Schwierigkeiten hatten sich gegeben.
Den letzten Mittwoch vor Jochens Konfirmation gab der Pfarrer mir den Text für die Dankesrede. Ich wußte nun, wann ich in der Kirche aufstehen mußte und kannte den Ablauf des Gottesdienstes. Vorsichtshalber schrieb der Pfarrer Zettel mit dem Ablauf des Gottesdienstes. Die Zettel legte er in jedes Gesangbuch. Da ich noch nie das Abendmahl bekam, übte er auch das mit mir. Es konnte also auf Jochens Konfirmation nichts mehr schief gehen.

Der Tag der mein Leben durcheinanderbrachte

Mein Mann war Samstag noch arbeiten. Ich machte meinen Kuchen fertig und holte die Blumen, Girlanden, den Taufkranz und die Gestecke ab. Ich brachte die Sachen zur Kirche, wo sich schon ein paar Eltern eingefunden hatten. Wir reinigten gemeinsam die Kirche und schmückten sie anschließend aus. Dafür hatten wir nur zwei Stunden Zeit, weil der Pfarrer mit den Kindern noch Stellprobe hatte. Als ich aus der Kirche nach Hause kam wunderte ich mich, dass mein Mann noch nicht zu Hause war. Kurze Zeit später rief er an und sagte: „Ich komme etwas später. Es ist noch etwas dazwischen gekommen.“ -Im Stillen ärgerte ich mich darüber. Es hätte auch ein Kollege für ihn einspringen können. Ausgerechnet heute kommt er wieder später nach Hause-. Nach 22.00 Uhr kam er dann endlich.
Am Morgen der Konfirmation kam Sahra und machte mir und meiner Schwester die Haare. Ich wollte meine Haare mit der Rundbürste geföhnt haben, aber Sahra war der Meinung, dass sieht nicht gut aus und passt auch nicht zum Kleid. Sie steckte meine Haare hoch. Die Gäste kamen um 12.00 Uhr. Wir tranken gemeinsam ein Glas Sekt, bevor wir zur Kirche gingen. Wir mussten etwas früher losgehen, denn ich hatte den Kirchenschlüssel. Ich musste die Kirche aufschließen, bevor die anderen kamen. Gegen 13.00 Uhr bat ich unsere Gäste aufzubrechen. Alle standen startbereit auf dem Hof, als plötzlich mein Mann sagte: „Wir können nicht los. Meine Kollegin ist noch nicht da. Sie weiß nicht wo unsere Kirche ist.“ Ich sagte: „Die wird sie schon finden. Wir müssen los.“ Mein Mann sagte: „Sie will sich auch noch umziehen. Sie kommt doch vom Dienst.“ „Dann wirst du hier auf sie warten. Wir müssen los.“ Sagte ich. Ich hatte kaum ausgesprochen, als ein Auto vor dem Tor hielt. Es war die Kollegin meines Mannes. Ich sah auf die Uhr und sagte: „Bitte beeile dich. Wir müssen los.“ Sie ging ins Wohnzimmer und zog sich schnell um. Mit etwas Verspätung, gingen wir von zu Hause los. Die Gäste gingen in Zweierreihen in Richtung Kirche. Ich musste noch das Tor zuschließen und dachte, -mein Mann wird ja auf mich warten-. Als ich mich umdrehte sah ich, dass die Gäste schon um die Ecke waren. Als Letzter ging mein Mann mit seiner Kollegin. Ich ärgerte mich darüber, dass sie an meiner Stelle ging und das niemandem auffiel, dass ich fehlte. Ich ging alleine hinterher. Ich schloss die Kirche auf, so dass sich alle Gäste einen Platz suchen konnten. Draußen wartete ich auf die Konfirmanden. Sie mussten, solange in einen anderen Raum. Als alle Konfirmanden da waren ging ich in die Kirche und wollte mich zu meinen Mann setzen. Dieser Platz war besetzt von der Kollegin meines Mannes. Auf der ganzen Kirchenbank war kein Platz mehr für mich frei. Mein kleiner Neffe, der weiter hinten saß, hatte für mich einen Platz frei gehalten. So setzte ich mich zu ihm.
Die Konfirmanden betraten mit dem Pfarrer die Kirche. Der Pfarrer sah sich suchend in der Kirche um. Er sah zwar meinen Mann, aber mich nicht. Ich saß weiter hinten, was er nicht wusste. Langsam wurde der Pfarrer nervös, denn er dachte wohl, ich wäre nicht gekommen. Ich sah, wie der Pfarrer Jochen etwas fragte und dann, wie Jochen nach hinten zeigte. Als erstes wurde Jochen getauft. Anschließend wurden die Kinder konfirmiert. Dann bedankte sich der Gemeindekirchenrat bei den Eltern und den Jugendlichen. Jetzt war ich dran. Ich ging nach vorn und hielt die Dankesrede der Eltern. Neben mir stand der Pfarrer und schwitzte sehr stark. Es war zwar sehr warm an diesem Tag, aber in der Kirche war es ziemlich kühl. Ich konnte es mir nicht erklären. Als ich mit der Dankesrede fertig war, hörte ich aus der Ecke, wo der Gemeindekirchenrat saß, ein Raunen. Ich dachte mir dabei nichts. Dann gab der Pfarrer das Abendmahl. Wie mit dem Pfarrer abgesprochen, ging ich mit nach vorn an den Altar. Als ich das Abendmahl vom Pfarrer bekam, kam wieder aus der Ecke des Gemeindekirchenrats, dieses Raunen. Der Pfarrer schwitzte wieder sehr stark. Ich dachte, es wäre wegen diesem Raunen. Der ganze Zeitablauf funktionierte wie geplant. Nachdem der Gottesdienst beendet war, ließen sich die Kinder vor der Kirche fotografieren. Anschließend wurden Glückwunschkarten ausgetauscht und die Eltern, Gäste und Freunde gratulierten. Wir warteten noch auf Jochen, der Glückwunschkarten in Empfang nahm, als mich jemand ansprach und fragte: „Wo ist Jochen?“ Die Stimme kam mir bekannt vor. Ich drehte mich um. Es war Johannes. Er gab mir einen Umschlag mit den Worten: „ Gebe diese Karte bitte Jochen und Grüße ihn von mir.“ Verwundert sah ich Johannes an und fragte: „ Willst du nicht solange warten? Er kommt doch gleich.“ „Nein“, sagte Johannes. „ Ich war im Gottesdienst. Ich will los. Was ich dir noch sagen wollte,: Vor nicht allzu langer Zeit warst du über mein beten verwundert, heute sprachst du sogar die Dankesrede. Aber na ja, wenn dein Auto stundenlang beim Pfarrer vor der Tür steht ist ja alles klar.“ Ich war enttäuscht. Was dachte Johannes. Schnell sagte ich zu ihm: „ Es ist anders als du denkst.“ Als Antwort bekam ich zurück: „ Seid wann weißt du, was ich denke.“ Johannes ließ mich stehen und ging. Nach einiger Zeit kam Jochen. Danach gingen wir gemeinsam Richtung Gaststätte.
Jochen hatte sehr viele Karten mit Geld bekommen. Ich wollte diese nicht mit in die Gaststätte nehmen und sagte zu meinem Mann: „Ich bringe die Karten schnell nach Hause. Kommst du mit?“ Mein Mann antwortete darauf hin: „Geh mal schnell alleine. Du kannst ja nachkommen.“ An seiner Seite ging immer noch seine Kollegin. Ich ging schnell allein nach Hause und zog mir gleich andere Schuhe an. Mein Fuß war wieder geschwollen. Dann ging ich zur Gaststätte. Als ich an unseren Tisch kam, an dem schon alle unsere Gäste saßen, war ich gleich erneut bedient. Rechts neben meinem Mann saß seine Kollegin. Ich fragte ihn: „Wo soll ich mich hinsetzen?“ Mein Mann zeigte auf den Platz links neben sich und sagte: „Hier.“ Wo ich mich hinsetzen sollte, saßen die Kinder und ich saß weit weg von allen anderen Gästen. Ich setzte mich erst einmal dorthin. Ich stellte fest, mein Mann redete mit mir kein Wort nur mit seiner Kollegin. Nachdem wir mit dem Kaffeetrinken fertig waren war ich froh, das ich dort weg kam. Ich brachte den restlichen Kuchen mit ein paar Kindern in die Kirche. Es war mit dem Pfarrer ausgemacht, dass er den restlichen Kuchen mit in die Kaserne nahm. In der Kirche stand der Kuchen schön kühl und konnte nicht sauer oder trocken werden. Als der Kuchen in der Kirche verstaut war, ging ich in die Gaststätte zurück. Die Band war auch schon eingetroffen. Ich musste feststellen, dass sich niemand um die Bandmitglieder kümmerte. Sie hatten nichts zu trinken bekommen und auch keinen Tisch, an den sie sich setzen konnten. Also ging ich zur Band und sagte ihnen, wie alles abläuft, und dass sie ihre Getränke und Essen frei haben. Nur den Kellner müssen sie zum bestellen selber rufen. Der Schlagzeuger, der Bruder vom Pfarrer, fragte mich: „Was sollen wir für Musik spielen?“ „Am Besten von allem etwas“, sagte ich. Die Band fing an zu spielen und es wurde langsam gemütlich im Saal. Laufend kam jemand und wollte etwas von mir wissen. Mal war die bestellte Bowle nicht da, mal fand man den Kellner nicht. Ich war immer in Bewegung und mein Mann amüsierte sich. Als ich mit meinem Mann tanzen wollte, war er gerade mit seiner Kollegin auf der Tanzfläche. Ich wurde an den Nachbartisch gerufen. Auf den Weg dorthin kam mir der Pfarrer entgegen. Der sprach mich an und sagte: „Ich möchte mich bei ihnen bedanken.“ „Für was?“ fragte ich ihn. Der Pfarrer sagte: „Dafür, dass die Kirche so schön geschmückt war. Eigentlich für ihre ganzen Bemühungen.“ „Ja, danke. Wenigstens einem dem auffällt, dass ich überhaupt da bin“, antwortete ich. Er sah mich voller Mitleid an. Dann sagte der Pfarrer: „Was ich ihnen noch sagen wollte. Sie sollten öfter mal ein Kleid anziehen und ihre Haare hochstecken. Das steht ihnen. Ich hätte sie heute fast nicht erkannt.“ Ich dachte, -na ja, wenigstens einer der versucht, dich aufzuheitern-. Ich ging, ohne zuantworten, zum Nachbartisch.
Gegen 20.00 Uhr gab es Abendessen. Die Gaststättenleiterin hatte ohne mein Wissen das Abendessen geändert. Statt warmes Essen hatte sie einfach kalte Platten gemacht. Das kalte Buffet reichte nicht für alle. Die Gaststättenleiterin war nicht in der Lage, für über 200 Leute zukalkulieren. Als meine Gäste zum kalten Buffet gingen, war dieses fast leergeräumt. Das meine Gäste so spät zum kalten Buffet gingen, war meine Schuld. Ich war der Meinung, die anderen Eltern hätten kurzfristig um entschieden. Ich hatte aber warmes Essen am Platz bestellt. Als meine Gäste mit halbleeren Tellern vom Buffet zurück kamen, ging ich zur Gaststättenleiterin und beschwerte mich. Damit meine Gäste wenigstens satt werden bat ich sie, die kalten Platten, die ich um 22.00 Uhr für uns bestellt hatte, auf den Tisch zu bringen. Sie antwortete mir: „Ich habe für euch keine kalten Platten mehr. Alles was ich hatte, ist beim kalten Buffet drauf gegangen. Außerdem hat die Küche jetzt zu.“ Mir war, als ob mir jemand den Boden unter den Füßen weg zog. Ich war sprachlos. Ausgerechnet mir musste das passieren. Jetzt musste ich meinem Mann erklären, dass es nichts mehr zu Essen gibt. Ich ging zum Tisch zurück, an dem unsere Gäste saßen und erklärte meinem Mann die Situation. Der wurde stinksauer. Für ihn war klar, ich habe versagt. Mein Mann sagte zu mir: „Du bist selbst zu blöd, eine Feier zu organisieren.“ Ich sagte kein Wort. Ich konnte doch gar nichts dafür. Die ganze Angelegenheit war mir sehr peinlich. Durch die ganze Aufregung wurde meinem Mann schlecht. Er sagte zu mir: „Mir ist schlecht. Ich gehe erst mal nach Hause und lege mich hin. Ich komme in einer Stunde wieder.“ Seine Kollegin, die unser Gespräch verfolgte, mischte sich ein und sagte zu meinem Mann: „Ich komme mit dir mit.“ In diesem Moment dachte ich, ich traue meinen Ohren nicht. Das war die Frechheit. Ich kochte vor Wut. Ich sagte wütend zu meinem Mann: „Du gehst gefälligst alleine nach Hause.“ Dann wendete ich mich seiner Kollegin zu und sagte zu ihr: „Du bleibst den ganzen Abend mit deinem Arsch hier auf diesen Stuhl sitzen. Und wag dich nicht Hochzustehen, sonst gibt es hier heute noch einen Skandal, der sich gewaschen hat. Sie stand den Rest des Abends nicht mehr von ihrem Stuhl auf. Mein Mann ging nach Hause. Ich kümmerte mich weiter um unsere Gäste. Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, war es 22.30 Uhr. Mein Mann war immer noch nicht zurück. Ich bin dann nach Hause gegangen um zu sehen, warum er nicht wieder kam. Als ich zu Hause ankam, war alles dunkel. Ich ging ins Schlafzimmer und fand meinen Mann in seinem Bett. Er schlief seelenruhig. Ich weckte ihn dann und sagte zu ihm: „Ich dachte, du wolltest in einer Stunde wieder kommen? Die Stunde ist schon lange um.“ Mein Mann antwortete: „Ich fühle mich nicht. Ich bin müde. Ich komme nicht wieder mit. Ich bleibe hier. Geh alleine zurück.“ Wütend sagte ich zu ihm: „Selbst diesen Tag kannst du einem versauen.“ Vor Wut und Enttäuschung liefen mir die Tränen über das Gesicht. Ich ging allein zur Gaststätte zurück. Auf dem Weg dorthin dachte ich, -jetzt wirst du dir einen antrinken-. Als ich den Saal betrat kamen mir ein paar Bekannte entgegen und fragten: „Wo ist denn dein Mann abgeblieben?“ Genervt antwortete ich: „Er ist zu Hause. Er fühlt sich nicht.“ Ich ging an die Bar und holte mir eine Flasche Sekt. Ich ging mit der Flasche Sekt in Richtung unseres Tisches und wollte zu meinem Platz, als ich lautes Gelächter vernahm. Unterhalb des Tisches, wo meine Eltern saßen, hatte sich eine Menschentraube gebildet und es wurde herzhaft gelacht. Ich wollte daran vorbeigehen. Ich wollte meine Ruhe haben. Als mein Vater mich ranrief. Ich wusste nicht, was er von mir wollte und ging zu ihm. Bei meinen Eltern saßen meine Geschwister und der Pfarrer. Es wurde immer noch gelacht. Mein Vater sagte ganz entrüstet zu mir: „Weißt du, was der Pfarrer eben zu mir gesagt hat?“ „Woher soll ich das wissen, ich war doch nicht da“, antwortete ich. „Stell dir vor“, sagte mein Vater. „Der Pfarrer hat eben zu mir gesagt, ihre Tochter ist glattweg eine Sünde wert. So etwas kann der doch nicht sagen. Der ist doch Pfarrer.“ Der Pfarrer, der das hörte, sagte daraufhin in die Menge: „Na, wenn das stimmt.“ Erst mal war ich sprachlos. Ich stand am Tisch. Der Pfarrer stand von seinem Stuhl auf und kam auf mich zu. Er legte seinen Arm um mich und zog mich an sich. Er sah mich an und sagte: „Wir werden jetzt erst einmal Brüderschaft trinken. Dann können wir uns mit du ansprechen. Ich heiße Martin.“ Ich war so durcheinander und sagte zu ihm: „Ich heiße...“ Als ich gerade meinen Vornamen aussprechen wollte unterbrach mich der Pfarrer und sagte: „Ich kenne deinen Vornamen.“ Er nahm mir meine Flasche Sekt aus der Hand, die ich immer noch krampfhaft festhielt, und füllte damit zwei Brausegläser. Da sagte er: „Wir müssen anstoßen. Aber denk daran, zum Brüderschaft trinken gehört auch ein Kuss.“ Ich nahm mein Brauseglas, stieß mit ihm an. Ehe ich mich versah, küsste er mich auf den Mund. Plötzlich ging ein höllisches Gejohle am Tisch los. Meine Mutter sagte zum Pfarrer: „Herr Pfarrer, das war so schön, das müssen wir unbedingt für die Nachwelt festhalten.“ Ehe ich mich versah, küsste mich der Pfarrer zum zweiten mal. Meine Mutter sagte: „Herr Pfarrer, so schnell war ich nicht. Ich habe noch nicht fotografiert.“ Der Pfarrer sagte: „Na ja, dann machen wir das eben noch einmal.“ Und wieder küsste er mich. Mir wurde die ganze Sache peinlich. Die Gäste im Saal wurden schon aufmerksam und schauten zu uns rüber. Ich schob den Pfarrer weg und sagte: „Herr Pfarrer lassen sie das, die anderen gucken schon.“ Der Pfarrer sagte: „Lass sie gucken. Wir haben Brüderschaft getrunken. Ich heiße Martin. Wenn du mich noch weiter mit Herr Pfarrer ansprichst, küsse ich dich gleich noch einmal. Dann kam die Erlösung. Die Band wollte weiter spielen und rief den Pfarrer, über das Mikrofon, auf die Bühne. Ich sah die ganze Sache nicht so verbissen. Ich wusste ja, der Pfarrer ließ sich von keinem mit du ansprechen. Ich dachte, der hat ein Glas zuviel getrunken und hat die ganze Sache morgen vergessen. Er ging auf die Bühne, ich blieb bei meinen Eltern sitzen, die sich noch köstlich darüber amüsierten. Kurz vor Mitternacht kam ein Vater von den anderen Konfirmanden und hat mich zum Tanzen aufgefordert. Ich ging mit ihm zur Tanzfläche. Wir tanzten ungefähr vier Lieder, als plötzlich die Musik verstummte. Ein Bandmitglied machte die Durchsage: „Es ist 24.00 Uhr. Feierabend.“ Und der Saal kochte. Alles schrie: „Nein, weiter spielen.“ Dann riefen sie aus: „Der Verantwortliche bitte auf die Bühne.“ Es ging niemand zur Bühne, bis mein Tanzpartner zu mir sagte: „Hey, ich glaube du bist gemeint. Geh hoch, ich warte hier solange.“ Als ich auf die Bühne kam fragte der Pfarrer: „Was machen wir nun? Eigentlich ist Feierabend.“ Er sprach mit den anderen Bandmitgliedern und sie entschieden sich, noch zwei Stunden dranzuhängen. Aber dann muss wirklich Schluss sein. Die Pfarrer hatten am anderen Morgen Gottesdienst. Ich ging zu meinen Tanzpartner zurück, der mich zur Bar einlud. Darüber war ich ganz froh, denn ich kam noch gar nicht zum Trinken. An der Bar hatte ich mit meinem Tanzpartner schon einige Gläser Sekt getrunken als ich hörte, wie plötzlich mein Name durchs Mikrofon gerufen wurde. Der Pfarrer stand auf der Bühne und forderte mich, über das Mikrofon, zum Tanz auf. Ich hatte keine Lust und schüttelte den Kopf, drehte mich um und trank mit meinem Tanzpartner weiter. Die Band fing wieder an zu spielen. Ich drehte mich kurz zur Bühne um und sah, wie der Pfarrer seine Gitarre ablegte. Er ging zum Mikrofon des Sängers. Ich wunderte mich kurz darüber und wandte mich meinem Gesprächspartner wieder zu. Plötzlich hörte ich wie der Pfarrer meinen Namen und - ich liebe dich - sang. Das wiederholte er mit Beharrlichkeit. Ich ließ meinen Gesprächspartner stehen und ging Richtung Bühne. Ich wollte das unterbinden. Als ich auf der Höhe der Tanzfläche war, sprang der Pfarrer von der Bühne und zog mich auf die Tanzfläche. Er hielt mich fest und zog mich an sich. Plötzlich spielte die Band langsamere Musik. Er ließ mich nicht wieder los. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und flüsterte mir andauernd etwas ins Ohr. Was ich jedoch nicht verstand. Meine Gedanken kreisten nur darum, dass es keiner mitbekommt. Ich war gar nicht mehr bei der Sache. Mir war, als ob mich Geisterhände führten. Ich dachte falsch. Um uns bildete sich eine Menschentraube, die im Takt mit klatschte. Ich wurde langsam ärgerlich. Erst der Ärger mit meinem Mann und jetzt der Pfarrer. Ich hatte die Nase voll und zog jetzt den Pfarrer an mich heran. Dann flüsterte ich ihm ins Ohr: „Wenn du mich nicht gleich aus dem Trubel herausbringst, kotze ich dir auf die Schuhe.“ Das saß. Der Pfarrer war so geschockt, dass er mich schlagartig los ließ. Er sah mich an. Nahm mich am Arm und brachte mich zum Tisch zurück. Als ich am Tisch saß, war ich heil froh. Auf meinem Platz stand eine volle Flasche Sekt die ich öffnete und trank. Die Band spielte und unsere Gäste amüsierten sich. Im Saal war Stimmung. Ich unterhielt mich mit meinen Eltern. Meine Mutter fragte mich etwas. Da ich es nicht verstanden hatte, bat ich sie, ihre Frage zu wiederholen. Ich hatte aber grade etwas getrunken und verschluckte mich. Mir wurde heiß und übel. Meine Mutter sagte dann zu mir: „ Geh einen Moment vor die Tür, bis der Husten nachlässt, sonst denkt noch jemand, du hast zuviel getrunken.“ Ich nickte und ging hinaus. Auf dem Weg hinaus merkte ich, dass ich leicht schwankte. Ich sah auf die Uhr. Es war 00.30 Uhr. Ich dachte, wenn du wieder rein kommst, dann trinkst du nur noch Selters. Die anderthalb Stunden hältst du noch durch. Neben der Gaststätteneingangstür, die hell erleuchtet war, blieb ich stehen. Die Luft war noch angenehm warm. Dann kam mein kleiner vier jähriger Neffe Humpelpumpel, zog von hinten am Kleid und sagte: „Ist dir schlecht? Wann kommst du wieder rein?“ Ich streichelte ihm über den Kopf und sagte: „Ich bleibe noch etwas an der frischen Luft. Geh schon rein, ich komm gleich nach.“ Plötzlich fasste mich jemand von hinten um die Hüfte und zog mich an sich. Erst dachte ich, es wäre mein kleiner Neffe, der mich holen wollte. Dann merkte ich, daß es nicht mein Neffe war. Es war der Pfarrer, der inzwischen seinen Kopf auf meine Schulter gelegt hatte. Ehe ich etwas sagen konnte drehte er mich zu sich um und küsste mich auf den Mund. Ich dachte, -was ist denn jetzt los-. Dann sagte ich: „Martin, was soll das?“ Er hielt mich weiter fest und sagte: „Das merkst du doch! Ich küsse dich.“ Wieder folgten Küsse. Ich sagte zu ihm: „Bist du verrückt? Lass das! Oder ist dein Verstand in die Hose gerutscht?“ Er küsste mich wieder und sagte: „Kann schon sein, dass ich verrückt bin, aber nach dir. Schon von Anfang an, aber du hast es nicht gemerkt. Ich will dich.“ Ich glaube, ich wurde kreideweiß und riss mich von ihm los. Erstaunt sagte ich zu ihm: „Spinnst du? Weißt du überhaupt wie alt ich bin und wie alt du bist? Ich habe die Hälfte meines Lebens noch vor mir und du schon weit hinter dir.“ Er ging auf mich zu, griff nach mir und zog mich an sich ran. Wieder küsste er mich. Dann sagte er: „Ich kenne unser beider Alter. Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Ich liebe dich. Ich will dich.“ Ich sagte: „Das Beste ist, du suchst dir eine Frau in deinem Alter. In die kannst du dich dann verlieben.“ Er antwortete: „Ich will keine Frau in meinem Alter. Ich will dich.“ Er küsste mich wieder. Diesmal wehrte ich mich nicht mehr dagegen und bekam sogar Schmetterlinge im Bauch. Mein Verstand wehrte sich immer noch. Ich sagte dann zu ihm: „Wie stellst du dir das vor? Ich bin verheiratet du bist Pfarrer. Wenn das Verhältnis rauskommt lynchen die uns und hängen uns an den nächsten Laternenpfahl.“ Er küsste mich und ich erwiderte seine Küsse. Wir küssten uns eine ganze Weile. Plötzlich ließ er mich los und schob mich etwas von sich. Dann sagte er: „Wieso Verhältnis? Du musst irgend etwas falsch verstanden haben. Ich will dich ganz für mich alleine. Ich will kein Verhältnis. Ich will, dass du die Scheidung einreichst. Ich will dich heiraten. Wir gehen von hier weg und fangen gemeinsam neu an. Ich lass mich versetzen. Ich will kein Verhältnis und ich will dich auch nicht verstecken. Wenn du mich willst, dann ganz oder gar nicht.“ Er zog mich wieder an sich ran und küsste mich innig. In meinem Kopf fing es an zu arbeiten. Ich bekam panische Angst alles aufzugeben. Das wollte ich nicht. Mit einem Verhältnis hätte ich vielleicht leben können aber gleich eine Scheidung? Als mich plötzlich Martin aus meinen Gedanken riß und sagte: „Entscheide dich. Ich liebe dich, daran wird sich nichts ändern.“ Ich konnte und wollte mich nicht gleich entscheiden. Diesmal küsste ich ihn zuerst und sagte: „Lass mir mit der Scheidung Zeit, bis die Kinder aus dem Haus sind. Bis dahin werden wir sehen, ob wir zusammenpassen.“ Er antwortete: „Na gut. Ich hoffe, ich muss nicht zehn Jahre warten.“ Dann nahm er mich in seine Arme und wir küssten uns. Wir hatten um uns herum alles vergessen, als plötzlich jemand neben uns stand und uns antippte. Es war Martin sein Bruder, der wütend sagte: „Wir suchen dich seit anderthalb Stunden und du stehst hier.“ Dann sah er mich an und sagte: „Ich hätte es mir ja denken können. Ihr wart beide so miteinander beschäftigt, dass ihr nicht einmal gemerkt habt, das ihr unter der Eingangsbeleuchtung steht. Martin, wenn das jemand gesehen hat ist der nächste Ärger vorprogrammiert. Mensch Martin! Du weißt doch, Hände weg von Frauen aus der eigenen Kirchengemeinde.“ Martin hielt mich immer noch fest und ich ihn auch. Als mir die Worte von seinem Bruder bewusst wurden sagte ich zu seinem Bruder: „Reg dich nicht auf. Ich bin nicht in seiner Kirchengemeinde. Ich bin nicht einmal in der Kirche, also kann gar nichts passieren.“ Der Bruder kam einen Schritt auf uns zu, zog uns auseinander und sagte: „Das kann doch wohl jetzt alles nicht wahr sein. Dann hast du jetzt erst recht Ärger. Was hast du dir nur einfallen lassen, dass du ausgerechnet sie die Elternrede halten lässt und ihr noch das Abendmahl gibst. Bist du von allen Sinnen? Na ja, wenn du meinst, das sie es Wert ist!“ Weder ich, noch Martin sagten etwas. Wir wussten nicht ob und wer uns gesehen hatte. Martin zog mich an sich und küsste mich. Ich sagte zu ihm: „Ich muss rein. Nicht das sie mich auch schon suchen.“ Dann ging ich. Als ich an unseren Tisch zurück kam, fragte keiner, wo ich war. Nur mein kleiner Neffe Humpelpumpel kam und sagte: „Ich habe dich draußen stehen sehen. Mit dem Pfarrer, aber Ehrenwort, ich verrate es keinem.“ Er hat sich bis heute daran gehalten und es niemandem erzählt. Manchmal sagt er heute noch: „Weißt du noch unser Geheimnis?“
Um 2.30 Uhr löste sich die Feier auf. Neben mir ging die Kollegin von meinem Mann, die mir ständig ein Gespräch aufdrängeln wollte. Aber auf dem Nachhauseweg, plagten mich Gewissensbisse. Ich dachte, -wenn dich jemand gesehen hat, das gibt einen Skandal-. Darauf hatte ich keine Lust. Ich schämte mich auch für das, was ich getan hatte. Als ich zu Hause ankam, verfrachtete ich die Kollegin meines Mannes ins Wohnzimmer. Meine Kinder gingen nach oben in ihre Zimmer. Als ich nach meinem Mann sah, stellte ich fest, dass er fest schlief. Er hörte uns nicht mal kommen. Ich holte das Telefon, ging in die Küche und rief Martin an. Am anderen Ende hörte ich den Anrufbeantworter. Ich legte auf. Dann überlegte ich mir, dass es einfacher war, sich mit einem Anrufbeantworter zu unterhalten. Ich wählte erneut und sagte dann: „Martin, ich entschuldige mich. Es war ein Versehen dich zu küssen. Ich hatte meine Gefühle nicht im Griff. Es tut mir leid.“ Dann legte ich auf. Ich dachte, damit wäre alles geklärt.

Jochens Theateraufführung

Pfingstmontag saßen alle auf unserer Terrasse und tranken Kaffee. Es klingelte und mein Mann öffnete das Tor. Er kam mit dem Pfarrer auf die Terrasse. Ich hatte erst Schmetterlinge im Bauch und gleichzeitig kam das schlechte Gewissen. Ich traute mich nicht, Martin anzusehen. Mein kleiner Humpelpumpel saß in der Ecke und grinste sich eins. Sagte aber kein Wort. Falls mich doch irgendein anderer gesehen hat, gibt es gleich eine Katastrophe. Der Pfarrer setzte sich unaufgefordert an den Kaffeetisch. Ich holte ein Gedeck und stellte es ihm hin. Ich goß ihm Kaffee ein und fragte: „Zucker?“ Der Pfarrer sah mich verwundert an und sagte: „Wo hast du denn heute deine Gedanken? Du weißt doch das ich drei Teelöffel nehme. Du fragst doch sonst nicht.“ Das war ja noch peinlicher. Ich stammelte nur schnell: „Entschuldigung. Das habe ich wohl vergessen.“ Der Pfarrer hatte immer noch nicht gesagt, was er eigentlich wollte. Bis mein Vater fragte: „Na, Herr Pfarrer, was führt sie heute her? Ich hoffe doch, sie wollen meine Tochter nicht schon wieder küssen?“ Der Pfarrer antwortete ihm: „Was heißt küssen? Wir haben Brüderschaft getrunken. Ich wollte mich nur noch einmal bei ihrer Tochter bedanken, daß das alles so gut organisiert war.“ Mein Vater war mit dieser Antwort nicht so richtig zufrieden. Er sagte zum Pfarrer: „Na klar haben sie meine Tochter am Tisch geküßt. Wir haben davon sogar Bilder. Wenn sie das abstreiten, kann ich die sogar an die Kirchentür anschlagen.“ Der Pfarrer sah mich an, sah meinen Vater an und sagte: „Wenn es ihnen Spaß macht! Dann machen sie es doch! Alle mußten lachen, nur mir war nicht zum Lachen zu mute. Ich war heilfroh, als der Pfarrer endlich gehen wollte. Weil ich gerade stand, sagte mein Mann: „Bring du ihn bitte zur Tür.“ Ich wollte es nicht, durfte es mir aber nicht anmerken lassen und brachte den Pfarrer zur Tür. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Sehen wir uns am Mittwoch?“ Ich war froh, daß er mich nichts anderes gefragt hatte. Ich überlegte kurz und sagte: „Das wird wohl in den nächsten drei Wochen nichts werden. Jochen hat seine große Theateraufführung in den freien Kammerspielen in Schwarze. Ab Morgen sind Proben und der Bühnenbau. Ich bin für die Kostüme zuständig und muß mit den Kindern proben. Arbeiten muß ich auch noch. Das wird wohl nichts.“ Martin hielt immer noch meine Hand. Er sagte: „Schade. Dann komm wenigstens am letzten Tag, des Konfirmandenunterrichts mit zum Eisessen. Sieh es als Dankeschön für deine Arbeit.“ Ich überlegte kurz.. Ich dachte, -bis dahin sind ja schon vier Wochen vergangen, bis dahin hat der Pfarrer das vergessen, was auf der Konfirmation vorgefallen war-. Und sagte dann: „Ja. Ich komme mit.“ Er freute sich und sagte: „Bis dahin telefonieren wir noch einmal.“ Ich war froh, als der Pfarrer gegangen war. Ich dachte mir, -der hatte dich nicht darauf angesprochen, vielleicht war er so betrunken, daß er von nichts mehr weiß-. Als ich zum Kaffeetisch zurück kam, war dieses Thema Geschichte.
Ab Dienstag gingen die Proben für Jochens Theateraufführung los. Die Kinder saßen von morgens um 8.00 Uhr bis abends um 20.00 Uhr im Theater und probten. Sie spielten „Was ihr wollt“ von Shakespeare. Es war für 14 jährige Kinder ein schweres Stück. Der Lehrer verlangte alles auswendig. Alle Rollen waren doppelt vergeben. Jedes Kind mußte zwei Rollen auswendig lernen. Es war manchmal so ein durcheinander, daß ich selbst nicht mehr wußte, wer was war. Jochen hatte den Pfarrer gespielt und kümmerte sich um die Beleuchtung. Er war der einzige, der die Scheinwerfer bedienen konnte und er arbeitete beim Bühnenbau mit. Die Kinder bauten alle Kulissen und Bühnenbilder selbst. Wir haben drei Mal am Tag mit den Kindern geprobt. Am 16.06.1999 sollte Premiere sein. Es hatte den Anschein, nichts wollte so richtig funktionieren. Vom 16.06.1999 bis 20.06.1999 hatten die Kinder jeden Tag eine Aufführung und am Wochenende sogar zwei. Das Theater hatte ungefähr 300 Plätze und alle Veranstaltungen waren im Vorfeld ausverkauft. Der Lehrer hatte sich um die Kostümausleihe gekümmert. Meine Aufgabe war noch zusätzlich, am Dienstag, wenn die Kostüme kommen, jedem Kind nach seiner Rolle, das passende Kostüm zu zuordnen und Änderungen am Kostüm vorzunehmen. Dienstagabend hatten wir die letzte Probe. Es war aber die erste Probe im Kostüm. Ich mußte feststellen, daß viele Kostüme gar nicht paßten und geändert werden mußten. Das war ein schönes Durcheinander. Jeder hatte was zu meckern. Ich gab Jochen den Pfarrertalar zur Anprobe. Er sagte entsetzt zu mir: „Aber Mutti, das ist doch ein Nonnenkostüm. Damit gehe ich nicht auf die Bühne, das könnt ihr vergessen.“ Und zwei Kleider fehlten. Wir suchten den ganzen Anproberaum durch, aber weder Kleider noch Talar tauchten auf. Ich rief den Lehrer und sagte ihm, was passiert war. Der kam und suchte ebenfalls alles durch. Aber auch er fand die fehlenden Kostüme nicht. Ich war schon mit meinen Nerven am Ende. Der Lehrer sagte dann zu mir: „Lassen sie sich bloß was einfallen und lassen sie mich nicht hängen. Wir brauchen unbedingt die drei Kostüme“ Ich war erst einmal ratlos. Ich rief sämtliche Kostümverleihe und Theater an. Keiner hatte zwei Kleider und einen Talar für diese Tage. Nach dem 20.06.1999 wäre alles kein Problem gewesen. Mir fiel ein, daß ich mein Brautkleid noch zu Hause hatte und eine andere Mutti hatte auch noch eins. Die holte ihr Brautkleid. Dieses war nur zu lang, ansonsten paßte es. Damit hatten wir erstmal ein Kleid. Das andere Mädchen war etwas kleiner, aber von gleicher Statur. So wie es aussah würde ihr meins passen, wenn ich es abschneide. Ich schickte schnell noch eine Mutti los um Farbe zukaufen. Die Kleider mußten noch eingefärbt werden. Jetzt fehlte nur noch für Jochen der Talar. Ich fuhr mit Jochen nach Hause, setzte mich an die Nähmaschine um die Kleider zuändern. Dann mußte ich sie noch schnell einfärben. Es war schon 21.00 Uhr durch, als Jochen kam und fragte: „Hast du nun einen Talar für mich? Ich spiele nicht im Nonnenkostüm, das könnt ihr vergessen. Alle anderen haben ein anständiges Kostüm. Nur ich nicht. Dann komme ich eben gar nicht und ihr habt auch keinen Beleuchter und es fällt alles aus.“ Ich sagte dann: „Dann bleibst du eben zu Hause. Dann macht dein Lehrer die Beleuchtung. Falls jemand den Text nicht weiß, setzt sich einer von den Eltern hin und flüstert den Text zu. Gott sei Dank haben wir noch jemanden, der deine Rolle spielen kann.“ Ich war wütend. Das mit den Kostümen war nicht meine Schuld. Ich redete mit Engelszungen auf Jochen ein, aber Jochen blieb stur. Plötzlich klingelte das Telefon. Ich nahm ab und am anderen Ende meldete sich Jochens Lehrer und fragte: „Haben sie ihre Listen für die Besetzung da?“ „Ich hole sie“, sagte ich. Ich nahm die Listen und ging damit zum Telefon zurück und sagte: „Ich habe sie. Was ist los?“ „Ich habe gerade zwei Krankmeldungen bekommen. Wir müssen mal nachsehen, wegen den Rollen. Ich habe meine Listen im Theater liegen lassen.“ sagte er. Er nannte mir die Namen der Kinder. Ich sah auf meine Liste und mußte feststellen, daß Jochens Zweitbesetzung ausfiel. Das andere Kind war auch für eine Zweitbesetzung eingeteilt. Noch gab es durch diesen Ausfall keine Komplikationen. Ich sagte dem Lehrer nicht, daß Jochen morgen nicht spielen wollte, sonst hätte er diese Nacht bestimmt nicht schlafen können. Jochen, der dieses Telefongespräch mitbekam, freute sich. Ich saß wieder an der Nähmaschine als Jochen mit dem Telefon zu mir kam und sagte: „Mutti rufe den Pfarrer an.“ „Warum soll ich den jetzt anrufen?“ fragte ich Jochen. „Na, der hat einen Talar. Den wird er dir schon geben“, antwortete Jochen. Energisch sagte ich: „Nein. Ich werde den Pfarrer nicht anrufen. Und der wird mir auch nicht seinen Talar, für ein Theaterstück ausborgen. Das kannst du vergessen. Das macht kein Mensch und der Pfarrer schon gar nicht.“ Doch Jochen blieb energisch und sagte: „Doch, wenn du den anrufst, macht der das. Der mag dich. Der kann bei dir nicht nein sagen.“ Jochen gab immer noch nicht nach. Um endlich meine Ruhe zu haben wollte ich ihm beweisen, daß kein Pfarrer seinen Talar verborgt. Es war zwar schon spät, aber ich rief Martin noch an. Der freute sich, daß ich anrief und fragte: „Wie geht es dir?“ Ich antwortete: „Gut. Aber ich habe ein Problem!“ Martin sagte: „Na ja, vielleicht kann ich dir helfen.“ Ich antwortete: „Ich glaube nicht. Es sei denn, du hast einen zweiten Talar, den du mir für Jochen seine Aufführung leihen kannst.“ Martin antwortete: „Es tut mir leid, aber ich habe keinen zweiten Talar. Ist das sehr wichtig?“ „Eigentlich nicht. Nur Jochen will nicht mit einem Nonnenkostüm als Pfarrer auf die Bühne“, sagte ich. „Wann brauchst du den Talar?“ Fragte Martin. Ich antwortete: „Von morgen bis Sonntagabend.“ Martin sagte: „Hmm, Sonntag habe ich Gottesdienst. Da brauche ich ihn selbst. Hol dir den Talar morgen erstmal ab. Für Sonntag muß ich mir etwas einfallen lassen.“ Ich sagte: „Das ist aber nett von dir. Kann ich mir den Talar morgenfrüh um 8.00 Uhr abholen?“ „Ja“, sagte Martin. „Ich warte auf dich.“ Ich war überrascht. Ich dachte, nach all dem gibt er dir sein Heiligtum. Jochen stand triumphierend da und sagte: „Habe ich dir doch gesagt, wenn du fragst, dann gibt er ihn dir.“ Ich machte meine Kleider fertig und hatte ein ungutes Gefühl. 14 Tage hatte ich es geschafft ihm aus dem Weg zu gehen. Nun mußte ich zu Martin, nicht einmal meinetwegen.
Am anderen Morgen war es etwas hektisch. Ich rief meine Bekannte an und bat sie, meine Kinder mit zur Schule zu nehmen. Meine Bekannte fragte mich: „Kommst du etwa heute nicht?“ „Doch, ich komme nach“, antwortete ich. „Ich muß nur noch einen Talar besorgen.“ Sie war erstaunt und freute sich, daß ich doch noch so ein Ding aufgetrieben hatte. Die Kinder fuhren mit ihr los und ich fuhr zu Martin, den Talar holen. Mit mulmigem Gefühl klingelte ich an der Tür. Martin öffnete. Er bat mich, mit ihm zu frühstücken. Ich sah auf die Uhr und sagte: „Ich habe keine Zeit.“ Er sagte daraufhin: „Dann nimm sie dir einfach.“ Ich wollte nicht, daß es so aussieht als komme ich nur, wenn ich etwas wollte. Und willigte zum Frühstück ein. Wir frühstückten gemeinsam, als Martin zu mir sagte: „Du kannst den Talar bis Sonntag behalten. Ich gehe am Sonntag im Anzug zum Gottesdienst. Der Kirchengemeinderat wird deswegen zwar sauer sein. Aber wenn mich jemand darauf anspricht, kann ich immer noch sagen, daß mein Talar in der Reinigung und nicht fertig geworden ist.“ Ich sah ihn an und sagte: „Jetzt verleite ich dich auch noch zum Lügen.“ Martin sah mich an und sagte: „Du könntest mich auch zu etwas anderem verleiten.“ Scheiße, dachte ich. Jetzt hatte er genau das Thema angesprochen, was ich nicht wollte. Plötzlich war mein schlechtes Gewissen wie weggeblasen. Ich sagte zu ihm: „Du kennst meine Meinung. Geliebte, ja. Scheidung, nein.“ Martin antwortete: „Du kennst meine Meinung. Geliebte, nein. Scheidung, ja.“ „Dann hast du deine Chance verpaßt“, antwortete ich. Dann sah ich das Leuchten in seinen Augen. Er stand von seinem Platz auf, kam zu mir und küßte mich. Ich wehrte mich nicht einmal. Er hob mich vom Stuhl und ging mit mir in sein Schlafzimmer. Dort legte er mich auf sein Bett. Vom Bett aus konnte ich hinter die Tür sehen und sah dort den Talar hängen. Ich sagte zu Martin: „Kannst du den Talar nicht weghängen? Ich fühle mich durch ihn beobachtet.“ Jetzt mußte Martin lachen und sagte: „Mach dir keine Sorgen, der erzählt nichts.“ Beim Anblick des Talars hatte ich ein schlechtes Gewissen. Nur Martin störte er nicht. Er fing an mich zu küssen, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Immer sah ich auf diesen Talar. Dann kam die Erlösung. Mein Handy klingelte. Ich wollte rangehen, Martin sagte: „Laß es einfach klingeln. Derjenige, der jetzt anruft, stört.“ Ich schupste ihn von mir runter und nahm mein Handy aus der Hosentasche. Es hätte ja etwas Wichtiges mit der Schule sein können. Ich ging ans Handy. Am anderen Ende meldete sich Johannes. Er sagte: „Ich habe gerade dein Auto stehen sehen. Oder störe ich etwa?“ Ich dachte, das kann man sehen wie man will. Sagte aber: „Nein.“ Johannes sagte dann: „Kannst du bitte Mal runter kommen. Ich habe für Konrad ein Geburtstagsgeschenk im Auto. Das kannst du gleich mitnehmen, dann muß ich heute Abend nicht vorbei kommen.“ „ Wieso Geburtstagsgeschenk“, fragte ich. „Hat dir der da oben schon den Verstand geraubt? Dein Kind hat heute Geburtstag.“ Schnell sagte ich: „Ich komme.“ Johannes hatte recht. Ich hatte Konrads Geburtstag vergessen. Das lag an den ganzen Streß und nicht an Martin. Das ist mir auch nur dieses eine Mal passiert. Ich sprang vom Bett auf und schnappte mir den Talar samt Bügel. Küßte Martin, der immer noch ganz verdutzt da stand und ging. Unten wartete Johannes. Strafend sah mich Johannes an. Ich wußte nicht ob ich ihm böse oder dankbar sein sollte. Er gab mir ein Paket für Konrad. Plötzlich fiel ihm auf, daß ich den Talar in der Hand hielt. Verwundert sah er mich an. In diesem Moment kam Martin auf die Straße. Er kam auf mich und Johannes zu. In der Hand hielt er ein Beffchen. Er würdigte Johannes mit keinem Blick. Zu mir sagte er: „Zum Talar gehört das Beffchen, wie der Talar zum Pfarrer. Jochen braucht beides. Manchmal muß man auch Sachen nehmen, von denen man denkt, man braucht sie nicht.“ So schnell wie Martin kam, verschwand er auch wieder. Johannes sah mich an, schüttelte den Kopf und sagte: „Kannst du mir mal sagen was der hat und was ich nicht habe? Der hat dich eben mit den Augen ausgezogen.“ Ich antwortete: „Er hat braune Augen und du blaue. Aber tröste dich, du hattest mich schon, er nicht. Der einzige Unterschied zwischen euch beiden ist, dich wollte ich heiraten und du wolltest mich nicht. Er würde mich heiraten, aber den will ich nicht. Jedenfalls nicht heiraten.“ Johannes stand nur kopfschüttelnd vor mir. „Mach dich nicht unglücklich“, sagte er. „Er ist Pfarrer.“ Ich packte das Geschenk und den Talar ins Auto und fuhr zum Theater.
Alle Aufführungen waren ein voller Erfolg. Konrad kam gegen Nachmittag auch zum Theater. Dort gratulierte ich ihm und entschuldigte mich, dafür das ich ihn heute Früh vergessen hatte. Konrad erzählte mir traurig, daß seine Lehrerin krank ist. Sie wird dieses Schuljahr nicht wieder kommen. Ich fragte ihn: „Bei wem hattet ihr heute Unterricht?“ Konrad antwortete darauf: „Die Woche haben wir noch bei der Hortnerin Unterricht. Aber, Mutti, nächste Woche kommt Frau Raupe und unterrichtet uns.“ Ich gab auf diese Worte nichts weiter, denn Frau Raupe war eine Mutti von einem Schüler, die bisher im Landtag für das Bündnis „die Grünen“ saß. Mir war überhaupt nicht bekannt, daß Frau Raupe eine Ausbildung als Lehrer und schon gar nicht für die Waldorfschule hatte. Die Tage bis zur letzten Aufführung waren einfach nur hektisch. Auf der letzten Aufführung hatten wir unsere Kinder nur einmal angezogen. Dann mußten sie sich alleine umziehen. Wir Eltern wollten die Aufführung auch einmal sehen. Nachdem die letzte Vorstellung zu Ende war, verbeugten sich die Kinder und holten mich zu sich auf die Bühne. Das war die Entschädigung für den ganzen Streß.
Montagfrüh brachte ich den Talar in die Reinigung. Ich mußte arbeiten und bat meinen Mann, den Talar wieder abzuholen und ihn zum Pfarrer zurück zu bringen. Was mein Mann auch tat. Dieses mal war es mir gelungen, Martin aus dem Weg zu gehen.
Konrad hatte Recht. Frau Raupe übernahm wirklich ab Montag den Unterricht. Ich unterhielt mich mit ein paar Eltern. Wir waren der Meinung, es sind nur noch 14 Tage bis zu den Ferien, es könnte eigentlich nichts mehr passieren. Wir dachten, daß auch die Zeugnisse fertig geschrieben sind und auch von der Seite her nichts zu befürchten wäre. Jetzt lief alles viel ruhiger. Martin hatte ich, seit ich mir den Talar ausgeliehen hatte, nicht wieder gesehen.
Den Abend vor dem letzten Konfirmandenunterricht rief er noch einmal an. Er sagte: „Du wolltest morgen mit zum Eisessen kommen. Denkst du daran. Wir treffen uns an der Kirche.“ Bevor ich überhaupt antworten konnte, legte er den Hörer auf. Ich wollte eigentlich nicht mitgehen, aber meine Kinder drängelten so lange, bis ich zustimmte. Zur verabredeten Zeit trafen wir uns an der Kirche. Wir gingen gemeinsam mit den Kindern Richtung Eisdiele. Die Kinder tanzten um uns herum. Ich war darüber ganz froh. Dadurch konnte er mir keine unangenehmen Fragen stellen. Die Kinder, die mit Jochen konfirmiert wurden, gingen neben uns und unterhielten sich. Sie fanden es schade, daß nun für sie alles zu Ende war. Ich hörte das und mußte feststellen, daß sie darüber sehr traurig waren. Gern hätten die Kinder mit dem Pfarrer weiter etwas unternommen. Ich kannte das Problem mit der Jungen Gemeinde. Bis jetzt weigerte sich Martin die Jugendgruppe ins Leben zurufen. Jochen kam zu mir und zog mich ein Stück zurück. Er sagte: „Mutti, frag du doch mal den Pfarrer wegen Junger Gemeinde.“ Ich antwortete Jochen: „Fragt ihn doch selbst.“ „Haben wir doch schon“, sagte Jochen. „Aber er hat nein gesagt. Bei dir sagt er bestimmt nicht nein. Das hat doch schon einmal funktioniert. Bitte.“ „Mal sehen“, sagte ich. Ich ging nach vorn zu Martin, der ein Stück vor gelaufen war, nahm ihn am Arm und sagte: „Ich muß Mal mit dir reden.“ Er sah mich etwas verwundert an und schickte die Kinder vor, so daß wir uns ungestört unterhalten konnten. Martin sagte: „Ich muß ebenfalls mit dir reden, das ist wichtig.“ „Na dann du zuerst. Fang an“, sagte ich. Martin senkte seinen Blick nach unten und sagte: „Gestern Abend war Gemeindekirchenrat. Ich hatte deinetwegen Ärger, weil du die Rede hieltest und ich dir das Abendmahl gab.“ Ich überlegte kurz und sagte: „Was kann ich dafür, wenn du dich nicht an deine Kirchengesetze hältst. Ich wußte nicht, daß ich das alles nicht hätte tun dürfen. Du bist der Pfarrer. Wenn dein Verstand in die Hose rutscht, dafür kann ich nichts.“ Martin kochte vor Wut. Er rief einen Konfirmanden heran, der mit dem Fahrrad da war, ließ sich das Rad von ihm geben und fuhr los. Ich wollte umkehren, wußte aber nicht, wo Martin hin war. Ich konnte die Kinder nicht alleine lassen. Als wir um die Ecke zur Eisdiele kamen stand Martin mit dem Fahrrad da und wartete auf uns. Die Kinder konnten sich riesengroße Eisbecher bestellen. Er schickte sie dann auf die Wiese. Zu mir sagte er: „Wir setzen uns dort hinten hin. Ich habe dir noch etwas zu sagen.“ Ich ging vor und suchte einen Platz. Er brachte mir einen Eisbecher mit. Er stellte mir den Eisbecher hin und zischte mich an: „Mein liebes Fräulein! Mein Verstand ist bestimmt nicht in die Hose gerutscht. Wenn du denkst ich habe irgend etwas von dem Abend vergessen, dann irrst du gewaltig. Ich habe über anderthalb Jahre gebraucht um dir das zu sagen. Mensch, ich bin doch auch nur ein Mann und habe Gefühle. Ich kann die Gefühle für dich nicht abstellen. Wenn du das kannst, dann bist du zu beneiden.“ Phuuu. Das saß mal wieder, dachte ich. Am Nachbartisch war man schon aufmerksam geworden. Ich hielt es für besser den Mund zu halten. Er sah mich an und grinste. Dann sagte er: „Irgend jemand hat uns unter der Beleuchtung gesehen. Im Gemeindekirchenrat wurde ich gefragt, ob ich mit dir ein Verhältnis hätte.“ Vor Verlegenheit wurde ich feuerrot. Von unten nach oben blickte ich Martin ins Gesicht und fragte ihn: „Und was hast du gesagt?“ Gespannt wartete ich auf seine Antwort. Er griff nach meiner Hand und sagte: „Meine Gefühle für dich gehen keinen etwas an. Nur uns beide. Natürlich habe ich nein gesagt. Wir sind nur sehr gute Freunde.“ Bei dieser Antwort fiel mir ein Stein vom Herzen. Es war die Wahrheit. Wir hatten kein Verhältnis, aber Martin hätte an dieser Stelle auch lügen können. Mein Mann hätte sich garantiert scheiden lassen. Martin hätte das erreicht, was er wollte. Mich, für sich ganz allein. Jetzt sah ich die Chance für die Junge Gemeinde. Ich sagte zu ihm: „Mensch, mach doch die Junge Gemeinde. Die Kinder freuen sich und den Gemeindekirchenrat kannst du etwas besänftigen. Dann vergessen sie das andere schneller und sehen deinen guten Willen.“ Martin hielt immer noch meine Hand und drückte sie fester. „Aber nur dir zu liebe. Du weißt, das ich dir nichts abschlagen kann“, sagte er. Seine Begründung war mir egal. Es gab jetzt eine Junge Gemeinde und das war wichtig. Die ersten Kinder kamen an unseren Tisch und wir beendeten unser Gespräch. Martin ging nach Hause und ich, brachte die Kinder zurück.
Es gab Zeugnisse. Jochen sein Zeugnis war topp. Der neue Lehrer hatte Jochen’s Einsatz bei der Theateraufführung im Zeugnis vermerkt. Außer, daß er Jochen’s Rechtschreibung bemängelte, gab es keine Klagen.
Bei Konrad blieb mir fast mein Herz stehen. Für die Lehrerin konnte Konrad gar nichts. Ich hatte mit ihr immer ein gutes Verhältnis, doch diesesmal hatte sie mich darüber nicht informiert. Ich war sauer und rief sie bei sich zu Hause an. Ich stellte sie zur Rede. Konrads Lehrerin war über das, was ich ihr sagte, sehr entrüstet. Sie sagte zu mir: „Ich habe das Zeugnis von Konrad nicht geschrieben. Ich weiß, auch daß es nicht so ist, wie es im Zeugnis steht. Das Zeugnis hat Frau Raupe geschrieben. Ich kann es ihnen auch gleich sagen. Ich verlasse die Schule und komme nicht wieder.“ Ich war sprachlos. Was ich hier hörte schlug dem Faß den Boden aus. Ich entschuldigte mich bei ihr und wünschte ihr für die Zukunft alles Gute. Konrad seine Lehrerin sagte noch: „Falls sie es noch nicht wissen, Jochen sein Klassenlehrer verläßt ebenfalls die Schule.“ Dann legte sie auf. Das hatte uns niemand am letzten Schultag gesagt. So langsam bekam ich Bedenken, ob das alles, daß Ideale für meine Kinder ist. Ständig wechselten die Lehrer. Den Wissensstand meiner Kinder, konnte ich nie so richtig nachprüfen. Sie konnten sich gut bewegen, sich gut artikulieren und waren fingerfertig. Ob das für das Leben reichte, da bekam ich so meine Zweifel. Aber es waren Ferien und ich konnte im Moment sowieso nichts tun. Die Kinder fuhren in den Urlaub. Selbst vor Martin hatte ich meine Ruhe. Der fuhr nämlich auch in den Urlaub. Ruhe war etwas übertrieben. Martin rief jeden Tag kurz an. Aber zumindest sah ich ihn nicht und am Telefon konnte er nicht so, wie er wollte. Er hatte seine jüngste Tochter mit.

Konrads Taufe

Freitags holten wir Konrad von der Jugendhilfeeinrichtung ab. Er hatte noch drei Freunde eingeladen, die wir mitbrachten. Jochen kam nicht nach Hause. Er war 14 Tage zum Schüleraustausch in Polen. Als wir Freitagabend nach Hause kamen, fand ich im Briefkasten einen Zettel für Konrad. Er war vom Pfarrer. Auf dem Zettel stand; Konrad, Stellprobe morgen, Samstag, in der Kirche, um 10.00 Uhr. Dazu lag der Kirchenschlüssel. Der war zwar ohne Zettel, aber ich musste die Kirche ausschmücken und säubern.
Da Konrad immer noch nicht wusste, was sich während seiner Abwesenheit zugetragen hatte, hielt ich es für besser, ihm alles zu erklären. Noch bevor er es bei der Stellprobe von den anderen zu hören bekommt. Nachdem ich Konrad alles erklärt hatte sagte dieser plötzlich: „Das kannst du vergessen. Ich lass mich nicht mehr konfirmieren.“ Ich fragte ihn: „Wieso?“ Und er antwortete: „Der spinnt wohl. Predigt Wasser und trinkt Wein.“ Ich überlegte hin und her. Konrad hatte eigentlich Recht, aber ich konnte nicht einfach mal so eine Konfirmation absagen. Das Essen war bestellt und die ersten Gäste waren auch schon da. Ich überlegte lange hin und her und schlug Konrad einen Kompromiss vor. Ich sagte zu ihm: „Wenn du dich morgen konfirmieren lässt, dann musst du nie wieder in die Kirche gehen. Nur wenn du es selber willst.“ Konrad war mit diesem Kompromiss einverstanden.
Am anderen Morgen ging Konrad zur Stellprobe. Zwar widerwillig, aber er ging. Nach einer knappen halben Stunde war er wieder zurück. Ich wunderte mich darüber, dass es nicht länger gedauert hatte und sagte zu ihm: „Ihr ward heute aber schnell fertig.“ Konrad antwortete: „Nein, die anderen üben noch.“ Verwundert fragte ich: „Und warum bist du schon zu Hause?“ „Ständig hat der Pfarrer mich vollgenölt. Ich konnte ihm überhaupt nichts Recht machen. Dann habe ich zu ihm gesagt: „wenn er schlechte Laune hat, muss er zu Hause bleiben“. Daraufhin hat er mich aus der Kirche geworfen. Dann bin ich gegangen. Aber das Beste kommt noch. Jeder der Konfirmanden muss morgen zu den Zehn Geboten ein paar persönliche Worte sagen. Allen anderen hat er vorher Bescheid gesagt, nur mir nicht.“ Das ist typisch Martin, dachte ich, hielt mich aber mit jedem Kommentar zurück. Ich fragte Konrad dann: „Zu welchen der Zehn Gebote musst du etwas sagen?“ „Das wirst du morgen schon sehen.“ Antwortete Konrad. Aus Konrad war nichts mehr raus zu bekommen.
Nachdem der Pfarrer mit den Kindern Stellprobe hatte, reinigten einige Eltern die Kirche. Martin verschloss danach die Kirche. Für mich war das ganz gut. Somit brauchte ich am Nachmittag nur noch die Kirche ausschmücken. Ich legte die Blumen und Gestecke ins Auto und fuhr mit meiner Freundin Sahra und mit meiner Schwägerin in die Kirche. Ich wollte mit dem Schlüssel die Kirchentür aufschließen, steckte ihn ins Schloss und drehte den Schlüssel um. Aber die Tür ging nicht auf. Immer und immer wieder versuchte ich es, aber nichts passierte. Meine Freundin Sahra und meine Schwägerin versuchten es ebenfalls. Auch sie bekamen die Tür nicht auf. Die Organistin kam und wollte auf der Orgel üben. Sie probierte mit ihrem Schlüssel das Türschloss auf zubekommen. Auch da passierte nichts. Ihr Schlüssel passte zwar ins Schloss, aber die Tür ging nicht auf. In mir keimte ein böser Verdacht. Vielleicht hatte Martin mir und der Organistin den Schlüssel aus der Nachbarkirche gegeben. Mir fiel ein, dass es in unsere Gemeinde noch jemanden gibt, der für unsere Kirche einen Schlüssel hatte. Ich ging dorthin und erklärte ihr die Situation. Sie sagte dann: „Ja, manchmal klemmt die Tür, aber mein Mann kommt gleich mit. Er kennt sich mit der Tür aus und bekommt sie bestimmt auf.“ Ich ging zur Kirche zurück und ein paar Minuten später kam der Ehemann mit dem Schlüssel. Sein Schlüssel passte zwar, aber er bekam ebenfalls die Tür nicht auf. Wir vertrödelten eine ganze Stunde mit der Kirchentür. Ich hatte die Nase voll, nahm mein Handy und rief den Pfarrer an. Dort meldete sich nur der Anrufbeantworter. Ich hatte noch seine Handynummer und versuchte es dort. Aber das Handy war ausgeschalten. Ich rief noch einmal auf seinem Hausanschluss an. Wieder meldete sich nur der Anrufbeantworter, doch dieses Mal legte ich nicht auf. Nach dem Piepton sagte ich: „Schieb deinen verdammten Arsch hierher und öffne die Kirchentür.“ Dann legte ich auf. Wir fuhren mit samt den Blumen und Gestecken wieder nach Hause. Ich wollte abwarten was nach meinem Anruf passiert und es am Abend noch einmal versuchen. Ich hatte in der Gaststätte Kuchen bestellt, der noch abgeholt werden musste. Mit meiner Schwägerin und meiner Freundin Sahra fuhr ich zur Gaststätte, um den Kuchen zu holen. Ich ging schnell rein und die Mutter der Gaststätteninhaberin gab mir den bestellten Kuchen. Jetzt bekam ich die nächste Krise. Ich hatte dort ein ganzes Kuchenblech bestellt und bekam 12 kleine Stücken. Auf meine Frage: „Was soll denn das? Ich habe ein ganzes Blech bestellt.“ Bekam ich zur Antwort: „Ja, wir haben anderswertig noch welchen gebraucht. Ihr seid doch nur 20 Personen, das wird für euch schon reichen.“ Ich ging mit dem bisschen Kuchen zum Auto und habe von dort bis nach Hause vor Wut geheult. Ich brachte meinen Kuchen ins Haus, als Konrad mir entgegen kam und sagte: „Du kannst jetzt in die Kirche. Die Kirche ist offen.“ Ich fragte ihn: „Woher weißt du das?“ „Hier war eine Frau, die ich nicht kannte.“ Sagte Konrad. Daraufhin fuhren wir zur Kirche. Auf halben Weg kam mir der Pfarrer mit seinem Auto entgegen. Er gab mir ein Zeichen, dass ich anhalten sollte. Ich hielt nicht an. Ich hatte mir geschworen, ihm konsequent aus dem Weg zu gehen. Ich wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben. Als ich an der Kirche ankam, war diese offen. Wir nahmen die Blumen und Gestecke und trugen alles hinein. Wir wollten endlich alles fertig haben. Ich machte mich dabei, den Altar zu schmücken. Die ersten Blumen standen schon an ihrem Platz, als mich jemand von hinten auf die Schulter faste und sagte: „Das machst du aber fein.“ Ich drehte mich um und hinter mir stand Martin. Ich antwortete ihm nicht. Er griff nach meiner Hand und zog mich vom Altar, Richtung Eingangstür weg. Dabei sagte er so laut, dass es alle anderen mitbekamen: „Ich will dir jetzt mal zeigen, wie man etwas mit Gefühl macht. Manchmal reicht schon etwas Gefühl, um eine Tür auf zubekommen.“ Ich merkte, das er etwas getrunken hatte. Ich riss mich von ihm los und sagte: „Lass deine Spitzen. Außerdem hast du was getrunken. Mach mal so weiter, du hast ja noch nicht genug Ärger.“ Entsetzt sah er mich an. Diesmal war er es, der fluchtartig die Kirche verließ. Wir schmückten die Kirche fertig aus und fuhren nach Hause. Dann stellte ich mich hin und backte Käsekuchen. Dabei hätte es bald die nächste Katastrophe gegeben. Als meine Schwägerin sah, dass ich ein ganzes Stück Butter in den Käsekuchen tat, sagte sie: „Was wird denn das für ein Schweinefraß. Das kann doch keiner essen.“ Am liebsten hätte ich sie rausgeworfen, aber um des lieben Friedens willen blieb ich ruhig. Aber komischerweise hat sie am anderen Tag Käsekuchen gegessen.
Am anderen Morgen mussten wir um 11.00 Uhr in der Kirche sein. Ich setzte mich weit nach hinten, damit mich der Pfarrer erst gar nicht sah. Dieses mal gab es kein Abendmahl, so dass ich deswegen nicht nach vorn musste. Statt einer Elterndankesrede gab es eine Rede vom Gemeindekirchenrat. Die Konfirmation neigte sich dem Ende zu. Als letztes mussten die Konfirmanden noch einmal nach vorn treten und ihren persönlichen Satz zu den Zehn Geboten sagen. Konrad war als letzter dran. Konrad trat nach vorn, sah dem Pfarrer ins Gesicht und sagte: „Liebe Gemeinde! Und wer von euch ohne Schuld ist, nehme den ersten Stein und werfe ihn.“ In der Kirche herrschte Schweigen. Aber Konrad setzte noch einen drauf indem er sagte: „Die Steine liegen am Eingang. Ich warte.“ Außer Schweigen passierte nichts. Konrad stand immer noch vorn. Er sah zum Pfarrer und sagte: „Manchmal ist Vergebung der bessere Weg.“ Ich wäre vor Scham am liebsten in den Erdboden versunken. Konrad hatte mit seinen Worten den Gemeindekirchenrat kritisiert, aber er hatte auch Recht. Martin lächelte Konrad an, faste ihn auf die Schulter und flüsterte ihm leise etwas ins Ohr. Dann war alles vorbei. Ich war froh, als ich endlich aus der Kirche gehen konnte. Anschließend fuhren wir essen.
Wir waren beim Kaffeetrinken, als Konrad mich fragte: „Hast du den Pfarrer eingeladen?“ „Nein“, sagte ich. „Das ist deine Konfirmation. Selbst wenn ich ihn eingeladen hätte, er wäre garantiert nicht gekommen.“ Aber auch hier sollte ich mich geirrt haben. Ich musste noch einmal in die Küche, um etwas zu holen. Dadurch bemerkte ich nicht, dass der Pfarrer inzwischen gekommen war. Als ich wieder nach hinten kam, saß der Pfarrer auf meinen Platz. Hilflos stand ich da. Mein Platz war besetzt. Ich schaute in die Runde und sagte: „Wo soll ich mich jetzt hinsetzen?“ Mein Mann antwortete: „Da, wo du sonst auch sitzt. Neben den Pfarrer.“ Ich nahm mein Kaffeegedeck und setzte mich provokatorisch drei Plätze weit vom Pfarrer entfernt. Auf Martins Platz stand schon Kuchen, nur der Kaffee fehlte noch. Da an meinem Platz die Kanne mit Kaffee stand bat mich Sahra, dem Pfarrer Kaffee einzugießen. Widerwillig tat ich es. Ich hatte den Kaffee in seine Tasse gegossen, als Martin zu mir sagte: „Gibst du mir noch Zucker in den Kaffee. Du weißt doch wie viel.“ Ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich nahm die Zuckerdose, stellte sie vor seine Nase und sagte: „Ich bin weder deine Ehefrau noch deine Bedienstete. Mach es dir doch selber. Es tat mir in diesem Moment leid, dass ich ihn so angefahren hatte, aber wie sagte Martin immer so schön, „einmal gesprochene Worte kann man nicht zurück nehmen“. Ich setzte mich auf meinen Platz und es dauerte nicht lange, bis Martin sich verabschiedete. Er merkte wohl, dass er nicht willkommen war. Wir feierten bis morgens um 4.30 Uhr.

Die Kinder gehen aus dem Haus

Die Herbstferien waren zu Ende und die Kinder mussten wieder zur Waldorfschule. Jochen fuhr gleich am ersten Schultag mit seiner Klasse für 14 Tage ins Forstpraktikum. Konrad ging zwar ungern, aber er ging in die Schule. An die christliche Einrichtung hatten wir keinen Gedanken mehr verschwendet, als am Dienstag plötzlich ein Brief kam. Es war die Aufnahmebestätigung für diese Einrichtung. Den nächsten Schreck bekam ich, als ich das Aufnahmedatum las. Es war in zwei Tagen, am 01.11.1999. Jochen war hundert Kilometer weit weg und es mussten noch viele Sachen erledigt werden. Am gleichen Tag fuhr ich mit meinem Mann los um Jochen abzuholen. Jochen war sehr erstaunt, dass wir so plötzlich erschienen. Ich erklärte ihm kurz, das wir die Aufnahmebestätigung bekommen hatten und die Schule am Donnerstag für sie anfängt. Jochen sagte erschrocken: „Und nun?“ „Pack deine Sachen, wir nehmen dich gleich mit“, sagte ich. Ich ging zur Lehrerin und sagte ihr, dass ich Jochen aus persönlichen Gründen mit nach Hause nehme. Sie war damit einverstanden. Jochen packte seine Sachen, verabschiedete sich kurz und wir fuhren nach Hause. Jochen sagte im Auto kein Wort. Zu Hause setzten wir uns mit den Kindern hin und unterhielten uns. Ich erklärte ihnen noch einmal alles, als Jochen plötzlich vorwurfsvoll sagte: „Das ist ungerecht. Immer muss ich wegen Konrad die Schule wechseln. Ich musste schon mit zur Waldorfschule.“ Ich besprach alles noch einmal mit meinem Mann. Dann sagte ich zu Jochen: „Du musst da nicht hin, wenn du nicht willst. Dann geht Konrad allein und du gehst weiter zur Waldorfschule.“ Doch Jochen antwortete: „Ich habe nicht gesagt dass ich nicht dorthin will, aber ich möchte alleine entscheiden.“ Ich fragte noch einmal nach: „Wie ist deine Entscheidung?“ Jochen sagte: „Ich gehe mit Konrad mit.“ Wir erledigten alle Formalitäten und holten alle ärztlichen Bescheinigungen.
Am Mittwoch rief ich in der Waldorfschule an und meldete meine Kinder für eine Woche krank. Das hatte den Vorteil, dass die Waldorfschule nicht mitbekam, dass sie die Schule wechselten. Es hätte auch sein können, dass es meinen Kindern dort nicht gefällt. So hatte ich mir eine Hintertür offen gelassen. Dann ging es ans Taschepacken. Die Kinder sollten ihr Internatszimmer mit persönlichen Gegenständen einrichten, damit sie sich wie zu Hause fühlen. Jochen weigerte sich beharrlich, auch nur ein persönliches Teil aus seinem Zimmer mitzunehmen. Auch kein gutes Zureden half. Jochen sagte: „Ich wohne zu Hause und nicht da.“ Bei Konrad war das anders. Er packte als erstes seinen Paul ein. Das ist ein riesengroßer Hund oder Hase. Darüber streiten wir heute noch, was das für ein Tier sein soll. Obwohl Konrad schon 17 Jahre alt ist, Paul reist noch überall mit. Bei Jochen dauerte es vier Monate, bis ein persönlicher Gegenstand ins Internat wechselte.
Donnerstag früh ging es los. Das Auto war vollgepackt aber keiner sagte so richtig ein Wort. Wir mussten uns im Internat melden. Dort erwartete uns die pädagogische Leiterin und der Hausleiter. Die Kinder bekamen ihre Zimmer zugewiesen. Zur Eingewöhnung kamen beide auf ein Zimmer. Man sagte uns, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder getrennt werden. Der Hausleiter wurde für beide der Bezugsbetreuer. Man hatte beide in der Realschule angemeldet. In der gleichen Klasse in der sie jetzt waren. Ich wollte, dass man beide ein Jahr zurücksetzt, aber man war der Meinung, dass kann man immer noch machen. Ich räumte für beide Kinder die Schränke ein. Dann hieß es Abschied nehmen. Ich machte mit den Kindern noch aus, das ich jeden Abend kurz anrufen werde. Dann fuhren wir nach Hause. Ich heulte 200 Kilometer Rotz und Wasser. Mein Mann war der Meinung, ich soll mich nicht so haben.
Ich telefonierte jeden Abend mit meinen Kindern. Sie versicherten mir jedes mal, dass es ihnen gut geht aber das half nichts. Ich fiel in ein tiefes Loch. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Ob das alles so richtig war, dass ich sie so früh von zu Hause weggehen ließe oder ob sie mir später einmal Vorwürfe deswegen machen? Aber viel schlimmer war, dass ich plötzlich nicht mehr gebraucht wurde. Mein ganzes bisheriges Leben hatte ich nach den Bedürfnissen der Kinder eingetaktet. Plötzlich war niemand mehr da, der mich braucht den ich fahren und holen musste. Die kleinen und großen Sorgen der Kinder, um die ich mich täglich kümmern musste, waren weg. Mein Mann arbeitete im Schichtdienst. Er war auch selten zu Hause. Plötzlich war ich alleine. Keiner war mehr da, der auf mich wartete. Ich musste wieder lernen, meine Zeit sinnvoll zu gestallten.
Freitag musste ich in den Konfirmandenunterricht und Konrad entschuldigen. Martin war sehr erstaunt, dass der Schulwechsel doch so schnell geklappt hatte. Er lud mich für Montag zum Kaffee ein. Ich konnte nicht mehr meine Kinder vorschieben, um bei ihm abzusagen. Andererseits war ich froh, dass er mich einlud. Martin konnte wenigstens zuhören und ich konnte ihm erzählen, dass ich mit dem Alleinsein ein Problem hatte. Montag traf ich mich, wie verabredet, mit Martin. Ich fragte Martin, wie es mit Konrad weiter geht. Konrad wollte gerne von Martin konfirmiert werden. Für Martin war das kein Problem. Auch wenn Konrad nicht mehr in seiner Konfirmandengruppe war, wollte er ihn konfirmieren. Martin hatte auch eine gute Idee, wie ich meine freie Zeit sinnvoll nutzen konnte. Er meinte, ich soll mich in der Diakonie melden. Die brauchen immer ehrenamtliche Helfer. Wir saßen auf dem Sofa, als Martin mich plötzlich an sich zog und in den Arm nahm. Er sah mich an und sagte: „Kannst du dich noch daran erinnern, was du mir damals gesagt hast?“ „Was meinst du?“ Fragte ich zurück. Noch enger zog er mich an sich und sagte: „Du hast gesagt, wenn deine Kinder aus dem Haus sind, lässt du dich scheiden. Jetzt sind sie weg. Halte dein Versprechen.“ Mir wurde heiß und kalt. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Ich hatte das damals anders gemeint. Und zwar, wenn sie erwachsen sind und aus dem Haus gehen. Ich befreite mich aus seiner Umarmung und sagte: „Das war eiskalte Berechnung von dir. Es ging dir nie um die Kinder. Du hast dafür gesorgt, dass die Kinder schnell aus dem Haus kommen, damit ich mich scheiden lasse und du mich für dich alleine hast.“ Verwundert sah er mich an und sagte: „Was ist daran so schlimm? Ich habe dir gegenüber nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich dich für mich alleine will. Lass dich endlich scheiden.“ Meine Kinder waren noch nicht einmal eine Woche weg und Martin verlangte von mir, dass ich mich scheiden lasse. Ich war wütend und sagte: „Das kannst du vergessen. So läuft das nicht. Wie stellst du dir das Leben mit mir überhaupt vor?“ „Ich will noch ein Kind mit dir und ich möchte, dass du auf mich wartest, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Das Essen sollte auch schon auf den Tisch stehen. Wenn dir das alles nicht reicht, kannst du die Christenlehre übernehmen.“ Sagte er. Er zog mich an sich ran und küsste mich innig. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. Ich schob ihn von mir weg, sah ihn in die Augen und sagte: „Na toll. Das sind bis jetzt alles nur Forderungen, an mich. Was bietest du mir dafür?“ Er schwieg. Nach einer Weile antwortete er: „Meine Liebe.“ Diesmal war ich die jenige, die zum Fenster ging und hinaus sah. Ich dacht, auch die Antwort fliegt am Fenster vorbei. Aber nichts dergleichen geschah. Ich sah aus dem Fenster und wurde nachdenklich. Innerlich war ich zerrissen. Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Nie hatte Martin mich gefragt, was ich für ihn empfinde. Selbst wenn er gefragt hätte, ich hätte die Frage nie beantworten können. Ich wusste es selber nicht. Ich mochte ihn sehr. Er war immer für mich da, wenn ich ihn brauchte. Er konnte zuhören, aber ob das für ein gemeinsames Leben reicht? Plötzlich bekam ich panische Angst. Sollte ich mein geordnetes Leben aufgeben für etwas, wo ich nicht wusste wie es endet. Dafür war ich zu ängstlich. Nachdem ich eine Weile überlegt hatte, drehte ich mich um und sagte: „Martin. Deine Liebe allein wird auf die Dauer nicht reichen. Und ein Kind will ich nicht mehr.“ Wir waren an einer Stelle angekommen, wo sich unsere Lebensvorstellungen trennten. Ohne das ein Zusammenleben je stattgefunden hat. Wir hatten uns nichts mehr zusagen. Um ihm nicht weiter weh zu tun, verließ ich seine Wohnung. Nach dieser Unterredung stand für mich fest, dass ich Martin aus dem Weg gehe. Konrad war nicht mehr da und somit war ich nicht gezwungen in die Kirche zu gehen. Ich wollte mich auch nicht mehr mit ihm treffen.
Ich meldete mich in der Diakonie und bin dort Dienstag – und Donnerstagnachmittag für ein paar
Stunden unendgeldlich arbeiten gegangen. Meine Kinder lebten sich schnell im Internat ein und
fanden neue Freunde. Seit dem letzten Gespräch mit Martin hörte ich von ihm nichts mehr. Anfang
Dezember klingelte spät am Abend das Telefon. Es war Martin. Ich hatte den Eindruck er war
betrunken. Im Hintergrund hörte ich Stimmen. Ich fragte: „Von wo rufst du an? Doch nicht etwa aus
der Kneipe?“ „Nein, nicht aus der Kneipe“, sagte er. Ich rufe aus meinem Zimmer in Potsdam an. Im
Hintergrund, das sind meine Kollegen.“ „Und was machst du in Potsdam? Und warum rufst du mich
eigentlich an?“ Fragte ich ihn Verwundert. Martin antwortete: „Ich wollte nur einmal deine Stimme hören.
Ich bin in Potsdam zum Englischkurs. Nach unserem letzten Gespräch wurde mir klar, ich
brauche Abstand von dir. Dein Anblick allein treibt mich schon zum Wahnsinn. Ich habe mich für
einen Auslandseinsatz beworben. Der beginnt nächstes Jahr im Juni. Dann habe ich Zeit, dich
zu vergessen.“ Mir wurde ganz anders. Plötzlich bekam ich wieder dieses Kribbeln im Bauch. Ich
vermisste ihn. Das es so schlimm war, hatte ich nicht gewusst. In der Leitung war es immer noch
still. Mittlerweile brachte er mich um den Verstand. Irgendwie tat er mir leid. Selbst ich war mir mittlerweile meiner Gefühle wieder nicht mehr sicher. Ich bekam panische Angst, dass er geht und für mich nie mehr erreichbar ist. Ich sagte: „Bitte Martin, treffe keine voreiligen Endscheidungen.
Wenn du zurück kommst, lass uns noch einmal über alles reden. Ich will nicht, dass du gehst und
schon gar nicht meinetwegen.“ Martin hörte immer noch zu und sagte kein Wort. Nach einer Weile sagte er: „Lass es uns noch einmal versuchen. Ja.“ „Wie soll es nun weiter gehen mit uns?“ Fragte ich.
Nach kurzem Überlegen bekam ich zur Antwort: „Behandle mich, wie eine junge Pflanze!“ Da
ich damit nichts anfangen konnte fragte ich nach: „Und wie behandelt man junge Pflanzen?“ „In
Ruhe wachsen lassen und ab und zu mal gießen und abwarten, was passiert.“ War seine Antwort
darauf. Diesen Satz habe ich bis heute nicht verstanden. Wir unterhielten uns noch kurz über die Kinder.
Dann beendete Martin das Telfongespräch. Ich war von dem was Martin mir am Telefon
sagte so irritiert, dass ich nicht fähig war einen klaren Gedanken zu fassen. Verstand und Herz waren nicht in Einklang
zubringen. Entschied ich mich für Martin sagte mein Verstand nein du kannst
nicht alles aufgeben für etwas wie du nicht weißt wie es endet. Mein Herz hingegen war anderer Meinung.
Am Tage konnte ich keinen klaren Gedanken fassen und Nachts nicht schlafen. Ich weiß
nicht was schlimmer war der Gedanke dass Martin meinetwegen geht um mich zu vergessen oder das
er für mich und meine Probleme nicht mehr erreichbar ist Ich war nicht fähig eine Entscheidung
zutreffen wo wir hätten beide mit leben können. Martin meldete sich fünft Tage nach dem
Telefongespräch und bat mich zukommen.

unsere gemeinsame Entscheidung

Wie verabredet fuhr ich zu Martin. Martin öffnete mir die Tür. Er sah mich an und sagte” du siehst aus als, ob du Nächte lang
nicht geschlafen hast.” Habe ich auch nicht antwortet ich. Als ich Martin
ansah war ich entsetzt. Sein braunen Augen hatten ihren Glanz verloren. Martin war unrasiert was ich noch nie erlebt hatte.
Sein schwarzen Haare waren ergraut. Sein Gesicht eingefallen. Martin war um Jahre gealtert.
In der Wohnung herrschte das blanke Chaos. So kannte ich ihn nicht. Martin
schob mich ins Wohnzimmer. Obwohl er sonst nie eine Gelegenheit ausließ mich in den Arm zu
nehmen und mich zu küssen passierte diesmal nichts der gleichen. Es war dieses mal alles anderst.
Wortlos saßen wir nebeneinander. Nach einiger Zeit sah er mich an und sagt:” Wir müssen reden ich kann und will so nicht weiterleben.
Ich gehe kapput. Entweder wir finden heute eine gemeinsame Lösung wo wir beide mit Leben können, oder ich geht ins Ausland für 9 Monate und komme danach
nicht in diese Kirchengemeinde zurück. Ich verlasse dich. Ich kann es nicht mehr ertragen dich zu sehen ich kann meine Gefühle für dich nicht abstellen.” Ich saß mit gesenkten Kopf mir liefen die Tränen übers Gesicht.
Martin redete weiter. Er sagte:” Du sagtest einmal meine Liebe für dich wird nicht reichen. Das stimmt nicht, meine Liebe zu dir ist so groß das ich Ding für mich behalten habe
um dir nicht weh zu tun.” Martin ging zu Schrank öffnete diesen und legte einen Stapel Bilder auf
den Tisch. Sieh sie dir ruhig an sagte er. Ich wollte dich nicht verletzen und weh tun. Die ersten Bilder stammen von
März die letzten sind vom Tag vor der Konfirmation von Jochen. Ich nahm die
Bilder vom Tisch. Ich war sprachlos. Woher hast du die fragte ich. Ein Freund von mir hat sie
gemacht. Er wohn auf dem gleichen Flur, wo auch die Arbeitskollegen deinen Mannes wohnt.
Ich hatte mich gewundert warum das Auto von deinem Mann so oft dort steht. Und du mir immer
erzähltes er macht Überstunden. Mein Freund und ich sind der Sache auf dem Grund gegangen die
Bilder sind die Resultate. Dein Mann betrügt dich und das schon fast ein ganzes Jahr. Ich war wie gelähmt.
Ich wusste in dem Moment nicht auf wem ich wütender sein sollte, auf meinen Mann der
mich betrog oder auf Martin der mir die Bilder zeigte und mir damit wehtat. Durch meinen Kopf
schossen tausend Gedanken. Ich hielt an einer Ehe fest die gar nicht mehr existierte. Jetzt verstand ich auch warum
mein Mann schon seit einem halben Jahr nicht mehr mit mir schlief. Ich hatte auch
Verständnis dafür bei den Überstunden. Man war ich blöd. Ich saß da und heulte Rotz und Wasser.
Martin der mich sonst nie weinen sehen konnte und mich immer in den Arm nahm und tröstete zeigte keinerlei Reaktion.
Seelenruhig stand er neben mir auf und sagte:” Das war es dann, du kannst gehen.
Außer das ich dich liebe habe ich dir nichts mehr zu sagen. Wir sollten hier die Sache beenden.
Es war zwar ein glatter Rauswurf in meinen Augen und hätte Martin in der Zeit davor das jemals zu
mir gesagt wäre ich auch gegangen. Aber heut war es anderst. Nein ich wollte nicht gehen. Ich
sagte:” Martin seh mich an, wenn ich mit dir rede. Sein Blick blieb gesenkt. Martin warum hast du mir nie ehr davon erzählt ich dacht wir wären Freunde. Jetzt sah er mich an. Freunde? Freunde?
Sagt Martin. Ich liebe dich wie kann ich da nur dein Freund sein. Er wurde wieder Still im Raum.
Ich sah Martin ins Gesicht nahm seine Hand und sagte: “Wenn du mich liebst wie konntest du mich so belügen.” Martin entriss mir seine Hand. Sah mich an und antwortete mit erhobener Stimme:”
Ich habe dich nie belogen, ich habe dir nur nie gesagt was ich weiß.” Es kommt doch auf das gleiche raus antwortete ich ihm.
Es ist aber nicht das gleiche bekam ich als Antwort zurück. Martin war
mittlerweile aufgestanden. Er ging zum Fenster und sah hinaus. Das war für mich immer ein Zeichen das Martin keine Antwort wusste. Doch aus diesmal irrte ich mich. Martin drehte sich zu mir um, und sprach. Ich wollte dich nicht wehtun und verletzen. Wenn ich es dir erzählt hätte, hattest du es mir überhaupt geglaubt. Oder hättest du geglaubt ich erzähle dir es nur damit ich dich ins Bett kriege.
Wieder lag eine unheimliche Stille in Raum. In meinen Kopf lief alles durcheinander. Ich wollte
Martin antworten aber meine Stimme versagte. Schlagartig wurde mir klar wie recht doch Martin
hatte. Ich hätte ihm nie und nimmer geglaubt. Ich stand auf und ging auf Martin zu, der immer noch am Fenster stand.
An dieser Stelle hätte ich gehen können, doch mein Herz hatte sich in diesem
Moment für Martin entschieden. Dieses mal war ich die jenige die Martin küsste. Ich hatte kein
schlechtes Gewissen mehr. Ich konnte das erste mal zu meinen Gefühlen stehen. Schlagartig wurde
mir bewusst das ich Martin liebte. Doch Martin schob mich weg. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Das war es doch was er wollte und dann diese Reaktion. Hatte ich mich wieder so geirrt. Martin fasste nach meinen Händen und sagte.
Ich will nicht das du später einmal sagst, ich habe dich überrumpelt.
Du hast jetzt zwei Möglichkeiten entweder du gehst jetzt dann für immer, oder du
bleibst dann müssen wir beide eine Lösung finden, wo jeder von uns mitleben kann. Martin überließ die Entscheidung mir allein.
Ich blieb. Ich war der Meinung, das Martins Liebe mich für alles entschädigt.
Ich blieb die Nacht bei Martin. Wir kamen überein, jede freie Minaute gemeinsam
zu verbringen. Martin versprach mir in dieser Nacht mich nie wieder zu belügen oder nur die halbe Wahrheit zu sagen.
Wir setzten uns das Ziel, wenn Konrad in Eineinhalbjahren konfirmiert wird,
meine Scheidung über die Bühne zubringen und gemeinsam ein neues Leben zu beginnen.
Martin wollte sich frühzeitig um seine Versetzung kümmern. Wir wollten woanderst gemeinsam neu anfangen.
Das mein Mann mich betrog war mir mittlerweile egal, wenn er nachts nicht zu Hause
war, konnte ich bei Martin übernachten. Da wir beide flexible Arbeitszeiten hatten frühstückten wir mindestens zwei mal die Woche gemeinsam.
Martin lebte förmlich auf. Er trug mich auf Händen.
Martin verwöhnte mich, wo es nur ging. Wir stritten nie wieder, nie gab es zwischen uns nie ein böses Wort.
Mit Hilfe meiner Freundin Sahra gelang es uns sogar 14 Tage in den Urlaub gemeinsam zu
fahren. Es fiel auch nicht auf, wenn mein Auto vor seiner Tür stand. Das waren die Leute gewöhnt es war nichts ungewöhnliches mehr.
Ich machte meine Schaukästen weiter, bereitete mit Martin seine Sonntagspredigt vor achtete auf
Kleinigkeiten erinnerte ihn an Termine die ihm unangenehm waren.
Manchmal wunderte sich der Kirchengemeinderat das Martin nicht rebellierte und
ordentliche Gemeindearbeit leistete. Das fiel auf meinen guten Einfluss zurück. Wir wurden mutiger
gingen abends sogar gemeinsam essen. Martin nahm mich mit zu seinem Freunden und auch ich führte in
so nach und nach in meinen Freundeskreis ein. Keiner schöpfte je verdacht. Alle wussten ja, das wir
schon Jahre befreundet sind. So gelang es und immer mehr Zeit miteinander zu verbringen. Nur
manchmal, wenn ich abends ging sah ich wie traurig er darüber war. Langsam konnte ich mich sogar
mit dem Gedanken anfreunden gemeinsam mit Martin ein Kind zu haben. Ich war glücklich und der
Meinung uns kann nichts mehr trennen. Bis zu Konrads Konfirmation waren es noch 6 Monate,
dann hatte unser Versteckspiel endlich ein Ende. Martin nahm seinen Antrag für den Auslandseinsatz zurück.
Feiertag waren besonderst schlimm, wenn Martin alleine war und ich nicht zu ihm konnte.
Ich wusste, das er dann seinen Kummer ertrank. Er machte mir aber nie einen Vorwurf. Es war ja
unsere gemeinsame Entscheidung. Sylvester 2001 hatten wir die Möglichkeit gemeinsam zu feiern.
Freunde von mir hatten Karten besorgt, Mein Mann hatte Dienst und konnte nicht mit. Da ich allein
mit all den Pärchen nicht mit wollt, machte mein Mann den Vorschlag ich soll den Pfarrer
mitnehmen. Martin und ich waren begeistert. Mitternacht kam es zu einer komischen Situation.
Ich tanzt den ganzen Abend nur mit Martin. Als wir alle Mitternacht anstießen küsste mich Martin
lang und innig. Ein Bekannter von mir tippt Martin auf die Schulter und sagte: Hey wir wollen auch noch ein neues Jahr wünschen. Wenn man euch so sieht, könnte noch einer auf die Idee kommen
ihr habt beide ein Verhältnis. Martin und ich sahen uns an. Wie aus der Pistole geschossen sagten wir, Haben wir auch schon über ein Jahr. Unsere Bekannten konnten sich vor lachen nicht mehr einkriegen. Ihr beide. Last es gut sein wir haben Silvester und nicht den ersten April. Frau rühr mich nicht an und Herr Pfarrer Feuer und Wasser das glaubt euch kein Mensch. Martin und Ich küssten uns. Wir sagten die Wahrheit und keiner wollte sie hören. Wenn ich heute mit meinen Freunden zusammensitze erzählen sie oft davon. Jedes Mal zerreist es mir fast das Herz. Wenn ich an die Zeit mit Martin denke. Keiner von Ihnen weiß das wir damals die Wahrheit sagten. Heute muss ich mir die Blöße nicht mehr geben und ob es einer verstehen würde, ich glaube nein.




Meine Konfirmatio

Mein Mann hatte Frühdienst und die Kinder waren im Internat. Um nicht alleine in die Kirche zu müssen, bat ich meine Freundin Sahra, mitzukommen. Sahra steckte mir die Haare hoch und wir fuhren anschließend in die Kirche. Die Kirche war an diesem Tag voller als sonst. Martin eröffnete den Gottesdienst und mir fiel auf, dass er nervös war und Schweißausbrüche hatte. Dann wurde ich konfirmiert. Martin lass meinen Konfirmationsspruch vor und ich musste vor ihm nieder knien. Er legte mir die Hand auf den Kopf. Mindestens fünf Minuten hielt er mich so fest. Jetzt bekam ich Schweißausbrüche. Ich sah zu Martin hoch, ohne meinen Kopf zu bewegen und ich sah, wie er mich anstarrte. Dann zischte ich ihn an: „Lass mich los. So war das nicht abgesprochen.“ Durch mein ansprechen, riss ich ihn aus seinen Gedanken. Vor Schreck, ließ er mich dann los. Martin griff zu meiner Konfirmandenurkunde und wollte sie mir überreichen. Er schlug sie auf und sagte laut: „Ach, ich habe vergessen sie zu unterschreiben. Aber du kommst ja heute Abend sowieso. Ich war wütend und dachte, so etwas darf nicht passieren Ich war heil froh, als der Gottesdienst endlich vorbei war. Nach diesem Vorfall wurde alles anderst zwischen uns. Martin hatte plötzlich fast keine Zeit mehr für mich.
Seine Küsse wurden seltener er fragte nicht mehr wie es mir geht. Zwischen uns herrschte plötzlich eine Kühle die ich mir nicht erklären konnte. Martin hatte viele Termine und Weiterbildungen ich dachte das geht vorbei.

Betrug

Wie auch im letzten Jahr feierte ich mit meinen alten Leuten Rosenmontag. Wir waren beim
aufräumen, als mein Handy klingelte. Ich ging ran und meldete mich. Am anderen Ende, meldete
sich leise und mit zittriger Stimme jemand der mich fragte: „Kannst du schnell vorbeikommen? Ich
bin krank.“ Ich hatte die Stimme überhaupt nicht erkannt und mußte nachfragen, wer da spricht. Die
Stimme antwortete: „Ich bin es Martin. Komm bitte schnell. Mir geht es nicht gut.“ Ich fragte dann nach:
„Was hast du denn?“ Martin antwortete: „Mit dem Herzen, komm schnell.“ Ich antwortete
ihm: „In zehn Minuten bin ich da.“ Ich ließ auf Arbeit, alles stehen und liegen und fuhr sofort los.
Ich klingelte und Martin öffnete mir die Wohnungstür. Er sah sehr schlecht aus. Martin sah aus, als hätte er Tage lang nicht geschlafen.
Sein Gesicht war faltig und er hatte dicke Augenränder. Ich war
erschrocken. Den nächsten Schlag bekam ich, als ich die Wohnung betrat. So etwas hatte ich das
letzte mal vor über einen Jahr erlebt. Die Wohnung war das reinste Chaos. Im Flur lagen leere Bierbüchsen herum.
Sein Saxophon lag auf dem Fußboden gleich neben der Eingangstür. Im
Esszimmer lagen verstreut, irgend welche Papiere und Fotos. Mitten im Wohnzimmer, war eine
Autorennbahn aufgebaut. Ohne irgend etwas zusagen, ging er zu seiner Autorennbahn, setzte sich hin und fing an zuspielen Ich räumte den Sessel leer und setzte mich hin. Martin saß immer noch und spielte. Er sagte kein Wort. Nach einer Weile fragte ich ihn: „Kannst du mir Mal sagen, was mit dir los ist?“
Martin antwortete: „Ich bin krank.“ Und spielte weiter. Ich sah mir das eine Weile an, bis
ich sagte: „Wenn du krank bist mußt du zum Arzt. Was soll ich denn hier? Ich kann dir nicht
helfen.“ Martin reagierte gar nicht auf meine Worte. So langsam hatte ich die Nase voll. Ich sagte zu ihm:
„Kannst du mir vielleicht Mal sagen, warum du mit der Autorennbahn spielst?“ „Dort fahren
meine Träume. Wenn ich nicht einmal mehr Träumen kann, dann hat das Leben keinen Sinn mehr
und du bist Schuld.“ Sagte Martin. Ich schwieg eine Weile. Dann platzte mir der Kragen. Ruhig
sagte ich ihm: „Der Saustall in deiner Wohnung, ist das Spiegelbild deiner Seele. Bringe endlich
Ordnung in dein Leben. Es ist immer einfach anderen die Schuld zu geben. Fang bei dir selber an.
Wenn du genau weißt, was du selber willst, dann kannst du mich anrufen.“ Ich stand auf und ging.
An der Tür drehte ich mich noch einmal um. Martin saß immer noch vor seiner Autorennbahn und
spielte. Ich ging und dachte Martin wird sich schon melden. Ich wartete vergebens. Eine Woche später rief ich Martin an und sagte zu ihm: „Ich muß mit dir reden.“ Aber Martin antwortete mir: „Aber ich nicht mit dir.“ Dann war schweigen. Aber er legte auch nicht auf. Dann sagte ich zu ihm: „Jetzt kannst du mich haben. Ich lass mich scheiden.“ Doch Martin antwortete: „Such dir einen anderen, ich will dich nicht mehr.“ Dann legte er auf. Ich wunderte mich über seine Antwort und dachte es wäre Spaß. Vielleicht ist er verärgert, weil es mitten in der Nacht ist. Er wird mich schon anrufen. Auf den Anruf wartete ich vergeblich.
Martins 52. Geburtstag stand vor der Tür. Obwohl er seine Einladung nach dem letzten Vorfall, nicht wiederholt hatte beschloss ich, ihm trotzdem zu gratulieren. Ich hatte mir seit längerem darüber Gedanken gemacht, was ich ihm schenken könnte. Es sollte etwas Besonderes sein. So kam ich auf die Idee, ihm ein Mondgrundstück zu schenken. Das Mondgrundstück kaufte ich schon im Januar. Ich hatte eine richtige Besitzurkunde, ausgestellt auf Martin. Auch eine Flurkarte war dabei. Anhand der Flurkarte konnte man die Lage und Größe des Grundstückes erkennen. Das Besondere an der ganzen Sache war, Dass es einen Freiflugschein für den Flug auf den Mond gab. Es war nur der Hinflug. Der sollte in Kraft treten, wenn es einmal einen Passagierflug zum Mond gibt. Aber es war etwas ganz Besonderes, was noch nicht jeder hatte. Wenn ich gewusst hätte, dass das unseren entgültigen Freundschaftsbruch hervorruft, dann hätte ich etwas Anderes geschenkt. Ich wickelte die Dokumentenrolle in Geschenkpapier ein und fuhr zu Martin. Ich klingelte und hörte hinter der Tür viele Stimmen. Martin’s Bruder öffnete mir die Tür. Der war überrascht mich zu sehen und sagte: „Da wird Martin sich bestimmt freuen. Mit dir hat er bestimmt nicht gerechnet.“ Ich antwortete darauf: „Ich hoffe, dass er sich freut.“ Das Wohnzimmer war voll mit Geburtstagsgästen. Martin stand mit einigen seiner Bandkollegen am Kamin. Ich ging auf ihn zu. Als Martin mich erblickte konnte ich in seinem Gesicht nicht erkennen, dass er sich über mein Erscheinen freute. Er verzog keine Miene. Zum Umkehren war die Situation zu blöd. Ich nahm mir vor, Martin zu gratulieren und sofort wieder zu gehen. Ich drückte ihm das Geschenk in die Hand und wünschte ihm alles Gute. Martin bedankte sich mit den Worten: „Nach all dem hätte ich nicht gedacht, dass du an meinen Geburtstag denkst.“ Normalerweise öffnete Martin seine Geschenke nicht gleich, aber dieses Mal war alles anders. Er öffnete die verpackte Rolle und nahm die Dokumente heraus. Mittlerweile hatten sich die anderen Geburtstagsgäste um uns gescharrt, um zu sehen, was das für ein Geschenk war. Sie waren neugierig, was ich Martin schenkte. Martin hatte die Urkunde und die Flurkarte durchgelesen. In seinem Gesicht war keinerlei Regung zu erkennen. Jetzt nahm Martin den dritten Zettel in die Hand. Den Hinflug zum Mond, ohne Rückfahrkarte. Martin sein Gesicht ballte sich zur Faust. Er wurde feuerrot und brüllte mich an: „Ich habe es geahnt. So etwas kann nur von dir kommen. Wenn du mich los werden willst, hättest du es nur sagen brauchen. Das Geld hättest du dir sparen können. Also, zum Mond willst du mich schießen ohne Rückfahrkarte.“ Er griff mich am Oberarm und schob mich vor sich her in Richtung Tür. Mit den Worten: „Mit mir machst du das nicht. Verschwinde aus meinem Leben. Raus hier.“ Ehe ich mich versah, stand ich vor der Tür. Ich wollte zwar gleich wieder gehen, aber so hatte ich mir meinen Abgang nicht vorgestellt. Martin sah das total falsch. Ich wollte ihn nicht zum Mond schießen. Er ließ mir keine Zeit, das Geschenk zu erklären. Er warf mich einfach hinaus. Er hatte das alles Missverstanden. Ich war auf den Weg zum Auto, als Martins Bruder hinter mir stand. Er nahm mich in den Arm und sagte: „Dumm gelaufen. Martin hat das Geschenk missverstanden. Vielleicht beruhigt er sich wieder.“ Ich antwortete darauf: „Ich glaube nicht, dass er sich beruhigt aber du kannst ja versuchen, es ihm zu erklären.“ Er antwortete: „Ich werde mein Bestes tun.“ Und er ging wieder in die Wohnung. Ich stieg in mein Auto und fuhr nach Hause.
Einige Tage später wollte ich im Nachbarort in der Drogerie einkaufen, als mich der Inhaber der Drogerie ansprach. Er sagte zu mir: „Wissen sie schon, was sich der Pfarrer geleistet hat?“ Ich antwortete: „Hat er Mal wieder nicht zum Geburtstag gratuliert?“ Der Drogist sah mich merkwürdig an und sagte: „Haben sie eine Ahnung! Was er sich dieses Mal geleistet hat, ist viel schlimmer. Der Pfarrer, hat ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau.“ In diesem Moment habe ich alle Farben bekommen. „Gestern Abend kam ein Mann und wollte den Pfarrer zur Rede stellen. Der Pfarrer war nicht da, so kam er zu mir. Er wollte wissen ob ich weiß, wo der Pfarrer wäre. Ich sagte nein und fragte, ob ich dem Pfarrer etwas ausrichten soll? Dann fing der Mann jämmerlich an zuweinen. Er erzählte mir unter Tränen, dass der Pfarrer ein Verhältnis mit seiner Frau hat. Sie haben zwei kleine Kinder. Seine Frau will ihn und die Kinder wegen des Pfarrers verlassen und was für den Mann noch viel schlimmer ist, dass er mit dem Pfarrer befreundet war. Haben sie etwas davon gewusst? Sie sind doch auch mit ihm befreundet? Dieses vergehen kostet ihm den Job. Das lassen wir nicht so durchgehen.“ Ich war völlig sprachlos von dem was ich hier hörte. Ich sagte zu den Drogeristen: „Ich kann dazu nichts sagen. Ich wusste davon nichts.“ Ohne etwas einzukaufen verließ ich die Drogerie. Ich fuhr nach Hause und war immer noch geschockt. Ich überlegte mir, Martin anzurufen um ihn zu fragen, ob das der Wahrheit entspricht. Ich ging davon aus, dass er mir die Wahrheit sagt. Es gab mal die Abmachung zwischen uns, dass wir uns nicht anlügen. Ich versuchte ein paar Mal anzurufen, aber er ging nicht ans Telfon. Erst gegen Abend hatte ich Glück. Ich fragte ihn: „Hast du mir etwas zu sagen?“ Wutentbrannt antwortete er: „Wenn ich dir etwas zu sagen hätte, hätte ich dich angerufen, aber du hast angerufen und es gibt nichts, was ich dir zu sagen hätte.“ Darauf sagte ich: „Hier kursiert ein Gerücht, du hättest ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau.“ Darauf antwortete er: „Ich habe dir dazu nichts zu sagen und das geht dich auch nichts an.“ Er legte auf. Ich hätte vor Wut heulen können, aber wenn er nicht mit mir reden will, kann ich das nicht ändern. Ich war darüber sehr enttäuscht, dass er nicht den Arsch in der Hose hatte mir die Wahrheit zusagen. Ich wollte die Wahrheit wissen und rief Martin’s Bruder an. Auch er konnte mir nichts darüber sagen. Ein paar Tage später bekam ich Besuch vom Gemeindekirchenrat. Man fragte mich, ob mir der Pfarrer auch einmal zunahe getreten wäre. Ich hätte ja die Wahrheit sagen können. Der Pfarrer hatte schon genug Ärger auch ohne mein zutun. Der Mann vom Gemeindekirchenrat erzählte mir, dass man dem Pfarrer geraten hat, die Versetzung einzureichen. Aber der Pfarrer lehnt dies konsequent ab. Der Gemeindekirchenrat ist sich einig, das der Pfarrer hier nicht bleiben kann und wird die Strafversetzung beantragen. Was er auch tat.

Protest der Konfirmanden

Ich hatte meinen Kindern von all den Vorfällen nichts erzählt. Jochen wollte selber Pfarrer werden und wäre unheimlich enttäuscht gewesen.
Jochen hatte sich inzwischen im Internat eingelebt. Er war mittlerweile Tutor und hatte seinen ersten Schülergottesdienst gehalten. Auch Konrad fühlte sich wohl.
Seit meinem letzten Gespräch mit Martin, haben wir nichts mehr von einander gehört. Er rief mich nicht an und ich ihn nicht. Die Gottesdiensttermine, die ich für den Schaukasten brauchte, bekam ich jetzt per Fax. Die hatten nicht einmal einen Gruß drauf. Der Gemeindekirchenrat hatte tatsächlich die Strafversetzung beantragt. Eines Tages rief mich eine Mutter, der Konfirmandengruppe an. Sie hatte mich gefragt, ob ich sie bei ihrem Vorhaben unterstütze. Da ich von keinem Vorhaben wusste, musste ich nachfragen, um was es sich handelte. Sie sagte: „Wenn der Pfarrer strafversetzt wird, wollen sich die Konfirmanden nicht konfirmieren lassen. Dann fällt alles aus.“ Ich sagte darauf: „Und wie willst du das verhindern?“ Worauf sie antwortete: „Die anderen Eltern, die Konfirmanden und einige Gemeindemitglieder, wollen einen Protestbrief an das kirchliche Verwaltungsamt schreiben. Ich wollte dich fragen, ob du mit unterschreibst und ihn dort abgeben kannst.“ Nach kurzem überlegen antwortete ich ihr: „Der Gemeindekirchenrat hat entschieden, das der Pfarrer versetzt wird. Da braucht man schon ziemlich gute Argumente um sie umzustimmen. Aber wir können es ja versuchen. Ich unterschreibe und bringe ihn weg.“ Sie sagte: „Ich schreibe den Brief und sammle Unterschriften. Wenn ich alles zusammen habe, bringe ich ihn dir vorbei.“ Einige Tage später brachte sie tatsächlich den Brief vorbei. An die genaue Anzahl der Unterschriften, kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Ich weiß nur noch, es waren sehr viele. Was mir besonders auffiel, es hatten auch viele nicht Kirchenmitglieder, den Protestbrief unterschrieben. Ich brachte persönlich den Brief zum kirchlichen Verwaltungsamt und gab ihn auch an der richtigen Stelle ab. Derjenige, der den Brief dort in Empfang nahm, lass ihn sich durch und sagte: „Die Sache ist entschieden. Der Pfarrer wollte sich freiwillig nicht versetzen lassen. Dafür wird er jetzt strafversetzt. Für sein Vergehen muss er bestraft werden. Die Strafe ist die Strafversetzung.“ Ich überlegte kurz, sah ihn an und sagte: „Eigentlich tun sie ihm damit einen Gefallen. Eine viel größere Strafe, für den Pfarrer, wäre doch, wenn er hier bleiben müsste. Es ist doch viel schlimmer für ihn, wenn er jeden Sonntag predigen muss und jeder Besucher des Gottesdienstes weiß, das er sich selbst nicht an die Gebote hält.“ Er sah mich an und sagte: „Das ist ein sehr gutes Argument. Von der Seite haben wir das noch nicht betrachtet. Ich kann zwar nichts versprechen, aber werde sehen, was ich machen kann.“ Ich bedankte mich und ging. Das Protestschreiben und meine Argumente hatten Erfolg. Plötzlich hieß es, es bleibt alles so wie es ist. Der Pfarrer wird nicht versetzt.

Wenn aus Liebe Hass wird

Ich war immer noch verletzt und wütend. Ich wusste auch nicht, worüber ich mich am meisten ärgerte. Darüber, dass Martin eine andere hatte oder weil er mich belogen hatte. Ich wollte ihm das heimzahlen. Ich überlegte eine ganze Weile, wie ich ihm eins auswischen konnte. Mir kamen Ideen wie zum Beispiel seine Autotür mit Sekundenkleber zu zukleben oder die Luft von seinen Reifen abzulassen. Ich wollte sogar Zucker in seinen Tank kippen oder eine Kartoffel in seinen Auspuff stecken, aber dies war alles Kinderkram. Ich hätte nicht einmal gesehen, dass er sich darüber ärgert. Ich unterhielt mich darüber, mit meiner Freundin Sara. Sie sagte zu mir: „Warum wirst du jetzt nicht fromm und gehst jeden Sonntag brav in die Kirche? So kannst du, ohne dass es jemand merkt, seinen Gottesdienst durcheinander bringen. So treibst du ihn in den Wahnsinn. Du wirst sehen, es dauert nicht lange und er wird freiwillig seine Versetzung beantragen.“ Ich überlegte kurz und sagte: „Eigentlich hast du recht. Wie oft hat er sich etwas einfallen lassen, um mich zu sehen. Das kann er jetzt haben. Er wird noch beten, dass ich irgendwann nicht mehr komme.“ Gesagt, getan. Ich ging von nun an jeden Sonntag brav in die Kirche. Am ersten Sonntag war er sehr überrascht, dass ich in die Kirche kam. Ich setzte mich so hin, da er mich direkt ansehen musste. Es war wie vorhergesehen. Er bekam Schweißausbrüche und verhaspelte sich ständig. Nach dem Gottesdienst verabschiedete sich der Pfarrer von jedem einzelnen mit einem Händedruck. Das muss ihm wohl besonders schwer gefallen sein. Er konnte mir nicht in die Augen sehen. Er stand mit gesenktem Kopf vor mir und gab mir die Hand. Jetzt wusste ich, ich hatte ihn genau an der richtigen Stelle getroffen. Beim nächsten Gottesdienst steckte ich meine Haare hoch. Ich hatte auch das Kleid, das ich bei Jochens Konfirmation anhatte, angezogen. Ich machte mich richtig hübsch für den Pfarrer. Wie vorhergesagt, es funktionierte. Ich brachte seinen Gottesdienst durcheinander. Ich bat Johannes mich zum Gottesdienst zu begleiten, um Martin zu ärgern. Johannes fand die Idee zwar nicht besonders gut, aber er kam brav mit. Nach dem vierten Sonntag hatte der Pfarrer mein Spiel durchschaut. Jetzt schlug er mit Worten zurück. Jede seiner Predigten war für mich bestimmt und keiner bekam davon etwas mit. Martin riss sich zusammen und sah mir bei seinen Predigten ins Gesicht. Mal gab er Worte wie, „einmal gesprochene Worte kann man nicht wieder zurück holen“, wieder sprach er von Verrat oder verschmähter Liebe. Das waren die besten Predigten, die er in dieser Zeit gehalten hatte. Manchmal setzte er noch eins drauf und warf mir die Predigt vom Sonntag in den Briefkasten, damit ich sie mir noch einmal in aller Ruhe durchlesen konnte. Jetzt begann ein Spiel bei dem derjenige siegte, der die besseren Nerven hatte. Ich wiederum benutzte seine, mir in den Briefkasten geworfenen, Predigten für den Schaukasten. Ich benutzte seine verwendeten Psalme und Sprüche, um diese zu wiederlegen. In dieser Zeit wurde ich sehr bibelfest. Das war höllische Arbeit, ein Psalm durch einen anderen zu wiederlegen. Wenn ich mal nichts passendes in der Bibel fand, nahm ich Zitate oder Sprichwörter. Keiner von uns beiden gab nach. Beim letzten Gottesdienst, vor Konrads Konfirmation, ist mir etwas fürchterliches passiert. Der Pfarrer stand vorne und sprach das Vaterunser. An der Stelle „und führe mich nicht in Versuchung“ blickte er mich an und hielt inne. Ich musste bei seinen Worten laut loslachen. Durch die Kirche ging ein Murmeln. Dann war mindestens fünf Minuten Schweigen, bis der Pfarrer sich wieder in den Griff hatte um seinen Gottesdienst fortzusetzen. Soweit hatte mich meine Wut getrieben. Ich schämte mich für das was ich tat. Ich hatte meine Wut nicht mehr unter Kontrolle. Ich beschloss an dieser Stelle aus seinem Leben zu verschwinden. Es stand nur noch Konrad seine Konfirmation vor der Tür. Danach, hatte ich mir geschworen, sonntags nicht mehr in die Kirche zu gehen um ihm das Leben zur Hölle zu machen. Auch im Schaukasten ließ ich meine Anspielungen auf Martin.

Konrads Konfirmatio

Freitags holten wir Konrad von der Jugendhilfeeinrichtung ab. Er hatte noch drei Freunde eingeladen, die wir mitbrachten. Jochen kam nicht nach Hause. Er war 14 Tage zum Schüleraustausch in Polen. Als wir Freitagabend nach Hause kamen, fand ich im Briefkasten einen Zettel für Konrad. Er war vom Pfarrer. Auf dem Zettel stand; Konrad, Stellprobe morgen, Samstag, in der Kirche, um 10.00 Uhr. Dazu lag der Kirchenschlüssel. Der war zwar ohne Zettel, aber ich musste die Kirche ausschmücken und säubern.
Da Konrad immer noch nicht wusste, was sich während seiner Abwesenheit zugetragen hatte, hielt ich es für besser, ihm alles zu erklären. Noch bevor er es bei der Stellprobe von den anderen zu hören bekommt. Nachdem ich Konrad alles erklärt hatte sagte dieser plötzlich: „Das kannst du vergessen. Ich lass mich nicht mehr konfirmieren.“ Ich fragte ihn: „Wieso?“ Und er antwortete: „Der spinnt wohl. Predigt Wasser und trinkt Wein.“ Ich überlegte hin und her. Konrad hatte eigentlich Recht, aber ich konnte nicht einfach mal so eine Konfirmation absagen. Das Essen war bestellt und die ersten Gäste waren auch schon da. Ich überlegte lange hin und her und schlug Konrad einen Kompromiss vor. Ich sagte zu ihm: „Wenn du dich morgen konfirmieren lässt, dann musst du nie wieder in die Kirche gehen. Nur wenn du es selber willst.“ Konrad war mit diesem Kompromiss einverstanden.
Am anderen Morgen ging Konrad zur Stellprobe. Zwar widerwillig, aber er ging. Nach einer knappen halben Stunde war er wieder zurück. Ich wunderte mich darüber, dass es nicht länger gedauert hatte und sagte zu ihm: „Ihr ward heute aber schnell fertig.“ Konrad antwortete: „Nein, die anderen üben noch.“ Verwundert fragte ich: „Und warum bist du schon zu Hause?“ „Ständig hat der Pfarrer mich vollgenölt. Ich konnte ihm überhaupt nichts Recht machen. Dann habe ich zu ihm gesagt: „wenn er schlechte Laune hat, muss er zu Hause bleiben“. Daraufhin hat er mich aus der Kirche geworfen. Dann bin ich gegangen. Aber das Beste kommt noch. Jeder der Konfirmanden muss morgen zu den Zehn Geboten ein paar persönliche Worte sagen. Allen anderen hat er vorher Bescheid gesagt, nur mir nicht.“ Das ist typisch Martin, dachte ich, hielt mich aber mit jedem Kommentar zurück. Ich fragte Konrad dann: „Zu welchen der Zehn Gebote musst du etwas sagen?“ „Das wirst du morgen schon sehen.“ Antwortete Konrad. Aus Konrad war nichts mehr raus zu bekommen.
Nachdem der Pfarrer mit den Kindern Stellprobe hatte, reinigten einige Eltern die Kirche. Martin verschloss danach die Kirche. Für mich war das ganz gut. Somit brauchte ich am Nachmittag nur noch die Kirche ausschmücken. Ich legte die Blumen und Gestecke ins Auto und fuhr mit meiner Freundin Sahra und mit meiner Schwägerin in die Kirche. Ich wollte mit dem Schlüssel die Kirchentür aufschließen, steckte ihn ins Schloss und drehte den Schlüssel um. Aber die Tür ging nicht auf. Immer und immer wieder versuchte ich es, aber nichts passierte. Meine Freundin Sahra und meine Schwägerin versuchten es ebenfalls. Auch sie bekamen die Tür nicht auf. Die Organistin kam und wollte auf der Orgel üben. Sie probierte mit ihrem Schlüssel das Türschloss auf zubekommen. Auch da passierte nichts. Ihr Schlüssel passte zwar ins Schloss, aber die Tür ging nicht auf. In mir keimte ein böser Verdacht. Vielleicht hatte Martin mir und der Organistin den Schlüssel aus der Nachbarkirche gegeben. Mir fiel ein, dass es in unsere Gemeinde noch jemanden gibt, der für unsere Kirche einen Schlüssel hatte. Ich ging dorthin und erklärte ihr die Situation. Sie sagte dann: „Ja, manchmal klemmt die Tür, aber mein Mann kommt gleich mit. Er kennt sich mit der Tür aus und bekommt sie bestimmt auf.“ Ich ging zur Kirche zurück und ein paar Minuten später kam der Ehemann mit dem Schlüssel. Sein Schlüssel passte zwar, aber er bekam ebenfalls die Tür nicht auf. Wir vertrödelten eine ganze Stunde mit der Kirchentür. Ich hatte die Nase voll, nahm mein Handy und rief den Pfarrer an. Dort meldete sich nur der Anrufbeantworter. Ich hatte noch seine Handynummer und versuchte es dort. Aber das Handy war ausgeschalten. Ich rief noch einmal auf seinem Hausanschluss an. Wieder meldete sich nur der Anrufbeantworter, doch dieses Mal legte ich nicht auf. Nach dem Piepton sagte ich: „Schieb deinen verdammten Arsch hierher und öffne die Kirchentür.“ Dann legte ich auf. Wir fuhren mit samt den Blumen und Gestecken wieder nach Hause. Ich wollte abwarten was nach meinem Anruf passiert und es am Abend noch einmal versuchen. Ich hatte in der Gaststätte Kuchen bestellt, der noch abgeholt werden musste. Mit meiner Schwägerin und meiner Freundin Sahra fuhr ich zur Gaststätte, um den Kuchen zu holen. Ich ging schnell rein und die Mutter der Gaststätteninhaberin gab mir den bestellten Kuchen. Jetzt bekam ich die nächste Krise. Ich hatte dort ein ganzes Kuchenblech bestellt und bekam 12 kleine Stücken. Auf meine Frage: „Was soll denn das? Ich habe ein ganzes Blech bestellt.“ Bekam ich zur Antwort: „Ja, wir haben anderswertig noch welchen gebraucht. Ihr seid doch nur 20 Personen, das wird für euch schon reichen.“ Ich ging mit dem bisschen Kuchen zum Auto und habe von dort bis nach Hause vor Wut geheult. Ich brachte meinen Kuchen ins Haus, als Konrad mir entgegen kam und sagte: „Du kannst jetzt in die Kirche. Die Kirche ist offen.“ Ich fragte ihn: „Woher weißt du das?“ „Hier war eine Frau, die ich nicht kannte.“ Sagte Konrad. Daraufhin fuhren wir zur Kirche. Auf halben Weg kam mir der Pfarrer mit seinem Auto entgegen. Er gab mir ein Zeichen, dass ich anhalten sollte. Ich hielt nicht an. Ich hatte mir geschworen, ihm konsequent aus dem Weg zu gehen. Ich wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben. Als ich an der Kirche ankam, war diese offen. Wir nahmen die Blumen und Gestecke und trugen alles hinein. Wir wollten endlich alles fertig haben. Ich machte mich dabei, den Altar zu schmücken. Die ersten Blumen standen schon an ihrem Platz, als mich jemand von hinten auf die Schulter faste und sagte: „Das machst du aber fein.“ Ich drehte mich um und hinter mir stand Martin. Ich antwortete ihm nicht. Er griff nach meiner Hand und zog mich vom Altar, Richtung Eingangstür weg. Dabei sagte er so laut, dass es alle anderen mitbekamen: „Ich will dir jetzt mal zeigen, wie man etwas mit Gefühl macht. Manchmal reicht schon etwas Gefühl, um eine Tür auf zubekommen.“ Ich merkte, das er etwas getrunken hatte. Ich riss mich von ihm los und sagte: „Lass deine Spitzen. Außerdem hast du was getrunken. Mach mal so weiter, du hast ja noch nicht genug Ärger.“ Entsetzt sah er mich an. Diesmal war er es, der fluchtartig die Kirche verließ. Wir schmückten die Kirche fertig aus und fuhren nach Hause. Dann stellte ich mich hin und backte Käsekuchen. Dabei hätte es bald die nächste Katastrophe gegeben. Als meine Schwägerin sah, dass ich ein ganzes Stück Butter in den Käsekuchen tat, sagte sie: „Was wird denn das für ein Schweinefraß. Das kann doch keiner essen.“ Am liebsten hätte ich sie rausgeworfen, aber um des lieben Friedens willen blieb ich ruhig. Aber komischerweise hat sie am anderen Tag Käsekuchen gegessen.
Am anderen Morgen mussten wir um 11.00 Uhr in der Kirche sein. Ich setzte mich weit nach hinten, damit mich der Pfarrer erst gar nicht sah. Dieses mal gab es kein Abendmahl, so dass ich deswegen nicht nach vorn musste. Statt einer Elterndankesrede gab es eine Rede vom Gemeindekirchenrat. Die Konfirmation neigte sich dem Ende zu. Als letztes mussten die Konfirmanden noch einmal nach vorn treten und ihren persönlichen Satz zu den Zehn Geboten sagen. Konrad war als letzter dran. Konrad trat nach vorn, sah dem Pfarrer ins Gesicht und sagte: „Liebe Gemeinde! Und wer von euch ohne Schuld ist, nehme den ersten Stein und werfe ihn.“ In der Kirche herrschte Schweigen. Aber Konrad setzte noch einen drauf indem er sagte: „Die Steine liegen am Eingang. Ich warte.“ Außer Schweigen passierte nichts. Konrad stand immer noch vorn. Er sah zum Pfarrer und sagte: „Manchmal ist Vergebung der bessere Weg.“ Ich wäre vor Scham am liebsten in den Erdboden versunken. Konrad hatte mit seinen Worten den Gemeindekirchenrat kritisiert, aber er hatte auch Recht. Martin lächelte Konrad an, faste ihn auf die Schulter und flüsterte ihm leise etwas ins Ohr. Dann war alles vorbei. Ich war froh, als ich endlich aus der Kirche gehen konnte. Anschließend fuhren wir essen.
Wir waren beim Kaffeetrinken, als Konrad mich fragte: „Hast du den Pfarrer eingeladen?“ „Nein“, sagte ich. „Das ist deine Konfirmation. Selbst wenn ich ihn eingeladen hätte, er wäre garantiert nicht gekommen.“ Aber auch hier sollte ich mich geirrt haben. Ich musste noch einmal in die Küche, um etwas zu holen. Dadurch bemerkte ich nicht, dass der Pfarrer inzwischen gekommen war. Als ich wieder nach hinten kam, saß der Pfarrer auf meinen Platz. Hilflos stand ich da. Mein Platz war besetzt. Ich schaute in die Runde und sagte: „Wo soll ich mich jetzt hinsetzen?“ Mein Mann antwortete: „Da, wo du sonst auch sitzt. Neben den Pfarrer.“ Ich nahm mein Kaffeegedeck und setzte mich provokatorisch drei Plätze weit vom Pfarrer entfernt. Auf Martins Platz stand schon Kuchen, nur der Kaffee fehlte noch. Da an meinem Platz die Kanne mit Kaffee stand bat mich Sahra, dem Pfarrer Kaffee einzugießen. Widerwillig tat ich es. Ich hatte den Kaffee in seine Tasse gegossen, als Martin zu mir sagte: „Gibst du mir noch Zucker in den Kaffee. Du weißt doch wie viel.“ Ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich nahm die Zuckerdose, stellte sie vor seine Nase und sagte: „Ich bin weder deine Ehefrau noch deine Bedienstete. Mach es dir doch selber. Es tat mir in diesem Moment leid, dass ich ihn so angefahren hatte, aber wie sagte Martin immer so schön, „einmal gesprochene Worte kann man nicht zurück nehmen“. Ich setzte mich auf meinen Platz und es dauerte nicht lange, bis Martin sich verabschiedete. Er merkte wohl, dass er nicht willkommen war. Wir feierten bis morgens um 4.30 Uhr.

Erntedankfest

Seit Konrad seiner Konfirmation hatte ich mit Martin kein Wort mehr gewechselt und ihn auch nicht mehr gesehen. Mitte September bat mich eine Bekannte, das Erntedankfest mit vorzubereiten. Ich fragte: „Wer hilft denn alles mit?“ Sie antwortete: „Du, die Bürgermeisterin, der Pfarrer und ich.“ Ich fragte sie: „Weiß der Pfarrer das ich mithelfe?“ „Nein“, antwortete sie. „Der soll froh sein, dass überhaupt jemand etwas macht.“ Ich sagte: „Na ja, ich will nur nicht, dass meinetwegen jemand Ärger bekommt.“ „Nein“, sagte sie. „Mach dir keine Sorgen. Das hat schon alles seine Richtigkeit.“ Ich ging auch zum verabredeten Treffpunkt. Wir warteten, aber der Pfarrer verspätete sich. Als der Pfarrer kam und mich sah, sah man ihm an, dass er von meinem Erscheinen nicht besonders begeistert war. Es kam soweit, dass er mir nicht einmal die Hand gab. Ich ärgerte mich zwar, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Ich tat so, als wäre nie etwas zwischen uns gewesen. Um so mehr ich zur Tagesordnung überging, um so grantiger wurde er mir gegenüber. Bei der zweiten und dritten Vorbereitung kam der Pfarrer erst gar nicht mehr. Seine Absprachen erfolgten nur noch telefonisch. Nur mich rief er nicht an. Ich bekam meine Anweisung über dritte.
Von Jochen wusste ich, dass er den Pfarrer gebeten hatte, ihm bei der Vorbereitung der Weihnachtspredigt für die Schule zuhelfen. Der Pfarrer hatte ihm zugesichert, gemeinsam eine Predigt auszuarbeiten. Jochen kam extra zum Erntedankfest nach Hause. Kinder freuten sich. Besonders Konrad. Samstag Vormittag stellten wir die Zelte, sowie die Tische und Stühle auf. Am Mittag, sollte die Veranstaltung mit einem gemeinsamen Essen, aus der Gulaschkanone, beginnen. Ich wunderte mich, dass der Pfarrer zum Mittag nicht erschien und die Gulaschkanone auch nicht in Sicht war. Die Bürgermeisterin sagte mir: „Der Pfarrer konnte keine Gulaschkanone besorgen. Er kommt erst zum Gottesdienst.“ Daraufhin fragte ich sie: „Was ist nun mit dem gemeinsamen Essen?“ Sie antwortete mir: „Ich habe gestern Erbsensuppe vorgekocht. Die mache ich zu Hause noch einmal heiß. Dann können wir sie in großen Töpfen her holen.“ Aus dem gemeinsamen Essen wurde leider nichts mehr. Nach dem nochmaligen aufwärmen war die Erbsensuppe sauer geworden. Da erst am Abend gegrillt wurde, fiel das Mittagessen ganz aus. Dafür wurde zum Kaffee richtig zugeschlagen. Um 16.00 Uhr sollte das Erntedankfest mit dem Gottesdienst eröffnet werden. Ich stand mit Jochen und der Bürgermeisterin am Zelteingang. Wir hatten noch ein paar organisatorische Dinge zu besprechen. Plötzlich stand der Pfarrer neben uns. Jochen sagte zu mir: „Ich frage gleich den Pfarrer wegen der Predigt.“ „Ja“, antwortete ich. „Mach mal.“ Jochen wandte sich dem Pfarrer zu. Ich hörte, wie Jochen fragte: „Herr Pfarrer, wann kann ich vorbei kommen, wegen der Weihnachtspredigt?“ Dann vernahm ich, wie der Pfarrer antwortete: „Gar nicht. Dafür habe ich keine Zeit. Ich habe jetzt meine eigenen Probleme.“ Jochen hat daraufhin nichts mehr gesagt. Er senkte den Kopf und ging traurig weg. Als Jochen sich vom Pfarrer etwas entfernt hatte, hörte ich wie der Pfarrer laut sagte: „Für manche Sachen ist es jetzt zugspät.“ Zum damaligen Zeitpunkt dachte ich, der letzte Satz wäre für Jochen bestimmt. Als ich mich vor kurz mit Jochen noch einmal darüber unterhielt, sagte er zu mir: „Nein Mutti, der Satz galt dir.“
Ich war wütend und enttäuscht. Ich konnte nicht verstehen wie der Pfarrer meinem Sohn solche Antwort geben konnte. Er hatte ihm versprochen zuhelfen. Er ließ seine Wut, die er auf mich hatte, jetzt an meinem Sohn aus. Ich machte mich auf die Suche nach Jochen. Ich konnte ihn nicht finden. Ich bat Konrad und ein paar andere Kinder, ebenfalls nach ihm zusuchen. Ungefähr nach einer halben Stunde kam ein Junge und sagte mir, dass Jochen hinten am Waldrand sitzt. Ich ging sofort zu ihm. Er saß im Gras am Waldrand und weinte. Ich konnte mich nicht mehr entsinnen, wann ich ihn, das letzte Mal habe weinen sehen. Ich fragte ihn: „Was ist denn los?“ Er antwortete: „Ich hatte ihn extra angerufen und gefragt ob er mir hilft. Jetzt gibt er mir solche Antwort. Ich habe ihm doch nichts getan.“ Ich sagte zu Jochen: „Ja. Vielleicht hat er heute einen schlechten Tag und hat es nicht so gemeint. Frag ihn morgen einfach noch einmal.“ Er wischte sich seine Tränen aus dem Gesicht und sagte: „Das kannst du vergessen. Den werde ich nie wieder um etwas bitten. Der hat einfach den Beruf verfehlt. Seine wechselnden Stimmungsschwankungen, seine Unordentlichkeit und sein schlechter Umgang mit Menschen, das kann ich nicht mehr ertragen. Bis jetzt wollte ich immer Pfarrer werden. Martin war mein Vorbild. Aber das hat sich mit dem heutigen Tag erledigt. Ich will nicht so werden wie er.“ Ich konnte darauf nicht mehr antworten. Das, was Jochen sagte stimmte. Ich sagte zu Jochen: „Komm, der Gottesdienst fängt gleich an. Wir müssen zurück.“ Jochen sah mich an und fragte mich: „Mutti, hast du das eben nicht verstanden? Meinst du dafür, dass er mich so schlecht behandelt hat, gehe ich in seinen Gottesdienst? Das kannst du vergessen. So wie ich ihn kenne, hat er den nicht einmal ordentlich vorbereitet.“ Ich sagte zu ihm: „Du bist alt genug. Das musst du selber entscheiden.“ Er kam trotzdem mit nach vorn. Setzte sich nicht auf die Bänke die für den Gottesdienst gedacht waren, sondern stellte sich hinter das Zelt, so dass der Pfarrer ihn nicht sehen konnte. Jochen hatte recht behalten. Der Gottesdienst war sehr schlecht vorbereitet. Die Danktafel bestand nur aus Kürbis. Zum Abendmahl gab es für jeden eine Weintraube. Ich hatte das Gefühl, der Pfarrer fing jetzt an zuprovozieren. Nach dem der Gottesdienst beendet war, machte ich mich auf den Weg zu meinem Stand. Ich hatte einen Glühweinstand. Jochen hatte versprochen, mir zu helfen. Ich ging hinter das Zelt und wollte ihn Bescheid sagen, als ich Stimmen hörte. Ich ging leise weiter und blieb ein paar Meter weiter stehen. Vor mir sah ich Jochen und den Pfarrer. Der Pfarrer sagte gerade zu Jochen: „Ich habe dich beim Gottesdienst und beim Abendmahl nicht gesehen.“ Jochen antwortete darauf: „Solange sie keinen ordentlichen Gottesdienst machen, betrete ich ihre Kirche nicht wieder. Das muss ich mir nicht antun.“ Jochen ließ den Pfarrer einfach stehen und ging. Er half beim Glühwein ausschenken. Zu allen anderen, die einen Stand hatten, ging der Pfarrer hin, um sich zu bedanken. Um unseren Stand machte er einen großen Bogen. Das fiel dieses Mal schon anderen auf. Selbst wenn er Glühwein wollte, schickte er jemand anderen. Am Abend war auch Tanz. Ich hatte keine Vertretung und wollte Jochen nicht alleine lassen. So bekam ich nicht mit, was sich an der Tanzfläche abspielte. Ungefähr gegen 22.00 Uhr kam aufgeregt die Bürgermeisterin zu mir und sagte: „Du glaubst gar nicht, was eben passiert ist. Der Pfarrer hatte vom Gemeindekirchenrat die Auflage, sich von seiner Geliebten zutrennen. Plötzlich tauchte sie auf und küsste den Pfarrer in aller Öffentlichkeit. Du. Die sieht aus wie du. Ich vertrete dich hier mal schnell. Das musst du dir ansehen.“ Ich ging zur Tanzfläche und sah mir Martin seine Geliebte an. Mir verschlug es die Sprache. Die Bürgermeisterin hatte Recht. Sie war mir wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur das sie durch ihre unvorteilhafte Kleidung, älter aussah. Der Pfarrer schlug jetzt zurück. Er wollte mich damit strafen. Ich musste innerlich lachen und ging zu meinem Glühweinstand zurück. Ich hörte später noch von der Bürgermeisterin, dass sich kein Gemeindemitglied mit dem Pfarrer und seiner Geliebten unterhalten hatte. Sie verließen fluchtartig das Erntedankfest.
Am Sonntag war noch einmal bis zum Mittag gemütliches Beisammensein. Wir hatten noch viel Kuchen über und ich wusste nicht, was damit passieren sollte. Normalerweise haben wir den Rest immer in ein Altenheim gebracht. Ich wusste nicht in welches. Ich fragte die anderen, die das Fest mit organisiert hatten. Keiner wusste es. Bis die Bürgermeisterin sagte: „Dafür war der Pfarrer verantwortlich. Frag den.“ Wohl oder übel musste ich den Pfarrer suchen und ihn fragen. Der Pfarrer stand mit dem Ehemann der Bürgermeisterin am Bierzelt. Ich ging zu ihm und fragte ihn höflich: „Martin. Wir haben so viel Kuchen übrig. Zu welchem Altenheim muss ich den Kuchen bringen?“ Der Pfarrer antwortete: „Das ist mir doch egal was du damit machst und wo du ihn hinbringst.“ Ich sagte zu ihm: „Du bist dafür verantwortlich. Das war deine Aufgabe.“ Der Pfarrer sah mich an und sagte grinsend: „Tja, was willst du nun machen, wenn ich meine Aufgabe nicht richtig mache? Willst du dich jetzt dafür einsetzen, dass ich versetzt werde?“ Er wurde dabei wütend und seine Stimme wurde lauter. Der Ehemann der Bürgermeisterin sagte: „Na, na, na, Herr Pfarrer.“ Das machte den Pfarrer noch wütender. Der Pfarrer kam einen Schritt auf mich zu, stieß mich am Oberarm und sagte: „Na und. Was willst du nun machen? Sorge doch dafür, dass sie mich versetzen.“ Ich drehte mich um und wollte gehen. Sah noch einmal zu ihm und sagte: „Wenn dein Verstand in die Hose gerutscht ist, dafür kann ich nichts. Und dass ich für deine Versesetzung eintrete, das kannst du vergessen. Das ist das allerletzte was ich mache. Du hast dir die Sache eingebrockt, nun sieh auch zu, wie du sie auslöffelst.“ Ich ging in Richtung Kuchenstand und der Ehemann der Bürgermeisterin kam hinter mir her. Der fragte mich: „Mensch sag mal, was ist bloß aus euch beiden geworden? Ich habe euch bei Jochen seiner Konfirmation unter der Laterne gesehen. Ich habe es keinem erzählt. Auch nicht, als das ganze Theater mit dem Pfarrer war. Ich hätte nie gedacht, dass das so mit euch endet.“ Dann ließ er mich stehen. Ich packte den Kuchen ins Auto und meine Kinder kamen auch mit. Wir brachten den Kuchen in ein Altenheim. Sie freuten sich darüber sehr, obwohl der Pfarrer es nicht angemeldet hatte. Später erfuhr ich, dass der Pfarrer nach unserem Gespräch das Erntedankfest sofort verlassen hatte.

Aus und vorbei

Martin hatte sich mit seinem benehmen zum Erntedankfest selbst ins aus geschossen.
Der Kirchengemeinderat hatte seine Versetzung beantragt. Diesmal war ich nicht diejenige die sich dafür einsetzte das er bleiben kann.
Ich war zwar immer noch gekränkt und enttäuscht das er mich verlassen hatte.
Ich hätte von ihm gern gewusst warum aber Martin war nicht bereit mit mir zu reden.
Ich hätte es bestimmt noch mal geschaft das er in der Gemeinde bleibt und hätte ihm damit
bestimmt damit richtig geärgert. Aber warum ich hatte damit abgeschlossen. Meine Kinder wollten
am Heiligabend in die Kirche. Ich hatte ein komisches Gefühl ich kannte Martin wie kein anderer.
Es wäre sein letzter Gottesdienst vor seiner Versetzung gewesen. Und ich sollte recht behalten.
Die Kirche war überfüllt wer nicht kam war der Pfarrer. Der Kirchengemeinderat wurde unruhig.
Vom Pfarrer fehlte jede Spur. Innerlich musste ich lachen Martins letzte Rache. Heiligabend und
Kein Pfarrer. Nach einer halben Stunde gab ein Mitglied des Kirchengemeinderates bekannt das der Gottesdienst ausfällt
der Pfarrer sei krank und liege im Krankenhaus. Unverrichteter Ding gingen wir
nach Hause. Zuhause machte ich mir dann doch sorgen um Martin. Vielleicht war er wirklich krank.
Jochen merkte mir das wohl an und sagte, Mutti heute ist Weihnachten es ist der Tag der Vergebung.
Ruf den Pfarrer im Krankenhaus an und wünsche im wenigstens gute Besserung. Jochen hatte ja
Recht. Seit Martin mich verlassen hatte, waren 8 Monate vergangen. Irgendwann muss Schluss sein
und man muss vergeben. Gegen 21.00 Uhr rief ich im Krankenhaus an. Die Schwester brachte Martin
das Telefon. Er meldete sich mit seinem Namen. Er hörte sich nicht krank an. Ich sagte meinen
Namen und das ich ihm gute Besserung und ein schönes Weihnachtsfest wünsche. Nachdem was
dann passierte war Martin nicht krank. Er brüllte durch das Telefon das ich ihn ab heute nicht mehr zu dutzen hätte. Das ich sein leben ruiniert hätte. Ich solle endlich aus seinem Leben verschwinden.
Dann legte Martin auf. Ich stand wie geschockt am Telefon. Das waren die letzten Worte die Martin an mich richtete.
Sie taten zwar weh, haben aber bis heute Jahr später nicht ihre Wirkung verloren.
Ich habe nie wieder mit ihm Kontakt aufgenommen und werde es auch nie wieder tun.
Jochen wird kein Pfarrer, er sagte vor einem Jahr zu mir. Mutti ich wusste damals das mit dir und Martin.
Ich habe nie was gesagt, weil ich wollte das du glücklich bist. Pfarrer will ich nicht werden
ich will nie entscheiden müssen zwischen Kirche und den Menschen den ich liebe. Stell dir vor ich
verliebe mich wie Martin in eine verheiratet Frau. Das ist unter normalen Umständen schon
schwierig als Pfarrer ist es die Katastrophe. Jochen hat zu Martin noch Kontakt. Sie telefonieren öfter.
Martin heiratete die andere Frau und sie bekamen eine Tochter. Ich weiß auch das seine Ehe nicht
glücklich ist. Es könnte für mich eine Genugtuung sein. Ist es aber nicht. Im Gegensatz zu Martin konnte ich über meinen
Schatten springen und ihn vergeben. Ich hätte mir gewünscht das er glücklich wird.
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corry

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Kommentare
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Gast Die Geschichte ist ja äußerst dramatisch, aber sprachlich leider unzureichend.
Vergangenes Jahr - Antworten
Drehpunkt kann man schön von hier und dort sich etwas zurechtbeteidigen was vielleicht so offen bleibt wie nichts sonst.
Vor langer Zeit - Antworten
Meerjungfrau eine geschichte, die mich sehr bewegt hat
wunderschön geschrieben
Vor langer Zeit - Antworten
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