Romane & Erzählungen
Zuckersüß

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"Zuckersüß"
Veröffentlicht am 29. November 2010, 6 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich. http://www.rdedition.com/ http://honigkuchendachs.wordpress.com/
Zuckersüß

Zuckersüß

Ich zog mir dicke Handschuhe über und lief hinaus in den Garten. Nach einem Meter juckte meine Haube schrecklich und ich riss sie mir vom Kopf. Dann öffnete ich meine Jacke und warf sie in einen schneebedeckten Busch. Ich streifte die Stiefel ab, zog mir die Socken aus und fühlte die nasse Kälte. Ich atmete tief ein, versank in meiner Umgebung, spürte den Schnee unter meinen Füßen wegschmelzen. Dann öffnete ich die Augen und ließ mich fallen.

Es war Ende November und das letzte Jahr, in dem ich Weihnachten mit meiner Familie verbringen würde. Mir war nie viel daran gelegen, an der Dekoration, dem Schnee, den selbstgebackenen Keksen. Ganz im Gegenteil: Ich liebte es, in meiner eigenen, schmucklosen Wohnung den Winter hinter mich zu bringen, geschützt von dem Wahnsinn, der außerhalb dieser Mauern jährlich vor sich ging. Aber ich freute mich dennoch, wenn meine Nachbarn mit viel Liebe unseren Hausflur dekorierten und es überall nach Zimt und Schokolade zu riechen begann. Das hatte etwas Magisches an sich. Am 22. oder 23. Dezember verließ ich dann normalerweise mein Nest und machte mich auf den Weg in die Heimat. So auch heuer. Dort war es unmöglich zu ignorieren, dass es bald soweit sei. Die ansonst so dunklen Gassen waren beleuchtet, warm angezogene Menschengruppen versammelten sich um dampfende Punsch-Hütten, wärmten ihre erfrorenen Hände an dem heißen Getränk. Ich begann schneller zu gehen, die eisige Kälte kroch durch meine Turnschuhe, an wärmeres Schuhewerk hatte ich natürlich nicht gedacht. Jedes Jahr überrascht mich der Winter aufs Neue und wie immer versuche ich ihm solange zu trotzen, bis er schlussendlich gewinnt und ich fieberkrank und hustend im Bett meine Niederlage eingestehe. Als mein rechter Fuß plötzlich von dem Gehsteig abrutscht und in einer Pfütze verschwindet, fluche ich laut auf. Der Polizist, der natürlich genau in diesem Moment an mir vorbeigeht, wirft mir einen mahnenden Blick zu. Ich winke nur ab und stapfe weiter. Ich habe bereits in jungen Jahren gelernt, dass es sich nicht lohnt, frech zu Polizisten zu sein. Frech im Sinne von ehrlich. Zumal meine Familie ohnehin stadtbekannt ist und beim geringsten Vergehen meine Eltern schon nach wenigen Minuten bescheid wissen. Verdammtes Kaff, ich wundere mich immer wieder, wie ich es hier solange ausgehalten habe. Dieses Getuschle hinter vorgehaltenen Händen, laut genug, dass es nicht einmal überhört werden könnte, würde man es wollen. Und die Blicke, denen ich ausgesetzt war, seit ich nur mehr am Wochenende heimkam. Ja, ich war das Kind, das seine Eltern verlassen hat. Ich war das Kind, das sich woanders mehr Glück erhofft hatte. Und dass ich erfolgreich war, schürte ihren Hass nur mehr. Es war schlichtweg Neid. Sie hatten es nie weggeschafft, mussten ihren Lebensabend nun in ihrem selbsterrichteten Gefängnis verbringen. Davor hatte ich mein Leben lang Angst gehabt und deswegen war es nun auch an der Zeit, zu gehen. Endgültig. Meine Arbeit hat mir eine Stelle in Seattle vermittelt und ich habe bereits zugesagt. Davon erzählt habe ich bis jetzt nur niemanden, nicht einmal meiner besten Freundin. Es würde mir nicht leichtfallen, aber ich war froh, den Entschluss bereits getroffen zu haben und nicht davor mit meinen Lieben gesprochen zu haben. Vielleicht wäre ich dann noch zur Vernunft gekommen. Ich freute mich schon auf mein neues Leben und Seattle war ein allzu passender Ort für einen Neuanfang. Hieß es nicht, die Stadt sei berühmt für „Kaffee, Heroin und Grunge“? Hier konnte ich meine Jugend wieder aufleben lassen. Ich holte den eisigen Schlüssel aus meiner Tasche, nur schwer ließ er sich im Schloss drehen. Das grüne Tor ließ sich heute noch schwerer öffnen, als sonst, ich stemmte mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen, da schwang es endlich auf. Der Bewegungssensor war wieder einmal kaputt, so musste ich mit den Fingern das Schloss für die Eingangstür ertasten. Mit einem lauten Gequietsche öffnete sich auch diese. Mir kam es vor, als wäre es im Stiegenhaus noch kälter als draußen. Ich lehnte mich kurz gegen den brüllenden Löwen, der sich am Ende des Geländers befand und erinnerte mich an früher, als ich ihn immer mit Mars oder Twix gefüttert hatte. Ich mochte Löwen, in Stockholm gab es eine Straße voller Statuen davon und es gab ein Bild von mir, breit grinsend, auf einem sitzend. Mit einem festen Schlag auf den Lichtschalter knipste ich das Ganglicht an, stapfte in den ersten Stock und öffnete die dritte und letzte Tür. Ich fiel durch sie hindurch in warmes Leuchten, Kerzenschein und Teeduft.

 

Ich war daheim.

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Honigkuchenpfe
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PhanThomas Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - Ja, wär schade um den Witz. Aber das kriegen wir schon irgendwie hin. Und wenn nicht, dann hat's nicht sollen sein. Mit der Haarfarbe würd ich dich vermutlich eh nicht wiedererkennen. ;-) Aber 'nen Versuch ist's wert, denk ich.
Uh, und wir und uns einig? Dass ich das noch erleben darf. Darauf geh ich jetzt einen trinken. So als, öh, Mittzwanziger eben, also wie man das da noch so macht. Herrje, ich werd alt, aber betrinken kann ich mich noch so gut wie früher. Glaub ich. Na ja, ich geh's gleich mal ausprobieren.

Und beim Essay weißte ja Bescheid, ne? ;-) 2.000 Wörter schaffste schon! Und wenn's ein paar weniger sind, dann strecken wir das Ding schon noch. ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - seufz. ich weiß. und dennoch fall ich immer wieder rein :-P
jetzt lass ichs halt bleiben.

Daas ist dann doof. Aber wenn du dich bemühst, verpassen wir uns schon nicht! Wär ja schade. Um den Witz.
hihi dann sind wir uns ja zur abwechslung mal einig!

und ich verzweifle sowieso an meinem essay. 2000 wörter sind soo viel...
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: -
Zitat: (Original von Wuermche am 04.12.2010 - 19:12 Uhr) Sehr, sehr schoene Geschichte muss ich sagen. Ja auch ich aussreisser aus einem Kaff kene das gefuehl man hasst eigentlich alles an der stadt, die menschen, die umgebung, alles, und wenn man dann bei den eltern im haus, im ehemaligen zimmer ist fuehlt man sich doch heimisch, ironie des schicksals, oder? wenn man jung ist will man immer weg, wenn man weg ist wuenscht man sich die zeit bei mama und papa wieder herbei :D


danke für die zwei "sehr", das freut mich ebenso sehr hihi.
ja irgendwie ist das ein komisches gefühl, zurückzukehren, aber doch auch irgendwie vertraut. aber unbedingt zurückwünschen tu ich mir die zeit dann doch nicht, dazu schätze ich meine privatsphäre zu sehr :)
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - Natürlich bekomm ich alles in den falschen Hals. Zu mir sollte man lieber nicht nett sein. Aber unfreundlich auch nicht. :-P Ach was, du machst das schon irgendwie, glaub ich.

Warum erzählst du den neuen Witz nicht??? Was ist, wenn wir uns verpassen, wenn ich da bei euch rumpirsche? Dann erfahr ich den nie. Herrje, herrje... Übrigens bin ich auch generell immer neidzerfressen. Kann ich soweit also sehr gut verstehen. :-D
Vor langer Zeit - Antworten
Wuermche Sehr, sehr schoene Geschichte muss ich sagen. Ja auch ich aussreisser aus einem Kaff kene das gefuehl man hasst eigentlich alles an der stadt, die menschen, die umgebung, alles, und wenn man dann bei den eltern im haus, im ehemaligen zimmer ist fuehlt man sich doch heimisch, ironie des schicksals, oder? wenn man jung ist will man immer weg, wenn man weg ist wuenscht man sich die zeit bei mama und papa wieder herbei :D
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - Uäh bitte nicht Käse sagen. Der hat mich gerade ruiniert.
Ich umgebe mich ja auch nicht mit dir. Mann, da will man einmal nett sein und da bekommt der Herr das wieder in den falschen Hals... Tz.
Ich glaub an Schicksal, baby!

Der neue Witz? Den erzähl ich doch nicht hic et nunc im cyberspace. Tztz. Viel lernen du musst!
Hihi mach ich ja vielleicht noch. neidzerfressen und ganz grün :-D
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - Du musst dich ja auch nicht mit mir umgeben. Schon ist alles wieder, wie's sein soll. Und woran glaubst du jetzt? Ans Abhandenkommen in Indien? Oder an Schicksal? Hör mir bloß mit so 'nem Käse auf!

Wie geht jetzt der neue Witz?
Und wie, aus Neid noch nicht kommentiert? :-D Haha, na gut, so viel Ehrlichkeit find ich dann schon wieder gut. Da hab ich dann ein Nachsehen. ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - Ich sag das. Also das mit dem nicht-lächerlich-sein. ich umgebe mich nicht mit lächerlichen Persönchen :-P
Naja das neue Jahr ist ja schon bald. Das dürfte ich hinkriegen. Wenn ich in Indien abhanden komme, kann ich allerdings nichts dafür! Das war das wohl Schicksal. Und daran glaub ich seit neuestem.

Ich hab nen neuen Witz für dich. Auf dem selben Niveau. Hab mich schiefgelacht, tu ich auch beim Erzählen, also be prepared!!
ja meine ganz lustigen Showmomente hab ich nur selten, schade eigentlich. Freut mich, dass du mich lustig findest, die Welt ist ja schon ernst genug, da bedarf es keiner kopfhängenden Honigküchleins.
Schon gelesen übrigens, aus Neid noch nicht kommentiert ;-)
Ich find beides nerdy. Theorien an sich schon. Wie gut, dass ich studiere! Haha.
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PhanThomas Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - Und wer sagt, dass ich nicht lächerlich bin? ;-) Aber find ich ja gut, dass schon mal fürs nächste Jahr planst. Du darfst mir gern noch ein Weilchen erhalten bleiben.

Du könntest vermutlich schon ins Showgeschäft einsteigen, klar. Da könntest du diesen Witz erzählen, den du kennst. Weißt schon, den vom, uh, Kugel-schrei-Bär. Herrje... :-D Ich glaub aber, dramatisches Gedöns ist dir eher auf den Leib geschneidert als dass du 'ne Ulknudel wärst. Aber wie immer gilt: Von Gegenteiligem lasse ich mich gern überzeugen. :-) Was nicht heißt, dass ich dich nicht lustig finde - im Gegenteil!
Und japp, einen Leser haste! Ich bin doch dein größter Fan. ;-) Trotz falscher Haarfarbe. Ahem. Und öhm, bis Weihnachten hat's dann wohl doch nicht mehr gedauert. Hat sich ja doch mal wieder was durch meine Schädelplatte nach außen gefräst. Nun ja.
Übrigens ist die Relativitätstheorie doch nicht nerdy! Aber Einstein, der war's schon irgendwie, find ich. Also nerdy, mein ich.
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Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Wenn du nach... - Quatsch mit Soße, ich geb dir höchstens noch bis 2011. Danach wärs lächerlich :-P

Ja, ich bin leidenschaftliche Dramaqueen. ist mir heute mal wieder aufgefallen, wie maßlos ich übertreiben kann, nur um die Leute zum Lachen zu bringen. ich sollte wirklich ins Showgeschäft!!
Freut mich, ein leser ist mir also gewiss, juhu :-D
Ja nimm dir soviel Köpfe und Zeiten wie du willlst. Zeit ist ja genau mein Ding, hab heut wieder mein Proseminar besucht, diesmal ging um Einstein und seine Relativitätstheorie, ich liebe nerdy shit.
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