Romane & Erzählungen
So, wie ich lebte

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"So, wie ich lebte"
Veröffentlicht am 03. Dezember 2010, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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So, wie ich lebte

So, wie ich lebte

Beschreibung

Ein Ich. Ein Tod. Eine Suche nach dem Täter. Eine Reise durch das zurück ins Leben.

Unheimliche Taubheit

Ein eiskalter Wind weht mir ins Gesicht. Ich öffne meine Augen aus der Dunkelheit und erblicke einen prächtigen Nachthimmel, voller glitzernder Feuerbälle, so weit entfernt und doch sichtbar. Ein SOS aus dem All? Oder Lichterketten, ausgehangen vom Mann im Mond? Wieder ein Windstoß. Diesmal schob es mir mein Kleid ein Stück weit hoch und kitzelte an meiner Feinstrumpfhose entlang. Mitte Dezember. Ich werde mir noch den Tod holen, wenn ich weiter hier oben bleibe. Was macht man nicht alles für einen Augenblick Stille und einer Aussicht so unbegreiflich entspannend.

Es ist kurz nach Mitternacht. Ich befinde mich mit einem 30 Euro Kleid, einem Paar 4-jahre alten Sandalen, unechten und nochmals preisreduzierten Schmuck und einem Glas Sekt auf dem Dach meiner alten Schule. Zum zweiten Mal in Folge: der Winterball. Zum ungezählten Male in Folge: betrunken, genervt und auf der Suche nach Ruhe vom Trubel. Versteht mich nicht falsch, ich bin glücklich, so wie mein Leben gerade läuft. Aber doch nervt mich die Oberflächlichkeit unserer Gespräche, die Einseitigkeit unserer Unterhaltung, die Unausgeglichenheit wohin wir nur schauen. Wieso reden wir über Männer und Sex? Weil wir 20 sind? Warum und wann ist uns das Aussehen so wichtig geworden? Weil wir Frauen sind? Warum trinken wir schon wieder Alkohol? Weil wir es dürfen und wollen? Doch mich interessiert noch so viel mehr was in dir vorgeht. Hast du auch Angst vor der Zukunft? Glaubst du alle Menschen erwartet gleichviel Unglück und Traurigkeit? Wenn nicht jetzt, dann vielleicht morgen? Was würdest du lieber ändern, wenn du es sofort könntest? Aids, Hungersnot oder Krebs? – Aber nein, über so etwas redet man nicht an solch feierlichen Tagen. Der Tod umgibt uns die ganze Zeit, er macht auch vor Weihnachten keinen Halt, doch darüber geredet wird nie. Betretenes Schweigen, kopfschüttelndes Rotwerden, Weggehen.

Okay, so langsam merke selbst ich die minus fünf Grad hier draußen. Da hilft auch kein Sekt, Bier oder Cocktail mehr. Ich schwinge meine Beine mit einem eleganten Versuch von der Brüstung auf das Flachdach zurück; stelle mein Glas einen Arm weit von mir weg; drehe meinen angetrunkenen Körper auf die sichere Seite und stelle mich langsam auf. Nachdem ich meine paar Sachen zusammengesammelt habe wollte ich gerade zurück zum offenen Fenster gehen, als ich sah, wie eine Gestalt herauskletterte und auf mich zu kam. Definitiv ein Mann, etwa ein Meter achtzig, breit oder muskulös gebaut, vielleicht jemand aus meinem Jahrgang, aber ich kann sein Gesicht nicht erkennen, da er von hinten angeleuchtet wird. Erst als sprach merkte ich, dass es David war. Der ewig schleimende Strahlemann, bester Abschluss, Golfspieler(??). Ich konnte ihn noch nie leiden. Ich konnte ihn nicht einschätzen, er verhielt sich zu perfekt und war dabei doch unnahbar und angsteinflößend.

„Hey, Ich hab dich da sitzen sehn und dachte ich leiste dir Gesellschaft.“

„Nein danke, ich verzichte gerne und wollte sowieso gerade gehen.“ Ich lief ihm entgegen und konnte nun sein Gesicht und seinen Blick erkennen. Ich finde mich ja selbst eher semi-attraktiv und glaube nur selten, dass jemand mich toll findet, aber diesen Blick und dann sich auf die Zähne beißen, dass kann sogar ich deuten. Sein Kopf folgte mir und sein linker Arm hielt mich an der Taille davon ab weiter zu gehen.

Das kann doch jetzt nicht sein ernst sein, dachte ich grimmig und rollte mit den Augen wie ein 15jähriger Teenager. Er schob mich, nun mit beiden Armen so rum, dass ich nun direkt vor ihm stand. Ich roch seinen Atem. Definitiv alles andere als nüchtern. Bei seinem ersten Annäherungsversuch sagte ich lediglich, er solle den Quatsch lassen und lieber wieder mit rein kommen. Ich wollte einfach noch nett bleiben und aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Doch als ihn meine Abwehrreaktion anscheinend nicht interessierte, wurde ich doch schon deutlicher. Ich versuchte ihn wegzustoßen und mein Gesicht von seinem wegzudrehen. Doch es funktionierte nicht, er drückte mich nur noch fester an sich. Den einen Arm an meinen Rücken gedrückt und den Anderen an meinem seitlichen Hals. Er küsste mich, doch ich küsste nicht zurück. Das machte ihn anscheinend wütend. Kurz ließ er mich los, doch als ich nach einer Schock-Sekunde an ihm vorbei rennen wollte, stieß er mich zu Boden. Ich landete nur wenige Meter neben der Brüstung, meine Tasche lag direkt neben mir. Ich griff nach ihr und holte mein Handy heraus. Wie gut, dass man auch nur irgendwen auf Kurzwahltasten gespeichert hat. Verdammt so wird das doch nie was. David war schnell und brutal. Er kickte mir das Telefon weg, wobei er meine Hand selbst mit verletzte.

„David! Komm schon, lass den Scheiß! Hör einfach auf mir solche Angst einzujagen und ich werde auch keinem davon erzählen. Du hast bestimmt nur zu viel getrunken und bist wegen irgendetwas sauer. Hör einfach auf damit. Bitte! Bitte lass mich gehen!“

Erst wollt ich ihn nur beruhigen, doch zum Ende hin war es doch mehr ein flehen. Und nichts davon half. Er stürzte sich auf mich und noch bevor ich schreien konnte lag er auf mir und hielt mir den Mund zu. Er saß rittlings über mir. Seine linke Hand auf meinen Mund, mit der rechten schob er mir dann beide Hände unter meinen Körper, sodass ich quasi von mir selbst gefesselt war und mich kaum noch wehren konnte, zu allem Mal er doppelt so stark war wie ich.

„Halt still und sei doch gefälligst froh, dass so ein geiler Typ wie ich, es dir besorgen will.“, flüsterte er mir ins Ohr und strich dann noch genüsslich mit seiner Zunge an meinem Ohr entlang.

Ich wollte schreien, ich wollte mich übergeben, aber alles was ich könnte war zu wimmern und zu versuchen mich ihm zu entziehen. Tränen quollen mir aus den Augen, ich bekam kaum noch Luft, und merkte wie seine Hand an meinem Oberschenkel hinauf glitt und dabei gleichzeitig das Kleid hochschob. Der gleiche kalte Schauer überfiel mich, wie der Wind, ein paar Minuten zuvor, nur viel schlimmer. Mit einem Ruck zerriss er mir die Strumpfhose und seine ekelige Hand erreichte meinen Schritt um vieles zu Nahe. Als er gerade versuchte, mit der Geilheit eines betrunkenen Mannes auf Viagra, seine eigene Hose zu öffnen, erhob er sich einen Zentimeter von mir und ich bekam meine vielleicht einzige Chance. Blitzschnell zog ich gleichzeitig meine Knie an und meine Hände von meinem Rücken hervor. Ich nutzte seine wackelige Stellung und seinen Perplex aus und stoß ihn nach hinten weg. Er jaulte auf, denn ich erwischte seine Weichteile und drehte mich selbst so schnell ich konnte um und krabbelte auf allen vieren weg. Doch schon erwischte er mich und stieß mich zurück. Ich lag nun auf der Seite und er schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht.

Stille. War es vorbei? Ist er weg?

Doch dann spürte ich einen Körper neben mir und eine Stimme dir mir heißem Atem zuflüsterte: „Wusstest du eigentlich, dass mein Vater Anwalt ist?“. Ich hatte zwar meine Augen noch geschlossen, aber ich konnte sein höhnisches Grinsen dabei hören und wusste, dass etwas nicht stimmte. Als ich die Augen öffnete sah ich noch, wie er unter mich griff und plötzlich wirbelte ich nach hinten. Viel zu spät bemerkte ich, dass ich direkt neben dem Abgrund des Daches lag, beziehungsweise jetzt mich schon im freien Fall Befand.

Kein Wind. Keine Kälte. Nur eine unheimliche Taubheit…

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