Kurzgeschichte
Miss World

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"Miss World"
Veröffentlicht am 06. Januar 2011, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich. http://www.rdedition.com/ http://honigkuchendachs.wordpress.com/
Miss World

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Ich konnte mich nicht und nicht mit dem Buchstaben „g“ anfreunden. Mal war die Schlaufe zu groß, mal zu hässlich, mal perfekt. Ich habe mit der Zeit herausgefunden, dass es am besten in Verbindung mit dem Buchstaben „e“ funktionierte. Dann war mir auch noch mein Bein im Schlaf eingeschlafen und als ich aufwachte, fühlte es sich an, als hätte ich statt einem Bein einen tonnenschweren Fetzen am Leib hängen, dessen Füße gigantisch waren. Mein Schlaf war auch nicht mehr das, was er einmal war. Ich konnte anscheinend nur mehr durch dramatische Traumszenen geweckt werden, aus denen ich nach Luft keuchend, mit rasendem Herzen, zu erwachen genötigt werde. Seit ich begonnen habe, die Musik meines Radioweckers in meine Träume einzubauen, war es jedes Mal ein irrsinniger Schock, die Musik meines Albtraumes auch in der Wirklichkeit zu vernehmen. Es war, als wäre man gefangen in seiner Traumwelt, die Wirklichkeit verloren gegangen, sein echter Körper bereits verwest, das Bein von Parasiten zersetzt. Aber wenn ich mich dann an den Frühstückstisch setze und all diese Gefühle verspüre, zweifle ich an meinen Zweifeln. Kann denn Freude weiterexistieren? Ich hoffe nicht. Denn das würde bedeuten, dass Schmerz und Kummer ebenso allgegenwärtig ist. Wozu sterben, wenn es danach wie vorher ist? Ich mochte das knirschende Geräusch der Eiswürfel, wenn man sie in das Glas warf. Ich hasste es, Eierschalen aus der Rührschüssel zu kratzen. Diese Dinger sind verdammt fies, bleiben am Eiweiß kleben, wie ein Neugeborenes an der Brust seiner Mutter. Sie scheinen sich lustig über dich zu machen, oh nein – du kriegst uns nicht! Aber ich habe sie noch alle gekriegt. Ich finde philosophische Fragen auf norwegisch noch ein Eck interessanter. „Hvem er du? Hvor kommer verden fra?“ – „Wer bist du? Woher kommt die Welt?“ Das ist wohl reine Geschmackssache und nicht jedermanns Bier. Bier mag ich übrigens genauso viel wie Schwarztee. Nur immer muss ichs auch nicht haben. Ich habe es einfach mit der Zeit schätzen gelernt. Vor einigen Tagen habe ich mir in meinem Stammlokal eines bestellt, das offensichtlich schon schlecht war. Oder der Kellner hat reingespuckt. Bei seiner Motivation hätt ichs ihm zugetraut. Hätt mich genauso wenig gewundert, wenn er mir plötzlich eine geknallt hätte. Ich sag ja immer: Wenn dir nicht gefällt, was du machst, dann mach doch einfach was anderes. Könnte man als mein Lebensmotto sehen, so unfähig ich bin konkrete Entscheidungen zu treffen, so viel ich schon ausprobiert habe. Und dann kommen  mir diese Erwachsenen immer damit, dass ich ja leicht reden hätte und keine Ahnung, was es heißt, eine Familie ernähren zu müssen und blabla. Kann ich ja nichts dafür, dass mir das Geld in den Schoß gefallen ist. Ja, ich hab ziemlich viel geerbt von meinem Vater. Ziemlich viel will heißen, eigentlich müsste ich gar nicht mehr arbeiten gehen, tus aber trotzdem. Das gehört sich so. Und das mit der Familie: naja, das ist doch eine Entscheidungsfrage. Ich hab mich dagegen entschieden. Bin eigentlich ziemlich glücklich mit meinem Leben, würd ich nur das mit den verdammten „g“s in den Griff bekommen. Aber das wird auch noch. Bin ja ein zuversichtlicher Mensch.

Als ich letztens durch die Innenstadt spazierte, wär ich fast an einen Laternenmast gedonnert. Beim Ausweichen stieg ich auf eine Eisplatte und PENG landete ich auf meinem Allerwertesten. Passiert mir ja sonst nicht, sowas, aber so grob überlegt, wenn ich die Wahl hätte zwischen Beule und Arschbruch, mal ehrlich, ich würde wieder zur Eisplatte greifen. Ist ja nicht so, als hätt ich außer meinem Aussehen was auf dem Kasten. Mein Job hat ausschließlich was damit zu tun, ein Grammtikkönig muss man als Hostess jedenfalls nicht sein. Das wundert mich übrigens, also das mit dem Aussehen. Weder mein Vater noch meine Mutter waren jetzt mit unglaublichen Götterkörpern gesegnet. Ähm, ganz im Gegenteil. Woher ich meine ganz schön ordentlichen Titten herhabe – frag doch am besten den Schöpfer! Nein, Spaß, an den glaub ich mittlerweile nicht mehr. Zu viel Scheiß, der auf dieser Welt passiert. Schon gehört? Die Blonden sterben langsam aus. Ebenso die Blauäugigen. Bald bin ich die Letzte meiner Art. Seufz. Aber ich fürchte, bis es soweit ist, verschimmel ich schon unter der Erde.

Bis Parasiten dann tatsächlich mein Bein anknabbern.

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Honigkuchenpfe
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Honigkuchenpfe Re: -
Zitat: (Original von AnneNowhere am 15.03.2011 - 20:14 Uhr) I'm Miss World, somebody kill me...
Großartiger Text, vollkomme bizarr und unlinear, aber die Sprache reißt auf jeden Fall mit, auch wenn man am Ende nicht viel schlauer ist als am Anfang. Aber ist ja auch egal. Weil's Spaß macht.


Eine weitere Hole-Hörerin, das freut mein Schreiberherz!
Ums Spaß machen gehts ja primär, so generell im Leben. Freut mich, ehrlich sehr. Vielleicht gibts ja mal wieder schlaumachende Texte, da würd ich mich sogar selbst drüber freuen, hach.
Liebste Grüße von dem honiglichen pferde
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: - Das find ich ja sehr cool von dir, nahezu lässig :-)
Ja in den Schubladen tauchen immer wieder verloren gedachte Objekte auf - die Kaugummis, die wie Tabletten einzeln verpackt sind und Taschentücher aus der Schilling Ära.
Und manchmal mag man überraschenderweise Dinge, denen man eigentlich ja skeptisch gegenüber steht. Wie das Sushi Stück, mit dem seltsamen Fisch oben. Ein Hauch Soja Sauce und alles ist wieder gut!

Allerliebste Grüße aus der schönsten Metropole, in das schönste Bundesland!
Vor langer Zeit - Antworten
hanni86 Wären "cool" und "lässig" nicht längst nicht mehr so cool oder lässig, wie sies früher mal waren, dann würden die gerade mal daran kratzen wie der Text hier ist.
Ich find den richtig, richtig gut!
Dabei mein ich immer solche Texte nicht zu mögen - aber vielleicht ist es ja auch so, dass es "solche" Texte nicht gibt, weil das wie eine dieser Schubladen in der Küche ist, in die man alles wirft und dann nennt man es "sowas", auch wenn da drinnen die abgelegten teuren Ohrringe neben zerrissenen Gummiringerln und zerdrückten Aspirinpackerln herumschwimmen.

Viele liebe Grüße in die schönste Metropole,
Hanni
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Das ist der... - Aber so ist das doch einfach! Das alles erlebt man und denkt gleichzeitig drüber nach und wenn etwas neues passiert, dann widmet man dem seine Gedanken. Hm ja hätte ich, aber das wäre so vorraussehbar, tztz.
Coffee and TV, nicht das Lied, was dann? Meinst du das echte? hihi, ja ich gebe zu, den Text hab ich geschrieben, als ich partout nicht mehr lernen wollte.
Übrigens therapiere ich mich gerade mit Coffee and TV. Das Lied. Und die Milchtüte ist ja seeehr herzig :-)

Liebste Grüße
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Das ist der... - ... König unter den fadenlosen Texten. :-D Da hast du dich selbst übertroffen, was das angeht. Aber das hast du so konsequent durchgezogen, dass es sehr passend und irgendwie schon wieder faszinierend zu lesen ist. Uh, obwohl ich ja überlege, ob du den Text nicht beim "verdammten g" hättest enden lassen sollen. Ist aber wohl Geschmackssache. Hmm, wenn ich mal deine Gemütslage in den Text interpretieren soll, dann würde ich meinen, du könntest 'ne Runde Coffee and TV vertragen. Also nicht das Lied, wobei man da ja auch gute Laune bekommt. Aber dann am besten mit dem tollen Milchtütenvideo.

Liebste Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
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