Kurzgeschichte
Das Burnout-Gespann

Der Sankt Nikolaus kommt in die Jahre. Jedes Jahr ist sein weisser Bart ein Stück länger geworden und die buschigen Augenbrauen zucken zwischendurch vor Stress. Ob er endlich in Rente gehen kann dieses Jahr? Das Rentier Frank hat Bronchitis und Lisa das Kulleraugenschnittchen unter den Zugpferdchen niesst alle zwei Sekunden. Dabei hat der bärtige Mann ihnen das ganze Jahr Vitamin C in den Fressnapf gepulvert. Otto hinten links in der Parade hat einen Krampf in den Beinen der bis zu seinen altersschwachen Hufen zuckt. Oh je hat der jetzt Magnesiummangel oder was? Der Nikolaus schaut verdattert auf sein Gespann und hebt sich ächzend auf den mit Geschenken überladenen Schlitten.

„Ah mein Ischiasnerv!“ stöhnt der Weissbart und hält sich die behandschuhte Hand auf den Rücken. Lisa verdreht ihre Kulleraugen und Otto hinkt noch ein bisschen mehr.

„Na was ist meine lieben Tierchen, nehmen wir die Strapazen nochmal auf uns?“ Die ganze Truppe gähnt und legt die Köpfe schief.

„Ich krieg gleich Ohrensausen bei so viel Begeisterung!“ lächelt der Nikolaus und greift nach seinem goldigen Glöckchen. Der Bimmel fällt ab, auch das noch!

„Ich dachte Gold rostet nicht! Na dann schnalze ich halt mit der Zunge, auf los geht’s los!“ Die Rentiere verharren in ihrer Gähnstarre und Ottchen knickt das dritte Knie ein. Aber was soll’s? Für die Rente reicht es nicht! Dieses Jahr viel der Bonus von Petrus bescheiden gesagt „unter jeder himmlischen Ratte“ aus. Dabei hat sich der Nikolaus all die Jahre so ins Zaumzeug gelegt, die Rentiere natürlich! Mit dem Hammerbonus wollte er sich endlich mal die wohlverdiente Auszeit irgendwo auf den Bahamas gönnen! Doch im Himmel brauchten alle neue Laptops mit Koh i noor Diamanten geschmückt. Wo sparte man wieder? Bei den Barthaaren des Nikolaus, ist ja klar! Der Stress verursachte ihm bereits Haarausfall. Wenn die Menschen in den Warenhäusern Engelshaar kauften um an den Weihnachtsbaum zu hängen, wurden sie irrsinnig belogen! Im Grunde waren es die akut ausfallenden Barthaare des weissen Mannes mit Sack und Pack.

„Los!“ *schnalz*schnalz*

Eine Schlittenkufe brach entzwei, doch das Geld für die Werkstatt fehlte. Was wollte die heutige Jugend auch immer für teurere Geschenke? Früher hatten sie schon Freude wenn es zu der Suppe mal Würstchen gab! Früher jaja! Heute wollte schon die 12jährige Sophie ein Prada Täschchen zum Angeben, die 16jährige Lulu eine Brust-Op, klein Mike eine Rolex, Mia die WII Konsole und die alte Else von der Blockhausengasse eine Kreuzfahrt! Hä, warum hatte die sich überhaupt gemeldet? Wie alt war die genau? Der Nikolaus klaubte die riesen Kundenliste aus seiner Manteltasche und überprüfte Elses Lebenslauf im Mondlicht. 89 Jahre! Einsam und seit Jahren depressiv! Okee, der wollten wir die Reise doch ausnahmsweise gönnen, auch wenn es sich hier nicht mehr um ein Kind handelte! Bestimmt war sie aus der Generation Suppen-ohne-Würstchen-Kind.

Der Nikolaus atmete tief ein bevor ihn ein trockener Husten schüttelte. Ja, auf die lachenden Kindergesichter und die glänzenden, geldgierigen Augen konnte er trotzdem nicht verzichten. Natürlich gab es auch noch die ehrlich erstaunten Augen von Kindern, die bescheiden lebten und noch an Kleinigkeiten Freude hatten, sei es auch nur ein Stückchen Schokolade!

Später, später würde er sich ein Schnäpschen gegen seine Altersbeschwerden gönnen. Dann eine vollgestopfte Pfeife rauchen und den Rentieren die Muskelkrämpfe hatten beim Stöhnen und Dehnen zu sehen. Wenn Petrus beide Augen zu drückte könnte er sich vielleicht auch wieder mal ein ordentliches Training gönnen im himmlischen Kraftstudio „Engelmuskelgold“. Aber jetzt war er dazu viel zu müde! Er blinzelte noch einmal den Sternen zu und fiel dann in einen tiefen, wohltuenden Schönheitsschlaf.

ConnyB.