Kurzgeschichte
Der Zwischenraum - ein bisschen gruselig

0
"Der Zwischenraum - ein bisschen gruselig"
Veröffentlicht am 24. November 2010, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de
Der Zwischenraum - ein bisschen gruselig

Der Zwischenraum - ein bisschen gruselig

Beschreibung

So oder so ähnlich hat es sich zugetragen.

Zwischenraum

1:11 Uhr, 2:22 Uhr. Nicht schon wieder so eine Nacht. Die große digitale Uhr, die einen nachts mit ihrem schwachen Licht fast blendet, scheint mich immer zu diesen komischen Uhrzeiten aufzuwecken. Vielleicht warte ich unterbewusst bis die Uhr auf diese Stellen springt, um dann erschreckt die Augen zu öffnen und das Grauen zu bestätigen.

Wirre Traumfetzen sausen durch mein Gehirn, habe ich gerade gehört wie jemand meinen Namen rief. Eigentlich ganz deutlich, aber irgendwie in meinem Kopf. Schläfrig drehe ich den Kopf, rechts von mir schläft mein Mann, es ist kein Ton zu hören. Ich schleiche aus dem Zimmer, ein schwaches „Wo gehst du hin?“ zieht an mir. „Ich komme gleich wieder“, es ist schön wenn man merkt, dass der Andere einen wahrnimmt, aber es schränkt mich auch ein, fesselt mich und ich habe das Gefühl ich werde auf Schritt und Tritt überwacht.

Im Dunkeln schleiche ich zur Toilette, wieder ertönt der Ruf in meinem Kopf. Vielleicht ist mein Sohn wach, oder er träumt. Ich stelle mich an die Treppe nach oben und lausche. Nichts nur die Heizung springt an und es knackt beim Erwärmen im Haus.

Wer könnte mich sonst rufen? Die Kinder, die nicht mehr bei uns wohnen, der Vater unten im Haus könnte in Not sein, oder...

Diesen Gedanken mag ich nicht zu Ende denken, es kann nicht sein.

Ich schleiche zurück in mein Bett und wage es nicht mich an meinem Mann zu kuscheln. Ich versuche es mit einer Entspannungsübung und langsam finde ich zurück in einen unruhigen Schlaf.

Der nächste Tag ist wie so viele voll mit Arbeit, Organisation und täglichen Erledigungen. Was wegfällt ist der tägliche Besuch im Pflegeheim. Das was von unserer Mutter übrig war, ist nicht mehr da und jetzt an einem anderen Ort. Ob sie schon verbrannt ist, geht es mir durch den Kopf? Hat sie vielleicht ...  ?

Der Abend vergeht mit Telefonaten und mit den Vorbereitungen für die Trauerfeier. Ich habe alte Fotoalben hervorgeholt und wir haben einen Tisch gestaltet auf dem die Kerze für sie brennt und auf dem kleine Erinnerungsstücke liegen. Irgendwie ist das alles unwirklich und geheimnisvoll. Wo ist sie jetzt?

Endlich um 23:23 Uhr falle ich ins Bett; oh nein. Als ich die Augen schließe, sehe ich noch das goldene Licht am Schrank und ich stelle mir vor dieses goldene Licht ist ihre Seele und ich versuche zu hören, ob sie da ist und ob ich sie spüren kann.

Ein bisschen verrückt, ein wenig verdreht, ich weiß, aber es ist so schön, das warme Licht und die Vorstellung, dass sie noch in der Nähe ist. Es ist ohne Angst.

Mein Liebster kommt rein und macht das Licht aus, noch sehe ich den goldenen Schimmer, ein Nachglühen, wie ein Nachglühen des Feuers, wenn es schon am Erlöschen ist.

„Weißt du noch wie sie früher zum Scherz gesagt hat sie kommt nachts und macht uns kalte Füße?“ Damals haben wir gelacht.

Wir löffeln und ich schlafe zum Glück vor Erschöpfung ein.

0:00 Uhr, Geisterstunde schießt es mir durch den Kopf. Ich bin erwachsen und überhaupt es gibt keine Geister, ich schleiche mich raus und diesmal mache im Gang das Licht an. Nur so, man fühlt sich wohler.

Super Idee, das mit dem Licht anmachen, es wird nur so superdunkel, wenn man es dann wieder ausmacht. Prompt stoße ich mich an dem Tischchen, das jetzt in der Ecke steht und da vorher nie stand. Ich verkneife mir den Schmerzensschrei über den bestimmt angeknacksten kleinen Zeh und taste mich um die Ecke. Lacht da jemand? Schadenfreude ist nicht wirklich nett.

Ich bin so froh, als ich mein Bett erreiche und kuschele mich unter die Decke. Es ist immer noch Geisterstunde und nun sind auch meine Füße eisekalt. Ich hole mir Socken aus der untersten Schublade, „ Danke Mama für die kalten Füße", denke ich und lächle in mich hinein. „He du Nachtgespenst, was ist denn los?“, will mein Mann wissen. „Ich war nur kurz zur Toilette, ich bin schon ruhig.“ Ich liege still da, und versuche mich nicht zu regen, wieder ertönt der Ruf in  meinem Kopf. Es ist ganz deutlich und doch mehr von innen als von außen. Ist es doch meine Mutter die ruft, wo ist sie? Was will sie, warum ruft sie meinen Namen? Ich rege mich nicht und lasse die Gefühle auf mich wirken, plötzlich flüstert mein Mann: „Hast du das gehört?“ „Was?" frage ich und stelle mich dumm. „Na, da ruft doch jemand.“ Wir stehen leise auf und lauschen. Stille im Haus, aber nicht in unseren Köpfen.

Er nimmt mich in den Arm und wir halten uns. Es wird still und wir gehen verstört ins Bett zurück, komische Geräusche, aber morgen geht das Leben weiter und wir versuchen wieder einzuschlafen.

Wieder geht ein Tag vorbei, langsam kommen die Gäste an und das Haus füllt sich mit Menschen. Abgelenkt vom Trubel, habe ich das nächtliche Erlebnis vergessen.

Als wir dann endlich erschöpft ins Bett fallen ist es fast Mittenacht. Nur schnell einschlafen, denke ich und erst Morgen früh wieder aufwachen.

Am nächsten Morgen erwache ich vom Geschrei des Babys und denke nicht mehr an die seltsamen Nächte zuvor. In zwei Tagen ist die Beisetzung der Urne und wir haben noch viel zu tun.

Am Tag der Urnenbeisetzung stehen wir am Grab und ich lese das Gedicht vor, das ich für diesen Anlass mitgebracht habe. Das von den vierzehn Englein, das hatte Mutter uns oft vorgebetet und ich habe es für sie angepasst, damit die Engel sie begleiten.

Der Bestatter zeigt uns die Inschrift auf der Urne, Geburtsdatum Sterbedatum und Verbrennungsdatum , das war vor drei Tagen.

http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_44373-0.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_44373-1.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_308845.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_308846.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_308847.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_308848.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_308849.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_308850.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Mediocre

Leser-Statistik
85

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Mediocre Re: Hallo Mediocre -
Zitat: (Original von ShouCi am 30.11.2010 - 20:36 Uhr) Wenn sich etwas real zugetragen hat, sogar noch auf einem eigenem Erlebnis beruht, dann finde ich das immer etwas gruselig. Als mein Vater gestorben war, saßen wir, meine Geschwister und ich bei meiner Mutter im Wohnzimmer, als plötzlich der Fernseher anging, was bisher noch nie der Fall war. Das mag zwar jetzt sein, dass das Gerät einen Schaden hatte, aber in dem Moment war es für uns ein Zeichen meines Vaters.

liebe Grüße
ShouCi


Ich habe mal gelernt, dass gedankliche Verknüpfungen eine Bedeutung haben, egal ob die Realität da ist, es gibt einen Bezug zu dir.
Ich hatte ien Zeitlang immer Dienstags Kopfschmerzen und habe irgendwann mit meiner Tochter darüber gesprochen, sie sagte das ist ja komisch, ich habe Dienstags immer den Höllenstress and der Uni. Als ich darüber nachgedacht habe, habe ich ihr immer Dienstags in meinen Gedanken einen Moment gewidmet und habe die Kopfschmerzen nicht mehr, ich glaube nicht das es eine Verbindung über 700 Kilometer hinweg gab, aber in mir drin, gab es sie.
Vor langer Zeit - Antworten
Mediocre Re: -
Zitat: (Original von RomanTiKus am 27.11.2010 - 08:26 Uhr) Diese Gedanken sind so gut geschrieben das sie zu Ende gelesen werden müssen. Das habe ich getan, diese Erfahrung habe ich noch nicht gemacht. Ich weiß nicht wie es mir ergehen wird.
VlG Roman ti Kus@

Danke für den Kommentar, ich glaube man wird in dieser Zeit irgendwie wund und man empfindet alles viel sinnlicher als sonst.
Vor langer Zeit - Antworten
Mediocre Re: Wenn ein Prosa- ... -
Zitat: (Original von Gunda am 24.11.2010 - 21:02 Uhr) ... text am PC es schafft, mich so zu fesseln, dass ich ihn zu Ende lese, dann muss er schon etwas Spezielles an sich haben ...
Dein Text hat mich sehr angesprochen, Mediocre. Natürlich fühlt man sich beim Lesen an ähnliche eigene Erlebnisse erinnert, wie ich an den Tod meines Vaters. Ich hätte mir manchmal gewünscht, er würde mich "rufen", in meinen Träumen mit mir reden, aber wenn ich von ihm träume, ist er fast immer stumm - vllt deshalb, weil wir im Leben so viel miteinander geredet haben? Oder weil alles gesagt war, was zu sagen war?

Wie auch immer, dein Text ist so geschrieben, dass man sich hineinfühlen kann, Bilder beim Lesen vor Augen hat - und so soll es sein.
Eine Frage habe ich zum Formalen: Hat es einen Grund, dass du "sie" manchmal "Sie" schreibst? Das vermittelt den Eindruck, dass du die Mutter vergöttlichst. Ist das so gewollt?

Lieben Gruß
Gunda


Danke für den netten Kommentar. Nein, ich habe den Text heute in der Pause geschrieben und nicht korrigiert oder viel drüber nachgedacht. Als ich gestern ins Bett ging hatte ich die Idee dazu, aber kein Power mehr um es aufzuschreiben. ich werde in Zukunft besser drauf achten. Meine Muttti war ein schwieriger Mensch, aber das letzte Jahr waren wir uns so nahe wie nie.
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Wenn ein Prosa- ... - ... text am PC es schafft, mich so zu fesseln, dass ich ihn zu Ende lese, dann muss er schon etwas Spezielles an sich haben ...
Dein Text hat mich sehr angesprochen, Mediocre. Natürlich fühlt man sich beim Lesen an ähnliche eigene Erlebnisse erinnert, wie ich an den Tod meines Vaters. Ich hätte mir manchmal gewünscht, er würde mich "rufen", in meinen Träumen mit mir reden, aber wenn ich von ihm träume, ist er fast immer stumm - vllt deshalb, weil wir im Leben so viel miteinander geredet haben? Oder weil alles gesagt war, was zu sagen war?

Wie auch immer, dein Text ist so geschrieben, dass man sich hineinfühlen kann, Bilder beim Lesen vor Augen hat - und so soll es sein.
Eine Frage habe ich zum Formalen: Hat es einen Grund, dass du "sie" manchmal "Sie" schreibst? Das vermittelt den Eindruck, dass du die Mutter vergöttlichst. Ist das so gewollt?

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Re: Re: hi Angelika -
Zitat: (Original von Mediocre am 24.11.2010 - 17:00 Uhr)
Zitat: (Original von ConnyB am 24.11.2010 - 16:52 Uhr) Ein sehr spannendes Erlebnis dass Du da gemacht hast.
Der Titel Zwischenraum gefällt mir auch, er ist so geheimnisvoll wie auch Dein Text.
Ich wünsche Dir erst mal viel Kraft für den ganzen Abschied von Deiner Mutter, die Erinnerungen jedoch bleiben wie goldige Funken in unserem Herzen und flammen immer wieder auf.
Meine Mutter ist vor zwei Jahren gegangen, auch ich hatte schon ähnliche Erlebnisse, auch im Traum. Es lässt einem vieles offen im Glauben wo sie jetzt sind. Aber bestimmt immer in unserem Herzen!
Alles Liebe wünsche ich Dir
Conny


Lieb Conni,
danke für die freundliche Aufnahme und die netten Worte. Es war natürlich nicht ganz so, aber ein bisschen Spannung muss schon sein. Mein Fehler ist glaube ich, dass ich mit meinen Texten so viel von mir presigebe. Aber ich kann bisher nur so schreiben, wenn es aus mir kommt.


Dazu kann ich Dir nur ein Spruch von mir wiedergeben:
"Wenn ich schreibe, ist meine Seele nackt!"
;)
Conny
Vor langer Zeit - Antworten
Mediocre Re: hi Angelika -
Zitat: (Original von ConnyB am 24.11.2010 - 16:52 Uhr) Ein sehr spannendes Erlebnis dass Du da gemacht hast.
Der Titel Zwischenraum gefällt mir auch, er ist so geheimnisvoll wie auch Dein Text.
Ich wünsche Dir erst mal viel Kraft für den ganzen Abschied von Deiner Mutter, die Erinnerungen jedoch bleiben wie goldige Funken in unserem Herzen und flammen immer wieder auf.
Meine Mutter ist vor zwei Jahren gegangen, auch ich hatte schon ähnliche Erlebnisse, auch im Traum. Es lässt einem vieles offen im Glauben wo sie jetzt sind. Aber bestimmt immer in unserem Herzen!
Alles Liebe wünsche ich Dir
Conny


Lieb Conni,
danke für die freundliche Aufnahme und die netten Worte. Es war natürlich nicht ganz so, aber ein bisschen Spannung muss schon sein. Mein Fehler ist glaube ich, dass ich mit meinen Texten so viel von mir presigebe. Aber ich kann bisher nur so schreiben, wenn es aus mir kommt.
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB hi Angelika - Ein sehr spannendes Erlebnis dass Du da gemacht hast.
Der Titel Zwischenraum gefällt mir auch, er ist so geheimnisvoll wie auch Dein Text.
Ich wünsche Dir erst mal viel Kraft für den ganzen Abschied von Deiner Mutter, die Erinnerungen jedoch bleiben wie goldige Funken in unserem Herzen und flammen immer wieder auf.
Meine Mutter ist vor zwei Jahren gegangen, auch ich hatte schon ähnliche Erlebnisse, auch im Traum. Es lässt einem vieles offen im Glauben wo sie jetzt sind. Aber bestimmt immer in unserem Herzen!
Alles Liebe wünsche ich Dir
Conny
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
9
0
Senden

44373
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung