Kurzgeschichte
Ein Tag am Meer

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"Ein Tag am Meer"
Veröffentlicht am 25. Januar 2011, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Ein Tag am Meer

Ein Tag am Meer

Einen halben Tag lang war er ohne bestimmtes Ziel, ohne zu wissen, was er mit der Zeit anfangen soll, durch die Straßen gestrichen. Dann befand er sich plötzlich am Strand. Er durchquerte einige Reihen mit sich auf Liegestühlen ausbreitenden Körpern. Unversehens hatten sich seine Schuhe mit feinem Sand gefüllt. Einige Meter vor ihm entdeckte er einen freien Liegestuhl, auf dem er sich sofort niederließ, nachdem er sich seiner Schuh und des T-Shirts entledigt hatte. Die Sonne stand heiß am Himmel, war jedoch bei weitem nicht mehr so stark, denn Mittag war schon länger vorbei.

Er blickte sich um, blickte die Liegestuhlreihen entlang, die sich links und rechts von ihm ausbreiteten. Eine entspannte Ruhe lag über diesem Strandabschnitt. Die meisten hatten sich nach dem Mittagessen in die Liegestühle begeben und schliefen. Kaum jemand war auf den Beinen. Er ließ seinen Blick noch etwas schweifen, fühlte jedoch bald, wie sich die Müdigkeit langsam auch seiner bemächtigte. Die Sonne verursachte ihm eine wohlige Wärme auf der Haut. Von Zeit zu Zeit streifte ihn ein leichter Windhauch, der kühlend vom Meer zu ihm herüberwehte. Sanft, wie die Hand einer Liebhaberin strich die Luft über ihn hinweg und brachte angenehme Kühlung, wo die Sonne noch zu forsch war. Er vernahm das Rauschen des Meeres, das im ewigen Takt– hin und zurück, hin und zurück - Wellen gegen den Strand trieb. Auf dem Wasser vor ihm tanzten auf Luftmatratzen liegende Körper im liebevollen Spiel auf und ab, auf und ab.

Die Glieder wurden ihm nun immer schwerer und schwerer und er merkt, wie die Augenlieder zufielen. Abermals strich ein Windhauch über ihn hinweg, schien von diesem enormen Felsen zu seiner Linken zu kommen, der, auf einer Seite leicht bewaldet, majestätisch neben dem Wasser aufragte. Als er ihn etwas genauer in Augenschein nahm sah er, dass sich hinter diesem Felsen viele weitere auftürmten. Es waren unzählige und sie reichten bis zum Horizont, nein, bis zur Unendlichkeit, so schien es ihm nun. Er stellte sie sich alle als Riesen vor, die über ihn wachten, alles Schlimme von ihm abhalten würden. Er konnte also beruhigt die Augen schließen, hier würde ihm nichts geschehen, dachte er noch und tatsächlich fiel er im nächsten Augenblick in einen tiefen, traumlosen Schlaf. 

Als er wieder erwachte herrschte nicht mehr Ruhe, sondern geschäftiges Treiben. Noch etwas schlaftrunken blickte er sich um. Das Wasser vor ihm war nun von Menschen übersät, die in den Fluten Abkühlung von der Nachmittagssonne suchten. Aber auch an Land wuselte es. Braunhäutige Frauen schlenderten in knappen Bikinis an ihm vorüber. Männer präsentierten ihre trainierten Oberkörper. Frauen lachten, Kinder schrien. Ein Verkäufer, einen runden Bottich mit Mate-Tee mit sich führend, schlängelte sich vor seinem Stuhl vorbei, lautstark sein Getränk anpreisend. Rechts neben ihm spielte eine Gruppe Jugendlicher Volleyball. In diesem Moment touchierte der Ball das über den Köpfen der Spieler gespannte Netz, stieg senkrecht auf und fiel dann, unter dem hämischen Gelächter der gegnerischen Mannschaft, im eigenen Spielfeld zu Boden. Von der linken Seite kam im schnellen Schritt eine Frau. An der Hand zog sie ein kleines Mädchen, das still vor sich hinweinte während die Frau böse auf es einredete. Im nächsten Moment rollte ein Fußball vor seinem Liegestuhl, gefolgt von einem kleinen Jungen, der das Leder, haarscharf über seinem Kopf hinweg, einem wartenden Freund zuspielte.

Zwei junge Frauen kamen nun vorbei. In der Hand hielten sie je eine Kokosnuss, bei denen aus hineingeschlagenen Löchern Trinkhalme herauslugten. Sie nahmen immer wieder einen Schluck von diesem Trinkhalm während sie sich angeregt miteinander unterhielten. Die Ältere der beiden hatte dunkle Haut und trug einen weißen Bikini mit einem bunten Blumenmuster. Um ihr Gesäß hatte sie lose ein weißes Tuch gebunden, mit Fransen, die sanft ihre Oberschenkel umspielten. Die andere trug einen silbernen Reifen im Haar, der in der Sonne glitzerte. Sie war schlank und braun gebrannt. Das Oberteil ihres schwarzen Bikinis war eng geschnitten und der spärliche Stoff ließ viel Haut unbedeckt, die im Sonnenlicht schimmerte. Auch ihr Unterteil gefiel ihm: Neckisch, mit Schleifen an beiden Seiten zusammengebunden bildete es ein weites, einladendes Dreieck, das im Takt ihrer Schritte sanft hin und her wiegte. Er blickte den beiden lange nach, so lange, bis ein schwarzes Dreieck in der Menschenmasse nicht mehr auszumachen war.

Währenddessen hatten sich drei junge Frauen, eine blond die anderen beiden schwarzhaarig, auf den Liegestühlen zu seiner Rechten ausgebreitet. Sonnenbebrillt begannen sie Creme auf ihre Haut aufzutragen.

Die Ankunft der Mädchen war drei Burschen, die ihre Badetücher in unmittelbarer Nähe im Sand ausgebreitet hatten, nicht verborgen geblieben. Hatten sie sich vorher vor allem für das Volleyballspiel unmittelbar vor ihnen interessiert, wanderten ihre Blicke nun immer öfter zu den drei Mädchen hinüber. Sie versuchten mit ihnen Augenkontakt aufzunehmen. Diese würdigten sie jedoch keines Blickes, sondern legten demonstratives Desinteresse für ihre männlichen Strandnachbarn an den Tag.

Trotzdem kam ihm der Gedanke, dass die Mädchen diese Liegestühle auch mit purer Absicht ausgewählt haben konnten. Die Burschen mochten wohl glauben, die Mädchen zuerst gesehen zu haben, das aber vielleicht auch nur deshalb, weil die Mädchen sie das glauben lassen wollten.

Er beobachtete noch eine Weile das Spiel zu seiner Rechten. Sah den Mädchen zu, wie sie Sonnencreme auftrugen, mit ihren Händen über die Haut wanderten und drei Augenpaare dabei mit auf die Reise nahmen. ‚Komm! Sieh dir das an!’, schienen diese Hände zu sagen. ‚Sieh meine weiche Haut!’

Freilich war es nicht verwunderlich, dass die Mädchen den Burschen gefielen. Sie waren attraktiv und legten zweifellos sehr viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Das konnte man an ihren Bikinis sehen, die wohl der neuesten Moden entsprachen und ebenso sorgfältig ausgesucht worden waren wie ihre Sonnenbrillen. Es zeigte sich aber auch in den unzähligen kleinen Details wie Ketten, Ohrringen oder Lippenstift, die sie trugen. Oder die Schwarzhaarige, die am nächsten zu ihm saß: Sie hatte lange Fingernägel, und im Grunde waren das eigentlich „nur“ lange Fingernägel. Aber auf der anderen Seite waren das ganz sicher nicht nur lange Fingernägel! Ganz sicher war das mehr! Und mit Sicherheit war ihr das bewusst. Aber woher konnte sie das eigentlich wissen? Woher konnte sie wissen, dass diese langen Fingernägel ihm, dass sie diesen drei Männern gefallen würden? Ebenso die anderen beiden: Woher konnten sie wissen, dass sie mit dem Schnitt oder der Farbe ihres Bikinis, mit der Form ihrer Sonnebrille, mit ihrer braun gebrannten Haut bei diesen drei Männern solchen Eindruck machen würden, dass sie das Volleyballspiel vor ihrer Nase vollkommen vergaßen? Und warum eigentlich waren gerade die Männer genau auf diese Dinge so versessen? Was war es, das sie so bannte?

Auch nach langem Nachdenken musste er sich eingestehen, dass er im Grunde keine Antworten auf diese Fragen finden konnte. Zwar hatte er den Eindruck, damit etwas Entscheidendes, etwas im Hintergrund Wirkendes ergründen zu können. Auf der anderen Seite wurde ihm aber auch sehr bald klar, dass es sich dabei eigentlich um etwas Unbegreifbares handelte, etwas, das er es niemals ganz verstehen würde, mochte er auch noch so lange daran forschen. Trotzdem kreisten seine Gedanken noch eine Weile um dieses Thema, doch dann ließ er es einfach von sich gleiten. Er tat dies, indem er kurz die Luft anhielt und sie dann ganz langsam durch die Nase entweichen ließ.

Mit der Entspannung kam aber auch das Gefühl, gerade Teil von etwas Größerem zu sein. Etwas, das weit über ihn hinausging, das dort drüben in diesen Felsen, die er sich als beschützende Riesen vorgestellt hatte, zu finden war, das ebenso im Wind lag, wie im ewigen Rauschen der Wellen und das auch zwischen diesen Mädchen und Burschen neben ihm wirkte. Auf seltsame Weise beruhigte ihn dieser Gedanke, er beruhigte ihn ganz tief in seinem Inneren, wie er merkte. Zufrieden schloss er die Augen, lauschte noch schnell dem Wind und dem Meer und war im nächsten Moment schon wieder eingeschlafen.

 

 

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Walter

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