Romane & Erzählungen
NTEKARA - Wie alles begann 2

NTEKARA

Wie alles begann 2

Nach einem kurzen Schlaf der Erschöpfung schreckt die junge Mutter hoch. Ihr Kind weint und der Himmel beginnt aus der Dunkelheit zu erwachen. Sie hat ihr Kind noch gar nicht richtig betrachtet, so erschrocken war sie über die Färbung der Haut.

Zuerst aber legt sie trockenes Holz in die Glutreste und bläst kräftig hinein, bis die ersten Flammen hell empor züngeln. Dann wickelt sie das Kleine aus den warmen Fellen und betrachtet es im hell lodernden Feuerschein ganz genau. Die Haut und das ganze Körperchen sehen nicht mehr so schrecklich aus. Im Feuerschein erkennt sie, dass dieses junge Leben ihrem Körper sehr ähnelt, als sie noch Kind war. Alle Gliedmaßen sind vollkommen, das Köpfchen hat eine hübsche runde Form, zwei kleine schwarze Lichter blitzen, die Nüstern blähen sich und die Lauscher sind auch in Ordnung. Dieses Wesen hat alles, was es braucht und wird einmal junges Leben gebären können wie sie und damit zum Fortbestand  der Sippe beitragen. Ein tiefer und zufriedener Seufzer steigt aus ihrem Herzen empor. Dann darf das kleine Lebewesen zum ersten Mal an ihrer Brust trinken. Auch das funktioniert sofort und als die Kleine zu saugen beginnt, kribbelt und kitzelt das, und das Weib lächelt glücklich. Das Gefühl breitet sich in ihrem Körper aus, entlohnt sie für alle Anstrengung und den tiefen Schmerz bei der Geburt. Während sie die Kleine liebevoll betrachtet, sagt sie wie Traum verloren: „NTEKARA, Neumondkind.“

Als ihr Kind satt ist und auch sie sich gestärkt hat, kuscheln sie sich im Laubbett zusammen, ihr Kind am Herzen, und beide gleiten in einen tiefen Schlaf.

Die Sonne steht schon hoch am Himmel, als sie aufwachen. Die Frau nimmt ihr Kind mit hinaus aus der Höhle und etwas abseits erleichter sie sich und sorgt auch dafür, dass das bei ihrem Neugeborenen geschieht. Dann kommt sie zurück, hockt sich auf einen umgefallenen Baumstamm und gibt ihrem Kind die Brust.

Seltsame Bilder huschen in diesem Moment an ihr vorüber: NTekara und der große Vogel, NTekara im Fluss, NTekara und die uralte Weißhaarige, die alle Sippenführer hoch verehren. Mehr und mehr Bilder ziehen vorüber, aber die sind alle von einem Nebelschleier überzogen. Das Weib schüttelt sich wie um diese Bilder zu verscheuchen. Schließlich wischt sie sich mit den Händen über die Augen, steht mit ihrem Kind auf und widmet sich ganz dem Sammeln von Beeren und Früchten, die schon reif sind. Dann holt sie sich aus der Höhle getrocknetes Fleisch und ein paar frische Kräuter, die sie gepflückt hat. Sie beginnt mit ihrer Mahlzeit. NTekara schläft in ihrem Fellsack, den die Frau an ihrem Herzen trägt.

Wieder und wieder ruft sie sich die Bilder von vorhin in Erinnerung, aber sie kann damit nichts anfangen. Bis der Mond seine halbe Größe erreicht hat, wird sie noch hier bleiben. Dann kehrt sie mit ihrem Kind zur Sippe zurück. Dort hat sie Gelegenheit, mit der alten AiTani zu sprechen. Ob sie ihr helfen kann, die Bilder zu verstehen?

 

© HeiO 11-2010