Fantasy & Horror
The Moonprincess

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"The Moonprincess"
Veröffentlicht am 18. Oktober 2007, 380 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Fröhlich, lustig, ein bisschen schüchtern, sarkastisch, kreativ, meistens ganz lüp, eigentlich immer gut drauf und BERLINERIN!!! ^_^
The Moonprincess

The Moonprincess

Beschreibung

Die nächsten vier Kapitel... Die Welt steht vor dem Untergang, doch eine kleine Gruppe macht sich auf die Suche nach der Modnprinzessin und dem Paradies. (Nicht abgeschlossen)

The chosen One

THE MOONPRINCESS

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen, werdet ihr verstehen, dass man Geld nicht essen kann.“
(Indianische Weisheit)

Schnee und Eis legte sich über die Welt. Der Himmel war grau und Wolkenverhangen. Überall war es bitterkalt. Selbst in den Kuppelstädten herrschte Kälte, da die eisige Luft durch die Risse in den alten Kuppeln hindurch drang. Überall herrschte Armut und Elend. Es schien, als wäre es die gefrorene Hölle auf Erden. Es schien, als wäre das Ende nahe. Die Welt stand vor dem Untergang…


Chapter 1
The chosen One

Die Zwillinge Keyomi und Kazuya schlenderten durch die Straßen von Dark City. Sie waren Beide neunzehn Jahre alt und hatten ihre Eltern schon im zarten alter von acht Jahren verloren. Seitdem lebten sie auf der Straße. Obwohl Kazuya genauso alt war wie Keyomi benahm er sich stets wie der große Bruder. Er beschütze und kümmerte sich rührend um sie. Keyomi war ein hübsches Mädchen. Nicht sehr groß, aber dafür äußerst schlank, mit langen, sportlichen Beinen und schmaler Hüfte. Sie trug beige Stiefel über einer schwarzen Leggins, darüber einen rot-schwarz karierten Rock, einen schwarzen Rollkragen Pullover und eine hellrosane Jacke. Sie hatte lange, glatte, braune Haare und einen fransigen Pony der ihr bis zu den großen, blauen Augen reichte.
Kazuya war groß, schlank und muskulös, dennoch hatte er eher schmale Schultern. Er hatte genau wie Keyomi braune Haare, die ihm etwas fransig ins Gesicht fielen und große, blaue Augen die von schwarzen Wimpern umrahmt waren. Er trug eine blaue Jeans, schwarze Chucks und einen weißen Pullover. Die Ärmel seiner schwarzen Jacke hatte er meist etwas hochgekrempelt. Es war zwar bitterkalt, aber Kazuya fror nicht so leicht.
Er hatte die Hände jetzt in seinen Taschen versteckt und lief neben seiner Schwester, die eine braune Papiertüte mit Lebensmitteln auf dem Arm trug. Durch ein paar Gelegenheitsjobs hatten die Beiden sich etwas Geld zusammengespart um sich nun etwas zu Essen zu kaufen. Oft mussten sie hungern und manchmal stahl Kazuya auch etwas. Ihnen blieb nichts anderes übrig.
Die Beiden kamen jetzt endlich in ihrem Unterschlupf an. Es war ein leer geräumter Raum in einer verlassenen Wohnsiedlung. Das Haus war teilweise eingefallen, die Fenster waren herausgesprungen und der kalte Wind blies hinein. Dennoch waren sie hier geschützter als auf der Straße. Keyomi stellte die Tüte auf einem Stein ab und nahm einen Apfel heraus.
„Hier“, streckte sie ihn Kazuya mit einem Lächeln entgegen.
Er lächelte ebenfalls leicht und nahm ihr den Apfel ab. Er lief zum Fenster rüber und warf einen Blick nach draußen. Wie sehr er diese Stadt doch hasste. Er verteufelte jeden hier. Seine und Keyomis Eltern waren von Soldaten der Aristokraten getötet worden. Sie waren es die über die Welt herrschten. Nur allein ihr Rang, ihr Blut war es, das sie zu dem machte was sie waren. Niemand, der in Verhältnissen wie Kazuya geboren worden war, hätte jemals zu ihnen gehören können. Das wollte er auch gar nicht, denn er verabscheute sie. Kazuya wusste nicht einmal, warum seine Eltern hatten sterben müssen. Im Gegensatz zu Keyomi hatte er alles mit angesehen. Er erinnerte sich genau, wie er dort hinter der Ecke gestanden hatte. Die Soldaten hatten sich vor seinen Eltern aufgestellt und dann hatten sie sie kaltblütig erschossen. Seitdem waren er und Keyomi allein und er fühlte sich für sie verantwortlich. Sie kam auch gut allein zu Recht, aber er verspürte den inneren Drang sie zu beschützen. Er war ihr Bruder, sie hatte niemanden außer ihm.
Langsam ließ Kazuya sich an der Mauer hinunter auf den Boden gleiten. Er stellte die Beine auf und biss in den Apfel. Aus dem Augenwinkel warf er einen Blick zu Keyomi, die sich auf den Stein gesetzt hatte und ebenfalls ihren Apfel aß.
„Hast du schon einmal vom Paradies gehört?“, nuschelte Kazuya und betrachtete dabei seinen Apfel.
Keyomi hielt Inne und sah dann langsam zu Kazuya rüber.
„Es wäre doch toll, wenn es diesen Ort wirklich geben würde“, fuhr er fort.
„Red nicht so einen Quatsch Kazuya“, entgegnete Keyomi vernünftig. „Du weißt, dass das nur ein Märchen ist. Das Paradies existiert nicht.“
„Ja“, seufzte Kazuya traurig.

„Ah!“, schrie Hiko und stürmte durch die Straßen.
Die Männer die ihn verfolgten waren ihm dicht auf den Fersen.
„Bleib stehen du Dieb!“, rief einer der Männer ihm nach.
Hiko hastete über das Kopfsteinpflaster und stürmte mit rudernden Armen um die Ecke. Völlig außer Atem blieb er stehen und drückte sich an die Hauswand.
„Warum muss das immer mir passieren?“, murmelte er und rannte weiter.
„Da lang!“, schrie einer der Männer und lief um die Ecke.
Domoe kam zufällig an der Straße vorbei und blieb, neugierig wie er war, stehen. Er legte eine interessierte Mine auf und beobachtete die Männer die an ihm vorbeihetzten.
„Da hat sich wohl einer Ärger eingebrockt“, grinste er und lief, die Hände in den Taschen seines Pullovers vergraben, weiter.
Er sah kurz nach Rechts, dann nach Links und verschwand hinter einer Ecke, als niemand ihn zu sehen schien. Er lief die dunkle Gasse entlang und blieb dann am Ende stehen.
„Ah!“, hörte er die Stimme des Jungen und wartete auf ihn.
Als er an ihm vorbei stürmte, griff er nach seinem Kragen und zog ihn in die Gasse.
„Hey!“, erschrak Hiko und landete unsanft auf dem Hosenboden.
„Da scheinst du dir ja ganz schön viel Ärger eingehandelt zu haben“, bemerkte Domoe mit einem leichten Grinsen.
Hiko sah ihn nur mit großen Augen an.
„Na los; komm schon, bevor sie uns hier finden.“
Hiko stand auf und lief Domoe, immer noch etwas verdutzt, hinterher. Sie bogen in eine weitere, noch kleinere Gasse und verschwanden. Die Männer liefen an der Gasse vorbei und waren weg.
„Wieso hast du mir geholfen?“, trottete Hiko Domoe hinterher.
„Nur so“, zuckte er mit den Schultern. „Ich dachte mir, du könntest vielleicht Hilfe brauchen.“
„Oh ja“, seufzte Hiko leise.
„Wieso waren diese Typen eigentlich hinter dir her?“, wollte nun Domoe von dem Kleinen wissen.
„Na ja“, druckste er ein wenig herum. „Ich hab ihnen was gestohlen und sie haben mich erwischt.“
„Mein Gott Kleiner“, lachte Domoe verhalten. „Wenn du in dieser Stadt überleben willst, dann solltest du schnellstens lernen wie man sich beim Klauen nicht erwischen lässt.“
Hiko blieb stehen und sah Domoe mit großen Augen an. Als der das bemerkte blieb er ebenfalls stehen und drehte sich um.
„Heißt das, dass du auch oft klauen gehst?“
„Na klar“, entgegnete Domoe. „In dieser Stadt wimmelt es nur so von Straßenkids. – Du solltest dir nur eins merken.“
„Und das wäre?“
„Komm niemals Akame in die Quere.“
„Akame?“, hakte Hiko nach.
„Ja. Er ist der Anführer einer Straßengang. Ein unausstehlicher Typ. Solange du dich von dem Fernhältst, ist eigentlich alles cool.“
Die Beiden setzten ihren Weg jetzt fort.
„Woher kommt es, das hier so viele Leute auf der Straße leben?“
„Liegt wohl an den Aristokraten die diese Stadt hier regieren. Die interessieren sich nicht dafür. Ist doch überall so.“
„Ja, da hast du wohl Recht.“
„Und du? Wo kommst du her?“
„Ich hab bis vor kurzem bei meiner Großmutter gelebt“, lächelte der Kleine mit den rotbraunen Haaren.
„Und warum wohnst du jetzt nicht mehr bei ihr?“
„Weil sie gestorben ist“, senkte er traurig den Kopf.
Domoe sah ihn ein wenig mitfühlend an.
„Das tut mir Leid Kleiner.“
Er nickte nur.
„Ich bin übrigens Domoe“, stellte sich der Junge mit den fransigen, blonden Haaren, der etwas knolligen Nase und dem großzügig geschnittenen Mund, vor.
„Ich bin Hiko“, lächelte der Kleine.
Die Beiden zogen weiter.

„Verpiss dich hier“, knurrte Akame den Jungen an und sah ihn mit kalten, grauen Augen an.
Der Junge machte sich vor Angst fast in die Hose und stürmte davon. Akame sah ihm nur genervt hinterher.
„Wie ich solche Feiglinge hasse“, maulte er und setzte seinen Weg fort.
Seine Gangmitglieder trotteten ihm lachend nach.
„Habt ihr gesehen wie der weggerannt ist?“, lachte Masaru. „Der hatte so einen Schiss.“
„Ja allerdings. Man hat’s richtig gerochen.“
Die Jungs lachten. Akame lief nur kühl vorneweg. Er konnte die Typen aus seiner Gang eigentlich gar nicht richtig leiden, aber wenigstens war er so nicht allein. Es war leichter sich durchzuschlagen. Zusammen überfielen sie ganze Lebensmitteltransporte die für mehrere Tage reichten. Es war ein ganz passables Leben, solange er mit diesen Typen rum hing. Und als Anführer konnte er sie auch noch nach Belieben rumkommandieren.
„Hey Akame“, lief Hachiro etwas schneller um aufzuschließen. „Heute Abend kommt wieder ein Transport.“
„Es läuft alles wie geplant“, entgegnete Akame kühl wie immer.
Sie kamen jetzt an einer alten Ruine an. Ohne ein Wort zu sagen ging Akame hinein und setzte sich auf das alte, steinerne Fensterbrett. Eine Scheibe war schon lange nicht mehr drin, aber das war ihm egal. Hauptsache er war diese Idioten endlich los und konnte für sich sein. Er lehnte sich an den Rahmen und sah auf die Stadt. Er hasste sie und doch wollte er hier nicht weg. Irgendwie passte die Stadt zu ihm. Er war ein ziemlich kühler und aggressiver Typ. Er hatte ganz hellblonde Haare, die schon beinahe weiß waren. Eine dicke Strähne verdeckte sein rechtes Auge. Er trug eine enge, schwarze Hose und einen kürzeren, schwarzen Mantel. Er sah etwas düster aus, aber das passte zu seiner Erscheinung. Er hatte eine ziemlich einschüchternde Art an sich.
Eine Weile saß Akame jetzt einfach nur auf dem Fenster. Sonne oder Mond konnte man durch die alte Kuppel überhaupt nicht sehen und dennoch merkte man, wann es Nacht wurde. Draußen wurde alles noch ein bisschen dunkler als sonst. Akame stand auf und machte sich auf den Weg.
Seine Gangmitglieder waren bereits am vereinbarten Ort. Einmal die Woche kam hier der Lebensmitteltransport für die Aristokraten lang. Eine ideale Chance um etwas zu Essen zu erbeuten. Anders konnte man in dieser stinkenden Stadt nun mal nicht überleben.
Die Jungs luden ihre Waffen und gingen auf ihre Positionen. Von weitem sahen sie den herannahenden Zug. Akame hob die Hand in die Luft und sah auf den Zug dessen Licht immer näher kam. Als der Zug die Brücke überfuhr senkte Akame den Arm schlagartig. Das Zeichen zum Angriff. Alle stürmten los und sprangen auf den Zug. Ein kleiner Roboter eröffnete das Feuer und zwei von ihnen wurden getroffen. Akame sprang auch auf den Zug und ballerte wie verrückt auf den Roboter, bis er in die Tiefe stürzte und in tausend Teile zersprang. Die Jungs räumten den Transport aus und machten sich vom Acker.
Mit ihrer Beute schlenderten sie zufrieden durch die Straßen zurück zu ihrem Versteck.
„Man, das hat sich ja echt gelohnt“, freute sich Isamu.
„Das kannst du aber laut sagen“, stimmte Masaru zu.
„Aber trotzdem sind schon wieder zwei von uns gestorben“, nuschelte Yuki.
Akame warf ihm aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Der Junge war noch etwas jünger als sie. Akame war immerhin schon Mitte zwanzig. Yuki hatte noch nicht mal ganz seinen siebzehnten Geburtstag erreicht. Dennoch war er ein Straßenkind so wie sie alle. Und er hatte Recht mit dem was er sagte. Jedes Mal starb mindestens einer von ihnen.
„Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?“, maulte Isamu ihn an. „Wir können ja auch verhungern.“
Isamu packte Yuki am Kragen und zog ihn leicht zu sich hoch.
„Schluss jetzt“, ging Akame dazwischen.
Isamu ließ den Kleinen auf der Stelle los und sah Akame eingeschüchtert an.
„Morgen Nacht kommt ein weiterer Transport. Alles läuft nach Plan“, befahl er und zog sich dann zurück.
Die Jungs sahen ihm alle nach.

Am nächsten Tag zog Akame wieder einmal mit seinen Jungs durch die Stadt. Er hatte die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben und blickte starr auf den Boden. Diese ganze Scheiße hier kotze ihn gewaltig an. Wie konnte es sein, das es eine ausgewählte Hand von Menschen gab, die alles hatten, während sie hier hungern mussten? Was war das für eine beschissene Welt?
Domoe und Hiko waren auch wieder los gezogen. Sie hatten die Nacht in der Kanalisation verbracht. Domoe hasste solch stinkende Orte und nörgelte schon den ganzen Morgen herum.
„Wieso mussten wir auch ausgerechnet in der Kanalisation pennen?“, maulte er noch immer. „Es hätte doch auch eines dieser alten Häuser sein können. Aber nein, wir mussten ja in dieser stinkenden Pampe schlafen. Ich versteh nicht wieso…“
Domoe wurde abrupt still, als er Akame und seine Gang sah. Hiko blieb hinter ihm stehen und sah auf die Jungs.
„Ist das dieser Akame von dem du mir erzählt hast?“, flüsterte er.
Domoe nickte und starrte Akame an.
„Geh mir aus dem Weg du Zwerg“, maulte Akame und schob Domoe beiseite.
Domoe ließ sich sofort von ihm wegschieben und sah ihn ganz freundlich an. Hiko aber verstand nicht warum er sich das so einfach gefallen ließ.
„Hey!“, rief er ihm nach.
„Sag mal spinnst du?“, drehte Domoe sich fassungslos zu ihm um.
Akame blieb stehen. Einen Moment stand er einfach nur da, dann drehte er sich mit finsterem Blick um und sah Hiko an, der die Hände wütend auf die Hüfte gestemmt hatte.
„Sorry, war nur ne Verwechslung“, redete Domoe sich raus und versuchte Hiko zum Gehen zu bewegen. „Der Kleine hat schlechte Augen weißt du.“
„Das stimmt gar nicht“, fuhr Hiko aber fort. „Ich finde es nur gemein wie du dich benimmst. Du kannst doch nicht so tun als würden die Straßen dir gehören.“
Akame sah Hiko weiter nur starr und grimmig an, dann drehte er sich um und ging weiter. Domoe staunte ein wenig. Wieso hatte er nichts gesagt? Normalerweise hätte er den Kleinen doch ungebremst in den Boden gestampft.
„So ein unverschämter Kerl“, meckerte Hiko.
„Sei lieber froh, dass er dich am Leben gelassen hat. – Was sollte das eigentlich?“
Hiko sagte nichts weiter und ging schmollend weiter. Dieser Typ war wirklich gemein. Domoe verstand nicht was in den Kleinen gefahren war, aber solange er das nicht wieder abzog war alles in bester Ordnung.

Die Nacht war eingebrochen. Die Straßen waren düster. Nur ein paar Laternen erhellten die Gegend ein wenig.
Akame und seine Jungs bereiteten sich auf ihren Angriff vor. Die Jungs gingen alle auf ihre Positionen und Akame hielt Ausschau nach dem Transport um das Kommando zu geben.
„Sag mal wo sind wir hier eigentlich?“, sah Hiko sich irritiert um.
„Ja das frag ich mich auch gerade“, staunte Domoe ein wenig. „Eigentlich hätten wir hier im Stadtzentrum rauskommen müssen und nicht am Stadtrand. – Tja, hab mich wohl geirrt.“
„Ich dachte du kennst dich hier aus.“
„Tu ich ja auch du Nervensäge“, meckerte Domoe ihn an.
Hiko schrak ein wenig zusammen und ging dann weiter.
Keyomi und Kazuya waren auch noch auf der Straße. Kazuya verhielt sich ein wenig seltsam. Er redete kaum. Keyomi wusste zwar das er ein sehr verschlossener und ruhiger Mensch war, aber seit gestern Abend sprach er kaum noch. Sie machte sich ein wenig Sorgen. Kazuya blieb stehen und blickte nach Oben zur Kuppel. Durch einen Riss konnte er den Mond leicht sehen. Wie es schien war heute Nacht Vollmond, aber er konnte es nicht genau erkennen. Völlig fasziniert betrachtete Kazuya den Mond. Es war lange her dass er ihn gesehen hatte. Hier in der Stadt war das kaum möglich.
„Wir sollten lieber zurückgehen“, bat Keyomi jetzt.
Kazuya nickte und wollte gerade umdrehen, als er den Lebensmitteltransport entdeckte. Die Scheinwerfer blendeten ihn und Keyomi ein wenig und sie blieben stehen.
Akames Gang sprang auf den Zug und griff an. Das ganze war jedoch eine Falle. Vier Roboter fielen über sie her.
Keyomi, Kazuya, Hiko und Domoe rissen erschrocken die Augen auf als sie das Gefecht sahen.
„Oh Scheiße!“, stieß Domoe aus.
„Los weg hier!“, packte Kazuya Keyomi an der Hand und zog sie hinter sich her.
Auch Hiko und Domoe machten sich aus dem Staub. Sie liefen jedoch genau in die Arme der Polizei und wurden festgenommen. Man hielt sie für Gangmietlieder.
„Wir gehören nicht zu diesen Typen“, versuchte Kazuya zu erklären und wehrte sich gegen die Festnahme.
„Ja klar, das sagen sie alle und jetzt rein da.“
Kazuya, Keyomi, Domoe, Hiko, Akame und seine Gangmitglieder wurden alle in einen Transporter gesperrt und aufs Revier gebracht.
„Lassen sie uns hier raus!“, brüllte Domoe und rüttelte an den Gitterstäben. „Ich hab gar nichts getan.“
„Halt die Klappe“, maulte der Aufseher und verließ den Raum.
„Hey! Hey sie! Kommen sie schon! Was soll der Scheiß?!“
„Hör auf“, sagte Kazuya kühl.
Domoe drehte sich um und sah zu ihm herunter. Er saß auf dem Boden, an die Wand gelehnt, ein Bein aufgestellt und sah ihn an.
„Es hat keinen Sinn. Sie werden uns nicht rauslassen.“
„Na toll“, verdrehte Domoe die Augen und ließ sich im Schneidersitz auf den Boden fallen.
Er verschränkte die Arme und musterte Kazuya und Keyomi.
„Seid ihr Geschwister oder so was?“, fragte er sie.
„Zwillinge“, antwortete Keyomi.
„Find ich toll so was“, strahlte Hiko. „Da ist man wenigstens nie allein.“
Keyomi und Kazuya sahen Hiko fragend an. Sie saßen in einem Gefängnis und er schien gute Laune zu haben. Was für ein seltsamer Junge.
„Was habt ihr eigentlich dort gemacht?“, wollte Kazuya von ihnen wissen.
„Das selbe könnten wir euch fragen“, entgegnete Domoe.
„Domoe hat sich verlaufen“, antwortete Hiko jedoch wahrheitsgemäß.
„Hab ich gar nicht“; motze er den Kleinen an.
„Ihr seid komisch“; lachte Keyomi ein wenig, woraufhin sogar Kazuya ihr einen Blick zuwarf.
„Ach wirklich?“, hakte Domoe nach.
Er musterte Keyomi. Sie war wirklich süß. Ein bildhübsches Mädchen. Er legte ein verliebtes Lächeln auf.
„Meine Traumfrau“, nuschelte er ganz leise.
„Eigentlich können wir doch froh sein“, sagte Hiko jetzt, woraufhin alle zu ihm sahen. „Na ja, immerhin müssen wir uns heute Nacht keine Sorgen darum machen, wo wir schlafen sollen. Hier haben wir es warm.“
Keyomi lächelte. Man konnte selbst der schlechtesten Situation noch etwas Gutes abgewinnen. Der Kleine gefiel ihr.
„Wir sollten versuchen etwas zu schlafen“, sagte sie und legte sich hin.
Kazuya musterte sie kurz, dann drehte auch er sich auf die Seite. Auch Hiko und Domoe legten sich hin. Akame, den bisher keiner beachtet hatte, saß grimmig in einer Ecke, ein Bein aufgestellt, das andere ausgestreckt und beobachtete die Vier skeptisch.

Keyomi, Domoe und Hiko waren eingeschlafen. Kazuya lag noch immer wach da und starrte durch die Gitterstäbe. Von hier aus konnte er einen kleinen Blick auf den Gang erhaschen. Ab und zu lief jemand vorbei. Irgendwie konnte er kein Auge zu tun. Es war weniger die Zelle, als das Gefühl das er schon seit Tagen hatte und das jetzt immer stärker zu werden schien. Es war ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch. Irgendetwas lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Flur. Er sah einen Mann. Einen Mann mit einem langen schwarzen Mantel und langen, dunklen Haaren. Er hatte etwas auf dem Arm. Ein Mädchen. Ihre schneeweißen Haare hingen lang auf den Boden herab, genau wie ihr Kopf. Sie schien zu schlafen. Kaum hatte Kazuya sie gesehen, waren sie auch schon wieder verschwunden. Sein Herz schlug plötzlich ganz schnell und das Kribbeln in seinem Bauch wurde immer stärker. Etwas in ihm, ein Drang, zwang ihn dazu hier raus zu kommen und dieses Mädchen zu finden. Kazuya sprang auf und rüttelte an den Gittestäben.
„Hey man!“, wachte Akame auf, der gerade etwas eingenickt war.
„Kazuya?“, wachte auch Keyomi auf, die ihn erstaunt ansah.
Was hatte er? So hatte sie ihn noch nie gesehen?
„Was machst du da?“, fragte sie ihn und legte dabei ihre Hand auf seine Schulter.
Kazuya drehte sich zu ihr um und sah sie mit eindringlichem Blick an.
„Wir müssen hier raus“, sagte er dann.
Keyomi sah ihn nur ratlos an. Er schien vollkommen besessen. Seine blauen Augen leuchteten ganz eigenartig.
„Was ist denn los mit dir Kazuya?“
„Vertraust du mir?“
„Natürlich vertraue ich dir.
„Dann hilf mir hier raus zu kommen.“
Keyomi sah ihn kopfschüttelnd an. Er schien verrückt geworden zu sein. Aber was sollte sie tun? Er war ihr Bruder und scheinbar hatte er einen guten Grund warum er hier unbedingt raus wollte. Akame sprang plötzlich auf. Er hatte keinen Bock noch länger mit diesen Trantüten eingesperrt zu sein. Warum man ihn ausgerechnet mit ihnen in eine Zelle gesperrt hatte war ihm sowieso ein Rätsel.
„Hat einer von euch ne Haarnadel?“
„Sicher ich trag immer eine im Haar“, entgegnete Domoe frech.
„Halt die Klappe Weichei.“
Domoe knurrte, hielt sich aber zurück. Keyomi zog indes eine Haarnadel aus ihrem Haar und streckte sie Akame entgegen. Er lief rüber zur Tür und streckte seine Hand durch die Gitterstäbe. Vorsichtig steckte er die Nadel in das Schlüsselloch und drehte ein paar Mal hin und her, dann war die Tür offen.
„Nicht schlecht“, bemerkte Domoe beeindruckt.
Kazuya packte Keyomi wortlos am Arm und zog sie hinter sich her aus der Zelle.
„Hey wartet!“, rief Domoe und folgte ihnen.
Auch Hiko und Akame liefen ihnen nach. Kazuya blieb an der Tür stehen und warf einen Blick auf den Flur.
„Los!“, flüsterte er und eilte auf den Flur.
Er zog Keyomi immer noch hinter sich her, während die Anderen ihm freiwillig folgten. Sie stürmten durch die Gänge des Reviers. Kazuya schien ganz genau zu wissen wo er lang gehen musste. Es war, als würde eine Stimme ihm den Weg weisen. Er hörte sie ganz deutlich und folgte ihr einfach.
„Endlich Feierabend“, erklang die Stimme eines Mannes auf dem Flur.
Kazuya blieb abrupt stehen und drückte sich gegen die Wand.
„Und was jetzt?“, flüsterte Domoe.
Kazuya sah sich suchend um. Sie konnten weder zurück noch vor. Sie mussten hier irgendwie verschwinden. Sein Blick fiel auf einen Lüftungsschacht. Die Schrauben waren entweder leicht herausgedreht oder fehlten ganz.
„Da rüber“, hauchte er und eilte auf die andere Seite des Ganges.
Er schnappte sich Keyomi und hob sie hoch. Sie bemerkte sofort die Schrauben und löste sie. Leise klirrend fielen sie auf den grünen Linoleumboden.
„Beeil dich“, forderte Akame sie auf.
„Ich mach ja schon“, entgegnete sie und krabbelte in den Schacht.
Kazuya half Hiko und Domoe rauf. Er warf einen Blick zu Akame, dann machte er einen Satz und kletterte selbst in den Schacht. Akame kam sofort nach.
„Was war das?“, wunderte sich einer der Männer als er ein lautes Scheppern hörte.
Er und sein Kollege schnellten vor und blieben an der Ecke stehen. Ihr Blick fiel auf die am Boden liegende Klappe des Lüftungsschachtes. Die Männer sahen sich fragend an. Plötzlich ging der Alarm los. Eine rote Lampe leuchtete auf und ein lautes Getöse ging los.
„Was ist los?“, hielt der Mann einen seiner Kollegen an.
„Fünf von den verhafteten Gangmitgliedern sind ausgebrochen“, erklärte er und rannte weiter.
Die Fünf waren inzwischen draußen angekommen.
„Wo lang jetzt?“, sah sich Keyomi um.
Kazuya ergriff wieder ihre Hand und zog sie hinter sich her. Er stürmte wie besessen durch die Gasse hinter dem Haus. Es war stockduster. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Kazuya blieb plötzlich stehen.
„Was ist?“, wunderte sich Keyomi, da sie keinen Grund für sein Anhalten sah.
Kazuya starrte auf irgendetwas, doch weder Keyomi noch einer der Anderen konnte erkennen was es war. Es war viel zu dunkel.
Kazuya aber sah schon wieder diesen Mann der das Mädchen auf seinem Arm trug. Er lief direkt vor ihnen von einem Haus rüber zu einem anderen. Er blieb stehen und sah Kazuya an. Sein Gesicht war unter einer starren, weißen Maske versteckt und Kazuya konnte nur seine stechenden, roten Augen sehen. Noch nie ein seinem Leben hatte er solche Augen gesehen. Der Mann kümmerte sich nicht weiter um Kazuya und lief weiter.
Wie vom Blitz getroffen stürmte Kazuya auf ihn zu.
„Kazuya!“, rief Keyomi ihm nach.
Er blieb jedoch gleich wieder stehen. Der Mann war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Kazuya zweifelte an seinem Verstand. Wo war er hin? Er konnte doch nicht einfach so weg sein. Wie es schien hatte ihn niemand gesehen. Und dann diese Augen. Was hatte das alles zu bedeuten?
Akame drehte sich aufgeschreckt um und sah das Licht der Sirenen und hörte das Geschrei der Polizisten.
„Wir sollten hier lieber schleunigst verschwinden“, forderte er die Anderen auf.
„Gute Idee“, stimmte Domoe ihm zu.
Keyomi nickte und lief los. Sie blieb bei Kazuya stehen und legte ihre Hand auf seine Schulter.
„Komm Kazuya“, bat sie.
Einen Moment blieb er stehen, dann lief er den Anderen nach.

Das Labor, das in den oberen Etagen desselben Gebäudes eingerichtet war, lag in Trümmern. Die Angestellten lagen ohnmächtig am Boden. Gläser waren zerbrochen, die Computer ausgefallen und der große, gläserne Behälter der inmitten des Raumes stand war vollkommen zersprungen. In Mitten des ganzen lag Dr. Callery Pear. Sie war eine hübsche, junge Frau mit zusammengesteckten, hellbraunen Haaren, und grünen Augen. Sie trug ein helles Kostüm, dessen Rock sich etwas hochgeschoben hatte. Sie lag auf dem Bauch, die Hände schützend vorm Gesicht abgelegt.
Inspektor Qian Pear kam mit seinen Männern in das Labor. Er steuerte sofort auf Callery zu und drehte sie auf den Rücken.
„Callery?“, sprach er sie an.
Langsam öffnete sie ihre Augen und sah ihn starr an.
„Was ist passiert?“, hauchte sie etwas benommen.
„Das Labor wurde überfallen.“
Callery schrak sofort auf und starrte auf den leeren Glasbehälter.
„Kahi!“, sprang sie auf. „Wo ist sie hin?“
Pear sah seine Tochter nur abwartend an. Er hatte kein besonders gutes Verhältnis zu ihr, das hatte er nie gehabt. Er war ein waschechter Bulle, trug einen langen, beigen Trenchcoat, und rasierte sich viel zu selten. Seine Haare waren lange grau geworden und er maulte den lieben langen Tag nur rum. Er roch meistens nach Whisky. Diese Leidenschaft hatte ihn seine Frau und seine Tochter gekostet. Sie hatten ihn nie so richtig verstanden. Aber tat er das eigentlich selbst?
„Was ist das?“, kam er auf Callery zu. „Kahi?“
„Kahi ist ein Wesen“, erklärte Callery und drehte sich zu ihrem Vater um.
„Ein Wesen?“
„Wir konnten noch nicht ergründen was genau sie ist. Sie sieht aus wie ein Mädchen, aber ihre DNS sagt uns, das sie kein gewöhnlicher Mensch ist.“
„Ah!“, winkte Pear nur ab.
„Du hast meine Arbeit noch nie verstanden“, meckerte Callery los. „Du hast noch nie ernst genommen was ich tue.“
„Sag mir lieber warum jemand dieses Ding stehlen sollte“, unterbrach er sie mürrisch.
„Das weiß ich auch nicht“, zog Callery die Schultern leicht hoch.
Pear verzog nur wieder das Gesicht. Er hatte tatsächlich noch nie verstanden was seine Tochter hier trieb. Sie forschte über irgendwelche mysteriösen Dinge, die niemand verstand. Wesen die gar nicht existieren konnten. In seinen Augen war das Geldverschwendung. Pear drehte sich um und lief zur Tür.
„Sammelt alles ein was ihr finden könnt und dann verschwindet“, befahl er seinen Jungs.
„Qian!“, stürmte Callery ihm nach. „Ist das alles?“
Qian blieb kurz stehen, dann setzte er seinen Weg weiter fort. Callery sah ihm fassungslos nach.

Kazuya, Keyomi, Akame, Domoe und Hiko versteckten sich in einer alten Ruine. Akame hatte sie dort hingeführt. Das Versteck der Gang war ziemlich sicher. Die Polizisten hatten es in all der Zeit nicht gefunden, also warum sollten sie es jetzt tun?
„Oh man das war knapp“, seufzte Hiko und ließ sich gegen die Wand fallen.
„Das kannst du aber laut sagen“, stimmte Domoe ihm zu, der sich erschöpft auf die Knie stütze.
Kazuya lief einfach an allen vorbei und ging zum Fenster rüber. Er warf einen Blick nach draußen, hoch zum Himmel, auch wenn er ihn von hier gar nicht sehen konnte. Er sah nur die Kuppel, aber dennoch hatte er das Bedürfnis zum Himmel zu schauen. Keyomi musterte ihn besorgt. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Langsam trat sie neben ihn.
„Was ist los mit dir Kazuya?“, fragte sie schwesterlich.
Kazuya senkte leicht den Kopf und sah ins Leere, dennoch schwieg er. Keyomi betrachtete ihn abwartend.
„Ich kann nicht länger hier bleiben“, sagte er dann.
„Was meinst du damit?“, staunte Keyomi.
„Ich spüre diesen Drang“, versuchte er zu erklären. „Dauernd höre ich diese Stimme die mich ruft. Ich muss es einfach tun.“
„Was tun?“, forderte Keyomi ihn auf es ihr zu erklären.
Kazuya drehte sich jetzt zu ihr um und sah sie ganz ernst an. In seinen blauen Augen lag etwas, das sie nicht deuten konnte, aber sie hatte es noch nie zuvor bei ihm gesehen.
„Das Paradies suchen“, antwortete er schließlich.
Keyomi fehlten die Worte. Sie sah ihn einfach nur fassungslos an. Eine Weile rang sie nach den richtigen Worten, bis sie sich wieder halbwegs gefasst hatte.
„Darüber haben wir doch schon gesprochen Kazuya. Es gibt kein Paradies. Dieser Ort existiert nicht. Ich kann ja verstehen, das du dir wünscht es gäbe einen besseren Ort als den hier, aber den gibt es nicht.“
„Du verstehst das nicht. Ich muss es suchen. Ich kann nicht anders.“
Keyomi sah ihn nur weiter an. Sie wusste nicht mehr was sie tun sollte. Er schien völlig verrückt zu sein. So kannte sie ihn überhaupt nicht.
„Ich werde gehen Keyomi“, sagte er jetzt. „Mit dir; oder ohne dich.“
Nun riss Keyomi geschockt die Augen auf. Das konnte nicht sein ernst sein. Niemals wäre er irgendwo ohne sie hingegangen. Niemals hätte er sie im Stich gelassen. Das konnte nicht sein. Das war nicht ihr Bruder. Das war nicht der Kazuya den sie kannte. Was stimmte nicht mit ihm?
„Wieso sagst du das?“, wimmerte sie.
Kazuya senkte leicht den Blick, dann sah er wieder aus dem Fenster.
„Es ist diese Stimme dich mich ruft“, antwortete er.
Keyomi musterte ihn wieder. Ihre Augen waren leicht feucht. Was er gesagt hatte, hatte sie verletzt, aber erst jetzt hatte sie verstanden wie er es wirklich gemeint hatte. Er wollte sie nicht verlassen, aber er musste das einfach tun. Nun war sie an der Reihe auf ihn aufzupassen.
„Wenn es dir so viel bedeutet“, sagte sie und versuchte dabei gefasst zu bleiben. „Dann gehe ich mit dir. - - - Wir gehören doch zusammen.“
Kazuya sah wieder zu ihr und nickte dann. Er war froh dass sie mit ihm kam. Aber er musste fortgehen. Er musste dieses Mädchen finden. Sie war der Schlüssel zu allem. Er verstand selbst nicht was hier vor sich ging, aber wenn er eine Antwort darauf haben wollte, dann musste er gehen.
„Sagt mal“, warf Domoe einen kurzen Blick aus einem der anderen Fenster. „Geht nur mir das so oder habt ihr auch das Gefühl das wir beobachtet werden?“
Kazuya und Keyomi warfen Domoe einen Blick zu. Akame drehte sich indes vom Fenster weg und sah die Anderen an.
„Wir sind umzingelt“, bemerkte er, als wüsste er das schon seit einer ganzen Weile.
„Na toll“, beschwerte sich Domoe. „Ich dachte hier wären wir sicher.“
„Ich kann mir auch nicht erklären, woher sie von dem Versteck wissen.“
„Ich schon“, entgegnete Kazuya mit seiner kühlen Art.
Akame und die Anderen sahen ihn überrascht an.
„Deine Freunde werden dich verraten haben.“
„Diese Mistkerle“, murmelte Akame wütend und ballte die Hand zu einer Faust.
Das hätte er sich denken können, dass sie ihn ans Messer lieferten. Er war freigekommen im Gegensatz zu ihnen. Das wussten sie und deshalb hatten sie ihn verraten. So was nannten sie Gerechtigkeit.
„Ich schlage vor das wir hier so schnell wie möglich verschwinden“, sagte Kazuya.
„Ach und wo soll’s dann hingehen?“, erwiderte Akame typisch angriffslustig.
„Zum Paradies.“
Domoe und Hiko sahen Kazuya überrascht an, während Akame begann zu lachen.
„Was ist daran so witzig?“, wollte Kazuya wissen und sah Akame ernst an.
„Was daran so witzig ist?“, lachte Akame weiter. „Das Paradies ist ein Märchen. Ein Ammenmärchen, nichts weiter. Ich hätte dich für etwas zu alt für so was gehalten. Nur Kinder glauben an das Paradies.“
„Mach dich nur lustig.“
„Was denn für n Paradies?“, hakte Hiko nach.
„Sag nicht du hast noch nie vom Paradies gehört?“, entgegnete Domoe typisch.
Hiko sah ihn nur weiter mit großen, fragenden Augen an.
„Oh man, du weißt aber auch gar nichts. – Das Paradies ist der Ort an dem jeder das sein kann was er ist. Der Ort an dem für jeden ein Platz ist. Diese Geschichte wird doch jedem Kind erzählt.“
„Und da wollt ihr hin?“, richtete Hiko sich nun an Kazuya und Keyomi.
Beide nickten.
„Tja, hier können wir jedenfalls nicht bleiben.“
„Da hast du ausnahmsweise mal Recht.“
„Dann heißt das, dass ihr mitkommt?“, hakte Keyomi nach.
„Ich für meinen Teil schon“, nickte Domoe.
„Ich auch.“
„Und was ist mit dir Akame?“
Kazuya sah ihn einfach an, während er Keyomi ansah.
„Wir sollten hier lieber verschwinden“, wich er der Frage aus. „Ich hab keinen Bock wieder im Knast zu landen.“
Die Fünf kletterten aus dem Fenster und verschwanden durch eine kleine, geheime Gasse.
Die Polizei stürmte jetzt das Gebäude. Als sie alles durchsucht hatten kamen sie wieder nach draußen.
„Niemand da“, berichtete einer der Polizisten.
„Das kann doch gar nicht sein.“
„Das Gebäude ist leer Sir.“
„Dann sucht nach ihnen“, maulte Pear den Polizisten wütend an.
„Jawohl Sir“, machte er sich sofort an die Arbeit.
Pear sah ihm mürrisch nach. In einer Nacht verschwand dieses Wesen und es gelang fünf Jungen aus dem Gefängnis auszubrechen. Vielleicht hatte das alles ja etwas miteinander zu tun. Sie mussten diese Kids schnellstens wieder einfangen.
Die Fünf versteckten sich hinter einer Ecke. Überall lauerte die Polizei.
„Und wie sollen wir jetzt aus der Stadt rauskommen?“, fragte Domoe.
„Domoe hat Recht“, mischte sich Akame ein. „Wir kommen hier niemals unerkannt raus.“
Kazuya senkte kurz den Blick, dann sah er Akame an. Akame nickte.
„Geh mit den Anderen vor“, befahl er Keyomi.
Keyomi sah ihn ängstlich an. Was hatte er vor? Dennoch vertraute sie ihm. Sie wartete einen passenden Zeitpunkt ab und stürmte dann mit Hiko und Domoe los.
„Da sind sie!“, rief einer der Polizisten, doch ehe er ihnen nachlaufen konnte, fiel Kazuya ihn an und drehte ihm den Hals um.
Auch Akame sprang aus seinem Versteck und erlegte einen Polizisten nach dem Anderen. Er hielt seine Klinge fest umklammert und schlitze einem nach dem Anderen damit die Kehle auf. Auch Kazuya hatte schnell und leise alle erledigt und sie liefen den Anderen nach, die vor der Stadt auf sie warteten.
Keyomi, Hiko und Domoe standen draußen im Schnee und warteten auf Kazuya und Akame die schnell angestürmt kamen.
„Los weg hier“, preschte Kazuya an Keyomi vorbei und riss sie mit sich.
„Was ist passiert?“, wollte sie wissen.
„Die Typen sind wir ein für alle mal los“, erklärte Akame.
Keyomi blieb stehen. Kazuya, der sie an der Hand hielt, musste zwangsläufig anhalten und drehte sich zu ihr um. Keyomi warf ihm einen entsetzten Blick zu.
„Ihr habt sie doch nicht etwa getötet, oder?“, fragte sie, hoffend Kazuya würde verneinen, doch er schwieg.
„Wie konntest du das tun Kazuya?“, schimpfte sie. „Wie konntest du sie töten?“
„Was ist so schlimm am Töten?“, entgegnete er scharf.
Keyomi wich zurück und sah ihn erschrocken an.
„Es tut mir Leid“, machte er einen Schritt auf sie zu, doch sie wich zurück und schüttelte den Kopf.
„Ich kenne dich gar nicht mehr.“
Kazuya sah sie an.
„Diese Leute“, erklärte Kazuya. „Haben unsere Eltern kaltblütig ermordet. Wieso sollte ich Mitleid mit ihnen haben?“
„Hey man“, ging Akame dazwischen. „Könnt ihr das vielleicht später ausdiskutieren? Wir haben jetzt echt keine Zeit.“
Alle warfen einen Blick zurück auf die Stadt. Sie konnten die Sirenen der Polizeiautos von hier aus sehen.
„Akame hat Recht Leute“, mischte sich auch Domoe ein.
„Komm jetzt Keyomi“, bat Kazuya.
Sie sah ihn einen Moment an, dann lief sie weiter. Ohne ihn. Kazuya senkte kurz den Blick, dann stürmte er ihr nach. Domoe, Hiko und Akame folgten ihnen.
Als die Polizei am Stadtrand eintraf, waren Kazuya, Keyomi, Hiko, Akame und Domoe schon längst nicht mehr zu sehen. Alles was sie hinterlassen hatten, waren ein paar Fußspuren. Pear stieg aus dem Wagen und lief auf die beiden Polizisten zu, die dort im Schnee standen und in die Ferne starrten.
„Wir haben sie verloren, Sir“, berichtete der junge Polizist.
„Ar“, knurrte Pear nur und warf einen Blick auf die Fußspuren.
Die Kids waren verschwunden, genau wie dieses Wesen. Mit einem seltsamen Blick sah Pear in die Ferne, dann drehte er sich wortlos um und ging.

The Prophecy of the Moon

Kazuya, Keyomi, Akame, Domoe und Hiko waren weit gelaufen. Sie waren jetzt schon ziemlich weit von der Stadt entfernt. Sie stapften müde durch den hohen Schnee. Der Wind blies ihnen die Schneeflocken kalt ins Gesicht. Sie hatten die Arme bereits schützend vor ihre Gesichter gelegt und kämpften gegen den immer stärker werdenden Wind an. Kazuya führte die Gruppe noch immer an. Seine Jacke flatterte im Wind und das weiße Shirt entblößte seine nackte Haut.
„Wir sollten einen Unterschlupf suchen“, rief ihm Hiko zu.
Sie liefen weiter, bis sie endlich eine Höhle gefunden hatten, in der sie sich ausruhen konnten. Sie waren alle müde und geschafft. Hiko und Domoe ließen sich sofort auf den Boden fallen und legten die Köpfe an die kalte Mauer.
„Man bin ich fertig“, schnaufte Domoe.
„Und ich erst“, stimmte Hiko ihm zu.
Keyomi ließ sich auf einen Stein fallen und atmete erst Mal tief durch. Sie war ziemlich erledigt. Der Einzige der nicht zu schwächeln schien war Kazuya. Sie konnte sich auch nicht erklären, woher er diese Kraft nahm. Kazuya warf einen Blick nach draußen. Er wollte weitergehen, aber er wusste, dass das nicht möglich war. Sie mussten abwarten bis der Sturm nachließ. Aus dem Augenwinkel warf er einen Blick zu Keyomi. Sie schien immer noch böse auf ihn zu sein. Er verstand gar nicht wieso sie so einen Aufstand machte. Sie konnte diese Typen doch genauso wenig leiden wie er. Sie war auf der Straße aufgewachsen. Ihre Vorstellung von Moral war daher ziemlich daneben.
„Wir sollten schlafen“, bemerkte Akame und lehnte sich nun auch gegen die Mauer.
Kazuya nickte und legte sich ebenfalls hin. Er warf noch mal einen Blick zu Keyomi, die sich inzwischen auf die Seite gedreht hatte und schloss dann die Augen…
„Kazuya“, hörte er eine liebliche Stimme. „Kazuya.“
Kazuya schlug langsam die Augen auf. Vor ihm war nur schwärze. Er sah absolut gar nichts. Dennoch richtete er sich langsam auf.
„Kazuya“, hörte er die Stimme erneut.
„Wer ruft mich da?“, fragte er und sah sich um, auch wenn er gar nichts sehen konnte.
„Kazuya.“
Kazuya sah sich suchend nach der Stimme um, doch er konnte nichts sehen. Vorsichtig lief er ein paar Schritte. Obwohl er nicht sah wo er hinging, wusste er es ganz genau. Es war, als würde die Stimme ihn führen. Langsam setzte er einen Fuß vor den Anderen und kam so immer weiter. Dennoch blieb alles schwarz. Dann aber schien er irgendwo, weit in der Ferne, etwas auszumachen. Ein Drang zog ihn dort hin. Er lief etwas schneller, dann noch schneller, bis er anfing zu rennen. Wie verrückt stürmte er auf das zu was er dort sah. Langsam kam es immer näher. Kazuya blieb wie erstarrt stehen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er atmete wild. Vor ihm lag das Mädchen das er gesehen hatte. Sie lag auf einer Liege. Ihre Haare hingen ihr lang hinab und ihr Kopf war in den Nacken gefallen. Lauter Schläuche steckten in ihrer Haut. Kazuya stand wie angewurzelt da. Er wollte auf sie zugehen und sie von diesen Schläuchen befreien, aber irgendetwas hielt ihn zurück. Wie gebannt starrte er auf ihr Gesicht. Prüfend tastete er jeden Zentimeter ihres Gesichts ab. Den kleinen, blassen Mund und die niedliche Stupsnase. Ihre zarte, ebenmäßige Haut und die vollen, schwarzen Wimpern. In Kazuyas Blick änderte sich etwas, als er ihre geschlossenen Augen musterte. Plötzlich riss sie die Augen auf. Blasse, nahezu weiße Augen. Kazuya wich zurück…
Wild atmend schrak Kazuya auf. Er sah sich suchend um. War das etwa nur ein Traum gewesen? Er war noch immer in der Höhle. Keyomi, Akame, Domoe und Hiko waren bei ihm. Er hatte das also alles nur geträumt. Aber es hatte sich nicht wie ein Traum angefühlt. Das Mädchen das er gesehen hatte, es war das Mädchen vom Revier gewesen. Das Mädchen, das dieser Mann auf dem Arm getragen hatte. Was hatte dieser Traum zu bedeuten?
Kazuya beruhigte sich langsam wieder. Er sah zu Keyomi auf, als sie sich zu ihm herunter hockte.
„Hast du schlecht geträumt?“, fragte sie ihn führsorglich.
Kazuya nickte.
„Ich habe dieses Mädchen gesehen.“
„Welches Mädchen?“
Kazuya senkte nur den Kopf. Keyomi hatte sie in der Gasse nicht gesehen. Sie wusste ja doch nicht von wem er sprach.
„Schlaf weiter“; lächelte sie und drückte ihn leicht zu Boden.
Sie legte sich neben ihn und schlang den Arm um ihn herum, dann schloss sie die Augen. Kazuya war froh das sie ihm scheinbar nicht mehr böse war, doch das Mädchen ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Ununterbrochen musste er an sie denken. Wieso nur? Was hatte das alles zu bedeuten?

Als Keyomi am nächsten morgen aufwachte, lag sie allein auf dem Steinboden. Sie richtete sich leicht auf und sah nach draußen. Es hatte aufgehört zu schneien. Kazuya stand vor der Höhle und starrte in die Ferne. Langsam stand Keyomi auf. Während sie nach draußen ging, musterte sie Hiko, Domoe und Akame, die noch immer schliefen. Sie sog kurz die klare, frische Luft ein und blieb dann neben Kazuya stehen.
„Geht es dir wieder besser?“, fragte sie und musterte ihn von der Seite.
Kazuya schwieg eine Weile und schien darüber nachzudenken.
„Sie geht mir nicht aus dem Kopf“, antwortete er schließlich.
„Das Mädchen aus deinem Traum?“
Kazuya schwieg wieder.
„Ich habe ihre Stimme gehört“, fuhr er nach einer Weile fort. „Sie sagte, suche das Paradies.“
Keyomi sah ihn aufmerksam an, auch wenn sie seine Worte nicht ganz glauben konnte. Das klang alles doch ziemlich verrückt.
„Hey; ihr seid ja auch schon wach“, unterbrach Domoe das Gespräch.
Keyomi drehte sich zu ihm um und sah ihn musternd an. Auch Kazuya drehte sich zu ihm um.
„Wir sollten aufbrechen“, forderte Kazuya die Anderen auf.
„Ach; und wohin soll’s gehen?“, maulte Akame los. „Wir wissen ja nicht mal wohin wir gehen.“
„Du vielleicht“, entgegnete Kazuya einfach.
„Ach! Dann verrat mir doch mal wohin wir jetzt gehen.“
„Zum Paradies natürlich.“
„Na toll. Das kommt davon, wenn man sich auf kleine Kinder einlässt. – Sieh dich doch mal um. Hier ist weit und breit nichts zu sehen. Wie willst du dein bescheuertes Paradies denn finden? Du wirst ja nicht mal die nächste Stadt finden.“
„Akame hat Recht“, stimmte Domoe ihm zu und sah sich um. „Wie sollen wir uns hier zu Recht finden?“
„Ich folge einfach meinen Instinkt.“
„Du klingst schon wie ein Hund“, maulte Akame ihn an.
„Macht was ihr wollt“, sagte Kazuya jetzt, weil er die Schnauze voll hatte und ergriff Keyomis Hand. „Komm Keyomi.“
Keyomi lief ihm nach.
„Wir können sie doch nicht einfach allein lassen.“
„Wenn sie nicht mitkommen wollen.“
Hiko sah Kazuya und Keyomi nach, dann sah er zu Domoe und Akame.
„Hey wartet Mal!“, rief Domoe jetzt und stürmte ihnen nach.
„Sollten wir nicht auch besser mitgehen?“, richtete sich der kleine Hiko an Akame.
„Du willst doch wohl nicht weiter mit diesem Verrückten durch die Gegend ziehen.“
„Na ja“; senkte Hiko den Kopf. „Und wenn es nun stimmt? Wir könnten doch wenigstens versuchen dieses Paradies zu finden.“
„Du musst dich entscheiden Kleiner“, sagte Akame jetzt und warf die Hand leicht in die Luft als er sich umdrehte und ging.
Hiko sah Akame nach. Er warf einen Blick zu Kazuya, Keyomi und Domoe, die schon immer kleiner wurden, dann wieder zu Akame.
„Warte!“, stürmte er ihm nach.

Callery hatte sich zum Abendessen mit ihrem langjährigen Freund Harbin Locust getroffen. Die Beiden saßen zusammen in einem Restaurant. Harbin, ein stattlicher Mann, mit breiten Schultern und blonden Haaren, legte Messer und Gabel auf den Teller und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. Mit einer fließenden Bewegung schmiss er die Serviette auf den Teller und musterte Callery. Nachdenklich starrte sie auf ihr Weinglas das sie am Stiel mit drei Fingern umklammert hatte. Eine braune Strähne fiel ihr ins Gesicht. Sie trug ein hübsches, schwarzes Kleid, das ihre zarten Schultern entblößte.
„Was ist los Cal?“, fragte er sie einfühlsam.
„Ach nichts“, entgegnete sie mit einem gespielten lächeln und sah dann seufzend auf ihr Glas.
„Hast du wieder ärger mit deinem Vater? Ich hörte von dem Überfall auf euer Labor.“
Callery blickte weiter auf ihr Glas. Einen Augenblick schien sie darüber nachzudenken.
„Mein Vater interessiert sich nicht für meine Arbeit. Er hat es noch nie verstanden und ich fürchte er wird es auch nie verstehen.“
Callery hob jetzt langsam den Kopf und sah Harbin an.
„Ich verstehe gar nicht, wie du mit ihm arbeiten kannst.“
„Tja weißt du“, verdrehte Harbin leicht die Augen. „Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Du weißt doch das mein Vater immer davon geträumt hat das ich mal zur Polizei gehe und den Gefallen hab ich ihm getan.“
„Siehst du, dein Vater ist Stolz auf deine Arbeit.“
„Mein Vater hält mich für einen hoffnungslosen Versager.“
Callery sah Harbin einfach an. Nach einem Augenblick schmunzelte sie leicht.
„Ich muss jetzt gehen“, sagte sie und stand auf.
Harbin sah sie überrascht an.
„Was denn, jetzt schon?“, wunderte er sich.
Er hatte sich fest vorgenommen ihr heute Abend seine Liebe zu gestehen. Die Beiden kannten sich schon seit dem Sandkasten. Sie waren immer nur gute Freunde gewesen, aber schon vor einigen Jahren hatte Harbin sich in diese wunderbare Frau verliebt. Sie war die Verkörperung all seiner Träume und Wünsche. Bisher hatte er nie gewusst wie er es ihr sagen sollte und er hatte immer Angst gehabt es könnte ihre Freundschaft zerstören, falls sie nicht genauso wie er empfand, aber ihm war klar geworden, das er nicht mehr länger so weiter machen konnte. Er musste es ihr sagen und heute sollte der Tag sein.
„Aber ich“, stammelte er nervös weiter.
Callery blieb vor ihm stehen und beugte sich mit einem Lächeln zu ihm runter.
„Könntest du so freundlich sein und meine Blumen gießen, während ich weg bin?“
„Weg?“, hakte Harbin überrascht nach.
„Ich hab mir für eine Weile Urlaub genommen. – Mein Forschungsprojekt wurde gestohlen. Bitte sei so lieb Harbin.“
„Na klar“, antwortete er natürlich.
Callery lächelte und gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund, dann lief sie aus dem Raum. Harbin sah ihr erstaunt nach. War das nur ein rein freundschaftlicher Kuss gewesen, oder hatte das mehr bedeutet?
„Callery!“, sprang er auf und stürmte ihr nach.
Er blieb an der Tür stehen und sah einem schwarzen Auto hinterher. Was hatte das alles zu bedeuten?

Die Wege der Fünf hatten sich getrennt. Akame und Hiko schlugen sich inzwischen allein durch. Sie waren ein Stück gelaufen, als sie eine Stadt sahen. Genau wie in den meisten anderen Städten war auch hier alles kalt und heruntergekommen. Hiko und Akame schlenderten durch die finsteren Straßen.
„Irgendwie gefällt mir die Stadt hier nicht“, jammerte Hiko.
„Hör auf rum zu heulen. Diese Stadt ist genauso wie jede andere auch. Wenigstens kriegen wir hier auch was zu essen.“
Hiko trottete Akame weiter brav hinterher. Misstrauisch beäugte er jeden an dem sie vorbeikamen. Akame hielt indessen Ausschau nach etwas Essbarem.
Es war inzwischen wieder dunkel geworden und Kazuya, Keyomi und Domoe hatten es sich auf einem Fels gemütlich gemacht. Der Sturm hatte nachgelassen und es war auch nicht mehr ganz so kalt. Sie betrachteten den Mond und die Sterne während sie sich etwas ausruhten. Kazuya konnte nicht sagen warum, aber er hatte das Gefühl als würde der Mond heute etwas heller strahlen. Vielleicht war es ihm vorher auch nur nie aufgefallen. Irgendwie fühlte er sich vom Mond magisch angezogen.
„Irgendwie bin ich ganz froh, dass wir diesen Akame wieder los sind“, bemerkte Domoe. „Der Typ scheint mir echt gefährlich zu sein.“
„Hört sich an, als wäre das nicht deine erste Begegnung mit ihm gewesen“, richtete Keyomi sich leicht auf und musterte Domoe.
Er verdrehte leicht die Augen.
„Ist schon ne Weile her. Ich wollte mir nur was zu Essen besorgen und bin ihm dabei wohl in die Quere gekommen. Mit dem Kerl ist echt nicht zu spaßen, sag ich euch.“
Keyomi lächelte leicht und warf einen Blick zu Kazuya, der ganz gespannt in den Himmel starrte.
„Und was ist mit euch? Warum lebt ihr auf der Straße?“
„Unsere Eltern wurden von Soldaten der Aristokraten getötet“, erklärte Keyomi.
„Man das tut mir echt Leid für euch. – Ich hab meine Eltern nie kennen gelernt. Ich bin in einem Weisenhaus aufgewachsen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie furchtbar es dort ist.“
„Dann bist du weggelaufen?“
Domoe nickte und ließ sich wieder nach hinten fallen. Er legte den Kopf auf die Arme und sah in den Himmel.
„Eigentlich bin ich ganz froh aus dieser Stadt raus zu sein. Da hat es mir von Anfang an nicht gefallen.“
„Du kommst gar nicht aus Dark City?“
„Nein. Ich bin viel umhergezogen. Von einer Stadt zur nächsten. Bis ich euch begegnet bin. So was nennt man wohl Schicksal.“
„Reiner Zufall“, richtete Kazuya sich auf und ging.
Domoe sah ihn überrascht an.
„Wo willst du denn hin?“, rief Domoe ihm nach.
Kazuya blieb stehen und drehte sich zu Domoe und Keyomi um.
„Wir haben uns lang genug ausgeruht. Es wird Zeit weiterzugehen.“
„Es ist stockduster!“
„Der Mond wird uns den Weg zeigen.“
Während Kazuya sich umdrehte und weiter ging, sah Domoe ihn verdutzt an.
„Dieser Typ hat doch nicht mehr alle Latten am Zaun.“
Domoe sah zu Keyomi die langsam aufstand und Kazuya nachlief.
„Hey Keyomi!“, sprang Domoe auf. „Folgst du ihm eigentlich immer blind?“
Keyomi senkte kurz nachdenklich den Blick dann nickte sie.
„Ja“, antwortete sie und ging dann weiter.
„Oh man“, seufzte Domoe und eilte ihnen nach.
Akame und Hiko liefen indes noch immer durch die Stadt und kamen an einer Reihe von kleinen Ständen vorbei. Unbemerkt ließ Akame etwas mitgehen. Etwas Abseits auf einem Platz standen ein paar Polizisten in ihren grauen Uniformen. Einer der Männer warf einen Blick auf ein Foto, dann deutete er mit einem unmerklichen Nicken auf Hiko und Akame.
Kazuya, Keyomi und Domoe hatten ihren Weg fortgesetzt, als Kazuya ganz plötzlich stehen blieb.
„Was hast du?“, fragte Keyomi und sah ihn an.
Er stand wie angewurzelt da und sah nachdenklich ins Leere. Langsam drehte er sich um und sah zurück. Ein Gefühl sagte ihm, das Akame und Hiko in Gefahr waren.
Das Bild des Mädchens auf dieser Liege blitze vor seinem inneren Auge auf und er hatte das Gefühl als wäre der Mond gerade etwas heller geworden, als wollte er ihm etwas damit sagen. Kazuya ging weiter, blieb aber schon nach drei Schritten wieder stehen und drehte sich nun ganz um. Keyomi und Domoe musterten ihn nur irritiert. Ohne jede Vorwarnung stürmte er plötzlich zurück.
„Kazuya!“, rief Keyomi.
„Das kann doch nicht wahr sein“, seufzte Domoe genervt.
„Kazuya warte!“, rief Keyomi erneut und lief ihm nach.
„Hey!“, stieß Domoe aus. „Wo wollt ihr denn alle plötzlich hin. Oh man.“
Domoe stürmte ihnen sofort nach. Die Drei eilten durch den Schnee. Kazuya wusste genau wohin er gehen musste.
Hiko und Akame sahen indes in die Gesichter der Soldaten die sich vor ihnen aufgebaut hatten. Sie zielten mit ihren Gewehren auf sie.
„Was machen wir denn jetzt?“, nuschelte Hiko verzweifelt.
Akame sah sich suchend um und entdeckte einen kleinen Vorsprung. Mit etwas Kraft würde er da sicher rauf kommen. Von dort kamen sie ohne Probleme auf die Dächer und konnten dann entkommen.
„Los Kleiner“, flüsterte Akame und warf Hiko blitzschnell auf den Vorsprung.
„Ah!“, stieß er aus und landete etwas unsanft.
Akame drückte sich sofort vom Boden ab. Die Aktion dauerte aber zulange und einer der Soldaten schoss auf ihn.
„Ah!“, stöhnte er, als ihn die Kugel im Oberschenkel traf.
„Akame!“, rief Hiko.
Verletzt landete Akame auf dem Vorsprung. Er richtete sich mühsam wieder auf und lief mit Hiko davon.
„Sie flüchten!“, rief einer der Soldaten.
Die Männer eröffneten das Feuer und schossen auf Hiko und Akame die über die Dächer der Stadt flüchteten. Akame war schwer angeschlagen. Blut tropfte auf den Boden und er hatte Mühe überhaupt laufen zu können.
„Sie holen uns ein“, rief Hiko.
Akame stolperte und schlug lang auf den Boden.
„Komm!“, bat Hiko und versuchte ihm aufzuhelfen, doch er konnte sich kaum auf den Beinen halten.
Die Männer kamen immer näher. Hiko sah ihnen ängstlich ins Gesicht. Plötzlich sprang Kazuya dazwischen und knurrte die Männer an.
„Verschwindet“, brummte er.
Der Soldat legte sein Gewehr an und zielte auf Kazuya.
„Pass auf Kazuya!“, rief Hiko.
Kazuya schnellte vor und eh er sich versah war der Mann tot. Domoe kam jetzt auch dazu und schnappte sich das Gewehr des Mannes. Keyomi hockte sich indes zu Akame und legte seinen Arm über ihre Schulter. Mit ein wenig Anstrengung half sie ihm auf die Beine und zog dann mit ihm und Hiko ab. Nun kamen auch die restlichen Soldaten. Domoe eröffnete sofort das Feuer.
„Oh!“, stieß er aus, als das Maschinengewehr losging. „Wow!“
Kazuya kämpfte indes mit bloßen Händen. Er ging auf die Männer los und eh er sich versah waren sie tot. Er wusste nicht wie er das anstellte oder woher er die Kraft nahm, er tat es einfach. Ganz instinktiv.
„Los weg hier!“, rief er Domoe zu und Beide machten sich aus dem Staub.
Sie eilten aus der Stadt wo Keyomi sich um Akame kümmerte.
„Ist alles in Ordnung mit euch?“, stand sie auf und musterte Kazuya und Domoe.
„Bei mir ist alles in Ordnung“; winkte Domoe ab.
Keyomi sah jetzt zu Kazuya der einen kleinen Kratzer auf der Stirn hatte und fuhr langsam die Hand danach aus.
„Es ist nichts. Nur ein Kratzer“, wimmelte er sie ab.
„Wieso seid ihr zurückgekommen?“, wollte Akame wissen, der noch immer auf dem Boden saß und den Rücken zu den Anderen gedreht hatte.
„Ich hatte so ein Gefühl“, antwortete Kazuya kühl.
„Ein Gefühl“, sagte Akame, ließ es aber sein, da er Kazuya schließlich sein Leben verdankte.
Er stand etwas wackelig auf und drehte sich zu ihm um.
„Glaub ja nicht das ich deshalb jetzt einen auf Freund mache klar?“, maulte er.
Kazuya grinste nur leicht und ging weiter. Keyomi folgte ihm, genau wie Domoe. Hiko legte seinen Arm um Akame um ihn ein wenig zu stützen. Etwas überrascht sah Akame den Kleinen an, ließ sich dann aber von ihm helfen.
Inzwischen waren weitere Truppen angerückt die sich jetzt um ihre toten Kameraden kümmerten. Einer von ihnen bückte sich hinunter und betrachtete entsetzt die Wunde seines Freundes.
„Was ist das?“, hauchte er fassungslos.
„Was ist los?“, kam ein weiterer Soldat dazu.
„Sieh dir diese Wunde an. Wie von einem Tier.“
Die Männer betrachteten die aufgerissene Halsschlagader ihres Kameraden und sahen sich dann ratlos an.

Die Jungs und Keyomi hatten eine Pause eingelegt. Akames Bein ging es schon wieder besser, aber ab und zu bereitete es ihm doch noch Probleme. Sie hatten sich jetzt alle in den Schnee gesetzt. Keyomi sah sich Akames Bein kurz an, dann setzte sie sich neben Kazuya hin.
„Sag mal Kazuya“, sprach Hiko ihn an. „Wie sieht das Paradies eigentlich aus?“
Kazuya sah ihn nur starr an. Er hatte keine Ahnung wie das Paradies aussah. Woher sollte er das auch wissen? Eine Stimme trieb ihn zwar dazu es zu suchen, aber er wusste nicht wie es aussah. Er hatte keine Vorstellung. Bestimmt war es ein schöner Ort.
„Na auf jeden Fall gibt es da viele Blumen und was zu futtern“, antwortete nun Domoe, statt Kazuya. „Und überall hübsche Mädchen.“
„Glaubst du wirklich?“, hakte Hiko nach.
Domoe rollte nachdenklich mit den Augen.
„Ich hab keine Ahnung ob es da so aussieht, aber ich hoffe schon.“
„Was denkst du Keyomi?“, richtete sich Hiko an das hübsche Mädchen.
Keyomi sah ihn nur einfach an. Sie schien nicht ganz zu wissen was sie darauf antworten sollte. Um ehrlich zu sein, war sie sich nicht mal sicher, ob es dieses Paradies überhaupt gab. Es wäre schön, wenn es einen Ort gab, an dem sie alle glücklich sein konnten, doch jedes Kind wusste, das dieses Paradies nur eine Legende war, nichts weiter. Auch Kazuya und Keyomi hatte man davon erzählt und als Kind hatte sie fest an die Existenz dieses Ortes geglaubt. Vielleicht war es die harte Realität, die ihr diesen Glauben genommen hatte. Sie wusste es nicht. Kazuya schien ganz fest daran zu glauben. Er schien zu wissen, dass es diesen Ort gab. Aber Keyomi zweifelte. Sie war nur hier um Kazuya zu begleiten. Sie würde nicht von seiner Seite weichen. Er war ihr Bruder, ihr ein und alles. Alles was sie hatte. Niemals hätte sie ihn im Stich gelassen. Wenn er an das Paradies glaubte, dann würde sie ihm helfen es zu finden. Und wenn sie dabei die ganze Welt umrunden und dann doch feststellen würden, dass es gar nicht existierte, dann war es eben so. Tief in ihrem Herzen hoffte sie ja doch das es existierte. Anders als Akame, der alles für reinen Quatsch und Zeitverschwendung hielt, hoffte sie wenigstens.
„Wir sollten weitergehen“, stand Kazuya jetzt auf und sah dabei in die Ferne.
Langsam richteten sich alle auf und klopften sich den Schnee von den Hosen. Es war seltsam für sie alle. Ständig gingen sie weiter und wussten doch nicht wohin. Nur Kazuya schien zu wissen wohin der Weg sie führte.
Nun stapften sie wieder durch den Schnee. Stunden vergingen, doch ein richtiges Zeitgefühl hatten sie ohnehin lange nicht mehr. Nur an der Sonne konnten sie sich orientieren. In der Ferne entdeckten sie eine Stadt. Ihr Weg führte sie genau dort hin.
Die Leute dort schienen nicht sehr Gastfreundlich zu sein. Jeder drehte sich weg oder warf einen misstrauischen Blick auf die Gruppe.
„Hier scheinen nicht oft Besucher vorbei zu kommen“, stellte Domoe fest.
„Das wundert mich absolut nicht“, entgegnete Akame.
Die Stadt war noch heruntergekommener als Dark City. Es war bitterkalt, die Straßen waren dreckig und dunkel und irgendwie wirkte die Stadt nahezu verlassen. Obwohl die Stadt bewohnt war, wirkte sie verlassen. Die Straßen waren größtenteils wie leergefegt. Domoe blieb plötzlich vor einer kleinen Bar stehen. Er griff in seine Tasche und zog eine kleine, goldene Münze heraus.
„Das dürfte reichen“, nuschelte er.
„Wofür reichen?“, hakte Keyomi nach.
„Davon können wir uns was zu Trinken kaufen und uns ein bisschen in diesem Pub aufwärmen. Was haltet ihr davon?“
„Ich finde das ist eine prima Idee“, rieb Hiko sich die Hände. „Meine Hände sind schon fast erfroren.“
Alle sahen jetzt zu Kazuya, der nur leicht nickte. Es schadete nicht eine kurze Pause einzulegen. Auch wenn er nicht fror, obwohl es eigentlich furchtbar kalt war. Er musste an die Anderen denken, auch wenn ihm das manchmal etwas schwer fiel. Wenn er Keyomi ansah, die zitternd neben ihm stand, dann wusste er, dass Domoes Vorschlag gut war.
Die Fünf gingen jetzt in den Pub. Es war eine kleine, nicht sehr edle Bar. Die Wände waren beige und hatten einen leichten Graustich. Ein paar runde Holztische standen im Raum verteilt und gerade zu stand eine alte Bar, hinter der ein etwas rundlicher Mann Gläser spülte. Er sah zu den Kindern auf, als sie hereinkamen. Kazuya musterte den Mann, der dort an der Bar saß und seinen Whisky trank.
„Was wollt ihr?“, fragte der Barkeeper etwas ruppig.
„Wir wollen etwas trinken.“
Domoe schlug die Goldmünze auf den Tisch. Der Barkeeper warf einen kurzen Blick darauf und füllte dann ein Glas voll Wasser, das er vor Domoe auf den Tisch stellte. Domoe sah das Glas entgeistert an. Er hatte schon gehofft etwas mehr für sein Geld zu bekommen. Aber so war das nun mal. Auf dieser Welt war nichts umsonst. Die Clique setzte sich nah an der Bar an einen Tisch und trank abwechselnd.
„Na, wollen sie noch einen?“, fragte der Barkeeper den Mann, der schon ziemlich betrunken aussah.
„Immer her damit“, lallte er und hob dabei das Glas hoch.
Der Barkeeper schenkte nach und der Mann mit den grauen Haaren und dem langen, braunen Mantel trank auf der Stelle aus.
„Finden sie nicht auch, dass es immer kälter wird?“, fing der Barkeeper ein Gespräch an und lehnte sich jetzt leicht mit dem Ellbogen auf dem Tresen ab.
„Ah“, brummte der Mann nur. „Es ist das Ende. Das Ende naht. Es ist ganz egal was wir tun. Die Welt, die Welt wird untergehen.“
„Und wie kommen sie darauf?“, schmunzelte der Barkeeper ein wenig über den betrunkenen Mann.
Der Mann beugte sich jetzt etwas vor und sah dem Barkeeper in die Augen.
„Es ist der Mond. - Haben sie mal den Mond gesehen? Bald wird das Mädchen erwachen und dann geht es mit unserer Welt zu Ende.“
Kazuya warf einen interessierten Blick zur Bar hinüber. Der Mann sprang plötzlich auf. Der Hocker auf dem er gesessen hatte fiel laut zu Boden. Der Mann streckte die Arme aus und hob den Kopf in die Luft.
„Das Ende naht. Wenn die Mondprinzessin und der Wolf anfangen das Paradies zu suchen geht die Welt unter. Es ist alles zu spät. Es ist alles zu spät. Das Ende ist nah.“
„Hey!“, schnappte der Barkeeper sich den Mann und drückte ihm seinen Hut in die Hand. „Es wird Zeit das sie nach Hause gehen. Sie haben heut schon genug getrunken.“
„Sie verstehen das nicht“, fuhr er fort. „Die Welt geht unter, und wir mit ihr.“
„Ja, ja schon gut. Kommen sie jetzt.“
Der Barkeeper schob den Mann zur Tür. Kazuya und die Anderen sahen ihm nach. Sie hörten ihn noch immer, obwohl er schon aus dem Haus raus war. Er brüllte noch immer seine Prophezeiung durch die Straßen der Stadt.
„Oh man“, zog Domoe nur dir Augenbrauen kraus.
Akame schmunzelte nur leicht über diesen besoffenen Typen. Er erinnerte ihn an seinen Vater. Der alte Saufkopf hatte sich zu Tode gesoffen. Seine eigene Schuld. Akame hatte kein Mitleid mit ihm. Kazuya sah ihm indes nachdenklich hinterher. Er hatte vom Paradies gesprochen und von der Mondprinzessin. Kazuya hatte noch nie von ihr gehört. Er kannte bisher nur die Geschichte vom Paradies. Von dem Ort an dem alle glücklich sein konnten. Von einer Mondprinzessin und einem Wolf hatte er noch nie etwas gehört. Kazuya sprang plötzlich auf und stürmte aus der Bar.
„Kazuya!“, rief Keyomi ihm nach.
Sie lief zur Tür rüber, doch als sie auf die Straße kam, war nichts von Kazuya zu sehen. Die Straße war vollkommen leer. Es war inzwischen dunkel geworden. Der Mond schien über der Stadt. Sie war noch eine der wenigen Städte ohne Kuppel. Deshalb war es hier auch so kalt.
Kazuya stürmte durch die Straßen. Er musste diesen Mann finden. Er wusste nicht wo er suchen sollte, aber er musste ihn finden.
„Es ist alles zu Ende!“, hörte er plötzlich ein lautes Grölen.
Kazuya blieb stehen und ortete die Stimme. Sie kam von Links. Kazuya drehte um und lief in die Gasse. Er kam jetzt auf einen kleinen Platz. Dort hatten wohl irgendwann mal Blumen auf einer Wiese geblüht. Jetzt war hier allerdings nur noch Erde. Trockene, verkümmerte Erde, nichts weiter. Der Ort sah aus wie ein Park, nur das von dem Park nicht mehr viel übrig war. Alles war heruntergekommen und zusammengefallen. Der Mann torkelte über den Weg und ließ sich auf einer Bank nieder. Kazuya musterte ihn kurz, dann ging er zu ihm rüber.
„Entschuldigen sie“, sprach er den Mann an.
Er hob den Kopf und sah Kazuya skeptisch an. Er kniff die Augen leicht zusammen und verzog den Mund.
„Darf ich ihnen eine Frage stellen?“
Der Mann sah Kazuya weiter nur an.
„Was wissen sie über das Paradies und die Mondprinzessin?“
„Du willst etwas über die Mondprinzessin wissen?“, hakte er nach.
Kazuya nickte und setzte sich neben den Mann. Er legte die Hände auf den Schenkeln ab und musterte ihn gespannt.
„Der Legende nach“, erklärte der Mann nach dem er Kazuya noch einen Moment angesehen hatte. „Weiß nur die Mondprinzessin wo sich das Paradies befindet. Nur sie kennt den Weg.“
„Und wer ist die Mondprinzessin?“
„Hmh“, entgegnete der Mann. „Sie wurde vom Mond geschaffen. Sie sieht aus wie ein Mädchen, aber sie wurde geschaffen aus dem Licht des Mondes.“
Kazuya sah den Mann ganz fasziniert an.
„Sie sagten, dass sie bald erwachen wird. Wann wird das sein?“
„Das weiß ich nicht. Ich hab keine Ahnung. – Aber sieh dir den Mond an.“
Der Mann deutete mit dem Finger auf den Mond, der über ihnen am Himmel schien.
„Er wird immer heller. Ich bin sicher das sie bald erwachen wird.“
Kazuya warf einen Blick auf den Mond. Als er den Blick wieder senkte, war der Mann verschwunden. Kazuya sprang auf und sah sich suchend um, aber er war weg.

Harbin hatte noch immer nicht verstanden warum Callery so plötzlich verschwunden war und was der Kuss zu bedeuten hatte wusste er auch nicht. Irgendetwas schien ihm faul zu sein, aber er wusste nicht was. Er öffnete jetzt die Tür zu ihrem Apartment und betätigte dann den kleinen Lichtschalter. Was er sah glaubte er kaum. Die Wohnung war völlig leer. Als hätte hier niemals jemand gewohnt. Was hatte das zu bedeuten? Callery hatte von einem Urlaub und nicht von einem Umzug gesprochen. Harbin ging etwas näher in den Raum und sah sich um. All ihre Sachen waren verschwunden. Ob es nun ihre Kleider im Schlafzimmer waren, ihr Geschirr in der Küche oder ihre Aufzeichnungen im Büro. Alles war verschwunden. Die Bilder an der Wand und auch ihre Bücher. Es gab nicht mal Blumen die Harbin hätte gießen können. Was sollte das? Wieso trug sie ihm auf ihre Blumen zu gießen, wenn sie nicht mal welche hatte? Harbin entdeckte plötzlich, gerade als er gehen wollte, ein kleines Foto auf ihrem Schreibtisch. Er ging näher heran und hob es auf. Ein Lächeln flog über sein Gesicht. Das Bild war uralt. Damals hatten sie ihren Schulabschluss gemacht. Callery hatte ihre Haare damals noch lang und offen getragen. Eigentlich hatte sie so immer sehr hübsch ausgesehen. Auch in der engen Jeans und dem kurzen Shirt. Sie hatte wirklich eine tolle Figur. Na ja, von Harbin konnte man das nicht gerade behaupten. Damals war er ein bisschen pummlig gewesen und hatte eine Brille getragen. Zum Glück war das heute vorbei. Er war groß und schlank. Kräftig gebaut, aber schlank. Er hatte sich gemausert. Harbins Blick fiel plötzlich auf einen kleinen Zettel der unter dem Foto gelegen haben musste. Harbin klappte ihn auf und las was darauf stand: 07356 HB. Was hatte das jetzt schon wieder zu bedeuten? Langsam verstand Harbin wirklich nicht mehr was los war. Er steckte das Foto und den Brief in die blaue Manteltasche und verließ die Wohnung.

Kazuya trottete noch immer allein durch die Stadt. Er dachte über das nach was der Mann gesagt hatte. Das Ende der Welt stand also bevor. Die Mondprinzessin und der Wolf würden sich auf den Weg machen das Paradies zu suchen. Es gab viele Dinge die Kazuya nicht verstand und doch waren sie ihm irgendwie klar. Er konnte sich das auch nicht erklären. Hatte dieses Mädchen das er gesehen hatte irgendetwas damit zu tun? War sie womöglich sogar die Mondprinzessin? Ja. So war es. Kazuya spürte die Gewissheit tief in sich drin.
Keyomi, Akame, Domoe und Hiko saßen noch immer in der Bar. Keyomi sah immer wieder zur Tür rüber, hoffend das Kazuya gleich wieder kommen würde.
„Ich mache mir Sorgen um Kazuya“, sagte sie jetzt.
„Vielleicht sollten wir ihn suchen gehen“, schlug Hiko vor.
„Ja“, nickte Keyomi gleich und stand auf.
Die Anderen folgten ihr. Akame lief ihnen genervt hinterher. Mit diesem Typen würden sie noch jede Menge Ärger kriegen, so viel stand fest. Er hätte sich nie auf diesen Mist einlassen sollen und dennoch ging er immer weiter. Warum eigentlich? Er wusste es selbst nicht. Vielleicht wollte er nur einen Fehler nicht ein zweites Mal machen. Er hatte schon mal jemanden im Stich gelassen.
Kazuya blieb stehen, als er eine Gruppe von jungen Männern sah die in einer Ecke zusammen an einem Lagerfeuer saßen. Langsam ging Kazuya auf sie zu.
„Hey seht mal!“, stieß ein etwas rundlicher Typ seinen Freund an.
Kazuya blieb, die Hände in den Hosentaschen vergraben, vor ihnen stehen und musterte sie, so wie sie ihn musterten.
„Was willst du?“, murrte der Anführer der Truppe.
„Wisst ihr, ob es hier in der Nähe ein Schloss gibt?“
„Ein Schloss?“, hakte der rundliche Typ nach.
„Es gibt hier ein Schloss in der Nähe“, erklärte der Anführer bereitwillig. „Es liegt nördlich von hier.“
„Danke“, sagte Kazuya freundlich und ging weiter.
„Hey! Warte Mal!“, rief der Anführer ihm allerdings nach.
Kazuya blieb stehen und wand den Kopf leicht zurück. Mit kühlem Blick sah er die Clique an.
„Warum willst du das wissen?“
„Weil ich jemanden suche.“
„Und wen?“, grinste der rundliche Typ mit den großen Glubschaugen.
„Das geht dich nichts an“, entgegnete Kazuya kühl.
„Ach nein!“, stand der Dicke auf.
Kazuya knurrte ihn leicht an.
„Willst du dich mit uns anlegen?“, murrte auch der Anführer.
„Schon möglich“, entgegnete Kazuya auf seine typische Art und Weise.
Die Gruppe knurrte ihn wütend an und ging dann auf ihn los.

Harbin lag auf der Couch in seinem Apartment. Es war lange nicht so ein hübsches Apartment wie das von Callery, aber er war ja auch nur ein Bulle und kein hoch bezahlter Wissenschaftler. Harbin hielt eine Flasche Whisky in der Hand und starrte an die kahle Decke. Eigentlich trank er fast nie, aber heute war ihm danach zu Mute. Die Frau die er liebte war spurlos verschwunden. Er hatte sich nach ihr erkundigt und erfahren, dass sie gar keinen Urlaub genommen hatte. Dr. Callery Pear existierte gar nicht mehr. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Alle Mitarbeiter aus dem Labor waren ebenfalls verschwunden. Als hätte es dieses Labor und seine Menschen nie gegeben. Was hatte das nur alles zu bedeuten? Harbin hob den Arm und setzte die Flasche an. Er schmeckte schon den Whisky auf seinen Lippen, als er plötzlich absetzte und sich aufrichtete. Starr blickte er aus dem gegenüberliegenden Fenster. Das war’s! Er hatte es. Diese Zahlen.
„Ein Schließfach“, murmelte er und zog den Zettel aus seiner Tasche.
Er klappte ihn auf und las die Zahlen noch einmal.
„HB. Henbit Bahnhof. – Ha Cal; du hast mir schon immer gerne Rätsel aufgegeben.“
Harbin sprang auf und zog sich schnell den Mantel über. Er schnappte seinen Hut, der neben der Tür am Hutständer hing und eilte aus der Wohnung. In Windeseile lief er durch die Stadt zum Bahnhof. Die ersten Zahlen des Codes entsprachen immer der Schließfachnummer. Es war also kein Problem das richtige Fach zu finden. Nummer 07. Harbin lief an den Schließfächern vorbei und blieb dann vor der Nummer 07 stehen. Mit dem Zeigefinger tippte er schnell die Ziffern ein und öffnete den Schrank. Ein altes Buch lag darin. Etwas irritiert nahm Harbin es heraus und betrachtete es.
„Die Prophezeiung des Mondes?“, wunderte er sich.
Was sollte er damit? Die Prophezeiung des Mondes war nichts weiter als ein Märchenbuch. Darin stand die Geschichte über dieses lächerliche Paradies. Was sollte der Schwachsinn? Callery verschwand spurlos und alles was sie ihm, auf sehr mysteriöse Weise, hinterließ war ein Märchenbuch? Kopfschüttelnd steckte Harbin das Buch ein und ging wieder nach Hause.

Kazuya schleppte sich durch die Gassen. Er sah ziemlich mitgenommen aus. Diese Kerle hatten ihn wirklich nicht verschont. Aber er hatte es ja auch darauf angelegt. Kazuya stemmte die Hand gegen die feuchte Wand und sackte langsam auf den Boden. Er kippte erschöpft zur Seite und blieb dann zusammengekauert auf dem Boden liegen.
Er sah plötzlich durch einen etwas nebligen Schleier eine wunderschöne Blumenwiese direkt vor einem herrlichen See. Wasser plätscherte von einem kleinen Berg hinunter und ein paar Vögel zwitscherten. In Mitten dessen tanzte ein hübsches Mädchen, mit langen weißen Haaren und einem weißen Kleid zwischen den Blumen umher. Sie hatte die Arme ausgestreckt und drehte sich, mit zum Himmel gestrecktem Kopf, im Kreis. Sie blieb abrupt stehen und sah Kazuya an. Ein zartes Lächeln lag auf ihren Lippen. Mit einer fließenden Bewegung streckte sie die Hand nach ihm aus.
„Was soll ich tun?“, fragte Kazuya sie.
Das Mädchen lächelte nur und wich zurück. Hinter ihr öffnete sich plötzlich ein tiefer, schwarzer Abgrund und sie stürzte in die Tiefe.
„Nein!“, schrie Kazuya und streckte den Arm nach ihr aus.
Er konnte sie jedoch nicht mehr erreichen und sah zu, wie sie langsam in die Tiefe stürzte.
„Kazuya!“, rief Keyomi und sah sich suchend nach ihm um.
„Kazuya wo steckst du?“, hielt auch Hiko nach ihm Ausschau.
Keyomi hielt plötzlich an und starrte auf den Jungen der dort in der dunklen Gasse lag. Entsetzt riss sie die Augen auf und stürmte auf ihn zu.
„Kazuya“, hob sie seinen Kopf leicht an und musterte ihn besorgt. „Oh mein Gott. Was ist mit dir passiert?“
„Oh verdammt“, stieß auch Akume aus.
„Der arme Kazuya“, jammerte Hiko.
„Was sollen wir denn jetzt machen?“, fragte Domoe.
In diesem Moment schlug Kazuya die Augen auf und sah Keyomi an.
„Kazuya“, hauchte sie erleichtert.
Einen Augenblick musterte er sie etwas verwirrt und schwach, dann lächelte er leicht.
„Ich hatte einen sehr seltsamen Traum“, flüsterte er.
Keyomi schüttelte den Kopf. Das war mal wieder typisch. Er lag halb tot am Boden und alles was ihn interessierte war dieser Traum. Manchmal verstand sie ihn wirklich nicht.
„Ich weiß jetzt, wo wir hin müssen“, fuhr er fort.
„Zuerst einmal musst du wieder gesund werden“, spielte sich Keyomi mütterlich auf.
„Halb so schlimm“, winkte er ab und versuchte aufzustehen.
Er klappte aber gleich wieder zusammen. Akame trat jetzt vor und half ihm auf. Kazuya sah ihn mit großen Augen an. Ausgerechnet Akame.
„Wir sollten hier erst Mal verschwinden“, murmelte er und legte Kazuyas Arm um sich. „Los jetzt. Machen wir, dass wir hier wegkommen. Dieser Ort gefällt mir nicht.“
Alle nickten und folgten Akame und Kazuya.

Wieder saß Harbin auf der Couch. Die Whiskyflasche stand vor ihm auf dem Tisch, genau wie das Buch, das er die ganze Zeit anstarrte. Er fragte sich immer noch was Callery ihm damit sagen wollte. Er nahm einen Schluck aus der Flasche, dann griff er das Buch und schlug es auf. Ein wenig widerwillig begann er zu lesen. Die Geschichte war ihm so weit bekannt. Jedes Kind hörte von diesem Märchen.
„Mondprinzessin“, hauchte er plötzlich und starrte gebannt ins Leere.
Wollte Callery ihm damit etwas sagen?
‚Dieses Wesen das ich erforsche’, hörte er ihre Stimme in seinen Gedanken. ‚Sie ist definitiv kein Mensch. Sie hat keine DNS so wie wir das kennen. Es ist irgendetwas anderes…’
Wollte Callery ihm damit sagen, dass dieses Wesen das sie erforscht hatte, diese Mondprinzessin sein sollte? Das war ja absurd. Harbin sah gebannt auf die Whiskyflasche. Andererseits; Callery war verschwunden. Sie existierte gar nicht mehr. Wieso? Es musste doch einen Grund dafür geben. Es gab nur noch eine Möglichkeit die Harbin sah und sie gefiel ihm gar nicht. Er stand auf, schnappte sich Mantel und Hut und ging aus der Wohnung.
Es dauerte nicht lange bis er auf dem Revier angekommen war.
„Hallo Chia“, begrüßte er die nette Dame an der Rezeption. „Ich muss unbedingt zu Pear.“
Harbin eilte schon am Tresen vorbei, schließlich arbeitete er hier und musste sich nicht anmelden.
„Das geht nicht“; hielt Chia ihn auf.
Harbin blieb stehen und sah sie fragend an. Was hieß; das ging nicht?
„Der Chef Inspektor hat heute gekündigt.“
„WAS?!!!“, stieß Harbin fassungslos aus.
Dass wurde ihm langsam wirklich zu viel. Was bedeutete das alles nur? Erst verschwand Callery und nun kündigte Pear, dem sein Beruf alles bedeutete, auch wenn er ihn eigentlich nicht ausstehen konnte? Das ergab doch alles keinen Sinn.

A Scream in the Light

Keyomi, Akame, Hiko, Domoe und Kazuya hatten sich am Stadtrand in einer kleinen Ruine niedergelassen, damit Kazuya wieder zu Kräften kommen konnte. Er sah noch immer ziemlich mitgenommen aus und war sofort wieder eingeschlafen. Diese Typen hatten ihn übel zugerichtet. Keyomi hatte Hiko und Domoe losgeschickt um etwas zu Essen und Heilkräuter für Kazuya zu besorgen. Sie saß jetzt neben ihm und versorgte seine Wunden, während Akame an der Tür stand und nach draußen auf den kahlen Sandboden sah.
„Ist er eigentlich immer so drauf?“, fragte Akame Keyomi ohne sich zu ihr umzudrehen.
„Ja“, nickte sie und sah Kazuya etwas besorgt an.
Sie stand jetzt auf und ging zu Akame rüber. Musternd sah sie ihn an.
„Und was ist mit dir?“, fragte sie dann freundlich. „Bist du auch schon immer so gewesen?“
Akame warf ihr aus dem Augenwinkel einen Blick zu, sah dann aber gleich wieder starr in die Ferne. Einen Augenblick blieb er nachdenklich stehen, dann ging er wortlos.
„Akame“, wunderte sich Keyomi und sah ihm nach.
Sie hatte ihn nicht verletzten oder ihm zu Nahe treten wollen. Aber scheinbar lag dort sein wunder Punkt. Er verbarg irgendetwas. Aber wer von ihnen tat das nicht?
„Ihr glaubt nicht was wir gerade gesehen haben“; stürmten Domoe und Hiko plötzlich durch ein Loch in der Wand herein.
Domoe, der ein paar Lebensmittel im Arm hielt blieb abrupt stehen und sah Keyomi an, die Akame immer noch hinterher sah.
„Alles klar bei dir?“, fragte er sie.
Keyomi drehte sich zu ihm um und nickte, dann sah sie die Beiden prüfend an.
„Habt ihr alles bekommen?“
„Klar. Hier ist was zu futtern und der Kleine hat die Kräuter die du haben wolltest.“
„Ich bin nicht klein“, motze Hiko mal wieder.
Keyomi nahm ihm ohne ein Wort die Kräuter ab und legte sie auf Kazuyas nackten Oberkörper der mit tiefen Schrammen überseht war.
„Man, der hat aber echt ganz schön was abgekriegt“, nuschelte Domoe.
„Wo ist denn Akame?“, hakte Hiko nach.
„Er ist weggegangen“, antwortete Keyomi einfach und setzte sich auf einen Stein. „Wir sollten etwas essen.“
„Gute Idee“, strahlte Domoe und packte ein großes Brot aus. „Hier für dich.“
Er streckte Keyomi mit einem breiten Lächeln im Gesicht ein abgerissenes Stück Brot entgegen.
„Danke“; lächelte sie bedrückt und aß.
Hiko und Domoe setzten sich vor ihr auf den Boden und aßen ebenfalls.
„Ein bisschen alt, aber schmeckt gar nicht so übel“, bemerkte Hiko.
„Man“, seufzte Domoe. „Man merkt echt, dass du nicht von der Straße kommst.“
Hiko sah ihn nur mit großen Augen an.
„Du glaubst uns echt nicht was wir gerade gesehen haben“, kam Domoe wieder auf das Thema von vorhin zurück.
Keyomi sah Domoe aufmerksam an.
„Wir haben einen Wolf gesehen“, platze es aus Hiko heraus.
„Hey, das wollte ich ihr erzählen“, begann Domoe sich gleich wieder mit ihm zu streiten.
Keyomi sah die Beiden jedoch nur unbeeindruckt an.
„Es gibt keine Wölfe mehr“, erklärte sie. „Sie sind schon vor Jahrhunderten ausgestorben, so wie die meisten Tiere. Ihr Lebensraum wurde vernichtet.“
„Ja; aber wir haben wirklich einen gesehen“; hielt Hiko dagegen.
„Stimmt. Ein großer, weißer Wolf.“
„In der Stadt?“, blieb Keyomi bei ihrer Meinung.
Hiko und Domoe sahen sich an. Irgendwie hatte sie ja Recht. Was sollte ein Wolf ausgerechnet in einer Stadt? Zumal sie eben schon seit Ewigkeiten ausgestorben waren. Aber sie hatten ihn doch gesehen.
„Ich weiß doch was ich gesehen hab“, murrte Domoe. „Es war ein weißer Wolf.“
„Ah“, stöhnte Kazuya leicht und schlug die Augen auf.
Keyomi sprang sofort auf und lief zu ihm rüber.
„Kazuya“, sprach sie ihn an. „Geht es dir schon etwas besser?“
„Ja“, nickte er und richtete sich auf. „Wir müssen hier verschwinden.“
Keyomi schüttelte den Kopf und drückte ihn wieder runter.
„Du musst dich ausruhen. Wir werden morgen weiterziehen.“
„Nein“, schüttelte er den Kopf und stand auf. „Wir müssen gehen.“
Keyomi, Hiko und Domoe sahen ihn verwirrt an und beobachteten ihn, während er sein Shirt und die Jacke überzog.
„Wo ist Akame?“, sah Kazuya sich suchend um.
Keyomi zuckte nur mit den Schultern. Was hatte er denn plötzlich? Er konnte sich kaum auf den Beinen halten und wollte unbedingt weiterziehen. Wieso?
„Wir müssen sofort verschwinden“; kam Akame plötzlich aufgeregt angestürmt.
Er sah Kazuya kurz an, der auch ihm einen Blick zuwarf.
„Ich habe Truppen der Aristokraten gesehen. Wir müssen abhauen.“
„Ja los“, nickte Kazuya und humpelte aus dem Haus.
Er konnte sich kaum aufrecht halten und schlich wie eine Schnecke über den Sandboden. Hiko, Domoe, Akame und Keyomi waren längst an ihm vorbeigestürmt.
„So kommen wir ja nie voran“, maulte Akame und warf sich Kazuya über die Schulter.
„Hey!“, rief Kazuya. „Lass mich runter.“
Akame überhörte ihn aber ganz einfach und stürmte weiter. Sie eilten durch die Straßen. Sie hatten die Stadt schon fast verlassen, als sie ein ohrenbetäubendes Piepen hörten.
„Was ist das?“, fragte sich Hiko.
„Das ist ein Luftschiff der Aristokraten“, erklärte Keyomi und sah, genau wie die Anderen, zum Himmel hinauf.
Ein riesiges, rundes Schiff flog langsam über die Stadt.
„Es wird Zeit zu verschwinden“, bemerkte Akame.
„Ich kann jetzt wieder allein gehen“, beteuerte Kazuya.
Akame ließ ihn hinunter. Er stütze sich kurz an einer Mauer ab stand dann aber wieder relativ fest auf seinen Beinen. Als Erster eilte er los. Die Anderen folgten ihm sofort. Sie waren endlich aus der Stadt raus, als sich hinter ihnen, unter dem Schiff, ein riesiger, roter Laser bündelte und auf die Stadt prallte. Der Krach der Explosion veranlasste die Truppe sich umzudrehen. Entsetzt blickten sie auf die brennende Stadt.

Harbin saß in seinem Büro und drückte wild auf der Tastatur seines Computers herum. Seit Stunden suchte er nach einem Hinweis. Qian hatte ohne Angabe von Gründen gekündigt, Callery war aus allen Akten gelöscht worden und die Prophezeiung des Mondes war auch nirgends zu finden. Harbin hatte das Buch in seinen Händen gehalten, aber es existierte nicht. Natürlich tat es das nicht, denn es war ja auch verboten. Schon allein das musste einen doch nachdenklich machen. Warum sollte ein Märchenbruch verboten sein?
Harbin gab auf. Er würde ja doch nichts finden. Callery war weg. Einfach verschwunden und er wusste nicht wo er nach ihr suchen sollte. Die einzige Person die er fragen konnte war ebenfalls verschwunden. Harbin hatte mehrmals bei Pear zu Hause angerufen, aber es war niemand da gewesen und der Vermieter hatte ihm schließlich erzählt das Mr. Pear seine Wohnung aufgegeben hätte. Auch er war also spurlos verschwunden. Harbin legte die Ellbogen auf den Tisch und vergrub sein Gesicht in den Händen. Was sollte das alles? Was hatte das denn alles zu bedeuten? Warum hatte Callery ihm nicht gesagt, was hier vor sich ging? Das Pear ihn nicht in seine Pläne eingeweiht hatte, wunderte ihn nicht. Der alte Herr konnte ihn nicht ausstehen, das hatte er nie gekonnt. Aber Callery hatte ihm immer alles anvertraut. Ihre tiefsten Geheimnisse. Zumindest hatte er das immer geglaubt. Vielleicht hatte er sich ja auch geirrt. Wer wusste das schon?
Niedergeschlagen schaltete Harbin den Bildschirm seines Computers aus und zog sich den Mantel über. Er nahm den Hut vom Tisch und setzte ihn sich mit einer fließenden Bewegung auf den Kopf, dann verließ er das Büro.
Er trottete verzweifelt durch die dunklen Straßen der Stadt. Wieso hatte Callery ihm nicht einfach gesagt wo sie hin gegangen war? Dann müsste er sich jetzt nicht solche Sorgen um sie machen. Hatte das alles etwas mit dem Verschwinden dieses Mädchens zu tun? Was ging da nur vor sich? Harbin blieb stehen und blickte auf die kleine Bar neben sich. Einen Augenblick zögerte er.
„Ach was soll’s“, sagte er zu sich selbst und betrat die Bar.
Er setzte sich auf einen der Hocker und legte den Hut neben sich ab.
„Einen Whisky bitte“, bestellte er.
Der Barkeeper nickte und stellte ihm ein Glas Whisky auf den Tisch. Harbin ergriff es sofort und schüttete das bittere Zeug herunter. Er kniff die Augen leicht zusammen und stellte das Glas dann mit einem lauten Knall wieder ab.
„Noch einen“, verlangte er.
Was nütze das denn jetzt noch? Die Frau die er liebte war spurlos verschwunden und er konnte nichts tun. Er wusste nicht wo er suchen sollte, noch was zu ihrem Verschwinden geführt hatte. Er war ein mieser Bulle, also nütze ihm auch sein Beruf nicht dabei sie zu finden. Und zu allem Unglück war der einzige Mensch der ihm helfen konnte auch noch verschwunden. Das war ja mal wieder prima.
Während Harbin in der Bar saß, ging einer der Beamten an seinen Computer. Er schaltete den Bildschirm an und durchsuchte die zuletzt angesehenen Dateien. Sofort griff er zum Hörer.
„…Und; und“, lallte Harbin. „Ich bin mir nicht mal sicher was sie eigentlich für mich empfindet. Bin ich nur ein guter Freund für sie? Ich weiß es nicht. Und wenn es so ist, dann weiß ich auch nicht was ich tun soll.“
Der Barkeeper sah Harbin nur mitfühlend, aber gelangweilt an. Er war es gewohnt, dass sich ein paar Schnapsleichen bei ihm ausheulten. Das gehörte zu seinem Beruf.
„Harbin Locust?“, kam ein Beamter, mit langem, grauem Mantel herein und sah Harbin aufmerksam an.
Harbin drehte sich um und sah den Mann betrunken an.
„Ja?“
„Sie sind vorläufig vom Dienst suspendiert.“
„Was?!“, war Harbin schlagartig wieder nüchtern.
Er verstand die Welt nicht mehr. Was sollte das? Wieso war er suspendiert? Das ergab doch gar keinen Sinn.

Kazuya, Keyomi, Akame, Hiko und Domoe starrten noch immer fassungslos auf die brennende Stadt. Sie waren der Katastrophe ja gerade so entgangen. Nur, welches Interesse hatten die Aristokraten an dieser kleinen Stadt? Warum hatten sie sie angegriffen?
Kazuya drehte sich um und sah in die Ferne. Nach und nach drehten sich auch die Anderen um und musterten ihn.
„Wir müssen da hin“, deutete er mit dem Finger nach Norden.
„Und was werden wir dort finden?“, wollte Akame wissen.
Kazuya sah nur weiter still zum Horizont. Er wusste ganz genau was sie dort finden würden. Sie würde dort sein. Er spürte es ganz genau. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, setzte er den Weg jetzt fort. Keyomi, Akame, Domoe und Hiko sahen sich fragend an und folgten ihm dann. Sie hatten sich langsam daran gewöhnt das Kazuya ihnen keine Antworten auf ihre Fragen gab.
Ausdauernd stapften die Fünf weiter durch den Schnee. Kazuya führte die Gruppe stets an. Es zog ihn einfach immer weiter. Desto näher sie dem Schloss kamen, umso größer wurde dieses eigenartige Gefühl.

Der Raum war dunkel. Auf einer Liege vor einem großen Buntglasfenster lag ein junges Mädchen. Ihre schneeweißen Haare lagen lang über ihrem Körper. Sie trug einen engen, weißen Anzug mit Goldverziehrungen. Ihre Augen waren geschlossen, doch sie hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Ein Mann kam jetzt mit dumpfen Schritten auf sie zu. Sein Blick war starr auf sie gerichtet. Mit seinen roten Augen sah er das Mädchen an. Sein schwarzer Mantel fiel lang auf den Boden. Er blieb jetzt vor ihr stehen und musterte sie.
„Meine Schöne“, hauchte er und streckte die Hand nach ihr aus.
In einem anderen Raum des Schlosses stand eine Frau mit schwarzen, streng zusammengebundenen Haaren und einem langen, schwarzen Kleid. Ihre Lippen waren lila und ihre ebenfalls lilafarbenen Augen sahen einfach auf den weiß-grauen Wolf vor ihr. Der Wolf knurrte böse und versuchte sie anzuspringen, doch eine dicke Eisenkette hielt ihn zurück. Die Frau hob die Hand unter ihrem schwarzen Umhang und umfasste den Griff des Dolches noch etwas fester. Langsam schritt sie auf ihn zu. Der Wolf knurrte noch etwas mehr. Mit einer schnellen Bewegung schlitze sie ihm die Kehle auf. Blut spritze auf den Boden.
Das Mädchen riss ganz plötzlich ihre weißen Augen auf. Der Mann schrak leicht zurück, lächelte aber dann.
„Endlich bist du erwacht.“
Das Mädchen sah starr ins Leere. In ihren Augen regte sich etwas. Der Mann hob plötzlich die Hand vors Gesicht. Ein gleißendes Licht blendete ihn. Ein lauter Schrei hallte durch den Raum und ließ die Fenster zerspringen.
„Ah!“, schrie der Mann, als ihn ein Glassplitter im Auge traf.
Er zog den Splitter aus dem Auge und Blut topfte auf den Boden. Noch immer war er geblendet und dieser Schrei lähmte ihn.
„Ah!“, drückte Hiko die Hände auf seine Ohren und kniff die Augen schmerzverzerrt zusammen.
„Was ist das?“, fragte sich Domoe.
Kazuya stand aufmerksam da.
„Das ist sie“, nuschelte er.
„Wer?“, fragte Keyomi und sah ihn an.
Kazuya antwortete nicht und stürmte einfach los.
„Warte Kazuya!“, rief Akame ihm nach.
„Wo willst du denn hin?“, schrie Domoe.
Die Vier sahen sich an und stürmten ihm dann nach.
Der Mann hockte noch immer auf dem Boden und hielt sich das Auge. Langsam verging das Licht und er nahm die Hand herunter. Er konnte das verletzte Auge kaum aufhalten. Langsam drehte er sich um und sah auf die große Flügeltür in der ein weißer Wolf stand. Arrogant lächelte er.

Kazuya blieb vor dem großen, düsteren Schloss stehen, das aus der weißen Landschaft herausragte. Einen kurzen Moment musterte er es. Er spürte es förmlich. Sie war hier. Er nahm diesen lieblichen Duft war, den er das erste Mal gerochen hatte, als er sie im Gefängnis gesehen hatte. Es war derselbe zarte Duft. Sein Herz klopfte und er verspürte dieses Kribbeln im Bauch. Kazuya lief eilig weiter.
„Kazuya!“, rief Keyomi ihm nach und blieb etwas außer Atem vor dem Schloss stehen.
Auch Domoe, Akame und Hiko kamen jetzt an und blieben hinter Keyomi stehen.
„Was ist das für ein unheimlicher Ort?“, fragte sich Hiko.
„Das ist das Schloss von einem Aristokraten“, entgegnete Domoe.
„Woher weißt du das?“, wollte Akame wissen.
„Na ist doch klar. Nur diese Futzies können sich so ein Schloss leisten. - - - Was will Kazuya hier?“
Keyomi zuckte leicht mit den Schultern und lief dann weiter. Sie hatte keine Wahl. Auch wenn ihr das Schloss unheimlich war, sie musste Kazuya folgen. Sie wusste nicht was mit ihm los war, aber er schien nicht mehr richtig klar denken zu können. Sie musste wohl oder übel auf ihn aufpassen.
„Hey Keyomi warte!“, rief Domoe.
Akame und Hiko stürmten ihr jetzt hinterher.
„Oh man!“, beschwerte sich Domoe.
Wieso mussten die sich immer alle so waghalsig ins Abenteuer stürzen? Ein wenig widerspenstig folgte Domoe ihnen.
Kazuya lief hastig durch die Gänge. Er wusste genau wohin er gehen musste. Aus irgendeinem Grund wusste er es ganz einfach. Etwas führte ihn. Es war dieser Geruch. Dieser Geruch zog ihn magisch an.
„Hey seht mal!“, hielt Hiko die anderen an und betrachtete die Malerei an den Wänden.
„Was ist das?“, fragte sich Domoe.
Keyomi trat etwas näher heran und betrachtete das Bild eines Mädchens, das neben einem weißen Wolf auf einem Hügel stand und zum Mond blickte der voll und hell über ihr stand. Unten im Tal blühten lauter Blumen, die einen Weg zum Horizont bildeten. Was hatte das zu bedeuten?
Während die Anderen sich die Wandmalereien ansahen, lief Kazuya zielstrebig auf die Tür am Ende des Korridors zu. Der Geruch wurde immer stärker. Er musste aus diesem Raum kommen. Kazuya stieß entschlossen die Tür auf und blieb stehen. Starr blickte er auf die Liege und das zerstörte Zimmer vor sich. Um die Liege herum und darauf lagen überall Glassplitter. Eine Statue lag umgestoßen und zerbrochen auf dem Boden. Blutspritzer wohin das Auge reichte. Als wäre hier ein Kampf entbrannt. Aber der Raum war leer. Das Mädchen war nicht hier. Kazuya war sich ganz sicher gewesen. Er nahm den Geruch auch jetzt noch war. Er war ganz stark.
Kazuyas Blick fiel jetzt auf die Schläuche die über der Liege hingen. Er betrachtete alles noch einmal ganz genau. Erst jetzt wurde ihm klar, dass dies der Raum war, den er in seinem Traum gesehen hatte. Ja; er war sich ganz sicher. Langsam, mit behäbigen Schritten, lief er zur Liege hinüber. Er griff nach einem der Schläuche und zog ihn vor sein Gesicht. Eine Weile musterte er ihn nur, dann sog er den Geruch in seine Nase. Das war es, was er die ganze Zeit gerochen hatte. Was immer es war, das hatte er gerochen. Sie war hier gewesen. Er war sich ganz sicher. Was immer geschehen war, aber sie war hier gewesen. Hoffentlich ging es ihr gut.
„Kazuya!“, kam Keyomi plötzlich angestürmt.
„Oh man was ist denn hier passiert?“, sah Domoe sich um.
„Sieht aus als hätte hier ein Kampf stattgefunden“, hockte Akame sich auf den Boden und strich mit zwei Fingern durch eine Blutpfütze. Er rieb das Blut zwischen seinen Fingern und roch leicht daran. „Das Blut ist frisch“, bemerkte er.
„Das Schloss scheint verlassen zu sein“, entgegnete Domoe.
Kazuya stand noch immer reglos da und starrte auf die Liege und die Glassplitter die überall verstreut waren. Was um alles in der Welt war hier nur geschehen?

Callery saß im Luftschiff der Soldaten an ihrem Computer und blickte starr auf den Bildschirm. Eine Strähne ihrer braunen Haare war ihr ins Gesicht gefallen und sie schob sie abwesend hinters Ohr.
„Was ist das?“, fragte sie sich ratlos.
„Haben sie was?“, trat Commander Gherkin hinter sie und sah ihr über die Schulter.
„Na ja“, stotterte Callery ein wenig, da sie nicht glauben konnte was sie da sah. „Sie bewegt sich.“
„Und was heißt das im Klartext?“, murrte der große, kräftige Mann mit den braunen Haaren und dem Schnurrbart.
Callery sah weiter auf den Bildschirm und betrachtete das riesige, aufflammende, rote Signal.
„Sie ist erwacht.“
Gherkin sah sie nur, mit leicht zusammen gezogenen Augenbrauen an. Diese ganze Sache hier war ihm wirklich nicht geheuer, aber er hatte einen Auftrag. Er musste dieses eigenartige Wesen unversehrt wieder zurückbringen.
„Hält sie sich immer noch im Schloss von Lord Kasun auf?“, hakte er nach.
Callery sah wieder auf den Bildschirm und schüttelte dann den Kopf.
„Das kann ich nicht sagen“, antwortete Callery ratlos. „Das Signal ist viel zu stark, ich kann ihre Position nicht eindeutig lokalisieren.“
„Ar“, knurrte Gherkin nur.
Wie er die moderne Technik doch hasste. Funktionierte ja doch alles nicht. Gherkin drehte sich um und sah aus dem großen, frontalen Fenster auf die Schneelandschaft unter ihm.
Callery saß indes noch immer vor dem Computer und starrte auf den Bildschirm. Kahi war also erwacht. Warum nur so plötzlich? Was hatte sie dazu gebracht aus ihrem Schlaf zu erwachen? Callery konnte es noch gar nicht richtig glauben. Dieses Wesen schien also tatsächlich lebensfähig zu sein. Bisher hatte sie daran immer etwas gezweifelt, da sie schließlich über keine gewöhnliche DNS oder ähnliche Dinge verfügte. Callery war richtig aufgeregt.

Kazuya, Keyomi, Akame, Hiko und Domoe hatten sich entschieden weiter zu gehen. Es brachte ihnen nichts, weiter in diesem Schloss zu bleiben. Dieses Schloss hatte ihnen von Anfang an nicht gefallen und sie waren froh endlich wieder raus zu sein. Jetzt stapften sie wieder durch den Schnee.
Kazuya fragte sich was er tun sollte. Er war sich sicher gewesen sie dort anzutreffen, aber sie war nicht da gewesen. Wie sollte er sie jetzt finden? Würde ihn sein Gefühl wieder zu ihr bringen? Was war in diesem Schloss passiert? Überall war Blut gewesen und die Scherben auf dem Boden ließen nichts Gutes vermuten. Kazuya war sich allerdings ziemlich sicher, das sie noch am Leben war, denn er hörte ihre Stimme. Ja, er hörte sie ganz deutlich. Er blieb plötzlich stehen und sah in die Ferne. Keyomi, Hiko, Akame und Domoe blieben ebenfalls stehen und musterten ihn. Sie folgten seinem Blick, doch konnten sie nicht erkennen was er dort zu sehen schien. Das konnten sie auch nicht, denn Kazuya sah nichts weiter als den Horizont. Aber er wusste, dass sie dort auf ihn wartete.
„Was ist los?“, fragte Akame ihn.
„Ich spüre etwas“, antwortete er und hielt seinen Blick dabei starr auf den Horizont gerichtet. „Ich weiß nicht was es ist, aber es ist mir doch vertraut.“
Er sah die Anderen jetzt an.
„Spürt ihr denn gar nichts?“
Akame, Domoe und Hiko sahen sich fragend an und zuckten mit den Schultern. Keyomi senkte leicht den Kopf.
„Ar“, knurrte Kazuya und stürmte los.
„Oh man, was hat er denn jetzt schon wieder?“, fragte sich Domoe.
Keyomi blickte einen Moment nachdenklich und etwas verwirrt auf den Boden, dann lief sie ihm wieder einmal hinterher.
„Oh man“, maulte Akame und folgte ihnen.
Natürlich blieben Hiko und Domoe nicht zurück und stürmten ihnen ebenfalls hinterher. Sie wussten nicht wohin sie rannten, denn am Horizont war absolut nichts zu sehen, aber sie liefen immer weiter. Wie besessen stürmte Kazuya immer weiter, den Blick auf den Horizont gerichtet. Seine Jacke blies sich im Wind leicht auf und er bewegte die Arme schnell hin und her, während er mit weiten Schritten weiter eilte.
Ganz plötzlich blieb er stehen und starrte auf einen Vorsprung des Berges, der sich vor ihm aufbäumte. Er war über und über mit Schnee bedeckt. Oben standen ein paar Bäume. Man konnte nicht viel sehen, dennoch starrte Kazuya angespannt nach Oben. Akame, Keyomi, Domoe und Hiko kamen jetzt auch an und blieben hinter Kazuya stehen.
„Was ist denn da?“, fragte Hiko.
Domoe stütze die Hände auf die Knie und holte erst Mal Luft. Auch Akame und Keyomi fragten sich, warum Kazuya so starr nach dort Oben blickte, schließlich war dort nichts zu sehen. Beide rissen jedoch plötzlich die Augen auf, als ein wunderschönes Mädchen, mit langen, weißen Haaren, neben einem weißen Wolf an der Klippe auftauchte. Ausdruckslos sah sie zu Kazuya und den Anderen hinunter. In seinen Augen jedoch veränderte sich etwas. Er sah erleichtert aus und irgendwie glücklich, wenn auch fassungslos. Tausend Gefühle schienen sich bei ihm zu mischen.
„Wer ist das?“, fragte sich Akame.
Keyomi senkte den Blick. Vor ihrem inneren Auge sah sie das Bild von der Wandmalerei aus dem Schloss. Dort hatte ein Mädchen neben einem Wolf an einer Klippe gestanden. Nun gut, es war keine Vollmondnacht und sie sah hier auch weit und breit keine Blumen, aber konnte es vielleicht wirklich wahr sein und dieses Mädchen war die besagte Mondprinzessin? Das war absurd, aber eine andere Erklärung hatte sie nicht.
Kazuya trat jetzt, ohne ein Wort zu sagen, an den Berg hinan und begann zu klettern.
„Was hat er vor?“, stieß Akame aus und sah ihm entsetzt nach.
Er wollte doch wohl nicht wirklich diesen vereisten Berg hochklettern, oder etwa doch? Akame wusste noch immer nicht wer dieses Mädchen war und wenn er es sich Recht überlegte, dann wollte er es vielleicht auch gar nicht wissen.
Wie sie es immer tat, folgte Keyomi ihrem Bruder, doch Akame packte sie am Handgelenk und sah sie eindringlich an.
„Willst du ihm wirklich folgen?“, fragte er sie.
Keyomi nickte sofort. Sie konnte nicht anders. Sie musste ihm folgen. Was auch immer in ihm vorging, sie verstand es irgendwie und wollte bei ihm sein. Sie hatte keine Wahl. Akame ließ ihr Handgelenk wieder los und Keyomi folgte Kazuya. Auch Hiko begann zu klettern, was Domoe und Akame doch etwas erstaunte. Sie gaben sich Beide geschlagen und stiegen nun auch den Berg hinauf.
„Man ist das rutschig“, warf Domoe einen Blick nach Unten, nachdem er beinahe abgerutscht wäre.
Akame warf indes einen Blick nach Oben zu Kazuya. Er war schon fast Oben angekommen. Er kletterte wie besessen. Was hatte der Kerl bloß?
„Nicht so schnell Kazuya“, bat Hiko.
Kazuya hielt an und sah zu Hiko hinunter. Er musterte ihn kurz, dann kletterte er weiter. Nach und nach kamen sie alle Oben an. Das Mädchen stand noch immer, etwas entfernt, an der Klippe und blickte nun zu ihnen rüber. Schützend stand der Wolf neben ihr. Hiko wich ängstlich zurück. Er hatte das Gefühl, wenn er dem Mädchen zu nahe kam, würde der Wolf ihn womöglich anfallen. Kazuya stand vor den Anderen und musterte das Mädchen noch einmal. Sie trug nur einen engen, weißen Anzug mit Goldverziehrungen. Ein paar Strähnen hingen ihr lang über die Schulter und sie sah Kazuya mit ihren kalten, weißen Augen an. Kazuya hatte noch nie solche Augen gesehen. Sie sahen aus, wie die Oberfläche des Mondes. Langsam ging Kazuya jetzt auf sie zu.
„Kazuya!“, streckte Keyomi die Hand nach ihm aus, doch sie erreichte ihn nicht mehr.
„Was hat er vor?“, fragte Akame.
Alle sahen gespannt zu was wohl passieren würde. Keyomi stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Sie hatte ein sehr merkwürdiges Gefühl. Einerseits spürte sie ein Kribbeln im Bauch, als wäre sie verliebt, auf der anderen Seite aber spürte sie pure Angst.
Kazuya blieb jetzt vor dem Mädchen stehen und sah sie einfach nur an. Sie wiederum stand genauso wie er einfach nur da und sah ihn an.
„Kahi“, sagte Kazuya dann und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Endlich“, hauchte sie und griff nach seiner Hand. „Endlich treffen wir uns Kazuya.“
„Woher kennt sie seinen Namen?“, wunderte sich Domoe.
Kahi sah Kazuya jetzt weiter nur eindringlich mit ihren weißen Augen an. Kazuyas Blick wich hinunter zu dem Wolf. Er musterte ihn. Der Wolf sah ihn mit seinen gelben Augen an. Er war ein wirklich schönes Tier. Schneeweiß, groß und stark gebaut.
Kahi hockte sich zu ihm herunter und streichelte ihm zärtlich über den Kopf.
„Kaba ist Kahis Freund“, erklärten sie mit einem glücklichen Lächeln. „Er beschütz Kahi.“
Kazuya nickte nur und musterte Kahi als sie wieder aufstand. Sie lächelte Kazuya fröhlich an und forderte ihn dann mit einer sanften Bewegung ihrer Hand auf mit ihr zukommen. Kazuya lief ihr bereitwillig hinterher. Hand in Hand gingen sie in den Wald hinein. Kaba folgte ihnen auf der Stelle. Die Anderen blieben stehen und sahen ihnen irritiert nach.
„Was hat das alles zu bedeuten?“, wunderte Akame sich.
„Das war die Mondprinzessin“, antwortete Keyomi, die es selbst kaum glauben konnte.
„Du willst mich wohl verarschen“, murrte Akame. „Die Mondprinzessin?“
„Vielleicht hat Keyomi ja Recht“, mischte sich Hiko ein. „Immerhin habe ich noch nie ein so seltsames Mädchen gesehen. Habt ihr ihre Augen gesehen? Die waren weiß.“
„Ich bin ja nicht blind“, meckerte Akame den Kleinen an.
„Erinnert ihr euch an das Bild aus dem Schloss?“, fragte Keyomi die Jungs, die alle nickten. „Das Mädchen und der Wolf. – Es ist die vollständige Geschichte über das Paradies. Uns Kindern wurde erzählt jeder könne das Paradies erreichen, aber in der Prophezeiung des Mondes heißt es, das nur die Mondprinzessin den Weg zum Paradies kennt.“
„Dann meinst du, wird sie uns zum Paradies führen?“, hakte Domoe noch einmal nach.
„Ich hab keine Ahnung“, gab Keyomi zu.
Sie sah Kazuya und Kahi jetzt nach. Wie es schien, glaubte Kazuya daran. Er vertraute ihr scheinbar blind. Noch niemals hatte er jemandem so vertraut. Nicht mal Keyomi vertraute er so sehr. Aber ihr folgte er blind. Ohne jede Frage war er ihr nachgelaufen. Es musste einen Grund dafür geben. Und da Keyomi keine rationale Erklärung dafür hatte, gab es nur noch diese eine Möglichkeit. Sie war die Mondprinzessin und würde sie zum Paradies führen. Das klang absurd, aber es schien so zu sein.
Keyomi seufzte unhörbar und lief Kazuya dann nach. Auch die anderen Drei folgten ihm nun.
Kazuya, Kahi und Kaba führten die Gruppe an. Kahi hielt noch immer Kazuyas Hand und er folgte ihr ganz bereitwillig. Nicht ein Mal fragte er sie, wo sie hinging. Er lief ihr einfach nach. Keyomi, Hiko, Akame und Domoe trotteten ihnen hinterher.
„Erklär mir das noch mal genauer“, forderte Akame Keyomi auf. „Was ist sie?“
„Der Legende nach ist sie ein Wesen das aus Mondlicht geschaffen wurde.“
„Aus Mondlicht?“, hinterfragte Akame.
„Ja. Der Mond hat sie geschaffen um mit dem Wolf das Paradies zu öffnen, während die Welt unter Schnee und Eis versinkt.“
„Die Welt geht also unter und sie geht ins Paradies“, gab Domoe das nötigste wieder.
„Ja. So steht es in der Prophezeiung des Mondes.“
„Und das weißt du woher?“, fragte Domoe skeptisch.
„Meine Mutter besaß dieses Buch“, erklärte sie. „Kurz vor ihrem Tod habe ich es gefunden und gelesen. - - - Ich hab es verloren.“
Keyomi sah nach vorn zu Kazuya. Es war schon seltsam. Sie hatte das Buch gelesen, er nicht. Er hatte nur wie jedes andere Kind auch, die Geschichte vom Paradies gehört. Und dennoch verhielt er sich so, als würde er alles wissen. Als wüsste er mehr, als Keyomi. Woher? Woher wusste er das alles?

Pear stieg aus dem Bus und blieb an der Straße stehen. Es war ein langer Weg von Dark City nach Shiakari gewesen. Aber nun war er endlich hier. Ihm war klar wer dieses Wesen aus dem Labor gestohlen hatte. Es konnte nur eine Person gewesen sein: Lord Kasun. Lord Arkum hatte dieses Wesen schließlich von ihm stehlen lassen und nun hatte er sich offensichtlich zurückgeholt was ihm gehörte.
Shiakari war einst eine idyllische, kleine Stadt am Rande eines Berges gewesen, doch mittlerweile war sie heruntergekommen und zerfallen. Lord Kasun war der Herrscher über diese Stadt und einst hatte sie daher geblüht wie sein Rosengarten. Doch nach all dem Leid das ihm zugestoßen war, hatte er das Interesse an allen Dingen verloren. Niemand wusste genau was geschehen war, doch scheinbar war seine Frau gestorben und er war nicht über ihren Verlust hinweggekommen. Nun war die Stadt verkümmert, genau wie die Rosen in seinem Garten und das ganze Schloss. Alles wirkte grau und trist. Niemand setzte gern einen Fuß auf die Straße.
Pear nahm jetzt seinen braunen Koffer und ging über die Straße. Er betrat die Ortschaft und lief durch die engen Pflastersteinstraßen. Ihm war klar dass es nicht leicht sein würde dieses Wesen zu finden, aber er musste es unbedingt. Lord Arkum hatte bereits Truppen ausgesandt um sie wieder zurückzubringen, aber darauf verließ sich Pear nicht länger. Eigentlich wusste niemand davon, doch Pear hatte so seine Quellen. Deshalb wunderte es ihn auch nicht, dass es in der Stadt nur so von Soldaten wimmelte. Solange dieses Wesen in der Obhut von Lord Arkum gewesen war, hatte er sich das ganze mit angesehen. Aber nun war sie entführt worden und in die Hände dieses Kasun gefallen, und niemand konnte Pear versprechen das dies nicht wieder passieren würde, also nahm er die Sache nun selbst in die Hand. Dieses Wesen musste sterben. Sie konnte das Ende der Welt bedeuten und das wollte Pear nicht zulassen. Er würde alles daran setzten um sie zu finden und zu töten. Unter seinem Mantel trug er stets ein Gewehr mit sich herum. Wenn er sie fand, dann würde er nicht eine Sekunde zögern. Scheinbar wollte jeder dieses Wesen lebend haben, doch er wollte es tot sehen.
Pear ging jetzt in eine kleine, heruntergekommene Bar und setzte sich an den Tresen. Er legte den Hut ab und sah den Barkeeper an.
„Einen Whisky“, bestellte er.
„So früh schon?“, lächelte der Barkeeper und schenkte ein.
Pear trank den Whisky auf Ex und stellte das Glas auffordernd wieder auf den Tisch. Der Barkeeper schenkte sofort nach.
„Warum sind hier so viele Soldaten auf der Straße?“, fragte Pear geschickt.
„Tja, keine Ahnung. – Das sind Truppen von Arkum.“
„Hmh“, brummte Pear nur und leerte das Glas.
Er hätte sich denken können das die Leute hier keine Ahnung hatten was vor sich ging. Pear nahm den Hut, setzte ihn sich wieder auf den Kopf, griff nach seinem Koffer und verließ dann die Bar.

Kahi führte Kazuya noch immer. Kaba lief artig neben ihr her. Die Sonne war inzwischen untergegangen und der Mond ging langsam auf. Ein paar Sterne funkelten über den Köpfen der Gruppe, doch von hier aus konnte man sie kaum sehen, da die dichten Baumwipfel alles verdeckten.
„Hier wurde ich geboren“, erklärte Kahi Kazuya mit sanfter Stimme.
Er warf einen Blick zu ihr herunter und musterte sie einfach. Ihr Blick war starr nach vorn gerichtet, als erwarte sie etwas Großartiges dort zu sehen. Kazuya lenkte den Blick auch wieder nach vorn und sah, das der Wald dort vorne zu enden schien. Vor ihnen lag wohl eine Lichtung. Kahis Augen funkelten auf als sie die Lichtung mit dem kleinen See sah. Sie ließ Kazuyas Hand los und lief etwas schneller darauf zu. Sie blieb jedoch abrupt stehen und blickte traurig auf das Brachland. Kazuya trat neben sie und musterte die Lichtung. Die Bäume rund herum waren vertrocknet und der Boden bestand nur noch aus trockener Erde. Was immer hier einmal geblüht hatte, es war vergangen.
„Wo sind sie hin?“, nuschelte Kahi bedrückt.
„Wer?“, wollte Kazuya von ihr wissen.
„Die Blumen.“
Kazuya sah Kahi an. Sie schien unglücklich. Ihre Augen wurden ganz trüb. Scheinbar befanden sie sich an dem Ort, an dem sie geboren worden war. Kazuya hob den Kopf und sah zum Mond. Er stand genau über ihnen und ließ alles in einem unwirklichen Licht erstrahlen. Sicher war das der Ort an dem Kahi geboren worden war.
Kaba schmiegte seinen Kopf an Kahis Hand, als wollte er ihr damit etwas sagen. Als wollte er ihr sagen, dass es ihm Leid täte, sie aber nun weitergehen sollten.
„Oh man Leute“, kamen die Anderen plötzlich angestürmt. „Wir sollten hier besser verschwinden.“
Kazuya drehte sich sofort zu ihnen um.
„Wir haben Soldaten von Arkums Truppen gesehen“, berichtete Akame.
„Wir müssen gehen“, bat Kazuya Kahi.
Sie sah zu ihm rauf und nickte.

Callery, Commander Gherkin und ein paar Soldaten hatten indes das Schloss erreicht. Die Soldaten sicherten sofort die Gänge. Wenn noch jemand hier war, würden sie ihn finden. Das Schloss war jedoch leer. Callery lief mit Commander Gherkin durch die dunklen Gänge. Die Absätze ihrer Schuhe erzeugten ein lautes, hallendes Geräusch, wenn sie auftrat. Interessiert und fasziniert sah Callery sich um. Sie blieb vor der Wand mit der Malerei stehen und betrachtete sie.
„Sehen sie dieses Mädchen dort?“, fragte sie Gherkin.
„Ja“, nickte er genervt.
„Das ist Kahi. Der Legende nach wird sie mit dem Wolf zum Paradies aufbrechen.“
„Legenden sind mit scheißegal. Ich hab einen Auftrag und den werde ich ausführen.“
Gherkin zog weiter. Callery sah weiter gebannt auf das Bild. Das war doch alles kaum zu glauben. Kahi schien tatsächlich die Mondprinzessin zu sein und sie war erwacht. Callery drehte sich jetzt um und bemerkte das sie ganz allein war. Schnell eilte sie Gherkin hinterher. Sie liefen jetzt den Flur entlang auf die große Flügeltür zu. Callery sah entsetzt auf den Raum.
„Was glauben sie ist hier passiert?“, fragte sie Gherkin und sah sich dabei etwas um.
„Woher soll ich das wissen?“, maulte er nur wieder.
Callery betrachtete die Liege mit den Schläuchen. Es war unglaublich. Er hatte all die Technik überhaupt nicht gebraucht um sie am Leben zu erhalten. Sie hatten Kahi im Labor in einen Glaskäfig gesperrt und sie rund um die Uhr überwacht. Er hatte das alles scheinbar nicht getan. Sie war nur an diese Schläuche angeschlossen gewesen, durch die ihr irgendeine Flüssigkeit injiziert worden war. Tja, Lord Kasun hatte Kahi aufgezogen. Er kannte sie wohl besser als jeder Andere. Es war kein Wunder das er es auch ohne technische Hilfsmittel geschafft hatte. Callery hob eine blutige Glasscherbe auf und betrachtete sie. Was war hier passiert?
„Sir!“, stürmte plötzlich ein Soldat herein. „Das sollten sie sich ansehen.“
Gherkin und Callery drehten sich sofort zu ihm um und sahen ihn interessiert an. Sie zögerten nicht eine Sekunde und eilten ihm hinterher in ein Nebenzimmer. Auf dem Boden lag ein toter Wolf. Callery trat sofort näher und betrachtete ihn.
„Was glauben sie was das ist?“, fragte Gherkin sie.
„Ich hab keine Ahnung, aber ich vermute, dass es ein Wolf ist.“
„Das ist ja lächerlich. Sie wissen genauso gut wie ich das Wölfe schon seit langer Zeit ausgestorben sind.“
„Ja das weiß ich, aber ich weiß auch, dass dort draußen ein Wesen herumläuft, das nach unserem Wissen gar nicht lebensfähig sein kann. – Es scheint Dinge zu geben, die wir einfach nicht erklären können.“
„Ah“, murrte Gherkin nur wieder und ging.
Callery nahm den Wolf noch etwas genauer unter die Lupe. Seine Kehle war aufgeschlitzt. Er lag in einer riesigen Blutlache. Warum hatte man das getan? Warum hatte man ihn getötet und dann einfach hier liegen lassen? Es war unwahrscheinlich, dass jemand aus Notwehr gehandelt haben könnte, denn der Wolf war angeleint. Callery richtete sich auf und sah zur Tür hinaus. Das war die Erklärung. Das war der Grund für Kahis starke Reaktion und ihr Erwachen. Wolfsblut. Es war klar, dass sie eine enge Bindung zu Wölfen hatte, immerhin galt ein Wolf als ihr ständiger Begleiter. Das Wolfsblut hatte sie geweckt und Lord Kasun hatte das gewusst. Es war ganz offensichtlich.
„Nehmen sie den Wolf mit“, befahl Callery und ging an dem Soldaten vorbei.
Er sah ihr etwas irritiert nach, dann sah er zu dem Wolf. Irgendwie war ihm nicht ganz wohl bei dem Gedanken.
Callery kam auf den Flur, als ihr Ortungsgerät anfing zu piepen. Callery, die es sich über die Schulter geworfen hatte, hob es leicht an und warf einen Blick darauf. Das Signal hatte sich etwas beruhigt, wenn es auch immer noch sehr stark war. Aber nun konnte man es vielleicht doch orten. Callery warf einen Blick zu Commander Gherkin, der genervt und gereizt mit seinen Männern sprach. Vielleicht war es keine gute Idee ihn einzuweihen. Callery schob sich unbemerkt an den Soldaten vorbei und verließ das Schloss allein.

Kaba stürmte durch den Wald. Kazuya zog Kahi etwas hinter sich her. Auch Keyomi, Akame, Domoe und Hiko eilten ihnen hinterher. In der Nähe des Schlosses wimmelte es nur so von Soldaten. Sie mussten hier schleunigst verschwinden. Es war nicht ganz leicht unerkannt mit Kahi abzuhauen. Überall schienen sie nach ihr zu suchen.
Kaba hielt plötzlich an und sah sich um.
„Wie weit willst du sie eigentlich noch mitschleppen?“, ging Akame auf Kazuya zu.
Kazuya sah ihn nur böse an.
„Solange dieses Mädchen bei uns ist werden die uns überall jagen.“
„Und was willst du damit sagen?“, fauchte Kazuya.
„Das es besser wäre wir lassen sie zurück.“
„Aber das können wir doch nicht machen“, stieß Hiko aus. „Wir können sie doch nicht einfach allein lassen.“
„Willst du lieber, dass die Soldaten uns in die Finger kriegen? Ich darf dich daran erinnern das wir auf der Flucht sind.“
„Da muss ich Akame ausnahmsweise Recht geben“, mischte sich Domoe ein. „Flüchtlingen stehen schlimme Strafen bevor. Ich will gar nicht daran denken was uns erwartet, wenn sie uns finden.“
„Um uns geht es hier doch gar nicht“, entgegnete Keyomi. „Es geht ihnen einzig und allein um Kahi.“
„Dann liefern wir sie aus und verschwinden.“
„Vergiss es“; knurrte Kazuya Akame böse an.
„Willst du dich mit mir anlegen?“
Akame und Kazuya knurrten sich nur böse an. Sie wurden aber schnell ruhig, als sie bemerkten, dass jemand dort am Waldrand stand. Alle sahen zu der Frau hinüber die dort stand und sie ebenfalls ansah. Kaba baute sich vor Kahi auf und knurrte.
Callery blickte starr auf Kahi. Sie konnte es kaum glauben. Sie stand tatsächlich vor ihr. Lebendig.
„Kahi“, hauchte sie nur fassungslos.
Kazuya packte Kahis Hand und sah dabei aufmerksam zu Callery rüber.
„Lass uns verschwinden“, forderte er sie auf und lief dann los.
Kahi ließ sich von ihm wegziehen und eilte ihm mit einem Lächeln auf den Lippen hinterher. Auch Kaba, Keyomi, Akame, Domoe und Hiko stürmten hinterher in den Wald hinein. Callery blieb regungslos stehen. Sie war wie versteinert, gar nicht in der Lage sich zu bewegen. Kahis eiserner Blick hatte sie erschaudern lassen.

Die Gruppe kam jetzt in die Stadt. Hier wimmelte es auch von Soldaten, aber man würde sie sicher nicht gleich erkennen. Im vorbeigehen schnappte sich Kazuya ein lilafarbenes Cape und hing es Kahi über den Kopf. Die Kapuze legte sich über ihre Haare und um ihr Gesicht, wodurch sie nicht mehr so auffiel. Ihre weißen Haare und die leuchtenden Augen waren doch etwas zu auffällig. Mit leicht gesenkten Köpfen liefen sie durch die Straßen.
„Wir sollten uns aufteilen“, schlug Kazuya vor. „Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier.“
Alle nickten und machten sich auf den Weg. Kazuya blieb natürlich mit Kahi und Kaba zusammen, Domoe schleifte Hiko hinter her und Akame nahm Keyomi mit sich.
„Was hältst du von diesem Wesen?“, wollte Akame von Keyomi wissen.
Keyomi senkte nur leicht den Blick und lief weiter neben ihm her.
„Also ich traue ihr nicht.“
„Wie solltest du auch“, entgegnete Keyomi mit einem zarten, aber traurigen Lächeln auf den Lippen. „Sie ist kein Mensch so wie wir. Sie wurde aus Mondlicht geschaffen. Wie soll man dazu vertrauen haben?“
„Kazuya scheint ihr zu vertrauen.“
Akame sah Keyomi abwartend an, aber sie entgegnete nichts. Ihm war klar, dass ihr sein Verhalten zu schaffen machte. Er wusste das sie viel zusammen durchgemacht hatten, wenn er auch nicht genau wusste was. Aber Keyomi hing sehr an ihrem Bruder und daher musste ihr sein Verhalten ziemlich wehtun.
Hiko und Domoe hatten statt einem Fluchtweg ein paar Stiefel für Kahi entdeckt. Domoe war ein gewitzter Dieb und nahm sie ganz einfach im Vorbeigehen mit.
„Wie machst du das?“, eilte Hiko ihm nach.
„Alles eine Frage der Übung“, hob Domoe die Nase in die Luft.
„Oh“, staunte Hiko nur fasziniert.
Er hatte wirklich keine Erfahrung auf der Straße und war jedes Mal beim Klauen erwischt worden. Von Domoe konnte er wohl noch einiges lernen.
Nach einer Stunde trafen sich alle wieder am vereinbarten Ort. Kazuya und Kahi waren die Letzten die zurückkamen.
„Es gibt keinen Weg aus der Stadt raus“, berichtete Kazuya, als er langsam auf die anderen zulief. „Alles wird bewacht.“
„Hinter dem Schloss gibt es einen Wald. Ein ziemlich finsteres Loch, aber die einzige Chance zu fliehen.“
„Was habt ihr gefunden?“, richtete sich Kazuya an Hiko und Domoe.
„Rein gar nichts“, antwortete der Blondschopf.
„Dann ist es beschlossen. Morgen Nacht machen wir uns auf den Weg.“
Alle nickten.
„Hey Kahi“, ging Domoe mit den Stiefeln auf sie zu und lächelte sie an. „Sieh mal was ich dir mitgebracht habe. Gefallen sie dir?“
Kahi sah die Schuhe einen Moment wortlos an. Domoe stellte sie daraufhin auf den Boden. Mit einer fließenden Bewegung schlüpfte Kahi hinein und lächelte dann.
„Sie scheinen ihr zu gefallen“, bemerkte Hiko etwas erstaunt darüber, das ihr, so weltliche Dinge Freude zu bereiten schien.
„Wir sollten ein sicheres Versteckt suchen“, forderte Kazuya die Anderen auf und ging dann weiter.
Kahi folgte ihm glücklich über ihre neuen Schuhe.
Pear lief auch noch immer durch die Straßen. Die beiden Gläser Whisky hatten ihn wieder etwas aufgewärmt. Morgen würde er sich auf den Weg zum Schloss machen. Vielleicht fand er da ja noch was.
Kahi, Kazuya, Keyomi, Akame, Domoe, Hiko und Kaba liefen jetzt an dem alten Mann vorbei. Pear drehte sich überrascht um und sah ihnen nach. Konnte das wirklich sein?
„Das ist sie doch!“, nuschelte er und zog sein Gewehr unter dem Mantel hervor.
Er legte an und blickte durch das Zielrohr, doch es war niemand mehr zu sehen. Die Kids und der Hund waren verschwunden.
Die Gruppe stürmte durch die engen Straßen und blieb dann hinter einer Ecke stehen.
„Das war knapp“, schnaufte Hiko.
„Wie war der denn drauf?“, fragte sich Domoe.
Die Jungs und Keyomi sahen plötzlich zu Kahi, die etwas abseits von ihnen stand. Ein breiter Mondstrahl fiel auf sie herab. Sie hatte die Hände leicht angehoben und den Kopf zum Himmel gestreckt.
„Was macht sie da?“, fragte Hiko.
Aber keiner von ihnen konnte eine Antwort darauf geben.

Missing Moonlight

Die Gruppe hatte sich in einer alten Ruine versteckt. Es sah mehr aus wie ein Steinberg statt eines Hauses, aber es reichte um sich bis morgen zu verstecken. Kaba hatte sich schlafen gelegt. Kahi saß neben ihm und streichelte ihm zärtlich über das weiche Fell. Kazuya beobachtete sie dabei leicht. Wieso fühlte er sich so wohl und glücklich, während er die Beiden beobachtete?
„Man hab ich einen Hunger“, murmelte Domoe und legte die Hand auf seinen knurrenden Magen.
„Ja ich auch“, jammerte Hiko.
„Jetzt hört auf rumzunörgeln“, meckerte Akame. „Wir finden sicher bald was. Morgen werden wir losziehen und was zu Essen besorgen.“
Domoe und Hiko sahen Akame nur mürrisch an. Dauernd musste er rummeckern. Das nervte echt. Domoe sah jetzt zu Keyomi, die Kahi und Kaba musterte.
„Siehst du Keyomi“, richtete Domoe sich an sie, woraufhin sie ihn ansah. „Es gibt doch Wölfe. Genau so einen haben wir in der Stadt gesehen.“
Keyomi sah ihn nur einfach an. So langsam glaubte sie wirklich alles. Sogar die Existenz des Paradieses kam ihr inzwischen nicht mehr so absurd vor. Immerhin saß dort ein Mädchen vor ihr, das aus Mondlicht geschaffen wurde, wie die Legende es besagte. Was sie jedoch viel mehr beschäftigte war die Frage, wie sie sie hatten finden können. Woher hatte Kazuya gewusst das sie dort sein würde? Irgendetwas schien ihn zu ihr geführt zu haben. Das war die einzige Erklärung.
„Ich bleib dabei“, riss Akame Keyomi aus ihren Gedanken. „Mit ihr werden wir nicht weit kommen.“
„Kahi kommt mit uns“, sprang Kazuya wütend auf.
„Warum bedeutet dir die Kleine so viel?“, wollte Akame von Kazuya wissen.
„Sie bringt uns zum Paradies.“
„Oh; ich kann diese Scheiße langsam echt nicht mehr hören. Mir geht es am Arsch vorbei was sie für ein seltsames Ding ist, aber dein verdammtes Paradies existiert nicht, klar? – Solange wir die Kleine bei uns haben, werden die uns jagen. Noch hatten wir Glück, aber die Frage ist wie lange noch.“
„Das interessiert mich nicht“, fauchte Kazuya ihn wütend an. „Kahi kommt mit uns, verstanden?“
Akame und Kazuya sahen sich plötzlich irritiert an. Auch Domoe, Hiko und Keyomi sahen sich suchend um.
„Was ist das?“, fragte Hiko.
„Ich hab keine Ahnung“, antwortete Kazuya ratlos.
Ein liebliches, sanftes Summen drang an ihre Ohren und besänftigte sie. Es machte sie gar etwas müde. Kazuyas Blick fiel auf Kahi, die mit traurig gesenktem Kopf dasaß. Ihre Hand lag noch immer auf Kabas Kopf, doch sie hatte aufgehört ihn zu streicheln. Akame legte die Hand an den Kopf und versuchte die Augen offen zu halten. Die Melodie schläferte ihn tatsächlich ein. Er fühlte sich plötzlich ganz wohl und geborgen. Er fühlte sich so wohl, dass er seiner Müdigkeit einfach nicht mehr trotzen wollte. Er hatte schon seit Tagen kaum noch geschlafen, genau wie die Anderen, die einer nach dem Anderen die Augen schlossen und einschliefen.
Kazuya war direkt neben Kahi umgefallen und lag etwas zusammengekauert neben ihr. Sie lächelte leicht und strich über seine braunen Haare. Mit der anderen Hand glitt sie über Kabas weiches Fell.

„Wo sind sie gewesen?“, fauchte Gherkin Callery an, als sie ins Lager zurückkam.
Sie schrak ein wenig zurück und sah Gherkin mit großen Augen an. Wie sprach er mit ihr? So hatte bisher nur ihr Vater mit ihr gesprochen und das war schon verdammt lange her.
„Ich habe sie gesehen“, berichtete Callery jetzt. „Kahi. Sie war mit ein paar Kids und einem Wolf zusammen.“
„Wölfe gibt es nicht mehr.“
„Und wie erklären sie sich dann das Tier im Schloss? Das war zweifellos ein Wolf.“
„Ich dachte sie wären sich nicht sicher“, verdrehte Gherkin ihr die Worte ihm Mund.
Callery rang ein wenig nach den richtigen Worten. Es war unmöglich ein normales Gespräch mit diesem Mann zu führen. Er glaubte ihr kein Wort egal was sie ihm erzählen würde.
„Ja richtig“, gab sie nun doch zu. „Aber jetzt bin ich anderer Meinung. Das Blut dieses Wolfes hat Kahi erweckt. Lord Kasun hat das gewusst und…“
„Dieser Mistkerl ist auch verschwunden“, unterbrach Gherkin sie.
Callery sah ihn nur starr an. Lord Kasun war verschwunden? Warum? Dieser Mann galt zwar allgemein als ziemlich geheimnisvoll, aber aus welchem Grund sollte er aus seinem eigenen Reich fliehen? Gut, er hatte Kahi gestohlen, aber wenn man es Recht betrachtete, dann hatte er sich nur sein Eigentum zurückgeholt und das war keine Straftat. Es bestand also kein Grund für ihn zu fliehen. Warum also war er verschwunden? Callery hatte diesen äußerst seltsamen Mann schon einmal gesehen. Damals im Labor. Er war auf sie zugekommen und hatte sie mit seinen roten Augen angesehen. Danach konnte sie sich an nichts mehr erinnern.
Callery warf einen Blick zu Gherkin, der sich inzwischen von ihr abgewandt hatte und mit seinen Soldaten redete. Einen Augenblick beobachtete sie ihn, dann packte sie ihre Tasche und schlich leise aus dem Zimmer. Kasun konnte noch nicht weit sein. Bis vor kurzem musste er noch im Schloss gewesen sein und mit einem Schiff war er nicht weggeflogen, das hätten sie bemerkt. Er musste also noch irgendwo hier sein und Callery wollte ihn finden. Wenn jemand über Kahi bescheid wusste, dann Lord Kasun.

Die Sonne war inzwischen aufgegangen. Harbin lag quer auf dem Sofa, ein Arm über dem Gesicht, einer auf dem Boden. Er hielt noch immer eine leere Flasche Whisky in der Hand. Die Sonnenstrahlen kitzelten ihn und er schlug verkatert die Augen auf.
„Oh“, stöhnte er.
Diese Kopfschmerzen waren ja kaum zum aushalten. Sein Kopf dröhnte als würde gerade ein Schnellzug hindurch fahren. Harbin richtete sich langsam auf und legte die Hand vors Gesicht. So miserabel wie jetzt hatte er sich in seinem ganzen Leben nicht gefühlt. Sein Blick fiel auf den Tisch. Er staunte ein wenig über sich selbst. Er hatte drei Falschen Whisky gelehrt und war noch am Leben und das ohne Alkoholvergiftung. Dabei trank er sonst nie. Aber was in den letzten Tagen passiert war, war einfach zuviel für ihn gewesen. Die Frau die er liebte war verschwunden, der einzige Mensch der ihm helfen konnte sie zu finden ebenfalls und er war vom Dienst suspendiert worden. Wenn das nicht mal ein guter Grund zum Trinken war. Harbin stand auf und zog die Augenbrauen leicht hoch. Er streckte die Arme aus um nicht gleich wieder umzufallen.
„Hu“, nuschelte er von sich selbst beeindruckt.
Er musste wirklich viel getrunken haben, wenn er die Folgen jetzt noch so spürte. Langsam trottete er Richtung Badezimmer. Als er am Spiegel im Flur vorbeikam, hielt er an und betrachtete sich. Er legte die Finger ans Kinn und strich über die Bartstoppeln. Er sollte sich wohl mal wieder rasieren. Er sah wirklich miserabel aus. Sein Gesicht war ganz fahl und er hatte dicke Ringe unter den Augen. Kein Wunder, wenn er sich die leeren Flaschen auf dem Tisch ansah. Er musste hier gestern eine ziemliche Party mit sich selbst gefeiert haben. Na ja, vermutlich hatte er auch nur seinem Spiegelbild sein Leid ausgeschüttet. Harbin zog die halb gelöste Krawatte von seinem Kragen und legte sie auf die Kommode, dann ging er ins Bad um sich erst Mal frisch zu machen.
Nach einer halben Stunde kam er unter der kalten Dusche vor und zog sich erstmal etwas an, das nicht nach Alkohol stank. Endlich fühlte er sich etwas besser. Er ging rüber in die Küche und kochte sich einen Kaffee. Das brauchte er jetzt. Koffein um wieder klar denken zu können. Der Kaffee lief schnell durch die Maschine und er goss ihn gleich in einen weißen Becher. Er nahm einen Schluck und stellte den Becher dann auf dem Tresen ab. Nachdenklich stütze er die Unterarme auf der Tischplatte ab und sah aufs Wohnzimmer. Er verstand das alles immer noch nicht. Wieso waren die Beiden einfach so verschwunden? Warum existierte kein Eintrag mehr über Callery? Als wenn sie nie existiert hätte. Und warum hatte man ihn suspendiert? Detective Brome hatte gestern Abend noch etwas zu ihm gesagt. Er hatte ihm erklärt warum er suspendier war, aber Harbin hatte es nicht ganz verstanden. Er hatte irgendwas erzählt, das er sich über ein verbotenes Buch erkundigt und nach einer nicht existierenden Person gesucht hätte. Harbin verstand nicht was das mit seiner Suspendierung zu tun hatte. War es inzwischen verboten sich darüber zu informieren? Niemand wusste das er dieses verbotene Buch besaß und gerade Brome hätte eigentlich wissen müssen das Callery keine nicht existierende Person war. Er kannte sie. Pear hatte ihn ausgebildet. Das ergab doch alles keinen Sinn. Harbin sah jetzt auf das Foto von ihm und Callery, das drüben auf einer kleinen Kommode stand. Hoffentlich steckte sie nicht in Schwierigkeiten. Callery war manchmal etwas neugierig und manövrierte sich damit in große Probleme. Einen Augenblick senkte Harbin den Blick nachdenklich, dann sah er entschlossen ins Leere. Er würde sie suchen. Ganz einfach. Wenn ihm niemand sagen konnte was los war, dann würde er es eben selbst herausfinden. Er war schließlich Polizist. Das war sein Beruf. Harbin ließ die Tasse einfach stehen, schnappte sich Mantel und Hut und eilte aus der Wohnung.

Es war am späten Nachmittag. Callery spazierte nachdenklich durch die Stadt. Bei ihrem Plan hatte sie eine Sache nicht bedacht. Wo sollte sie suchen? Sie hatte keine Ahnung. Das Reich war ziemlich groß. Sicher hielt sich Kasun nicht hier in der Stadt auf, aber wenn er nicht im Schloss war, wo sollte er dann sein? Callery wusste es nicht. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung. Callery steckte die Hände in die Taschen ihres hellblauen Mantels und lief ziellos weiter. Sie kannte sich in dieser Stadt überhaupt nicht aus und wusste nicht wo sie hinging. Sie folgte einfach ihrer Nase. Bei einem kleinen Händler blieb sie stehen und sah gebannt auf eines der Bilder, dass er verkaufte. Es war das Bild eines wunderschönen Rosengartens. Es schien beinahe so, als hätte jede Rose eine andere Farbe. Wenn man es genauer betrachtete hatte man sogar das Gefühl keine Worte für einige dieser Farben zu kennen. Es zog Callery regelrecht in einen Bann.
„Eine gute Wahl“, kam ein älterer Mann auf Callery zu und schrak sie aus ihren Gedanken.
Sie wich leicht zurück und lächelte den Mann dann an.
„Es ist schon sehr alt“, fuhr der Alte fort. „Damals blühte der Rosengarten von Lord Kasun noch.“
„Lord Kasun“, hauchte sie.
Callery sah den Mann interessiert an.
„Was ist damit passiert?“, wollte sie nun wissen.
„So wie alles hier, ist er verkümmert. Es ist nicht viel davon übrig geblieben.“
Nachdenklich sah Callery zur Seite.
„Wo befindet sich dieser Garten?“, sah sie den alten Mann wieder an.
„Er liegt direkt hinter dem Schloss. Vor dem Wald der Finsternis.“
„Wald der Finsternis?“, hakte Callery neugierig nach.
„Ja. Niemand kam bisher lebend aus diesem Wald zurück. Keiner weiß was dort vor sich geht, aber es ist nichts Gutes.“
„Ich danke ihnen“; lächelte Callery jetzt und setzte ihren Weg fort.
Endlich hatte sie einen Anhaltspunkt. Der Rosengarten. Sie machte sich sofort auf den Weg zum Schloss.

Pear irrte auch noch immer durch die Stadt. Er war sich ganz sicher, dass er dieses merkwürdige Wesen letzte Nacht gesehen hatte. Es war kein Resultat seines Alkoholspiegels gewesen. Er hatte sie gesehen. Sie war mit diesen Kids zusammen gewesen. Er hätte sich denken können, dass diese Kinder etwas damit zu tun hatten. Es war schon ein äußerst seltsamer Zufall gewesen, dass in einer Nacht fünf Gefangene entkamen und dieses Wesen gestohlen wurde. Vielleicht gehörten sie ja zu diesem Kasun. Pear wusste es nicht und es war ihm egal. Es gab nur eins das für ihn zählte: Er musste sie finden und töten. Bei den fielen Soldaten die hier herumliefen dürften sie noch nicht weit gekommen sein. Die Stadt war abgesperrt.
Eine Frau in einem hellblauen Mantel und einem gelben Schal eilte an Pear vorbei, aber er beachtete sie nicht weiter. Er lief starr seinen Weg entlang. Er würde diese Kerle finden, egal wo sie sich verstecken würden.
Pear blieb plötzlich stehen, als er Domoe entdeckte. Er flitze über die Straßenkreuzung und war sofort wieder verschwunden. Pear zögerte nicht lang und rannte ihm nach. Er bog um die Ecke und lief die Straße hinunter, aber er verlor ihn aus den Augen.
„So ein Mist!“, ärgerte er sich.
Pear betrachtete jetzt die heruntergekommene Siedlung zu der er Domoe gefolgt war genauer. Die Siedlung war groß und er würde sie hier sicher nicht finden, aber er ahnte was sie vorhatten. Heute Nacht würde er sie alle zur Strecke bringen.
„In der Stadt wimmelt es nur so von Soldaten“, kam Domoe keuchend zurück in das Versteckt.
Alle sahen zu ihm rüber.
„Außerdem hab ich gerade diesen Typen von gestern wieder gesehen.“
„Ist er dir gefolgt?“, fragte Kazuya kühl.
„Ich konnte ihn abhängen.“
„Gut“; nickte Kazuya. „Wir bleiben bei unserem Plan. Heute Nacht verschwinden wir aus der Stadt.“
Alle nickten. Domoe zog jetzt ein paar Leckerein aus seiner Pullovertasche und sah alle auffordernd an.
„Na?“, fragte er. „Hab ich das nicht gut gemacht?“
„Ja ganz prima“, murrte Akame und riss ihm die Tüte aus der Hand.
„Hey!“
„Hier“, reichte Akame die Tüte weiter nach dem er sich etwas zu Essen genommen hatte.
Hiko nahm sich auch etwas heraus, dann riss Domoe ihm die braune Papiertüte wieder aus der Hand.
„Ich hab dafür mein Leben riskiert“, murrte er und nahm nun auch etwas heraus.
Er stürmte zu Kahi herüber und streckte ihr das Würstchen entgegen.
„Hier für dich“, lächelte er.
Kahi sah ihn nur unbeeindruckt an. Domoe steckte das Würstchen weg und nahm ein Stück Brot heraus.
„Magst du vielleicht lieber Brot?“
Kahi sah ihn weiter nur einfach an.
„Hast du überhaupt keinen Hunger?“, fragte Domoe erstaunt.
Auch Kazuya sah sie abwartend an. Er konnte sich nicht vorstellen dass sie nicht hungrig war.
„Kahi muss nichts essen“, antwortete sie.
„Gar nichts?“, staunte Domoe.
Kahi schüttelte den Kopf.
„Es reicht, wenn sie badet.“
„Badet?“, hakte Kazuya nach.
Kahi sah ihn lächelnd an und nickte.
„Du meinst im Mondlicht“, vervollständigte er.
Kahi nickte nur wieder.
„Na klar“, stieß Domoe aus. „Sie ist ja auch aus Mondlicht geschaffen worden.“
Kahi lächelte ihn an, woraufhin auch Domoe lächelte. Irgendwie fing er an sie zu mögen. Sie war etwas seltsam, aber sehr lieb und herzlich. Sie hatte eine so unverdorbene Art an sich. Domoe war in seinem Leben bisher fast nur schlechten Menschen begegnet. Aber sie war ganz anders. Sie war ehrlich und liebenswert. Sie schien jeden so zu schätzen wie er war. Selbst Akame, der hier allen auf die Nerven ging mit seinem ständigen Rumgemaule und ganz besonders Kazuya.
„Du solltest auch etwas essen“, kam Keyomi jetzt auf Kazuya zu und streckte ihm ein Stück Brot entgegen.
Kazuya sah zu ihr auf und nahm ihr dann das Brot ab.
„Danke Keyomi“, entgegnete er.
Er fühlte sich plötzlich ganz mies. Er vernachlässigte Keyomi. Bisher war er immer für sie da gewesen und jetzt kümmerte er sich überhaupt nicht mehr um sie. Alles was ihn noch interessierte war Kahi und das Paradies. An Keyomi verschwendete er kaum einen Gedanken. Das tat ihm Leid. Immerhin war sie doch seine Schwester. Er liebte sie. Aber im Moment konnte er einfach nicht anders, als ständig an das Paradies zu denken.
„Sag mal Kahi“, sprach Domoe sie an. „Diese Frau im Wald. Die hat doch deinen Namen gekannt. Kennst du sie?“
Kahi senkte leicht den Kopf.
„Was hat sie denn auf einmal?“, wunderte sich Domoe. „Hab ich was Falsches gesagt?“
Kahi schüttelte den Kopf.
„Bestimmt gehört sie zu diesen Typen die Kahi überall suchen“, gab Akame Domoe eine Erklärung.
„Das wäre möglich.“
Kazuya warf einen Blick aus dem Fenster. Es dämmerte schon.

Der Tag neigte sich bereits dem Ende. Callery hatte das Schloss endlich erreicht. Sie lief ein Stück weiter und entdeckte den Rosengarten. Genau wie der alte Mann gesagt hatte, war hier von dem Garten vom Bild nicht mehr viel zu sehen. Die Sträucher standen alle noch da, aber sie waren vertrocknet und verwelkt. Kein schöner Anblick. Callery lief ein Schauer über den Rücken. Alles hier sah nach Verfall aus. Es erinnerte sie daran, dass sie nicht jünger wurde. Sie musste plötzlich an Harbin denken. Der Arme war in sie verliebt und sie war einfach verschwunden. Bestimmt machte er sich große Sorgen um sie. Sie hatte ihn wirklich furchtbar gern, aber sie war sich nicht ganz sicher was sie für ihn empfand. Sie waren schon ewig befreundet. Er war ein etwas tollpatschiger, schusseliger Kerl. Er passte nicht gerade in das Bild der Männer mit denen Callery sich sonst traf. Andererseits war sie der großen Liebe bisher noch nicht begegnet. Vielleicht lag es ja daran, das sie immer nach dem falschen Mann suchte. Vielleicht war es ja gerade ein Mann wie Harbin der sie glücklich machen würde. Sie wusste es nicht. Aus diesem Grund hielt sie ihn auch auf Distanz. Sie wollte vermeiden, dass er ihr seine Gefühle offenbarte, weil sie ihm dann eine Antwort geben musste. Eine Antwort die sie nicht hatte.
Callery blieb jetzt stehen und betrachtete eine alte, vertrocknete Rose. Sie konnte sich lebhaft vorstellen wie es hier einst ausgesehen haben musste.
„Melodie liebte diesen Garten“, erklang plötzlich eine dunkle, leicht verzerrte, unwirkliche Stimme.
Callery drehte sich erschrocken um und ließ die Rosenblüte fallen. Mit großen Augen sah sie in Kasuns Gesicht. Er stand groß und beeindruckend vor ihr. Sein langer Mantel hing auf den Boden hinab und entblößte nicht mal seine Arme. Hier trug er natürlich nicht seine Maske. Callery tastete mit den Augen sein ebenmäßiges Gesicht ab. Etwas beängstigt betrachtete sie sein rotes Auge. Das andere Auge war mit einer schwarzen Klappe bedeckt. Kasun bemerkte das Callerys Blick auf seinem Auge ruhte und strich leicht mit zwei Fingern darüber. Callery sah ihn noch immer ganz starr und etwas verängstigt an. Dieser Mann hatte eine sehr einschüchternde und gleichzeitig anziehende Art an sich. Er wirkte etwas bedrohlich auf Callery, auch wenn er einfach nur dastand und sie musterte.
„Sie erinnern mich stark an meine geliebte Melodie.“
„Ihre Frau?“, fragte Callery angespannt nach.
„Ja“, entgegnete Kasun leise.
Er wirkte emotionslos und doch schwang etwas in seiner Stimme mit, das Callery offenbarte, das er seine Frau scheinbar sehr geliebt hatte und ihr Tod ihm großen Kummer bereitete.
„Sie sind gekommen um Antworten zu erhalten, nicht wahr?“
Callery sah ihn erstaunt an. Woher wusste er das? Sie hatte niemandem gesagt warum sie hier war. Wie konnte er das wissen? Kasun lächelte plötzlich leicht und sah Callery eindringlich an. Sie verlor sich in dem rot seiner Augen und alles wurde schwarz.

Die Sonne war inzwischen vollkommen versunken und der Mond stand über dem Tal. Kazuya schlich aus der Ruine und sah sich um. Als er niemanden entdeckte, winkte er die Anderen nach draußen. Er sah Domoe und Akame noch einmal an. Domoe grinste leicht und warf den Arm in die Luft.
„Wir sehen uns dann gleich im Tal.“
Kazuya, Keyomi, Hiko und Kahi sahen den Beiden nach. Akame und Domoe blieben an der Klippe stehen und sahen nach Unten. Einige Wachen patrolierten dort.
„Oh man!“, nuschelte Domoe. „Diese Wachen laufen aber auch überall rum. Wir werden wohl nicht drum rum kommen hier ein bisschen Ärger zu machen.“
Akame lächelte Domoe nur an und sprang dann hinunter auf einen kleinen Vorsprung von wo aus er ins Tal gelangte. Domoe verdrehte nur die Augen. Dem Kerl schien das auch schon Spaß zu machen. Was für ein Freak. Domoe folgte ihm sofort.
„Hier ist ja doch nichts los“; seufzte einer der fünf Soldaten.
„Ja. Was soll der Schwachsinn eigentlich?“
„Frag mich mal was Leichteres.“
„Warte!“, rief einer. „Ich hab da was gehört.“
Alle horchten auf. Domoe trat jetzt hinter einen der Männer und tippte ihm auf die Schulter.
„Entschuldigen sie“, grinste er. „Suchen sie vielleicht uns?“
Der Soldat drehte sich um und wollte feuern, doch in diesem Augenblick hatte Akame ihm schon die Kehle aufgeschlitzt und er fiel zu Boden. Domoe packte sich sein Gewehr und ballerte auf die anderen Beiden ein, während Akame den Letzten von ihnen erledigte.
„Das ging einfacher als ich dachte“, sagte Domoe.
„Quatsch nicht“, maulte Akame und warf ihm das Funkgerät zu.
„Ist ja schon gut.“
Domoe nahm das kleine Mikrophon und steckte es sich ans Ohr.
„Hier Nummer 771 an Basis. Wir werden Angegriffen. Brauchen dringend Verstärkung.“
„Hier Basis an 711. Sind unterwegs.“
Domoe nahm den Stecker wieder vom Ohr und warf ihn zwischen die Leichen.
„Los weg hier“, befahl Akame und machte sich mit Domoe aus dem Staub.
Kazuya, Keyomi, Hiko und Kahi warteten indes unten im Tal auf die Beiden.
„Das dauert ziemlich lange“, bemerkte Keyomi besorgt.
Kazuya sah weiter nur starr nach Oben. Er wusste, dass sie gleich kommen würden. In solchen Dingen war Verlass auf Akame. Tatsächlich kamen die Beiden gleich an. Sie bahnten sich einen Weg nach unten und blieben dann bei den Anderen stehen.
„Hat alles funktioniert?“, wollte Kazuya wissen.
„Klar“, entgegnete Domoe. „Die Typen haben’s uns abgekauft.“
„Gut“, nickte Kazuya. „Dann lasst uns endlich verschwinden.“
„Eine prima Idee.“
Die Sechs wollten aufbrechen, als ein Schuss sie aufschrak. Erschrocken blickten sie auf den Hügel.
„Da ist ja schon wieder dieser Typ!“, stieß Domoe aus.
„Hattest du nicht gesagt du hast ihn abgehängt?“
„Das dachte ich ja auch.“
Die Beiden stürmten los Richtung Wald. Kazuya packte Kahi an der Hand und zog sie hinter sich her. Auch Hiko und Keyomi eilten sofort zum schützenden Wald hinüber.
„Diesmal krieg ich euch“, zielte Pear mit zittriger Hand.
Er hatte Kahi jetzt genau im Visier. Er legte den Finger an den Abzug und drückte ab. Kahi fiel hin.
„Kahi!“, stieß Kazuya aus und sah sie an.
Kahi richtete sich jedoch schon wieder langsam auf. Der Schuss war daneben gegangen. Pear legte den Finger aber schon wieder an den Abzug.
„Diesmal hab ich dich“, nuschelte er und betätigte langsam den Abzug.
Noch mal wollte er nicht daneben treffen. Kazuya sah entsetzt zu Kahi. Keyomi schnellte auf einmal vor und bekam die Kugel direkt in die Schulter. Durch den Druck wurde sie leicht zurückgeworfen.
„Keyomi!“, schrie Kazuya.
Pear drückte erneut ab, doch das Magazin war leer. Schnell öffnete er das Lager seiner Schrotflinte und ließ die Patronen auf den Boden fallen. Er zog neue Patronen aus der Manteltasche und lud nach. Sofort setzte er das Gewehr wieder an, doch die Kinder und das Wesen waren verschwunden.
„Ar“, knurrte er und sah auf die leere Lichtung.
Akame, Hiko, Domoe, Kazuya, Kahi, Keyomi und Kaba stürmten indes durch den Wald. Kazuya riss Kahi hinter sich her, während Keyomi sich schleppend fortbewegte. Ihre Schulter tat weh.
Die Soldaten waren unterdessen am Lager angekommen und betrachteten ihre toten Kameraden.
„Was ist hier passiert?“, fragte sich Gherkin wütend.
„Keine Ahnung Sir.“
Gherkin sah sich kopfschüttelnd um. Diese Kinder, von denen Dr. Pear berichtet hatte, hatten ihn an der Nase herumgeführt. Er war sich ziemlich sicher, dass sie das gewesen waren.

Die Gruppe ging immer tiefer in den düsteren, dichten Wald. Alles sah gleich aus. Es war das reinste Labyrinth. Kaba führte sie jedoch an. Als Wolf benötigte er keinen Kompass oder andere Hilfsmittel. Er hatte seine Nase. Dennoch schienen sie planlos umherzuirren. Bevor sie jedoch weitergehen konnten, wollte Kazuya sich Keyomis Wunde ansehen.
„Zeig mal her“, bat er.
„Ist halb so schlimm“, wimmelte sie ihn ab, doch Kazuya verstand keinen Spaß.
Er packte Keyomi an den Schultern und drückte sie nach Unten auf eine Wurzel. Er schob ihre Jacke zur Seite und sah sich die Verletzung an. Es war ein glatter Durchschuss. Wenigstens war die Kugel nicht stecken geblieben.
„Es geht schon Kazuya, wirklich.“
Kazuya sah sie musternd an. Eine andere Wahl hatten sie sowieso nicht. Sie musste weitergehen, egal wie sehr ihre Wunde schmerzte. Sie konnten hier nicht einfach stehen bleiben. Kazuya half Keyomi auf und ging dann weiter. Keyomi legte ihre Hand kurz auf die Schulter und atmete tief durch, dann ging sie auch weiter. Akame hatte sie beobachtet. Es ging ihr überhaupt nicht gut. Sie wollte nur nicht das Kazuya sich ihretwegen Sorgen machen musste. Kahi lief Kaba vertrauensvoll hinterher. Kazuya folgte ihr. Hinter ihnen liefen Domoe, Hiko, Keyomi und Akame, wie an einer Perlenschnur.
„Dieser Wald ist wirklich unheimlich“, bemerkte Domoe.
„Er heißt ja auch Wald der Finsternis“, entgegnete Hiko aufmüpfig.
„Das weiß ich selber“; maulte Domoe. „Trotzdem könnte es hier doch ein bisschen freundlicher aussehen, oder? Es gibt hier überhaupt keine Tiere und ich hab nicht mal Blätter an den Bäumen gesehen.“
„Das stimmt allerdings. Für einen Wald gibt es hier ziemlich wenig Laub.“
Domoe und Hiko warfen einen Blick nach Oben. Die Baumwipfel schmiegten sich so eng aneinander, dass nicht ein Sonnenstrahl hindurch dringen konnte. Alles hier war grau und düster. Ein wirklich unheimlicher Ort.
„Kazuya!“, rief Hiko nach ihm. „Wo gehen wir jetzt eigentlich hin?“
Kazuya antwortete nicht. Er wusste es selbst nicht. Er folgte einfach Kaba und Kahi. Sie schienen zu wissen wo lang es ging.
„Kaba sagt, er hat eine Witterung aufgenommen“, berichtete Kahi, um die Anderen zu beruhigen.
„Der Wolf?!“, hakte Domoe ungläubig nach.
Kahi blieb kurz stehen, drehte sich um und nickte, dann ging sie weiter.
„Tiere können nicht sprechen“, erklärte Akame.
Nun blieb Kahi wieder stehen und drehte sich um. Sie sah Akame mit ihren großen, weißen Augen an.
„Die Menschen hören nur nicht mehr zu“, entgegnete sie einfach. „Tiere sprechen und Blumen singen. Aber die Menschen haben verlernt ihnen zu zuhören.“
Kazuya warf einen Blick zu Kaba, der natürlich auch stehen geblieben war. Seltsamerweise hatte er gehört was er gesagt hatte. Schon die ganze Zeit, seit ihrer ersten Begegnung hatte er diesen Wolf sprechen hören. Zuerst war es ihm eigenartig vorgekommen, aber mittlerweile erschien es ihm ganz normal.
„Du willst doch nicht wirklich sagen das Blumen singen können, oder?“, hakte Akame amüsiert nach.
Kahi lächelte leicht.
„Ihr habt es selbst gehört“, antwortete sie. „Das Schlaflied in der Ruine. Es waren die Blumen, die euch in den Schlaf gesungen haben.“
Hiko und Domoe sahen sich irritiert an. Tatsächlich hatten sie bis heute keine Erklärung gefunden woher diese Melodie gekommen war.
„Die Menschen haben einfach vergessen, dass sie Teil dieser Welt sind“, senkte Kahi den Kopf. „Sie haben vergessen, dass sie eins mit ihr sind. Egal ob Mensch, Tier oder Blume. Ihr alle seid Lebewesen die zu dieser Welt gehören. – Die Menschen müssen wieder lernen zu hören und zu sehen.“
Akame, Domoe und Hiko sahen Kahi nur still an. Sie hatte Recht mit dem was sie sagte. Niemand kümmerte sich um seine Umwelt. Es ging nicht darum das irgendwelche von Menschen gebauten Maschinen die Welt zerstörten. Es ging darum, dass niemand mehr ein Auge für die Schönheit der Natur hatte. Niemand bemerkte die Blumen die vor seiner Tür wuchsen und niemand hörte den Vögeln noch zu, die auf den Bäumen ihre Lieder zwitscherten. Und nun war alles zu spät. Die Menschen hatten all das vergessen und es deshalb ein für alle Mal zerstört. Nun existierten all diese Dinge nicht mehr.
„Lasst uns weiter gehen“, forderte Kazuya die Anderen auf.
Kahi drehte sich sofort um und ging weiter. Kazuya folgte ihr, genau wie die Anderen. Sie liefen wieder eine Weile durch den Wald, bis Kahi plötzlich stehen blieb.
„Was ist?“, fragte Domoe.
Kazuya sah Kahi nur prüfend an. Sie hob die Hände leicht an und streckte den Kopf zum Himmel. Mit geschlossenen Augen stand sie einen Moment so da. Ihr Gesicht wurde immer blasser und sie begann auffallend schwer zu atmen.
„Kahi was hast du?“, fragte Kazuya sie besorgt.
Erschöpft sank sie in seine Arme.
„Kahi!“, stieß er in Sorge aus und fing sie auf.
Er kniete sich vorsichtig hin und hielt sie dabei fest in den Armen.
„Ruh dich aus, du bist bestimmt erschöpft.“
„Keine Angst“, griff sie nach Kazuyas Hand die auf ihrer Brust ruhte. „Es geht schon wieder.“
Sie sah ihn mit müden Augen an und lächelte gezwungen. Schwer atmete sie durch den Mund.
„Was hat sie denn auf einmal?“, jammerte Hiko.
Akame warf einen Blick nach Oben zu den Baumwipfeln.
„Mondlicht“, sagte er dann und senkte den Blick wieder zu ihr herunter. „Sie braucht Mondlicht.“
Kazuya sah in ihre Augen. Bisher waren sie nahezu weiß gewesen, doch jetzt mischten sich dünne, schwarze Fäden darin, die immer dunkler wurden und das weiß immer mehr ausfüllten. Ihre Haut wurde immer bleicher und ihre Adern zeichneten sich schwarz am Hals ab.
„Wir müssen unbedingt einen Weg nach draußen Finden“, sah Kazuya Akame eindringlich an.
„Das wird verdammt schwer. Wir irren schon seit Stunden durch diesen Wald.“
„Wir müssen es trotzdem versuchen“, ermahnte Kazuya ihn und griff dabei nach seiner Schulter.
Akame sah ihn aufmerksam an, dann warf er einen Blick zu Kahi die immer schwächer zu werden schien. Kazuya nahm sie auf den Rücken damit sie ihre Reise fortsetzten konnte.
„Kaba“, bat er. „Du musst so schnell wie möglich einen Weg hier raus finden. Sonst wird Kahi sterben.“
Kaba sah Kazuya nur starr an und ging dann weiter. Er lief über die Wurzeln und führte die Gruppe immer weiter. Aber ein Ende war einfach nicht in Sicht und Kahi wurde immer schwächer.
„Und wo lang jetzt?“, fragte sich Domoe und sah abwechselnd zwischen zwei Wegen hin und her.
Kaba streckte die Nase in die Luft und eilte nach Rechts. Die Gruppe folgte ihm gleich. Keyomi hinkte etwas hinterher. Sie hielt das Tempo einfach nicht mehr mit. Sie wollte nicht das Kahi etwas passierte, deshalb konnten sie jetzt keine Pause einlegen. Aber ihre Schulter tat weh und sie hatte einfach keine Kraft mehr. Erschöpft sackte sie zusammen und blieb auf den Knien liegen. Sie stütze die Arme auf den Boden und atmete tief durch.
„Keyomi!“, stieß Hiko aus, als er sie bemerkte.
Die Anderen blieben stehen und drehten sich um. Sofort stürmten sie zurück.
„Was hast du?“, fragte Akame sie.
„Es geht gleich wieder“, hauchte sie angestrengt und atmete dabei schwer.
Akame hockte sich vor sie und warf einen Blick auf ihre Verletzung. Ihre ganze Jacke war voll geblutet. Sie musste unglaublich viel Blut verloren haben. Die Wunde sah gar nicht gut aus. Keyomi standen Schweißperlen auf der Stirn und sie sah ziemlich blass aus.
„Es geht schon“, log sie und versuchte aufzustehen.
Akame wollte ihr helfen, aber sie konnte sich nicht mehr auf ihren Beinen halten und brach wieder zusammen. Kazuya sah seine Schwester bekümmert an. Sie sah überhaupt nicht gut aus. Wenn er in ihre Augen sah, dann wusste er nicht, ob sie diesen Wald jemals lebend verlassen würde.
„Kazuya?“
„Ja?“, drehte er den Kopf leicht zu Kahi.
„Lass mich bitte runter.“
Kazuya zögerte nicht lange und ließ Kahi von seinem Rücken. Sie lief um ihn herum auf Keyomi zu und hockte sich dann vor ihr auf den Boden. Einen Augenblick sah sie das Mädchen an, dann legte sie ihre Hand auf Keyomis Verletzung.
„Was tut sie da?“, wunderte sich Akame und sah genauso fasziniert wie die Anderen auf Kahis Silber leuchtende Hand.
Kazuya stand da und beobachtete das ganze hin und her gerissen. Er wusste nicht was er tun sollte. Kahi durfte Keyomi nicht helfen. Sie war zu schwach. Sie würde sterben. Aber wenn sie ihr nicht half, dann würde Keyomi vielleicht sterben und auch das wollte Kazuya nicht. Sie war immerhin seine Schwester. Keyomi sah Kahi durch ihre halbgeöffneten Augen an und betrachtete sie. Ihre Augen hatten sich inzwischen pechschwarz gefärbt.
„Hör auf“, bat Keyomi und packte Kahis Handgelenk.
Kahi sah Keyomi mit großen Augen an.
„Hör auf“, bat sie erneut und richtete sich leicht auf.
Kahi stand auf und sah zu Keyomi runter. Kazuya trat hinter sie und sah ebenfalls zu Keyomi nach Unten.
„Es würde dich umbringen“, erklärte Keyomi ihr Verhalten. „Ich werde noch etwas durchhalten. Bis wir diesen schrecklichen Wald hinter uns gelassen haben.“
Kahi nickte leicht. Kazuya warf einen Blick zu Akame, der Keyomi jetzt aufhalf und sie dann auf den Rücken nahm. Kazuya war ihm wirklich dankbar für seine Hilfe. Es wäre seine Pflicht gewesen sich um seine Schwester zu kümmern, aber er musste sich um Kahi Sorgen. Sie brauchte ihn. Kazuya nahm sie wieder auf den Rücken und sie setzten ihren Weg fort.

Träge schlug Callery die Augen auf. Sie blinzelte ein paar Mal, da das Licht das durch die großen Fenster schien, sie leicht blendete. Sie legte die Finger an den Kopf und richtete sich auf. Was war passiert? Langsam ließen die leichten Kopfschmerzen nach und sie sah sich etwas um. Wo war sie hier? Callery sah durch die großen Fenster auf einen hübschen Blumengarten. War es schon wieder hell geworden, fragte sie sich. Sie erinnerte sich, das sie am Abend im Rosengarten von Kasun angekommen war und dann…
Callery ließ sich leicht zurückfallen und versuchte sich an den letzten Abend zu erinnern. Was war geschehen? Sie wusste es gar nicht mehr. Sie hatte dort in diesem Rosengarten gestanden und an alles weitere konnte sie sich nicht mehr erinnern.
Langsam stand sie auf und richtete ihren Rock. Ihre Haare waren etwas zerzaust. Ein paar Strähnen hatten sich aus der Spange gelöst und hingen ihr ins Gesicht. Callery sah sich jetzt etwas um. Sie befand sich in einem hübschen Zimmer, mit lilafarbenem Teppich und passenden Wänden. Durch die großen Fenster wirkte der Raum sehr hell und freundlich, wenn die Farbe der Wände auch sehr dunkel war. Callery hatte auf einer kleinen Couch an der Wand geschlafen. Sehr viel mehr Möbel standen hier auch nicht. An einer Wand hing ein Bild einer wunderschönen Frau. Sie hatte große, grüne Augen und lange, braune Haare und ein wunderschönes Lächeln. Sie wirkte so glücklich. Callery hätte das Bild Stundenlang ansehen können. Sie wurde jedoch von langsamen, dumpfen Schritten aufgeschreckt. Sie drehte sich hastig um und sah zu der kleinen Flügeltür neben der Couch. Die Schritte kamen von dort. Jemand nährte sich dem Zimmer. Callery schlug das Herz bis zum Hals und ihre Hände begannen zu zittern. Sie wusste noch immer nicht wo sie war und wie sie hier hergekommen war. Ängstlich beobachtete sie wie sich der Türgriff senkte und die Tür sich langsam öffnete. Gebannt starrte sie auf die Tür.
Kasun trat jetzt ein. Er blieb an der Tür stehen und sah zu Callery die ihn ängstlich fokussierte.
„Ah“, sagte er mit seiner merkwürdig klingenden Stimme. „Sie sind aufgewacht.“
„Wo bin ich?“, frage Callery ängstlich.
„Sie sind auf meinem Schloss“, antwortete er bereitwillig und klang dabei sogar ein bisschen freundlich.
Kasun musterte Callery, die erstarrt, an die Kommode gedrückt da stand und ihn ansah.
„Sie brauchen keine Angst haben“, sagte er jetzt und schloss die Tür hinter sich. „Ich werde ihnen nichts tun.“
„Wieso haben sie mich dann hier eingesperrt?“
„Eingesperrt?“, lächelte er. „Die Tür war nicht verschlossen.“
Callerys Blick änderte sich schlagartig. Bedeutete das, das sie die ganze Zeit einfach hätte gehen können? Sie war wirklich verwirrt. Tausende von Gedanken und Fragen schossen ihr durch den Kopf und ihr Herz klopfte noch immer ganz wild.
„Sie können jeder Zeit gehen, wenn sie wollen“, fuhr Kasun fort und blieb vor dem Fenster stehen.
Er blickte nach draußen auf den Blumengarten und verschränkte die Arme auf dem Rücken. Callery musterte ihn wieder. Warum hatte er sie hergebracht, wenn sie doch jeder Zeit gehen konnte?
„Ich nahm jedoch an“, sprach er nun weiter ohne sie weiter zu beachten. „Sie hätten Fragen.“
Callery schrak innerlich auf. Die Fragen. Das hatte sie alles beinahe vergessen. Er hatte sie also mitgenommen um ihre Fragen zu beantworten. Wieso tat er das? Warum wollte er ihre Fragen so bereitwillig beantworten? Callery verstand es nicht. Aber was immer für eine Absicht dahinter steckte, Callery konnte es egal sein. Wichtig war nur, dass sie endlich ein paar Antworten bekam.
„Diese Substanz die sie Kahi verabreicht haben“, begann sie damit ihre Fragen zu stellen. „Was war das?“
„Mondwasser“, antwortete er kühl.
„Mondwasser?“
Davon hatte Callery noch nie etwas gehört. Was sollte das sein?
„Es ist ein Gemisch aus Wasser und dem Saft der Mondblume. Eine seltene Pflanze die nur bei Nacht blüht und auch nur ein Mal.“
„Und das braucht Kahi zum Leben?“
„Kahi“, betonte er ihren Namen seltsam deutlich. „Schöpft ihre Kraft aus dem Mond.“
„Und was ist, wenn sie kein Mondlicht bekommt?“
Kasun schwieg für einen Moment.
„Dann geht sie ein, wie eine Blume.“
Callery warf ihm einen geschockten Blick zu. Diese Kinder mit denen sie unterwegs war wussten das alles sicher nicht. Was wenn Kahi nicht genug Mondlicht bekam? Dann würde sie sterben. Ein schrecklicher Gedanke. Callery musterte Kasun jetzt wieder, der immer noch ganz regungslos dort am Fenster stand.
„Ist es wahr?“, fragte sie nun und sah ihn dabei aufmerksam an. „Ist sie wirklich die – die Mondprinzessin?“
Kasun zog den Mundwinkel ein wenig hoch, was Callery jedoch nicht sehen konnte, da sie seitlich von ihm stand. Diese Frage schien ihn leicht zu amüsieren.
„Was denken sie Dr. Pear?“, stellet er ihr eine Gegenfrage.
Callery sah ihn erstaunt an. Woher kannte er ihren Namen? Nun gut, sie war nicht gerade eine unbekannte Wissenschaftlerin, aber es wunderte sie doch, dass er es zu wissen schien.
„Ich weiß es nicht. Ich meine, ich bin mir nicht sicher. Es wäre schon möglich. Immerhin ist ihre Existenz rational nicht zu erklären.“
Kasun lächelte nur wieder.
„Warum ist ihnen Kahi eigentlich so wichtig?“, fragte Callery und machte einen Schritt auf ihn zu. „Warum haben sie sie aus dem Labor entführt?“
„Ich habe mir nur zurückgeholt was mir gehört.“
„Ja; aber warum?“
Kasun schwieg wieder einen Moment. Er blickte starr auf den Garten.
„Sie ist meine letzte Hoffnung“, nuschelte er leise und sah dabei traurig ins Leere.
Callery musterte ihn prüfend. Sie schrak etwas zusammen, als er sich jetzt zu ihr drehte und sie mit seinem roten Auge ansah.
„Seien sie mein Gast, Dr. Pear“, sagte er und verließ dann den Raum.
Callery sah ihm nur verwirrt nach. Das alles überforderte sie ein wenig. Vielleicht hätte sie doch lieber zuhause bleiben sollen.

Kazuya und die Anderen irrten noch immer durch den finsteren Wald. Selbst Kaba schien keine richtige Witterung mehr aufnehmen zu könne. Dieser Wald nahm einfach kein Ende und Kahi und Keyomi wurden immer schwächer. Auch Akame und Kazuya wurden langsam müde, schließlich trugen sie die Beiden schon seit Stunden umher.
Wieder einmal standen die Sieben vor einem riesigen, dicken Baum und sahen sich gezwungen zwischen zwei Wegen zu wählen.
„Oh was sollen wir denn nur machen?“, jammerte Hiko.
„In erster Linie Ruhe bewahren“, murrte Akame, wenn er damit auch Recht hatte.
„Ach und wie sollen wir das bitte machen?“, schimpfte Domoe. „Kahi und Keyomi sind schon halb tot und du sprichst von Ruhe bewahren.“
Kazuya lief einfach an ihnen vorbei nach Links. Irgendeinen Weg mussten sie ja wählen und eh sie Stundenlang dort rum standen und darüber diskutierten, welchen sie nehmen sollten, ging er einfach irgendwo lang. Hauptsache sie blieben nicht stehen, denn dafür hatten sie wirklich keine Zeit. Kazuya stolperte über eine Wurzel, fing sich aber gleich wieder ab.
„Verdammt“, rief er laut und wütend und fletschte dabei leicht die Zähne.
Die Anderen sahen ihn aufgeschreckt an. Wenn Kazuya jetzt auch noch die Nerven verlor waren sie verloren. Er war der Einzige der immer einen kühlen Kopf bewahrte. In jeder Situation. Sie alle fingen an durchzudrehen. Das war nicht weiter schlimm, solange Kazuya nur die Nerven behielt.
„Vielleicht“, trat Hiko vor ihn. „Vielleicht sollten wir eine kleine Pause machen, damit ihr euch ausruhen könnt.“
„Und dann?“, maulte Kazuya ihn an. „Kannst du mir verraten was wir dann machen sollen? Falls du es vergessen hast. Kahi stirbt, wenn sie kein Licht bekommt. Also geh mir aus dem Weg.“
Kazuya schob sich böse an dem Kleinen vorbei, der ihm traurig hinterher sah.
„Jetzt halt mal die Luft an“, griff Akame Kazuya an.
Kazuya blieb stehen und drehte sich überrascht um.
„Der Kleine meint es doch nur gut. Es nützt uns absolut gar nichts, wenn wir uns jetzt auch noch gegenseitig fertig machen.“
„Ach na ganz toll Akame. Wenn du so schlau bist, dann weißt du sicher auch wie wir aus diesem Loch wieder rauskommen.“
„Du warst doch derjenige der die Idee hatte hier rein zu marschieren. Ich hab das von Anfang an für ne Schnapsidee gehalten.“
„Und wie hätten wir deiner Meinung nach dann entkommen sollen? – Ach macht doch was ihr wollt.“
Kazuya knurrte Akame nur wieder an und ging weiter.
„Kazuya“, hauchte Keyomi.
Kazuya blieb stehen und drehte sich um. Keyomi hob leicht den Kopf und blickte über Akames Schulter zu ihm rüber.
„Hör auf damit“, bat sie. „Nur du kannst uns hier rausführen, aber dafür musst du ruhig bleiben. Ich weiß, dass du das kannst. Bitte.“
Kazuya sah sie starr an. Sie hatte Recht. Er musste ruhig bleiben. Er konnte sie hier raus bringen. Er wusste zwar nicht wie, aber er konnte es und er würde es schaffen. Kazuya nickte und ging weiter. Die Anderen folgten ihm nun.
Sie liefen über die dicken Wurzeln der riesigen Bäume und bahnten sich ihren Weg, wenn sie auch noch immer nicht wussten wohin er sie führen würde.
„Wir werden nie hier raus finden“, jammerte Domoe.
„Halt die Klappe Domoe“, fauchte Kazuya.
Domoe schrak zurück und sah den wütenden Jungen an. Kazuyas Blick aber fiel auf Keyomi die schwach auf Akames Rücken hing. Er musste die Ruhe bewahren, auch wenn es ihm unglaublich schwer fiel. Er verlor langsam seine Hoffnung. Domoe hatte schon irgendwie Recht. Es machte den Anschein, als würden sie nie hier raus finden und das bedeutete nicht nur das Kahi und Keyomi sterben würde. Sie alle würden hier zu Grunde gehen. Das konnte er nicht zulassen.
„Langsam verstehe ich, warum noch nie ein Mensch von hier zurückgekehrt ist“, nuschelte Hiko und sah sich ängstlich um.
Kaba, der die Gruppe noch immer anführte, blieb plötzlich stehen. Er blickte starr in die Ferne, als hätte er dort etwas bemerkt.
„Was ist?“, fragte Akame.
Auch Kazuya blickte in die Dunkelheit vor ihm. Irgendetwas war dort. Er war sich nicht sicher was es war, doch er hörte ein Geräusch und nahm etwas war. Bewegte sich dort etwa etwas?
Eine Schar von kleinen, schwarzen Viechern fegte plötzlich über ihre Köpfe hinweg.
„Vampire!“, stieß Domoe aus.
Die Vampire drehten gleich wieder um und setzten zum Sturzflug an.
„Lauft!“, rief Kazuya.
Sie begannen sofort zu rennen. Sie stürmten über die Wurzeln und den trockenen Boden, doch die Vampire waren ihnen dicht auf den Fersen und griffen an.
„Au!“, stieß Hiko aus, als ihn eines dieser Biester biss.
Er schüttelte es ab und stürmte weiter.
„Ah!“, hob Kahi schmerzverzerrt den Kopf und blickte starr mit ihren schwarzen Augen ins Leere.
„Was hast du?“, rief Kazuya besorgt.
„Weg mit dir!“, packte Hiko die dicke Fledermaus auf ihrem Rücken und donnerte sie gegen einen Baum.
Die Vampire drängten, Kazuya, Akame, Hiko, Domoe und Kaba immer mehr in die Ecke. Sie hatten keine Möglichkeit zu fliehen. Jetzt gab es nur noch eins: Kämpfen.
„Kazuya!“, rief Akame ihm zu, als er eine kleine Einbuchtung in einem Baumstamm gefunden hatte, wo er Keyomi abgelegt hatte.
Drei Fledermäuse steuerten auf Kazuya zu. Er stürmte los, sprang mit einem mächtigen Satz über eine Wurzel und warf Kahi in der Bewegung zu Akame rüber.
„Akame!“, rief er ihm zu.
Akame fing die schwache Kahi auf und legte sie zu Keyomi, die ihre Augen schon kaum noch offen halten konnte.
„Akame“, hauchte Kahi und streckte die Hand nach ihm aus.
Sie sah ihn an, als würde sie ihn ganz genau kennen. Als kannte sie seine düstersten Geheimnisse. Sie schob seine dicke Strähne zur Seite und strich mit dem Finger über die Narbe die quer über sein Auge verlief. Akame sah sie an. Ihre Augen wirkten blass und trüb. Akame nahm ihre Hand und lächelte leicht.
„Wir schaffen das“, versicherte er ihr und eilte dann rüber zu den Anderen.
„Seit ihr bereit zum Kämpfen?“, fragte Kazuya seine Freunde und blickte hoch zu den Vampiren, die gerade wieder zum Angriff ansetzten.
„Na klar“, entgegnete Akame. „Ich steh auf Blut.“
„Zeigen wir’s ihnen!“, rief Hiko.
Kazuya, Hiko. Akame, Domoe und Kaba stürmten los. Kaba sprang hoch und angelte sich eine Feldermaus aus der Luft. Er biss seine scharfen zähne in ihr Fleisch und ließ sie dann zu Bode fallen. Akame zerteilte die Biester mit seiner Klinge in zwei Teile, während Domoe und Hiko immer wieder versuchten sie mit den Händen zu erwischen und gegen die Bäume zu schlagen. Eine bessere Waffe hatten sie nicht. Kazuya sprang zwischen den Bäumen umher und holte sich die Viecher, genau wie Kaba, aus der Luft. Dennoch schienen es immer mehr zu werden. Außer Atem, erschöpft und blutend standen sie jetzt da und starrten auf den Schwarm der gerade eine kleine Drehung machte und wieder auf sie zukam.
Kahi richtete sich plötzlich auf. Sie stand wacklig auf ihren Beinen und schlich kraftlos auf den Weg. Etwas gekrümmt stand sie da und blickte auf die Fledermäuse. Sie kamen näher. Kazuya und die anderen knurrten bereits wieder und bereiteten sich auf den Angriff vor, doch die Vampire flogen einfach an ihnen vorbei.
„Hä?!“, wunderte sich Hiko und drehte sich genau wie die Anderen um.
Erschrocken sahen sie zu Kahi, auf die die Fledermäuse zusteuerten.
„Kahi nein!“; rief Kazuya und stürmte auf sie zu.
„Oh scheiße“, stürmte auch Akame los.
„Was soll das?“, fragte sich Domoe und lief ihnen nach. „Warum ist sie nicht in der Höhle geblieben?“
„Wieso tut sie das?“
Kahi blieb stehen und sah starr mit ihren tiefschwarzen Augen auf die Vampire die immer näher kamen. Wie ein Blitz schossen sie auf Kahi zu. Sie stand wie ein Baum dort und rührte sich nicht. Kazuya, Akame, Hiko und Domoe blieben stehen und sahen sie verwundert an. Die Feldermäuse flogen über sie hinweg und verschwanden in der Dunkelheit. Kahi rührte sich nicht. Nach einem kurzen Moment aber, fiel sie einfach nach Hinten.
„Kahi!“, schrie Kazuya und stürzte auf den Abgrund zu, den Kahi hinuntergefallen war.
Ohne zu zögern sprang Kazuya ihr nach. Er rutschte den sandigen Hügel hinunter. Domoe und Hiko folgten ihm. Akame schnappte sich Keyomi und rutschte dann mit ihr zusammen nach Unten.
Etwas unsanft landeten sie auf einem harten Steinboden. Kazuya sprang sofort auf und eilte zu Kahi, die etwas weiter von ihm entfernt lag, eine Hand neben dem Gesicht, die Beine ausgestreckt.
„Kahi“, hauchte er und sah sie erleichtert an, als sie die Augen aufschlug.
„Mir ist nichts passiert“, gab sie Entwarnung.
„Ein Glück“, entgegnete Kazuya, dem jetzt schon beinahe ein Lächeln auf den Lippen lag.
Er streckte die Hand nach Kahi aus und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
„Warum sind diese Biester so plötzlich verschwunden?“, fragte sich Domoe und sah sich dabei etwas in der dunklen Höhle um.
„Ich habe ihnen befohlen zu gehen“, antwortete Kahi, der Kazuya gerade aufgeholfen hatte.
Sie stand etwas schwach neben ihm und klammerte sich an seinen Arm um nicht wieder vor Schwäche zusammen zu brechen. Domoe sah sie mit großen Augen an.
„Du hast es ihnen befohlen?“, hakte er nach.
Kahi nickte.
„Sie ist die Mondprinzessin“, erklärte Kazuya. „Die Herrscherin über die Natur. – Nicht wahr?“
Kahi sah ihn mit einem glücklichen Lächeln an und nickte.
„Seht mal da!“, schreckte Hiko sie alle plötzlich auf. „Ich sehe Licht.“
„Wo?“, kam Akame auf ihn zu.
Er trat neben ihn und blickte den kleinen Tunnel entlang. Tatsächlich war ganz am Ende ein schwacher Lichtstrahl zu sehen. Hiko stürmte sofort los. Die Anderen folgten ihm. Kazuya hatte Kahi inzwischen auf den Arm genommen. Ihre Beine baumelten leicht herunter und Kazuya umfasste vorsichtig ihren Arm.
Nach nur wenigen Minuten stürmte Hiko aus der Höhle hinaus ins Freie. Er blickte sofort zum Himmel hinauf.
„Der Mond scheint!“, stieß er aus und drehte sich dabei im Kreis.
Auch Domoe und Akame kamen endlich nach draußen. Hiko und Domoe ließen sich sofort auf die Wiese fallen und streckten alle Viere von sich. Akame legte Keyomi ab und musterte sie. Sie sah wirklich schlecht aus.
„Es wird alles wieder Gut“, beteuerte er.
Kazuya kam als Letztes mit Kahi nach draußen. Er blieb stehen und sah kurz zum Mond hoch. Kahi schien die Strahlen bereits zu genießen, denn sie hatte die Augen geschlossen.
„Jetzt wird alles wieder gut“, lächelte Kazuya sie an.
Kahi öffnete die Augen, sah Kazuya an und nickte mit einem leichten Lächeln. Kazuya ließ sie vorsichtig auf der Mitte der Wiese hinunter. Kahi blieb stehen, streckte die Arme leicht nach Hinten und hob die Nase zum Mond hoch. Ein breiter Strahl traf auf sie und sie schloss die Augen. Domoe und Hiko hielten sofort Inne und sahen sie an, genau wie Akame und Kazuya.
Nach einer Weile hatte Kahi genug. Sie senkte den Kopf und öffnete die Augen, die jetzt wieder strahlend weiß waren. Sie lief langsam auf Keyomi zu und hockte sich vor ihr auf den Boden. Einen kurzen Moment musterte sie das blasse Mädchen, das immer schwerer zu atmen schien. Kazuya saß neben ihr und hielt ihre Hand.
„Halt durch Keyomi“, bat er. „Kahi wird dir helfen.“
Kahi legte ihre Hand auf Keyomis Wunde. Wieder begann sie zu leuchten.
„Ah!“, stöhnte Keyomi und verzog etwas schmerzverzerrt das Gesicht.
Langsam öffnete sie die Augen und sah Kahi an. Kahi zog die Hand weg und legte sie auf ihren Oberschenkel.
„Danke Kahi“, hauchte Keyomi und richtete sich auf.
„Geht es dir wieder besser?“, fragte Hiko mit großen, kindlichen Augen.
Sie nickte.
„Ich spüre überhaupt keinen Schmerz mehr“, antwortete Keyomi und legte die Hand auf ihre Schulter.
Kahi lächelte sie nur an.
„Gott sei dank“, seufzte Domoe erleichtert.
Er hatte sich unglaubliche Sorgen um sie gemacht. Er hatte sie doch so furchtbar gern, auch wenn sie ihn kaum beachtete.
Nach dieser anstrengenden Reise durch den Wald waren alle müde und legten sich sofort schlafen. Kahi saß zwischen ihnen und streichelte Kaba und Kazuya abwechselnd über den Kopf. Akame hatte ihm Schlaf den Arm um Keyomi gelegt. Kahi blickte kurz zum Mond auf, dann betrachtete sie wieder die Jungs und Keyomi um sich herum.

Blue Moon

Callery stand noch immer in dem kleinen, freundlichen Zimmer und starrte auf die Tür hinter der Kasun schon vor fast zehn Minuten verschwunden war. Sie begriff das nicht. Warum war er so freundlich zu ihr? Er wusste doch, dass sie im Auftrag von Lord Arkum hier war. Wieso berichtete er ihr so bereitwillig über dieses Mondwasser? Es gab nur eins was Callery einfiel. Sie würde diese Geheimnisse niemals jemandem erzählen können. Andererseits hatte Kasun ihr versichert, das sie jederzeit gehen konnte. Sie war nicht seine Gefangene, sondern sein Gast. Aber was zählte schon das Wort dieses Mannes? Callery kannte ihn nicht. Sie wusste nicht was hinter seinen Absichten stand. Sie wusste nicht, was hinter diesem ebenmäßigen Gesicht verborgen lag. Neugierde spiegelte sich plötzlich in ihrem Blick wieder. Langsam ging sie auf die Tür zu und legte die Hand auf die goldene Türklinke. Einen Augenblick zögerte sie, dann drückte sie sie mit einer raschen Bewegung nach unten und zog die Tür auf. Sie staunte etwas. Die Tür war tatsächlich nicht verschlossen. Kasun hatte nicht gelogen. Callery betrat den dunklen Korridor. Ihre Schuhe klackerten auf dem grauen Marmorboden. Langsam schritt Callery den Gang hinunter und sah sich dabei prüfend um. Etwas unheimlich war es hier schon, aber auch äußerst faszinierend. Callery lief immer weiter. Dieser Gang schien gar kein Ende zu haben. Dennoch ging sie immer weiter.

Kazuya und die Anderen hatten inzwischen eine Stadt erreicht. Es war mehr ein Dorf als eine Stadt. Hier standen wenige Häuser und alles wirkte ein wenig verlassen. Auf der Suche nach etwas Essbarem durchstreiften sie die staubigen Straßen. Aus einer Ecke drang Musik an ihr Ohr. Kazuya warf aus dem Augenwinkel einen Blick zu einer tanzenden Menge. Ein paar Leute hatten sich um ein Lagerfeuer versammelt. Kazuya zog nur leicht den Mundwinkel hoch und sah wieder nach vorn auf die Straße. Er blieb jedoch schon bald wieder stehen und drehte sich zu Kahi um. Sie war stehen geblieben und blickte begeistert auf die tanzenden Frauen, deren Röcke sich im Rhythmus drehten. Sie sprangen den Männern in die Arme und drehten sich mit ihnen im Kreis. Einer hob eine Frau an und wirbelte sie durch die Luft.
Auf ein paar alten Tonnen saßen ein paar Männer die auf ihren Instrumenten spielten. Kahi lächelte fröhlich und schien die Musik und den Tanz zu genießen.
„Das gefällt ihr“, grinste Hiko.
„Kahi weiß wohl wie man feiert“, scherzte Domoe und ging zu Keyomi. „Tänzchen?“
Keyomi sah ihn mit großen Augen an. Kahi aber lachte. Keyomi warf ihr einen Blick zu und bemerkte ihre leuchtenden Augen. Sie zuckte kurz mit den Schultern, dann ging sie auf Domoe zu und tanzte mit ihm. Die Beiden hüpften fröhlich im Kreis. Nach und nach begann Keyomi sogar zu lachen. Es machte ihr spaß. Kahi sah dem weiter glücklich zu. Kazuya war inzwischen neben sie getreten und musterte sie.
„Das gefällt dir, nicht wahr?“, fragte er sie.
Kahi sah zu ihm auf, kniff die Augen leicht zusammen und lächelte, wobei sie die Schultern etwas hochzog. Sie tänzelte jetzt nach vorne, breitete die Arme aus und drehte sich leicht im Kreis, wobei sie von einem Fuß auf den Anderen sprang. Ihr Cape und ihre Haare flatterten leicht im Wind ihrer Bewegung. Kazuya lächelte. Es freute ihn sie so zu sehen. So glücklich und unbeschwert. Akame verschränkte die Arme und beobachtete das ganze etwas mürrisch.
„Hey ich will auch mal!“, rief Hiko und drängelte sich zwischen Keyomi und Domoe.
Er packte sie an den Händen und tanzte mit ihr weiter.
„Hey du Zwerg“, motze Domoe.
Kahi blieb plötzlich stehen und sah zum Himmel hinauf. Die Sonne versank am Himmel und der Mond war bereits schwach zu sehen. Keyomi, Domoe und Hiko hielten jetzt auch Inne und sahen zu ihr, genau wie Kazuya und Akame.
„Heute Nacht haben wir Vollmond“, sagte Kazuya.
„Ist das was Gutes?“, hakte Hiko nach und sah jetzt zu Kazuya, der seine Nase immer noch dem Himmel entgegenstreckte.
Er senkte seinen Blick langsam und sah zu Hiko, dann nickte er leicht.
„Ich habe mal irgendwo gehört, das der Mond Kahi in einer Vollmondnacht zurück ins Paradies ruft“, erklärte Kazuya.
„Dann werden wir heute Nacht den Weg zum Paradies sehen?“, sah Hiko ihn mit seinen großen Dackelaugen an.
„Ich hab keine Ahnung was heute Nacht passieren wird“, gab er ehrlich zu.
Kahi hatte den Kopf inzwischen wieder gesenkt und ging weiter. Die Musik schien sie jetzt nicht mehr weiter zu interessieren. Kaba folgte ihr sofort und lief dicht neben ihr. Kazuya setzte seinen Weg nun auch fort, genau wie die Anderen.
Sie liefen weiter durch die Straßen der Stadt. Domoe klaute unterwegs etwas zu essen für alle. Er war ein echter Meister im stehlen. Kahi blickte weiter starr auf den kleinen Hügel direkt am Stadtrand. Dort wollte sie hin. Von dort konnte man den Mond am besten sehen. Die Gruppe lief unter einer kleinen Brücke hindurch, die sich zwischen zwei Häusern erstreckte.
„Hiusagi!“, erklang plötzlich eine düstere Stimme.
Während Kazuya, Akame, Domoe, Keyomi, Hiko und auch Kaba der Stimme keine Aufmerksamkeit schenkten, blieb Kahi abrupt stehen und riss die Augen auf.
„Was hast du?“, fragte Kazuya sie und sah sie an.
Kahi reagierte aber nicht. Schlagartig drehte sie sich um. Ihre Haare flatterten in der Bewegung und auch ihr Mantel hob sich wie ein Teller an. Ängstlich sah sie den Mann an, der vor ihr auf einer Brücke stand.
„Mondprinzessin“, sagte er jetzt.
Kazuya drehte sich nun auch um und entdeckte den großen Mann in dem langen, schwarzen Mantel, der Kahi mit seinem einen, roten Auge fokussierte.
Kazuya fletschte wütend die Zähne. Das war doch dieser Typ der Kahi aus dem Labor gestohlen hatte. Akame, Domoe, Keyomi und Hiko musterten den Mann ebenfalls.
„Was will der denn?“, maulte Domoe.
„Wer ist das?“, fragte Keyomi
„Oh man ist der unheimlich“, jammerte Hiko.
„Du hast dich also dem Wolf angeschlossen“, fuhr Kasun fort.
„Verschwinde!“, knurrte Kazuya und baute sich leicht vor ihr auf.
Auch Kaba sprang vor und knurrte Kasun böse an. Er fletschte die Zähne, tiefe Falten bildeten sich auf seiner Schnauze und seine gelben Augen glühten in der Dunkelheit. Kahi senkte den Blick.
„Komm mit mir“, streckte Kasun die Hand aus. „Komm nach Hause.“
„Vergiss es!“, knurrte Kazuya wieder. „Kahi kommt mit uns.“
„Misch dich nicht ein Wolf.“
Kazuya baute sich vor Kahi auf und knurrte Kasun weiter an.
„Wie du willst“, sagte Kasun.
Ein gleißender Lichtstrahl blendete plötzlich alle. Kazuya kniff die Augen zusammen und legte die Hand über die Augen. Auch Akame, Keyomi, Domoe, Hiko und sogar Kaba schützten sich vor dem Licht. Nur Kahi blieb starr, die Augen geöffnet, stehen, als würde sie das Licht gar nicht wahrnehmen.
„Die Strahlen schaden deinen Augen nicht“, lächelte Kasun.
Er lief die Stufen die von der Brücke nach Unten führten hinunter und ging auf Kahi zu.
„Komm mit mir Hiusagi.“
Kahi stand weiter wie angewurzelt da.
„Kahi!“, rief Kazuya der völlig blind durch das Licht war.
Kasun stand nun ganz dicht vor Kahi, die ihn nur teilnahmslos anstarrte. Plötzlich war das Licht verschwunden. Kazuya öffnete die Augen und gewöhnte sich schnell wieder an die Dunkelheit. Suchend drehte er sich um.
„Kahi!“, stieß er aus.
Er sah Akame, Hiko, Keyomi und Domoe die ihre Augen langsam ans Licht gewöhnten, doch Kahi war verschwunden.
„Wo ist sie hin?“, fragte sich Hiko.
Kazuya hockte sich plötzlich auf den Boden und starrte eine dicke, schwarze Blutlache an. Er roch daran. Das Blut gehörte eindeutig Kahi. Was hatte er mit ihr gemacht?
„Er wird sie bestimmt töten“, jammerte Hiko.
Kazuya lief sofort los in die Entgegengesetzte Richtung. Die Anderen sahen ihm nach. Es war unsinnig so ungestüm zu reagieren. Sie wussten doch gar nicht wo sie suchen sollten.
„Ist euch aufgefallen, dass er Kazuya als Wolf bezeichnet hat?“, richtete Hiko sich an die Anderen.
Sie sahen sich alle nachdenklich an. Das war ihnen nicht aufgefallen. Wieso hatte er das getan? Das ergab keinen Sinn. Alle blickten plötzlich auf, als sie Kaba in weiter Ferne sahen, der Kazuya scheinbar sofort gefolgt war. Er stürmte wie der Wind durch die Straßen und war schon kaum noch zu sehen, genau wie Kazuya.
„Ich schlage vor wir folgen ihm“, sagte Akame vernünftig.
Kazuya dachte mal wieder nicht nach und beging wahrscheinlich eine Riesendummheit, aber gerade deshalb war es keine gute Idee ihn jetzt aus den Augen zu lassen. Die Fünf liefen Kazuya und Kaba jetzt sofort hinterher.

Harbin tuckerte mit seinem Auto einen steilen Berg hinauf. Er hatte es schon fast geschafft. Die Fahrt war lang gewesen und er war hundemüde, aber gleich hatte er es ja geschafft. Es waren nur noch wenige Meter bis nach Oben. Das etwas alte, giftgrüne Auto stotterte ein wenig.
„Nein!“, jammerte Harbin. „Tu mir das jetzt nicht an.“
Kaum hatte er das gesagt, ging der Motor aus und die Blechschüssel blieb stehen. Harbin schlug mit dem Handballen gegen das Lenkrad und ließ dann den Kopf darauf fallen.
„Das kann doch alles nicht wahr sein“, nuschelte er missmutig.
Einen Augenblick blieb er sitzen, dann stieg er aus. Er öffnete die Motorhaube und warf einen Blick herein. Dummerweise war er Polizist und kein Automechaniker. Von Technik hatte er noch nie viel verstanden.
„Du verdammte Schrottkarre!“, schimpfte er und trat gegen die Stoßstange. „AU!“
Harbin zog den schmerzenden Fuß an und verzog das Gesicht. Heute war wirklich nicht sein Tag. Er lief jetzt zurück, lehnte sich auf den Fahrersitz und zog den Schlüssel aus der Zündung. Dann schlug er etwas wütend die Tür des Wagens zu und warf einen Blick nach Oben. Na toll; jetzt durfte er das ganze Stück zu Fuß zurücklegen und das wo er doch so müde war. Genervt verzog er das Gesicht und begann zu laufen.
Nach einer geschlagenen Stunde kam er endlich in der kleinen Stadt an. Harbin fragte sich, wer so blöd war und eine Stadt direkt auf einem Berg baute. Der Marsch hatte ihn wirklich geschwächt. Ihm war kalt, er war müde und er wollte jetzt nur noch eins: einen Drink. Er war ja eigentlich nicht so der Trinker, aber jetzt brauchte er das einfach. Er ging in die nächst beste Bar, legte den Hut ab und setzte sich an den Tresen.
„Einen Whisky.“
Der Barkeeper warf sich wortlos das Geschirrtuch über die Schulter, stellte ein Glas auf den Tresen und goss ein. Harbin nahm das Glas und schüttete den Inhalt sofort runter.
„Noch einen.“
Ohne ein Wort schenkte der Barkeeper nach und sah zu wie Harbin auch den Drink sofort runterschüttete.
„Sagen sie mal“, fragte er. „Wo gibt es hier eine Autowerkstatt? Ich hatte eine Panne auf dem Weg hier her.“
„Drüben, in der nähe der alten Siedlung gibt es eine Werkstatt“, antwortete der rundliche Barkeeper knapp.
Harbin nickte nur und trank das nächste Glas leer. Er zog jetzt ein Bild von Callery aus der Innentasche seines Mantels und legte es auf den Tisch.
„Haben sie diese Frau schon mal gesehen?“
Der Barkeeper warf einen kurzen Blick auf das Bild.
„Sind sie n Bulle oder so was?“
„Ja. Also haben sie die Frau schon mal gesehen?“
„Was hat sie denn angestellt?“
„Sie hat ihren Mann ermordet“, erklärte Harbin ein wenig genervt von den vielen Fragen.
Der Barkeeper betrachtete das Foto wieder.
„Ja; die ist vor ner Weile hier gewesen.“
Harbin riss die Augen auf. Er hatte Callery gesehen. Er war also auf der richtigen Spur. Das war doch schon mal ein Anfang.
„Wann war das?“
„Keine Ahnung. Vor n paar Tagen vielleicht. Sie hat n Gläschen Rotwein getrunken und ist dann wieder verschwunden.“
„Wissen sie auch wohin?“
„Woher soll ich das wissen?“, maulte der Barkeeper und wandte sich jetzt wieder seinen Gläsern zu.
Harbin nahm das Bild, betrachtete es kurz und steckte es dann wieder ein. Er legte ein paar Scheine auf den Tisch und setzte sich den Hut auf, als er aufstand.
„Danke für ihre Hilfe“, sagte er und ging dann.
Vor der Bar blieb er stehen und überblickte die Straße. Sie war also hier gewesen.

Callery durchsuchte noch immer das Schloss. Bisher hatte sie absolut gar nichts gefunden. Nur endlos lange Gänge. So langsam verstand sie warum Kasun das Zimmer nicht abgeschlossen hatte. Sie konnte ohnehin nicht fliehen, da sie überhaupt keinen Ausgang fand. Das Schloss wurde ihr von Minute zu Minute unheimlicher und dennoch weckte es ihre Neugier. Was war das für ein Mann, der in einem so düsteren und merkwürdigen Schloss wohnte? Callery blieb plötzlich vor einer Wand stehen. Ratlos starrte sie sie an. Etwas daran störte sie. Nicht nur, das dieser Gang scheinbar nur zu einer Wand führte. Es war etwas daran das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Es drang etwas Luft hindurch. Callery legte ihre Hand auf die Mauer und drückte leicht dagegen. Eine Tür öffnete sich. Fasziniert und neugierig ging Callery weiter. Was sich wohl dahinter verbarg? Callery lief einen dunklen Gang hinunter. Es schien beinahe wie eine Brücke zu sein, die über eine tiefe Schlucht hinüber zu einem anderen Zimmer führte. Callerys Herz klopfte, dennoch schob sie die große, schwarze Tür auf und trat ein. Was sie sah, glaubte sie nicht. Vor ihr, in einem großen, gläsernen Wasserbehälter schwamm eine etwas bleiche, leblose Frau. Ihre Arme waren nach hinten an goldene Handschellen gekettet und ihr Oberkörper hing leicht vornüber. Ihre langen, braunen Haare schwammen schwerelos im Wasser. Sie war vollkommen nackt und wunderschön. Callery trat näher an den Behälter und betrachtete ihr Gesicht, das nach unten geneigt war, etwas genauer. Sie kam ihr bekannt vor. Hatte so nicht die Frau auf dem Gemälde ausgesehen? Angezogen streckte Callery die Hand nach dem Glas aus.
„Ich habe ihnen wohl etwas zu viele Freiheiten gelassen“, erklang plötzlich Kasuns Stimme.
Callery drehte sich erschrocken und ertappt um und sah ihn mit großen Augen an. Sie stutze sofort, auch wenn ihr Herz ihr bis zum Hals schlug. Kasun trug Kahi auf seinen Armen. Ihr Kopf war leblos in den Nacken gefallen und ihre Haare hingen herab.
„Ist sie…?“, stammelte Callery besorgt.
„Sie schläft“, antwortete Kasun und trat nun weiter, mit dumpfen Schritten, in den Raum. Callery beobachtete jede seiner Bewegungen. Kasun legte Kahi auf einer kleinen Barre ab und schnallte ihre Hände und Füße fest. Er trat einen Schritt zurück und sah dabei zu, wie sich die Barre in die Luft erhob. Kahi hing nun vor einem großen, runden Fenster, durch das das Mondlicht leicht hindurch schien. Noch hatte der Mond nicht seine richtige Position erreicht.
„Was hat das zu bedeuten?“, hauchte Callery ängstlich.
Kasun musterte Kahi noch einmal, wie sie dort schlaff hing, dann lief er rüber zum Wasserbehälter. Er legte die Hand auf das Glas und sah die Frau darin an.
„Meine geliebte Melodie“, sagte er leise, mit schmerzlicher Stimme. „Nun endlich werden wir uns wieder sehen. Mit Hiusagis Hilfe werde ich das Paradies öffnen und dich von deiner Sehnsucht erlösen.“
Kasun schloss die Augen.
Er hörte ein fröhliches, glückliches Lachen, dann sah er ihr wunderschönes Gesicht. Ihre grünen Augen funkelten ihn an und ihr zartes Lächeln betörte ihn.
„Oh Melodie“, säuselte er verliebt und legte seine Hand auf ihre Wange.
Wie wunderschön sich ihre Haut doch anfühlte. So seidig glatt und wunderbar warm.
„Kasun“, sprach sie mit ihrer sanften, warmen Stimme. „Ich liebe dich. Wir werden für immer zusammen sein.“
„Ja das werden wir.“
Melodie legte ihre Hand auf seine Brust und blickte ihm in die roten Augen.
„Ich liebe dich Melodie“, hauchte er.
Regen legte sich über das Land. Es donnerte und blitze. Alles schien trist und grau zu sein. Kasun stand neben Melodies Bett und hielt ihre Hand. Besorgt und dennoch emotionslos betrachtete er sie. Sie war kreidebleich, ihre halb geöffneten Augen waren trüb und Schweiß stand ihr auf der Stirn. Zärtlich drückte er ihre Hand.
„Kasun, mein Liebster“, hauchte Melodie und neigte den Kopf leicht zur Seite. „Ich liebe dich.“
Melodie schloss die Augen.
„NEEEEIIIIIIIIIIIIIN!!!“, schrie Kasun und hob dabei den Kopf in die Höhe.
Wütend und voller Schmerz ließ er ihre Hand los. Er sank auf den Boden und lehnte sich an das Bett. Er krümmte die Finger und biss die Zähne zusammen. Tränen rannen ihm über die Wangen.
‚Höre, ein Fluch soll auf dir liegen. Verdammt bis in alle Ewigkeit. Eine zerbrochene Liebe, Leid auf Ewig, dein Leben ein Fluch. Zahle für die Taten deiner Vorfahren einen hohen Preis.’
Die Stimme hallte immer wieder in seinem Kopf. Kasun drückte die Hände auf die Ohren, doch die Stimme verebbte nicht.
„Arrrr!“, schrie er voller Schmerz und kniff die Augen dabei zusammen.
Das Licht des Mondes kitzelte Kasun und er öffnete die Augen wieder. Etwas wehmütig blickte er auf Melodies Gesicht. Nun endlich, nach all den Jahren war es so weit. Nun endlich konnte er das Paradies, durch Hiusagis Hilfe öffnen. Dort würde sie warten. Melodie. Seine geliebte Melodie. Nun, nach all der langen Zeit würde er endlich von diesem Fluch erlöst werden. Dieser Fluch, der eigentlich nicht hätte ihn treffen dürfen.
Kasun blickte an dem Behälter vorbei zu Kahi. Ihre Augen waren noch immer geschlossen, doch sie schlief lange nicht mehr. Sie hörte jedes seiner Worte.
„Auch in mir fliest das Blut eines Wolfes“, sagte er und ging langsam auf sie zu.
Callery stand noch immer etwas abseits und beobachtete alles beängstigt und zugleich fasziniert. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie sich gerade an einen anderen Ort wünschte oder nicht. Vielleicht hätte sie lieber nicht so neugierig sein dürfen, denn sie wusste nicht, ob sie diese Nacht überleben würde.
„Dieser Fluch lastet auf mir, da mein Großvater eine schlimme Tat begangen hat. Schon vor langer Zeit wurde eine Mondprinzessin geboren. Mein Großvater war der von ihr erwählte Wolf gewesen. Aus diesem Grund fließt auch in mir das Blut eines Wolfes. – Mein Großvater jedoch folgte dem Ruf des Mondes nicht, und das Paradies konnte nicht geöffnet werden. Die Mondprinzessin verblühte wie eine Blume und die Reinigung der Welt konnte nicht vollbracht werden. Daher wurde ein Fluch über meine Familie gelegt. Ein Fluch, er mich am härtesten traf. Das Wolfsblut übertrug sich nur auf mich und somit auch der Fluch. Verdammt auf Ewig. - - - Doch ich habe eine Möglichkeit ersinnt diesen Fluch ein für alle Mal zu beenden. Mit deiner Hilfe meine schöne Hiusagi, werde ich das Paradies öffnen. Das Paradies in dem meine geliebte Melodie auf mich wartet.“
Kasun blieb stehen. Sein Blick war starr auf Kahi gerichtet, die noch immer ganz schlaff in ihren Ketten hing. Ihr Kopf lag auf ihrer Brust und ihre Haare fielen lang neben dem Gesicht herab. Das Licht des Mondes schien nun immer stärker durch das große Fenster. Plötzlich riss Kahi die Augen auf.

Kazuya, Kaba, Keyomi, Akame, Hiko und Domoe preschten noch immer durch den hohen Schnee. Der starke Wind blies ihnen die Flocken ins Gesicht und hinderte sie am zügigen weitergehen. Sie sahen die Hand vor Augen kaum.
„Ah!“, stieß Hiko aus, als er stolperte und lang hinschlug.
„Alles in Ordnung?“, half Keyomi ihm auf.
Hiko nickte.
„Hey!“, rief Akame Kazuya zu, der scheinbar gar nichts bemerkt hatte und immer noch weiter stürmte.
Kazuya blieb stehen und drehte sich emotionslos um.
„Wir sollten vielleicht eine Pause machen und warten bis der Sturm vorüber ist“, schlug Akame vor.
„Ja immerhin haben wir eine Frau und ein Kind dabei“, stimmte Domoe ihm zu.
Kazuyas Blick änderte sich kaum. Er sagte zwar nichts, aber allen war klar, dass er nicht vorhatte eine Pause einzulegen.
„Wegen mir müsst ihr keine Pause machen“, sagte Hiko jetzt.
„Wegen mir auch nicht. Ich schaff das schon.“
Kazuya nickte und wollte weitergehen, doch Domoe schien anderer Meinung zu sein.
„Ich aber nicht. Ich bin dafür das wir eine Pause machen.“
„Mach was du willst“, entgegnete Kazuya kühl.
„Ich hab langsam die Schnauze voll davon dass du dich hier ständig als Anführer aufführst. Schau dir Keyomi doch mal an. Sie ist völlig fertig. Das scheint dich überhaupt nicht zu interessieren. Also ich werde eine Pause machen, ob es dir gefällt oder nicht. – Kommt Leute.“
Hiko neigte den Kopf etwas traurig, folgte aber Domoe, da er tatsächlich etwas müde war und eine Pause gut gebrauchen konnte. Keyomi sah Kazuya ähnlich betrübt an. Sie wollte ihn begleiten, aber sie konnte einfach nicht mehr. Kahi hatte ihre Verletzung zwar geheilt, aber sie war immer noch etwas angeschlagen. Sie hatte nun mal viel Blut verloren, das konnte auch Kahi nicht ändern. Auch sie folgte Domoe. Akame warf Kazuya einen Blick zu. Er verstand den Jungen irgendwie. Aber dennoch war eine Pause angebracht. Es war besser wenn er mit Domoe ging, denn irgendwer musste auf sie alle aufpassen. Akame zog nun auch ab. Kazuya sah ihnen kurz nach.
„Geh mit ihnen“; bat er Kaba und setzte seinen Weg dann allein fort.
Kaba zögerte nicht lange und stürmte Akame und den Anderen nach.
„Sogar der Wolf schließt sich uns an“, murrte Domoe.
„Ich kann schon irgendwie verstehen das Kazuya unbedingt weitergehen will. Immerhin hat dieser Typ Kahi in seiner Gewalt“, stand Hiko Kazuya zur Seite.
„Wenn du das so siehst, kannst du ja auch gehen.“
Hiko schrak zurück.
„Jetzt hört auf damit“, ging Akame dazwischen. „Wir warten bis der Sturm nachlässt und folgen Kazuya dann.“
Keyomi blieb kurz stehen und warf einen Blick in die Richtung in die Kazuya gelaufen war. Vielleicht hätte sie ihn nicht allein lassen dürfen. Domoe tat ihm Unrecht. Er war eben in Sorge um Kahi. Sie konnte nicht auf sich aufpassen. Sie brauchte ihn. Er tat nur das, was sein Herz ihm sagte und daran war absolut nichts falsch. Und Kaba war sicher nur bei ihnen, weil er ihn darum gebeten hatte. Denn auch wenn niemandem das klar war, aber Kazuya fühlte sich für sie alle verantwortlich. Für jeden von ihnen. Er wollte dass niemandem etwas passierte. Weder Keyomi, noch Hiko, noch Domoe und nicht mal Akame. Keyomi drehte sich um und lief weiter. Kazuya stürmte noch immer wie verrückt durch den Schnee. Er konnte das dunkle Schloss schon sehen, das dort am Horizont aus der Erde ragte.

Der Mondstrahl schien jetzt durch Kahi hindurch zu dringen und eine Art Loch bildete sich an dem Punkt auf den der Strahl schien. Dahinter erschien ein wundersamer Ort. Eine große Blumenwiese, blauer Himmel und ein herrlicher, blauer See. Kasun hielt seinen Blick darauf gerichtet. Callery riss erstaunt die Augen auf. Das konnte nicht sein. Was war das nur? Sollte das etwa das besagte Paradies sein?
Melodie erschien jetzt auf der Wiese. Sie trug ein langes, fließendes, rosefarbenes Kleid und lächelte Kasun an.
„Melodie“, hauchte er.
Melodie streckte langsam, mit einer fließenden Bewegung ihre Hand nach Kasun aus.
„Komm mein Liebster“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Ich habe solange auf dich gewartet. Nun endlich sind wir wieder vereint. Komm.“
Den Blick starr auf sie gerichtet schritt er auf das Portal zu. Er fuhr den Arm langsam aus um Melodies Hand zu erreichen. Callery beobachtete das alles ganz gespannt. Ihr Blick fiel jedoch plötzlich auf den Wasserbehälter in dem Melodies Leichnam schwamm. Was war das? Eine dunkle, beinahe schwarze Flüssigkeit mischte sich mit dem Wasser. Was passierte da? War das beabsichtig?
Kasun hatte Melodie nun schon fast erreicht. Das Wasser im Behälter hatte sich nun komplett schwarz gefärbt und zersetzte den Körper von Melodie. Langsam fraß es das Fleisch von den Knochen und alles löste sich auf.
Kahi hob plötzlich den Kopf in die Luft, riss die Augen noch etwas weiter auf und begann zu schreien. Ihr Schrei ließ die Gläser im Raum zerspringen. Callery drückte sofort die Hände auf die Ohren. Kasun aber ließ sich nicht von ihr beirren und lief weiter.
„Melodie“; hauchte er erneut.
Plötzlich fegte ein heftiger Wind über ihn hinweg. Er blieb stehen und legte die Arme schützend vor sein Gesicht. Sein Mantel und die langen Haare flatterten auf. Melodie rückte immer weiter in die Ferne und das Portal begann sich zu schließen.
„Nein!“, rief Kasun. „Melodie.“
Schwärze umgab Kasun. Das Bild von Melodie und dem Paradies wurde immer kleiner, bis es endgültig verschwand.
„MELODIE!“; brüllte Kasun mit aufgerissenen Augen.
Nein, nein, das konnte nicht sein. Wieso nur? Er hatte so lange darauf gewartet und nun war seine Chance vergeben. Nun würde er sie niemals wieder sehen. Sie war tot. Ein für alle Mal tot. Verloren. Und er war verdammt.
„Arrr!“, schrie er wütend und verzweifelt und begann das Labor kurz und klein zu schlagen. Er nahm einen Stuhl und schlug damit auf den Wasserbehälter ein. Das Glas splitterte, bis es schließlich dem Druck des Wassers nachgab und zersprang. Ein paar Splitter trafen Kasun im Gesicht und das Wasser schoss ihm um die Beine, doch das kümmerte ihn nicht. Mit der Hand fegte er alles vom Tisch was darauf stand und warf dann einen weiteren Stuhl gegen die Wand.
Callery hockte ängstlich in ihrer Ecke und zog sich noch etwas weiter zurück. Jetzt würde er sie sicher töten. In seiner Wut würde er sie ganz bestimmt töten. Callery schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Kahi hing noch immer in ihren Ketten. Inzwischen war ihr Kopf wieder auf die Brust gefallen und sie hatte die Augen geschlossen.
„Ar“, wimmerte Kasun und sank nun auf den Boden. „Arr!“
Fassungslos und völlig verzweifelt saß er dort in der Ecke. Tränen liefen ihm über die Wangen. Er hatte sie verloren. All seine Bemühungen waren umsonst gewesen. Nun war sie für immer verloren. Kahi und das Paradies waren seine letzte Hoffnung gewesen und nun war auch sie dahin. Kasun stand nun wieder auf. Mit kaltem Gesichtsausdruck ging er auf Kahi zu und betrachtete sie, wie sie dort hing. Dieses arme, hilflose Geschöpf.
„Ich brauche dich nicht länger“, nuschelte er und griff nach seinem Schwert, das er immer unter dem Mantel trug.
In diesem Augenblick schlugen die Flügeltüren laut auf. Kasun drehte sich um und blickte in Kazuyas böses Gesicht. Grimmig und mit gefletschten Zähnen stand er in der Tür und sah Kasun böse an.
„Ich habe dich erwartet“, sagte Kasun typisch.
„Gib sie mir zurück“, befahl Kazuya ihm.
„Ha“, lachte Kasun. „Glaubst du wirklich du könntest mir Befehle erteilen? – Warum willst du sie haben? Warum bedeutet sie dir so viel? – Weil sie dich ins Paradies führt? – Was denkst du erwartet dich dort; im Paradies?“
„Die Zukunft“, antwortete Kazuya aggressiv.
„Die Zukunft“, wiederholte Kasun abwertenden.
Er wand den Rücken zu Kazuya und lief ein Stück auf Kahi zu, die noch immer dort vor dem Fenster hing. Kazuya beobachtete ihn abwartend. Kasun fuhr die Hand aus und drückte auf einen kleinen Knopf. Die Handschellen um Kahis Gelenke sprangen auf und Kahi stürzte zu Boden.
„Kahi!“, rief Kazuya und sprang leicht vor.
Kasun hatte sich jedoch schon zu ihr gedreht und zeigte mit der Klinge seines Schwertes auf sie.
„Nenn mir einen Grund, warum ich sie nicht töten sollte“, forderte er Kazuya auf, wobei sein Blick auf Kahi ruhte.
„Weil ich dich töten werde“, knurrte Kazuya der Kasun jetzt wieder mit bösen Augen ansah.
Kasun lachte leicht auf und holte aus. In diesem Moment sprang Kazuya dazwischen und schlug ihm das Schwert aus der Hand. Geschmeidig kam er wieder auf dem Boden auf und sah Kasun böse an, der ein paar Schritte zurück getorkelt war, durch den Angriff. Er lachte wieder, was Kazuya doch ein klein wenig verunsicherte.
Kasun betrachtete sein blutendes Handgelenk. Seine Hauptschlagader war freigelegt. Tiefe Bissspuren zeichneten sich darin ab, doch er lachte weiter.
„Glaubst du - - glaubst du wirklich, das könnte mich töten?“
Kazuya sah ihn nur irritiert an.

Der Sturm hatte nachgelassen. Akame und die Anderen hatten sich einen Unterschlupf gesucht und das Unwetter abgewartet. Während Domoe, Keyomi und Hiko auf dem Boden saßen und sich ausruhten, blickte Akame nach draußen.
„Es wird Zeit“, sagte er zu den Anderen. „Wir sollten aufbrechen.“
„Ja“, stand Keyomi sofort auf.
Sie war noch immer in großer Sorge um Kazuya. Hoffentlich ging es ihm gut. Sie hatte so ein seltsames Gefühl.
Sie sprang sofort durch die kleine Öffnung in der Wand und eilte los. Akame zögerte nicht lange und folgte ihr. Domoe seufzte leicht, zog dann aber auch mit.
Sie stürmten durch den hohen Schnee Richtung Schloss. Von hier war es nur ganz klein am Horizont zu sehen, doch es wirkte auch jetzt schon bedrohlich und einschüchtern.
„Wartet!“; hielt Akame plötzlich an.
Kaba drehte den Kopf leicht zu ihm und musterte ihn mit seinen gelben Augen. Auch Domoe, Hiko und Keyomi sahen ihn an. Was hatte er? Akame hob den Kopf in die Luft und sah prüfend zum wolkenverhangenen Himmel hinauf.
„Hört ihr das?“, fragte er die Anderen.
Domoe spitze jetzt seine Ohren.
„Ja“, antwortete er dann. „Das ist ein Luftschiff der Aristokraten.“
Nun sahen alle das Schiff das vom Horizont her näher kam und auf Kasuns Schloss zusteuerte. Bedrohlich schwebte es über ihren Köpfen.
„Los, beeilen wir uns lieber“, forderte Akame die Anderen wieder auf und stürmte weiter.
Kazuya und Kasun standen sich noch immer gegenüber. Kazuya hatte langsam die Nase voll von diesem aristokratischen Typen. Blitzschnell sprang er vor und verletzte Kasun am Hals. Er blieb wie ein Baum stehen und sah Kazuya nur unbeeindruckt an. Blut rann über seinen Hals. Der Kragen seines Umhangs saugte es auf, doch es quoll immer mehr hervor und platschte auf den Boden.
„Du kannst mich nicht töten“, erklärte Kasun, der sich nun leicht von ihm entfernte.
Es schien, als hätte er gar kein großes Interesse an einem Kampf mit Kazuya. Er hätte ihn oder Kahi töten können, doch er schien das gar nicht zu wollen.
Die Erde bebte plötzlich. Callery in ihrer Ecke schrak zusammen und riss die Augen ängstlich auf. Kazuya blickte sich ebenfalls um. Was war das gewesen? Wo war das hergekommen? Erneut bebte die Erde. Kasun blieb stehen. Er hatte den Rücken zu Kazuya gewannt und hob den Kopf leicht in die Luft, auch wenn er nur die Decke sehen konnte.
„Mh“, schmunzelte er und verließ mit lauten Schritten den Raum.
„Kahi!“, stürmte Kazuya jetzt zu ihr und hob ihren Kopf leicht an.
Kahi öffnete die Augen und sah Kazuya an, als wäre nichts geschehen.
„Kazuya“, lächelte sie leicht.
Kazuya sah sie etwas irritiert an, dann nahm er sie auf den Arm und stürmte aus dem Raum.
„Hey wartet!“, rief Callery und eilte ihm nach.
Kazuya, Kahi und Callery stürmten durch die Gänge des Schlosses.
Akame, Hiko, Domoe, Kaba und Keyomi kamen indes am Schloss an. Besorgt blickten sie hinauf zu dem großen Luftschiff, das sein Feuer gerade bündelte.
„Kazuya!“, schrie Keyomi und wollte ins Schloss stürmen, doch Akame hielt sie zurück.
Das Luftschiff feuerte seinen Laserstrahl jetzt auf das Schloss ab. Ein lautes Dröhnen und scheppern erklang. Man hörte wie die Scheiben zersprangen und die Gesteinsbrocken herunter krachten. Alles fiel in sich zusammen.
„KAZUYA!“, schrie Keyomi entsetzt und starrte fassungslos auf die Trümmer.
Tränen standen ihr in den Augen. Ein kleiner Tropfen kullerte ihr über die Wange. Sie konnte nicht glauben was hier geschah. Sollte Kazuya wirklich…? Nein, sie wagte nicht daran zu denken. Er durfte nicht tot sein. Was sollte sie denn dann tun? Er war doch alles was sie hatte. Akame hielt sie noch immer fest, aber er war nicht in der Lage etwas zu tun. Er sah nur genauso bestürzt auf das Schloss wie die Anderen.

Reunification

Das Schloss lag in Trümmern. Es war kaum etwas davon übrig geblieben. Akame, Kaba, Domoe, Hiko und Keyomi hatten sich längst etwas davon entfernt. Sie hatten den Ort nach Kazuya und Kahi abgesucht, aber sie hatten nichts gefunden. War ja auch kein Wunder. Fast alles war im Wasser versunken. Wie hätten sie das überleben sollen?
Sie saßen jetzt planlos in einer Höhle. Niemand sprach. Hiko hatte die Beine angezogen und die Arme fest darum geschlungen. Akame saß auf einem Stein, ein Bein angezogen, eine Hand abgestützt und blickte nach draußen. Keyomi hatte sich ähnlich wie Hiko zusammengekauert. Sie konnte und wollte es nicht glauben. Ihr Bruder, ihr Kazuya, sollte wirklich tot sein? Das konnte einfach nicht sein. Er durfte einfach nicht tot sein. Noch immer standen ihr Tränen in den Augen, aber sie weinte nicht. Sie war ganz ruhig.
Kaba lag friedlich neben ihr, den Kopf auf der Pfote abgelegt, die Augen geschlossen.
„Wir sollten weitergehen“, sagte Akame mit gesenktem Kopf.
„Weitergehen?“, hakte Domoe nach. „Und wohin, wenn ich fragen darf?“
Akame zögerte einen Moment. Er konnte seine eigenen Gedanken kaum glauben.
„Zum Paradies“, antwortete er schließlich.
Alle sahen ihn überrascht an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Akame? Der, der die ganze Zeit an der Existenz des Paradieses zweifelte?
„Meinst du das ernst?“, richtete Hiko sich leicht auf.
Akame dachte wieder einen Moment darüber nach.
„Ja“, sagte er schließlich. „Ich weiß zwar nicht warum, aber aus irgendeinem Grund wollte Kazuya diesen Ort unbedingt finden. – Zurück können wir jetzt nicht mehr. - - Alles was uns noch bleibt ist, voran zu gehen.“
Keyomi schloss kurz die Augen, atmete tief durch und öffnete sie dann wieder.
„Ich komme mit dir“, entgegnete sie mit brüchiger Stimme. „Wir werden das Paradies finden. Für Kazuya.“
Akame nickte unmerklich.
„Ich komme auch mit“, stand Hiko auf.
Akame, Hiko und Keyomi sahen jetzt zu Domoe.
„Natürlich bin ich dabei“, hob er die Arme in die Luft und stand dann auf.
„Und Kaba wird uns zeigen wo lang wir gehen müssen“, sagte Hiko und sah den Wolf dabei an.
Kaba warf ihm einen Blick zu und ging dann vor. Die Anderen folgten ihm.

„Ha!“, atmete Kazuya laut auf, als er die Augen aufschlug.
Er atmete wild und hastig und blickte Kahi starr an. Sein Kopf lag auf ihren Schenkeln und sie streichelte zärtlich über seine Haare. Kazuya zitterte vor Kälte. Prüfend sah er sich um. Wie es schien, waren sie in irgendeiner Höhle. Über ihm hingen Eiszapfen an der Decke, um ihn herum überall Schnee und Eis, davor eine Art See. Langsam richtete er sich auf. Kahi zog ihre Hand vorsichtig zurück und musterte ihn.
„Wo sind wir?“, fragte Kazuya.
Kahi antwortete nicht. Wahrscheinlich wusste sie es genauso wenig wie er. Er schloss kurz die Augen und rief sich seine Erinnerungen ins Gedächtnis. Sie waren zusammen durch das Schloss gestürmt, als alles über ihnen zusammengestürzt war. Als Kazuya die Augen geöffnet hatte, hatte er sich, mit Kahi im Arm, unter Wasser befunden. Mehr wusste er nicht. Wie auch immer sie das überlebt hatten.
Kazuya drehte sich um, als Kahi aufstand und ihm einen auffordernden Blick zuwarf. Kazuya stutze etwas, doch Kahi lief einfach los. Sie lief direkt in den dunklen Gang hinein.
„Kahi!“, rief Kazuya ihr nach, dann folgte er ihr.
Callery stemmte angestrengt einen Steinklotz zur Seite und klettert aus den Trümmern. Sie sah mitgenommen aus. Ihr hellblauer Mantel war ganz schmutzig, staubig und leicht zerrissen. Ihre Haare waren zerzaust und ihr Gesicht ganz dreckig. An den Beinen zeichneten sich einige Schürfwunden ab.
„Ah!“, stöhnte sie leicht und befreite sich nun ganz aus dem Steinhaufen.
Stolpernd kletterte sie zwischen den Steinen hindurch und ließ sich dann in den Schnee fallen. Sie hatte wirklich einen Schutzengel gehabt. Das sie das überlebt hatte, war pures Glück gewesen. Callery blickte auf den Boden. Wo hatte sie sich da nur reingeritten? Sie hätte lieber in Dark City bleiben sollen. Es war eine schlechte Idee gewesen herzukommen. Andererseits hatte das alles ihr Interesse geweckt. Kahi war also wirklich die Mondprinzessin. Sie hatte das Paradies gesehen. Dieser Ort war kein Märchen.
Callery richtete sich wieder auf und sah in die Ferne. Niedergeschlagen schüttelte sie den Kopf. Sie war völlig erschöpft und die Stadt war so weit entfernt. Sie wusste nicht mal genau wo sie eigentlich war. Wohin sie auch sah, sie sah nur Schnee. Nichts, außer Schnee. Es nütze alles nichts. Egal wie erschöpft sie war, sie musste irgendwann mal anfangen zu laufen. Langsam setzte sie einen Fuß vor den Anderen und marschierte los.
Kahi und Kazuya schlichen noch immer durch die engen Höhlengänge. Kazuya hatte wirklich keine Ahnung wohin sie gingen. Kahi aber lief einfach immer weiter. Es schien, als wüsste sie es ganz genau. Es dauerte nicht lange, bis sie Licht am Ende des Tunnels sahen und aus der Höhle raus waren. Kahi streckte sofort die Nase zum Himmel und nahm die Sonnenstrahlen in sich auf. Eine Höhle war nicht gerade der richtige Ort für sie. Während Kahi die Sonnenstrahlen absorbierte, sah Kazuya sich um. Er hatte wirklich keine Ahnung wo sie hier gelandet waren. Es war Meilenweit nichts zu sehen. Kahi senkte den Kopf jetzt wieder und ging weiter. Sie blieb kurz stehen und drehte sich zu Kazuya um.
„Hier lang“, rief sie ihm mit ihrer zarten Stimme zu und ging dann weiter.
Kazuya zögerte nicht lang und lief ihr nach.
Callery irrte noch immer durch den Schnee. Inzwischen war es etwas windig geworden und die Flocken bliesen ihr ins Gesicht. Ihr Schal flatterte ihr um die Ohren und der Mantel wurde nach hinten geblasen. Callery schleppte sich trotzdem immer weiter. Sie hatte kaum noch Kraft, aber sie konnte jetzt nicht stehen bleiben. Sie würde hier draußen erfrieren.
Callery blieb plötzlich stehen, als sie ein paar Scheinwerfer in der Ferne ausmachte. Das war die Rettung.
„Hallo!“, rief sie und warf den Arm in die Luft.
Der Fahrer aber bretterte weiter auf sie zu. Als er Callery dort stehen sah, trat er sofort kräftig auf die Bremse. Der Wagen schlidderte auf die zierliche Frau zu, die sofort zur Seite sprang.
„Alles in Ordnung!“, stieg Pear hastig aus dem Wagen und stürmte auf Callery zu, die im Schnee lag.
Pear blieb stehen als er sie erkannte. Callery richtete sich indes auf.
„Können sie nicht aufpassen?“, maulte sie und drehte ihr Gesicht jetzt zu dem Mann um.
Sofort riss sie erstaunt die Augen auf. Sie befand sich hier im Nirgendwo und ausgerechnet ihrem Vater lief sie über den Weg? Das war kaum zu glauben.
„Callery“, wunderte er sich und umklammerte ihren Arm um sie auf die Beine zu ziehen. „Ist dir was passiert?“
„Nein es geht mir gut“, murrte sie sofort und riss ihren Arm weg, als sie sicher auf beiden Beinen stand.
„Was machst du hier draußen?“
„Das gleiche könnte ich dich fragen“, entgegnete sie patzig.
Seit dem letzten Gespräch war sie ziemlich schlecht auf ihren Vater zu sprechen. Sie hatte sich immer so viel Mühe gegeben ihn zu verstehen und hatte immer nur gewollt das er stolz auf sie war und das trotz all der Dinge die geschehen waren. Seine Sturheit reichte ihr ein für alle Mal. Sie hatte keine Lust mehr ihm immer gefallen zu wollen. Er sollte dahin gehen wo der Pfeffer wächst und sie ein für alle mal in Ruhe lassen.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen stieg Callery in den Wagen. Pear sah ihr irritiert nach. So hatte er sie noch nie erlebt. Er winkte genervt ab und ging zurück zum Wagen. Er schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Etwas ruckartig fuhr er los. Callery blickte starr aus dem Fenster.
„Du siehst ziemlich mitgenommen aus“; bemerkte er.
Callery aber schwieg weiter. Sie hatte jetzt wirklich keine Lust ausgerechnet ihrem Vater zu erzählen was passiert war. Er würde ihr ja doch nicht glauben.
„Die nächste Stadt ist nur ein paar Meilen entfernt“, berichtete er und blickte dabei starr auf die verschneite Straße.
Er bemerkte schnell das Callery wohl nicht mit ihm reden wollte. Wenn sie wüsste was in ihm vorging? Sie hatte ja keine Ahnung. Aber er konnte es ihr nicht sagen. Sie steckte sowieso schon viel zu tief in dieser Sache drin. Es war besser, wenn sie sich da raus hielt. Wenn das denn überhaupt noch möglich war.

Eine Mönchsähnliche Gestalt lief über den langen Gang. Vor ihm öffnete sich eine große, grüne Flügeltür und er betrat den recht dunklen Raum. Sofort blieb er stehen und warf einen Blick zu dem Mann der vor dem großen Fenster stand und auf den roten Horizont blickte. Er trug einen langen, lilafarbenen Umhang, der schon fast schwarz wirkte und eine Maske, die sogar sein Haar verdeckte. Der Umhang fiel ihm weit über die breiten Schultern und ließ absolut nichts seiner Figur erahnen.
„Lord Arkum?“, sprach der Nazril sie an.
Arkum reagierte nicht auf ihn und sah weiter reglos aus dem Fenster auf die Stadt. Der Nazril sah ihn abwartend an. Die Nazril waren ein Art Geheimbund. Der Orden der schwarzen Sonne. Wenn der Mond für immer vergehen würde, dann war die Zeit der schwarzen Sonne und damit ihre Zeit gekommen und Lord Arkum würde diese Welt für sie herbeirufen.
„Ist er tot?“, fragte Arkum nun endlich.
„Nein my Lord“, antwortete er ehrlich, auch wenn er Arkums Zorn zu fürchten hatte. „Die Stadt wurde vernichtet, doch der Wolf konnte scheinbar fliehen.“
„Ich darf euch an die Wichtigkeit dieses Auftrags erinnern“, drehte er sich nun langsam um und sah den Nazril mit glühenden Augen durch seine schwarze Maske, an. „Der Wolf muss sterben.“
„Ja my Lord.“
„Habt ihr das Wesen?“
Der Nazril schwieg. Eine weitere schlechte Nachricht wollte Lord Arkum sicher nicht hören. Arkum deutete das Schweigen als nein und setzte sich an den großen Schreibtisch der direkt vor dem Fenster stand. Er legte die Ellbogen auf der Tischplatte ab und faltete die behandschuhten Hände leicht ineinander.
„Einen weiteren Fehlschlag können wir uns nicht leisten“, erklärte er bemüht ruhig. „Ich brauche das Wesen. Lebend. Und der Wolf muss sterben.“
„Jawohl my Lord.“
Der Nazril verbeugte sich kurz und verschwand dann aus dem Raum. Arkum lehnte sich jetzt zurück und warf einen Blick auf die Prophezeiung des Mondes die vor ihm auf dem Tisch lag. Er stieß ein kurzes, herabwürdigendes Lachen aus.

Akame, Domoe und die Anderen marschierten nun schon seit Stunden in brennender Hitze durch eine knöcherne Wüste. Sie liefen durch eine kleine Schlucht, doch auch hier brannte die Sonne auf ihre erschöpften Körper. Es gab nicht mehr viele Gebiete in denen es keinen Schnee gab, doch dort wo er sich noch nicht niedergelegt hatte kochte oftmals die Sonne. Genau wie in diesem Tal. Schweiß stand ihnen auf der Stirn doch sie schleppten sich immer weiter. Akame ließ keine Pause zu. Es war, als wäre er von irgendetwas getrieben. Als wäre er genauso besessen wie Kazuya zuvor.
„Es reicht“, streikte Domoe. „Ich gehe keinen Schritt mehr weiter.“
„Halt die Klappe und lauf“, murrte Akame und ging einfach weiter.
Hiko und Keyomi blieben stehen und drehten sich zu Domoe um. Er hatte Recht. Sie brauchten dringend eine Pause. Selbst Kaba hing die Zunge schon fast auf den Boden und er war wohl der Ausdauernste von allen.
„Vielleicht sollten wir wirklich mal ne Pause machen“, nuschelte Hiko. „Wir laufen schließlich schon seit Stunden durch diese Hitze.“
„Die Beiden haben Recht Akame“, redete nun auch Keyomi auf ihn ein.
Akame blieb sofort stehen und blickte etwas überrascht in die Ferne. Ihm wurde schlagartig klar wie er sich gerade verhielt. Keyomi hatte vollkommen Recht. Akame drehte sich zu ihr um und sah sie an. Er musterte ihre ausdruckslosen Augen. Seit sie aus der Höhle raus waren hatte sie nicht ein Wort gesagt. Sie litt sehr. Akame nickte jetzt.
„Gott sei dank!“, ließ Domoe sich auf den Boden fallen und streckte die Beine von sich, während er sich auf den Armen abstütze. „Ich kann keinen Schritt mehr machen.“
„Ich auch nicht“, murmelte Hiko der sich sofort zu Domoe auf den Boden gesellte.
Akame musterte sie kurz, dann lief er ein Stück weiter und setzte sich dort auf einen Stein. Keyomi betrachtete ihn und ging ihm dann nach.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie ihn einfühlsam.
Akame warf aus dem Augenwinkel einen Blick zu ihr, reagierte aber nicht. Keyomi sah ihn weiter musternd an. Im Moment verstand sie nicht was in Akame vor sich ging. Er war von Anfang an ziemlich verschlossen gewesen und sie hatte ihn bisher noch immer nicht durchschaut, aber jetzt verhielt er sich sehr eigenartig. Er hatte nie an die Existenz des Paradieses geglaubt und nun schien er alles daran zu setzten es zu finden. Er gönnte sich und den anderen nicht mal eine Pause. Er war schlimmer als Kazuya.
„Warum ist dir das Paradies plötzlich so wichtig?“, fragte Keyomi ihn nun ganz direkt.
„Es geht nicht um das Paradies.“
Keyomi sah ihn überrascht an. Wenn es nicht um das Paradies ging, worum ging es dann?
„Wir haben Kazuya ihm Stich gelassen“; fuhr er fort und blickte dabei starr auf den staubigen Boden. „Vielleicht würde er noch leben, wenn…“
„Vielleicht wären wir dann aber auch alle tot“, unterbrach sie ihn.
Akame sah zu ihr auf. Sein Blick glühte und er kniff den Mund zornig zusammen.
„Das verstehst du nicht“, brüllte er sie an und ging.
Keyomi sah ihm aufgeschreckt nach. Was war nur in ihn gefahren? Was hatte sie denn falsches gesagt? Sie hatte ihn doch nur aufmuntern wollen. Sie verstand ihn einfach nicht.
„Mach dir nichts draus“, kam Domoe plötzlich dazu.
Keyomi drehte sich aufgeschreckt zu ihm um und musterte ihn wie er dort hinter ihr stand und Akame hinterher sah.
„Der kriegt sich schon wieder ein.“
„Ich frage mich nur was er hat“; senkte Keyomi den Kopf.
„Was interessiert dich das?“, setzte Domoe sich neben sie. „Wenn er deine Hilfe nicht will, dann solltest du sie ihm nicht aufzwingen.“
„Du bist wirklich ein toller Freund Domoe“, zickte sie und stand ebenfalls auf.
„Hey was hab ich denn falsches gesagt?!“, rief Domoe ihr nach. „Frauen.“
Domoe verdrehte leicht die Augen. Egal was er tat, Keyomi bekam alles in den falschen Hals. Seit sie die Reise angetreten hatten war er ihr nicht ein Stückchen näher gekommen. Ganz im Gegenteil. Er hatte sich sogar noch weiter von ihr entfernt und das sollte schon was heißen, da sie sich vorher schließlich nicht gekannt hatten. Wie es schien, war Keyomi einfach nicht an ihm interessiert. Egal was er auch tun würde. Vielleicht sollte er sich damit abfinden. Domoe seufzte leicht und stand auf um zu den Anderen zu gehen.

Pear und Callery waren inzwischen in der Stadt angekommen und hatten sich ein Hotelzimmer genommen. Callery war sofort unter die warme Dusche gesprungen um sich etwas aufzuwärmen. Ihre nassen Kleider hatte sie zum Trocknen über die Heizung gelegt.
Während Callery duschte saß Pear im Nebenzimmer an einem kleinen, runden Tisch und trank einen Schnaps. Callery würde ihn vermutlich erschlagen, wenn sie das sah, aber das war eben seine Methode um sich ein wenig aufzuwärmen. Mit zittriger Hand nahm er das kleine Glas und führte es zum Mund.
„Das kommt vom vielen Trinken“, platze Callery in den Raum.
Pear erschrak und schüttete die Hälfe des Inhalts über sein Hemd.
„Verdammt“, maulte er und drehte sich um. „Musst du mich so erschrecken?“
Callery verdrehte nur die Augen. Natürlich war es mal wieder ihre Schuld. Pear schluckte den Rest des Glases nun runter und donnerte es dann auf den Tisch. Er musterte Callery, die mit einem weißen Handtuch auf dem Kopf und einem ebenfalls weißen Bademantel in der Tür stand und ihn wenig begeistert ansah. Nach der Dusche war sie nur noch halb so schlecht auf ihn zu sprechen. Ohne ihn wäre sie jetzt vielleicht tot. Erfroren in dieser Eiswüste.
„Gib schon her“, schnappte sie sich jetzt die Flasche, setzte sich zu ihm an den Tisch und goss ein Glas voll.
Pear beobachtete sie leicht überrascht. Er hatte sie noch nie trinken sehen. Zumindest nicht so ein hartes Zeug. Callery nahm das Glas und trank auf Ex. Das wärmte sie zusätzlich auf.
„Wie kannst du das bloß trinken“, verzog sie das Gesicht und schob das kleine Schnapsglas von sich weg.
Pear musterte Callery nur weiter aufmerksam.
„Was hast du da draußen gemacht?“, forderte er sie nun auf ihm endlich die Wahrheit zu sagen.
Callery sah ihn unsicher an. Sollte sie ihm alles erzählen? Er würde sie für verrückt halten. Er würde ihr kein Wort glauben. Das tat er nie. Andererseits brauchte sie eine ziemlich gute Erklärung für ihre Schürfwunden, die Blessuren und die zerrissenen Kleider.
„Ich habe das Paradies gesehen“, sagte sie nun.
Pear sah sie nur starr und emotionslos an. Er konnte nicht glauben was sie sagte. Das war unmöglich. Er durfte sich aber auf keinen Fall etwas anmerken lassen. Callery durfte unter keinen Umständen erfahren was er wusste.
„Ich weiß, du glaubst mir nicht“, sprudelte es nun aus ihr heraus und sie beugte sich leicht über den Tisch. „Aber ich habe es wirklich gesehen. Es war Kahi. Dieses Wesen aus meinem Labor. Lord Kasun hat sie dazu gebracht das Paradies zu öffnen. – Es wurde jedoch wieder geschlossen und dann wurde das Schloss angegriffen. Alles stürzte ein. Ich kann von Glück reden das ich noch am Leben bin.“
„Ja das kannst du“, stand Pear auf und zog sich seinen Mantel an.
Callery beobachtete ihn verwirrt, als er seinen Hut aufsetzte, den Koffer nahm und nach dem Türknauf griff. Bevor er die Tür öffnete drehte er sich zu Callery um.
„Fahr zurück nach Dark City Callery. Hör auf mit diesen Hirngespinsten und fahr zurück.“
Pear öffnete die Tür und verschwand. Callery war viel zu durcheinander, um ihm nachzulaufen. Sie saß nur da und starrte auf die Tür. Was meinte er damit? Warum sollte sie zurückfahren? Wieso war er einfach so gegangen? Was hatte das alles zu bedeuten? Callery sprang jetzt auf und stürmte im Bademantel auf den Flur. Abrupt blieb sie stehen und blickte auf den leeren Gang. Von Pear keine Spur mehr.

Kahi und Kazuya liefen an der Küste entlang. Kazuya hatte noch immer keine Ahnung wohin der Weg sie führte. Aber er vertraute Kahi und lief ihr einfach immer nach. Kazuya hatte bisher noch immer keine Stadt gesichtet. Also egal wo sie da aus der Höhle raus gekommen waren, es musste sehr weit von diesem Schloss entfernt gewesen sein. Während er lief warf Kazuya einen kurzen Blick zum Himmel. Der Himmel war strahlend blau. Ein sehr ungewöhnliches Bild. Blauen Himmel fand man heute nicht mehr oft. Meistens war er Wolken verhangen. Es wehte kein Lüftchen. Es war nur ziemlich kalt hier an der Küste. Das Meer schlug mit sanften Wellen auf den Strand.
„Ich bin noch nie am Meer gewesen“, sagte Kazuya leise.
Kahi blieb stehen und musterte Kazuya, der ein wenig verträumt auf das blaue Nass blickte. Zärtlich griff sie nach seiner Hand und forderte ihn auf weiterzugehen. Kazuya folgte ihr bereitwillig. Sie stapften weiter durch den Schnee, bis Kazuya plötzlich abrupt stehen blieb. Kahi bemerkte, dass er an ihrer Hand zog und blieb ebenfalls stehen. Sie musterte ihn abwartend. Kazuya sah sich suchend um. Er hörte etwas. Er nahm einen Geruch war. Was immer es war, es bedeutete nichts Gutes.
„Wir sollten hier verschwinden“, sagte er zu Kahi und wollte losstürmen, doch Kahi blieb wie angewurzelt stehen und sah in die Ferne.
Kazuya hielt sofort wieder an und musterte sie. Dieser Blick hieß nichts Gutes. Kazuya folgte ihrem Blick und sah nun auch auf den Horizont. Er konnte dort nichts sehen. Alles was er sah, war eine nicht enden wollende, weiße Landschaft. Er stutze plötzlich. War das ein Licht? Eine Truppe von Soldaten kam plötzlich auf sie zu. Kazuya riss die Augen auf. Das war eine Übermacht. Zu Zweit hatten sie keine Chance gegen sie anzukommen und eine Flucht war sinnlos. Es gab keine Rückzugsmöglichkeit. Überall nur Schnee und Eis. Die Truppen kamen immer näher. Kazuya sah Kahi an, als sie seine Hand plötzlich los ließ.
„Wir brauchen das Mädchen lebend!“, rief der Commander und befahl seiner Truppe den Angriff.
Sie legten die Gewehre an und schossen mit ihren Lasergewehren auf Kazuya.
Kazuya packte Kahi am Arm um sie wegzuziehen, doch sie bewegte sich kein Stück. Gebannt starrte sie auf die Truppen. Ihre Augen bekamen einen ganz seltsamen, glasigen Ausdruck und ihre Haare begannen zu flattern, als ein Wind aufkam. Kazuya blickte zum Himmel hoch. Das Blau war vollkommen verschwunden und ein dunkles Grau hatte sich breit gemacht. Der Wind wurde immer heftiger und die Wellen schlugen immer härter auf den Strand. Kazuya legte den Arm vor die Augen und duckte sich leicht, als ihm der Wind um die Ohren schlug. Kahi aber stand weiter starr da. Sie hatte die Arme leicht zurückgestreckt und blickte noch immer auf die Soldaten, dich sich verwirrt umsahen.
„Was ist das?“, fragte ein Soldat seinen Kameraden. „Wo kommt auf einmal dieser Wind her?“
„Ich kann gar nichts mehr sehen.“
„Schnappt euch das Mädchen!“, befahl der Commander.
„Aber Sir“, sprach ein Soldat ihn an. „Wir können nichts sehen.“
„Ar“, knurrte der Commander, packte sein Gewehr und marschierte allein los.
Er kämpfte gegen den starken Wind an und schleppte sich immer ein Stück voran. Plötzlich ließ der Wind ganz abrupt nach und der Commander richtete sich fassungslos auf. Wo waren sie hin? Das Mädchen und der Junge waren verschwunden. Der Commander sah sich suchend um.
Kahi und Kazuya eilten unten am Strand entlang, bis sie außer Reichweite waren.

Akame führte die Gruppe noch immer an. In ihm war immer noch dieses Bedürfnis es zu Ende zu bringen. Er fühlte sich für Kazuyas Tod verantwortlich. Keyomi hatte Recht. Wären sie mit ins Schloss gegangen, wären sie nun wahrscheinlich alle tot. Aber das änderte nichts daran dass er ihn nicht hätte allein gehen lassen dürfen. Wenigstens er hätte mit ihm gehen sollen. Er hatte ihn im Stich gelassen. Immer wenn es drauf ankam, dann ließ er die Menschen im Stich die ihn brauchten.
Domoe trottete allen hinterher. Es war noch immer kochendheiß. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und seine Beine machten schon wieder schlapp.
„Was soll das ganze eigentlich?“, fragte er die anderen und blieb stehen.
Keyomi, Akame und Hiko drehten sich fragend zu ihm um.
„Na ja; ich meine, warum suchen wir das Paradies überhaupt? Ohne Kahi können wir es doch sowieso nicht finden.“
Alle Drei sahen ihn verwirrt an. Er hatte vollkommen Recht. Sie wollten das Paradies für Kazuya finden, aber das ging ohne Kahi gar nicht. Nur sie wusste wo es war. Nur die Mondprinzessin kannte den Weg zum Paradies. Es war vergebens. Alles was sie taten war völlig umsonst.
„Domoe hat Recht“, jammerte Hiko. „Ohne Kahi können wir das Paradies nicht finden.“
Kaba spitze plötzlich die Ohren und drehte den Kopf zur Seite.
„Ich glaube Kaba hat etwas wahrgenommen“, machte Keyomi ihre Freunde darauf aufmerksam.
„Was hat er denn?“, fragte sich Domoe. „Hier ist doch weit und breit nichts.“
„Hört ihr das?“, horchte auch Keyomi plötzlich auf.
„Was ist das?“, fragte sich Akame, der es scheinbar auch hörte.
Domoe spitze nun auch seine Ohren und versuchte etwas zu hören. Er nahm ein Geräusch war. Das hatte er schon mal irgendwo gehört.
„Das sind Truppen von Arkum!“, stieß er aus.
Alle sahen sich entsetzt an und stürmten los. Sie mussten hier so schnell wie möglich verschwinden, das war die einzige Chance zu überleben. Sie eilten durch die Schlucht, doch sie wurden sofort von allen Seiten angegriffen. Kaba sprang vor und griff einen der Soldaten an. Er biss ihm in die Kehle und zerfetzte seine Hauptschlagader. Blut spitze und der Mann fiel tot um. Kaba biss dem Nächsten sofort in den Arm und riss dann auch ihm den Hals auf. Akame tat es ihm gleich und erledigte die Männer mit seiner Klinge. Auch Domoe, Hiko und Keyomi gaben ihr Bestes.
„Ziel auf den Wolf“; forderte ein Soldat seinen Kollegen auf.
Akame hörte das und sprang sofort vor. Er schlug dem Soldaten seinen Ellbogen ins Gesicht und schlitze ihm dann die Kehle auf. Der Andere legte sein Gewehr an, doch Akame rammte ihm die Klinge sofort ins Herz.
„Hier rüber!“; rief Akame, der eine Rückzugsmöglichkeit entdeckt hatte.
Hiko, Domoe, Keyomi und Kaba zogen sich sofort zurück und eilten in den nahe gelegenen Wald hinein.

Harbin war inzwischen in einer anderen Stadt angekommen. Sie lag auf dem Weg, also hatte er hier eine Pause gemacht, damit der Mechaniker sich mal seinen Wagen ansehen konnte. Er machte schon wieder Probleme. Warum hatte Harbin sich nicht eigentlich mal ein neues Auto gekauft? Ja richtig, weil er kein Geld dafür hatte. Autos waren schon lange zum Luxus geworden, den sich nicht jeder leisten konnte. Harbin besaß das Auto auch nur noch, weil es schon seit Jahren in der Garage stand. Er fuhr nie damit, das konnte er sich gar nicht leisten. Aber jetzt war es ganz praktisch. Über die Bezinkosten wollte er gar nicht nachdenken. Es kostete ihn ein Vermögen. Hoffentlich wusste Callery das zu schätzen. Was wenn sie gar nicht wollte das er nach ihr suchte? Warum hätte sie ihm dann dieses Buch hinterlassen sollen? Harbin legte bei diesem Gedanken seine Hand auf die Brusttasche und schlug leicht dagegen um sich zu vergewissern das noch immer alles da war, wo es sein sollte.
„Tja Sir“, sagte der Junge der sich die grüne Blechschüssel angesehen hatte. „Die Zündkerzen sind im Eimer. Es wird ein paar Tage dauern bis ich damit fertig bin.“
„Ein paar Tage?!“, stieß Harbin fassungslos aus. „Das soll wohl n Witz sein. Hier hast du zweihundert Mäuse. Ich hohl den Wagen heute Abend ab.“
„Danke Sir“, lächelte der Junge und lief sofort in die Werkstatt.
Harbin legte den Finger an den Kragen seines weißen Hemdes und zog leicht daran, wobei er den Kopf etwas zur Seite drehte. Ihm schnürte sich gerade alles zusammen, wenn er daran dachte das er diesem Burschen zweihundert Mäuse gegeben hatte nur um diese alte Blechschüssel zu reparieren, die sowieso nach ein paar hundert Metern wieder auseinander fallen würde. Er musste verrückt sein. Oder verliebt.
Harbin steckte jetzt die Hände in die Manteltaschen und schlenderte vom Hof. Ein Polizeiauto stand draußen auf der Straße und ein etwas rundlicher Mann, in einem schwarzen Mantel, lehnte an der Motorhaube. Harbin kümmerte sich nicht weiter um ihn.
Mit einer unmerklichen Kopfbewegung gab der Mann seinen Polizisten eine Anweisung. Sie stürmten los und packten Harbin an den Armen.
„Hey!“, rief er. „Was soll das?“
„Sie sind festgenommen“, erklärte einer der Beamten und legte Harbin Handschellen an.
„Was? Aber warum denn? Hey!“
Die Männer brachten Harbin zum Auto. Einer öffnete die Tür, während der Andere ihn auf den Sitz drückte. Harbin warf einen Blick zu dem dicklichen Mann.
„Was soll das?“, verlangte er noch immer nach einer Antwort. „Ich hab doch nichts getan! Was wird mir vorgeworfen? Hey!“
Der Mann mit dem schwarzen Mantel zog nur die Augenbraue hoch und stieg dann vorne ein.

Akame, Hiko, Domoe und Keyomi hatten sich inzwischen bis zu einer kleinen Stadt durchgeschlagen. Kaba humpelte ihnen auf drei Beinen hinterher. Er war angeschlagen. Eine Kugel hatte ihn an der rechten Hinterpfote getroffen. Aber auch die Anderen hatten ein paar Blessuren. Auf der Suche nach etwas Essbarem irrten sie durch die kleinen Straßen der Stadt.
„Das war echt knapp“, murmelte Domoe noch immer. „Ich frage mich was die von uns wollten?“
„Sie wollten Kaba“, erklärte Akame typisch.
„Kaba?“, staunte Hiko. „Aber warum das denn?“
„Keine Ahnung“, murrte Akame weiter.
Auch Kazuya und Kahi waren an einer Stadt angekommen. Sie waren dem Küstenverlauf gefolgt und dann durch einen Wald hier hergekommen. Wie es schien hatte Kahi genau das beabsichtigt, denn sie hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck. Während Kahi mit einem lächeln im Gesicht durch die Straßen schlenderte, organisierte Kazuya sich etwas zu Essen.
Domoe, Hiko, Keyomi, Akame und Kaba hatten es sich in einer kleinen Ecke auf einer Treppe gemütlich gemacht. Sie hatten sich eine Kleinigkeit zu Essen besorgt und stillten jetzt erstmal ihren Hunger.
„Du blutest“, bemerkte Domoe plötzlich, als er Keyomi betrachtete.
„Halb so wild“, schob sie seine Hand Weg und sah starr zu Kaba, der sich vor ihnen auf den Boden gelegt hatte und Ausschau nach irgendetwas hielt.
„Ich wollte nur nett sein“, maulte Domoe.
Keyomi sah ihn überrascht an. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Er meinte es ja nur gut mit ihr und sie stieß ihm immer wieder vor den Kopf. Das war wirklich nicht nett von ihr.
„Tut mir Leid Domoe“, entschuldigte sie sich.
Er nickte nur leicht mit dem Kopf und nahm ihre Entschuldigung an.
„Und was machen wir jetzt?“, wollte Hiko von den Anderen wissen.
Keyomi warf einen Blick zu ihm.
„Wir suchen das Paradies.“
„Das ist doch völlig sinnlos“, entgegnete Domoe. „Ohne Kahi können wir es nicht finden. Also warum dann noch weiter suchen?“
„Ich werde das Paradies suchen. Und wenn ich dabei einmal die ganze Welt umrunde und absolut gar nichts finde, ist mir das auch egal. Ich werde danach suchen.“
Domoe und Hiko sahen Keyomi mit großen Augen an. Akame hingegen lehnte noch immer an der Mauer, ein Bein daran gestellt, die Arme gekreuzt und blickte starr auf den Boden. An dieses Paradies glaubte er nicht. Er tat das nur um seinen Fehler wieder gut zu machen. Aber jetzt wo ihm klar wurde das er diesen Ort sowieso nicht finden konnte, selbst wenn es ihn gäbe, fragte er sich, was das eigentlich alles noch brachte.
Kaba richtete sich plötzlich auf und sah erwartungsvoll auf die Straße.
„Was hat er denn?“, wunderte sich Domoe.
Keyomi zuckte nur mit den Schultern. Selbst Akame blickte jetzt auf. Fassungslos sahen sie zu Kazuya und Kahi, die jetzt vor ihnen stehen blieben. Kahi lief sofort auf Kaba zu und schloss ihn in die Arme. Kaba schmiegte seine Schnauze an ihre Wange und schloss genüsslich die Augen. Keyomi, Hiko, Domoe und Akame sahen die Beiden nur fassungslos an. Wie konnte das sein? Sie hatten doch alles nach ihnen abgesucht. Das konnten sie nicht überlebt haben. Das war unmöglich. Keyomi stiegen Tränen in die Augen. Kazuya lebte. Sie konnte es gar nicht fassen. Hastig sprang sie auf und fiel Kazuya um den Hals. Er schien etwas überrascht und legte nur zögerlich die Arme um seine Schwester.
„Ich dachte du wärst tot“, schluchzte sie und drückte ihre Nase noch etwas fester gegen seinen Hals.
Kazuya blickte nur irritiert ins Leere und hielt sie fest. Er verstand selbst nicht warum er noch am Leben war. Er freute sich seine Schwester wieder zu sehen, auch wenn er das im Moment nicht so richtig zeigen konnte.
„Verdammt wo seid ihr gewesen?“, maulte Akame ihn jetzt an.
„Ich hab keine Ahnung“, antwortete Kazuya. „Kahi hat mich hier her geführt.“
„Wie konntet ihr das überleben?“, löcherte Domoe, doch darauf hatte Kazuya keine Antwort.
„Das Wasser hat uns beschützt“, stand Kahi nun wieder auf und sah Domoe mit ihrem kindlich, naiven Ausdruck im Gesicht an.
„Das Wasser?“, hakte er verwundert nach.
Kahi nickte nur.
„Ihr seht mitgenommen aus“; stellte Kazuya fest.
„Wir sind ner Horde Soldaten über den Weg gelaufen“, erklärte Domoe wütend.
„Soldaten?“, hakte Kazuya nach.
„Ja. Sie waren hinter Kaba her“, mischte sich nun auch Akame wieder ein.
Kazuya sah überrascht und etwas irritiert zu Akame. Was hatte Kaba mit der Sache zu tun? Das sie hinter Kahi her waren, war vollkommen klar, aber was wollten sie von Kaba?
„Wir wurden auch von Soldaten angegriffen“, erzählte er nun und drehte sich dabei wieder zu den Anderen, die ihn aufmerksam ansahen. „Sie wollten Kahi.“
„Das ist ja nichts Neues“, verdrehte Domoe die Augen.
„Wir sollten aufpassen“, trug Kazuya den Anderen auf.
„Dann suchen wir jetzt weiter nach dem Paradies?“, sagte Akame mit diesem typischen, ablehnenden Tonfall.
„Natürlich“, antwortete Kazuya und warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Na ja“, stand Domoe auf. „Nun haben wir ja Kahi wieder. Also lasst uns gehen.“
Domoe schlenderte an Kazuya vorbei, der ihm etwas verwundert hinterher sah. Seit wann war Domoe so leicht dazu zu bringen weiter zu gehen? Normalerweise musste man ihn erst überzeugen, überhaupt aufzustehen. Kazuya, Kahi und Kaba folgten ihm sofort. Keyomi zögerte auch nicht lang. Sie war so glücklich das Kazuya noch am Leben war, das sie ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen hätte. Hiko warf einen Blick zu Akame, der noch immer an der Mauer lehnte, sich dann leicht abstieß und um die Ecke schob.
„Hey wartet!“, eilte Hiko ihnen hinterher.

Harbin saß im Verhörzimmer des Reviers. Er hatte keine Ahnung was er hier tat. Was hatte er denn verbrochen? Er war sich keiner Schuld bewusst. Er saß, die Hände auf den Rücken geschnallt auf einem Stuhl vor einem simplen Schreibtisch auf dem ein kleiner Computer stand und Harbins Hab und Gut lag. Auch das Buch das er immer mit sich rumschleppte seit er es in dem Schließfach gefunden hatte. Der Besitz dieses Buches war eine Straftat. War das der Grund? Das konnte nicht sein, denn niemand wusste, dass er dieses Buch besaß. Sie konnten ihn nicht deshalb festgenommen haben. Harbin warf aus dem Augenwinkel einen Blick zur Tür, vor der ein junger Polizist stand. Er hielt wohl Wache, damit Harbin nicht abhauen konnte. Was für Witzbolde. Wie hätte er fliehen sollen, wenn ihm die Hände auf den Rücken gefesselt waren? Er hätte die Tür nicht mal, wenn er wollte, aufbekommen.
Der rundliche Mann mit dem schwarzen Mantel kam jetzt in den Raum. Er lief an dem jungen Polizisten vorbei und trat dann hinter den Schreibtisch. Der Polizist folgte ihm und setzte sich an den Computer um das Gespräch mitzuschreiben. Der rundliche Mann nahm das Buch in die Hand und betrachtete es.
„Die Prophezeiung des Mondes. So, so. Sie wissen das dieses Buch verboten ist Mr. Locust?“
Harbin sah den Mann nur starr an. Er hatte nur noch wenige Haare auf dem kahlen Kopf und tiefe Falten schlugen ihre Furchen über sein Gesicht. Harbin fragte sich, ob dieser Mann jemals gut ausgesehen hatte. Wenn er ihn so betrachtete, empfand er eher Ekel, als alles andere.
„Warum wurde ich verhaftet?“, wollte Harbin von ihm wissen.
„Ich stelle hier die Fragen Mr. Locust.“
„Dann sagen sie mir was das hier soll! Was hab ich verbrochen?!“
„Allein für den Besitz dieses Buches könnte ich sie fünf Jahre ins Gefängnis bringen, das ist ihnen doch klar, oder?“
„Ja; aber das kann unmöglich der Grund für meine Verhaftung sein. Sie wussten doch gar nichts von dem Buch.“
„Seien sie vorsichtig mit dem was sie sagen Mr. Locust.“
Harbin sah den Mann jetzt unsicher an. Was wollte er von ihm? Es ging hier doch nicht um dieses Buch.
„Was führt sie in unsere Stadt?“
„Mein Auto“, antwortete Harbin ganz typisch. „Ich hatte eine Panne.“
„Oh; eine Panne. Und wo wollten sie hin?“
Harbin sah ihn nachdenklich an.
„Ja; wo wollte ich eigentlich hin?“, fragte er sich selbst.
Er wusste es ja gar nicht so genau. Er suchte nach Callery.
„Sie wissen es nicht.“
„Na ja, wissen sie, ich wurde suspendiert und da wusste ich nicht was ich machen soll und bin einfach losgefahren.“
„Hmh“, entgegnete der Mann und legte eine sehr seltsame Mine auf. „Ich weiß von ihren Nachforschungen über eine gewisse Dr. Callery Pear. Eine Frau, die niemals existiert hat.“
Harbin wurde schlagartig alles klar. Es ging hier nicht um das Buch, sondern um Callery. Irgendetwas wurde hier vertuscht und Harbin könnte es womöglich aufdecken, also mussten sie ihn aus dem Weg räumen. Am Besten in dem sie ihn wegen irgendeinem Delikt festnahmen.
„Jetzt versteh ich das endlich“, lachte Harbin. „Hören sie, mir ist völlig egal was mit diesem Ding passiert ist. Ich will nur meine Freundin wieder finden. Verstehen sie?“
„Nein“, antwortete er scharf. „Ich habe meine Anweisungen.“
Der Mann nahm das Buch in die Hand und beugte sich zu Harbin vor. Harbin verzog Eckel erregt das Gesicht. Der Geruch aus seinem Mund war unerträglich.
„Und sie haben es mir sehr leicht gemacht mit diesem Buch“; grinste er, donnerte das Buch auf den Tisch und ging.
Die Tür flog ins Schloss und Harbin zuckte leicht zusammen.
„Tut mir Leid Inspektor“, sagte der junge Polizist.
Harbin sah ihn überrascht an und musterte ihn nun zum ersten Mal richtig.
„Syler?!“, staunte Harbin.
Harbin konnte es kaum glauben. Warum war ihm das nicht schon früher aufgefallen. Syler hatte vor wenigen Jahren seine Ausbildung in Dark City abgeschlossen. Er hatte unter Harbin gearbeitet. Wieso fiel ihm das erst jetzt auf?
„Schön sie zusehen Sir. Ich meine, ich hätte sie lieber unter anderen Umständen wieder gesehen aber…“
„Ist schon okay“, unterbrach Harbin den etwas aufgeregten, jungen Mann.
Harbin sah ihn prüfend an.
„Hören sie zu Syler“, redete Harbin auf den jungen Mann, mit den braunen Haaren und dem treudoofen Blick, ein. „Hier sind seltsame Dinge im Gange. Sie müssen mich losmachen.“
„Das kann ich nicht tun Sir.“
„Ja ich weiß, aber sie müssen mir helfen. Ich bitte sie.“
Syler sah Harbin verunsichert an. Was sollte er jetzt tun? Er mochte Harbin wirklich gern und hätte ihm gern geholfen, aber das würde ihm seinen Job kosten. Er konnte das nicht tun, selbst wenn er wollte.
„Es tut mir Leid Sir“, sagte Syler jetzt.
„Ist schon in Ordnung“, seufzte Harbin verständnisvoll. „Aber könnten sie mir dann wenigstens mal kurz den Rücken kratzen? Es juckt so unglaublich und ich kann meine Hände ja nicht bewegen.“
„Natürlich Sir“, nickte Syler und kam näher.
Er legte die Hand auf Harbins Rücken, als der plötzlich vorschnellte und ihm eine Kopfnuss verpasste.
„Uh!“, schlug Syler unsanft auf den Boden.
„Tut mir wirklich Leid Kumpel“, entschuldigte Harbin sich.
Er hüpfte ein Stück mit dem Stuhl durch den Raum und ließ sich dann fallen. Der Stuhl fiel scheppernd auf den Boden und Harbin lag nun mit dem Rücken zu dem bewusstlosen Syler. Vorsichtig tastete er mit den Händen nach dem Schlüssel den Syler an seinem Gürtel trug. Gekonnt fischte er ihn hervor und steckte ihn in das kleine Schlüsselloch. Es war gar nicht so leicht den Schlüssel umzudrehen, aber es gelang Harbin und er war wieder frei. Er befreite sich auch von den Fesseln am Fuß, packte dann seine Sachen ein und schlich sich aus dem kleinen, dunklen Zimmer auf den Gang. Ein paar Leute liefen an ihm vorbei und Harbin versteckte sein Gesicht unter dem Hut.
Unerkannt kam er aus dem Gebäude. Er atmete auf und machte sich schleunigst auf den Weg zu diesem Automechaniker um seinen Wagen abzuholen. Er musste hier so schnell wie möglich weg.

Blood of a Wolf

Callery lag zusammengekauert auf der Couch in dem etwas heruntergekommenen Hotelzimmer. Ihre nackten Füße lugten unter einer dünnen, etwas zu kleinen, hellgrünen Decke hervor. Callery schlug die Augen auf und sah sich leicht um. Unvermittelt schreckte sie hoch und sah mit großen Augen und offenem Mund ins Leere.
„Qian“, hauchte sie und stellte die Beine fest auf den Boden.
Sie schlug die Decke zur Seite und stand auf. Hastig eilte sie ins Badezimmer und holte die Wäsche von der provisorisch gespannten Leine. Callery ließ den Bademantel auf den Boden fallen und schlüpfte in ihren hellblauen Rock. Schnell zog sie die Bluse über und stopfte sie sorglos in den Rock. Sie packte Schal und Mantel und hüpfte, während sie ihre schwarzen Pumps anzog, aus dem Raum. Callery griff bereits nach dem Türknauf, als ihr Blick noch einmal auf die halbleere Whiskyflasche auf dem Tisch fiel. Qian hatte ihr ausdrücklich befohlen nach Dark City zurückzukehren. Er hatte so einen seltsamen Ausdruck in den Augen gehabt, als er das gesagt hatte. Einen Ausdruck, den Callery noch niemals bei ihm gesehen hatte. Es war Sorge gewesen. Ja, in der Tat schien er besorgt um sie zu sein. Etwas das er bisher nie gewesen war. Zumindest hatte er es Callery nie spüren lassen. Callery warf den Mantel auf die Couch und setzte sich an den Tisch. Nachdenklich starrte sie die Flasche an. Sollte sie tun was er gesagt hatte? Vielleicht war es besser so. Sie wusste nicht wo Gherkin steckte und dieser Mann würde sich von ihr sowieso nicht helfen lassen. Kahi war unter den Trümmern begraben worden. Es war fraglich ob sie überhaupt noch am Leben war. Vielleicht war es tatsächlich das Beste nach Dark City zurückzukehren. Harbin wartete dort sicher schon auf sie. Vielleicht sollte sie mal mit ihm reden. Ihm erklären, was sie für ihn empfand. Das sie sich ihrer Gefühle nicht sicher war. Harbin würde das verstehen. Er verstand immer alles. Er war einfach ein toller Kerl.
Callery seufzte leise und drehte den Kopf zum Fenster, das direkt neben dem Tisch lag. Die Jalousien waren heruntergelassen und Callery konnte nicht viel draußen erkennen, aber das interessierte sie auch gar nicht. Ihr wurde gerade klar, dass sie nach Dark City zurückkehren sollte. Es fiel ihr schwer sich von Kahi zu trennen. Die letzten Jahre war die Erforschung von Kahi ihr ganzer Lebensinhalt gewesen und nun sollte sie das alles so leicht aufgeben? Ihr blieb wohl nichts anderes übrig. Es war besser so.
Callery nahm ihren Mantel und verließ das Zimmer. Sie stieg die etwas morsche Treppe hinunter in eine kleine Lobby. Es war ein ziemlich dunkler Flur in dem eine dreckige, dunkelgrüne Couch, über der ein Bild hing und ein kleiner Tresen standen, hinter dem ein heruntergekommener Mann in einem weißen Unterhemd auf der Tischplatte lag und leise schnarchte.
„Entschuldigen sie“, weckte Callery ihn vorsichtig.
„Hä?“, richtete er sich verschlafen auf und sah Callery an.
„Ich möchte gerne das Zimmer bezahlen“, lächelte sie und legte den Zimmerschlüssel auf den Tresen.
„Wurde gestern schon bezahlt“, antwortete der Mann nur einfach.
Callery sah ihn etwas verwundert an. Wie sie ihren Vater kannte hätte er sie das Zimmer bezahlen lassen. Er verhielt sich wirklich untypisch.
„Könnte ich das Telefon kurz benutzen?“
„Klar“, säuselte der Mann und legte den Kopf wieder auf der Tischplatte ab.
Callery warf ihm einen irritierten Blick zu, dann lief sie rüber zum Telefon und wählte Harbins Nummer. Es tutete mehrere Male, aber niemand ging ran.
„Komisch“, wunderte sich Callery.
Warum war Harbin nicht zuhause? Es war Sonntag. Sonntagvormittag war er immer zu Hause. Es sei denn er traf sich zum Brunch mit Callery.
„Aufwidersehen“, verabschiedete sich Callery, auch wenn sie das nicht wörtlich meinte.
Sie zog den Mantel über und verließ das Haus. Sie blieb auf der Straße stehen und sah sich um. Diese Stadt war wirklich mickrig. Hier gab es kaum mehr als dieses heruntergekommene Hotel. Callery musste eine Bushaltestelle suchen um zurück nach Dark City zu kommen. Sie wollte gerade losgehen, als ihr ein paar Autos entgegen kamen. Verwundert blieb sie stehen. Die Autos hielten an und Gherkin stieg aus einem der Wagen.
„Commander Gherkin?!“, staunte Callery.
„Dr. Pear“, kam er auf sie zu. „Was für ein Zufall, dass wir ausgerechnet sie hier treffen.“
In seiner Stimme hallte ein gewisses Missfallen mit. Er mochte Callery nicht und machte keinen Hehl daraus.
„Ich frage sie lieber erst gar nicht wo sie gewesen sind“, fuhr er fort.
Callery warf einen Blick zu den Männern, die alle etwas mitgenommen aussahen.
„Was ist passiert?“, wollte sie wissen.
„Wir haben einige Männer in der Wüste draußen verloren. Diese Männer dort wurden von einem Sturm überrascht, als sie dieses Wesen beinahe eingefangen hätten.“
„Kahi!“, riss Callery die Augen auf. „Sie lebt?“
„Ja verdammt und sie ist uns wieder einmal entkommen. – Gott weiß wo dieser Sturm herkam, aber er hat sie und ihren komischen Freund geschützt.“
„Was meinen sie damit?“
„Der Himmel war strahlend blau und auf einmal, aus heiterem Himmel, zieht ein Sturm auf.“
Callery sah starr ins Leere. Sollte das möglich sein und Kahi hatte diesen Sturm heraufbeschworen? Es wäre durchaus möglich. In der Prophezeiung des Mondes stand, dass die Mondprinzessin die Herrscherin über die Erde wäre. Es wäre doch durchaus möglich, dass sie die Naturgewalten kontrollieren konnte.
„Ich weiß sie wollen das nicht hören“, sagte Callery jetzt. „Aber ich könnte ihnen mit meinem Wissen durchaus eine Hilfe sein.“
Gherkin sah Callery mürrisch an. Er wusste, dass sie Recht hatte und das machte ihn wütend. Er konnte diese Frau nicht ausstehen. Sie war ihm die ganze Zeit im Weg bei seiner Mission. Aber sie hatte Recht. Ihm war klar, dass irgendetwas diesen Sturm heraufbeschworen hatte, auch wenn er das nicht glauben wollte. Callery konnte ihm vielleicht eine Hilfe sein.
„Also schön“, nickte er widerwillig. „Steigen sie ein Dr. Pear.“
Callery lächelte leicht und stieg sofort ein. Sie hatte vollkommen vergessen das Qian sie darum gebeten hatte nach Dark City zurückzukehren. Seinen besorgten Blick und die Dringlichkeit in seiner Stimme hatte sie vergessen. Genauso wie sie Harbin vergessen hatte. Sie hatte wieder eine Spur von Kahi und der musste sie folgen. Kahi war ihr Lebensinhalt. Sie konnte jetzt nicht aufgeben. Sie nicht.

Kazuya, Kahi und die Anderen hatten die Stadt bereits hinter sich gelassen. Sie liefen über eine weite, kahle Landschaft. Der Boden war gefroren, aber es war keine einzige Schneeflocke zu erkennen. In der Ferne sahen sie einen Wald und ein paar Klippen. Der Himmel war grau und Wolkenverhangen, so wie fast immer.
„Ist es eigentlich noch weit bis zum Paradies?“, trottete Hiko neben Kahi her.
Kahi warf ihm ein kurzes Lächeln zu, antwortete aber nicht auf seine Frage.
Domoe legte jetzt einen Zahn zu um auf Keyomi aufzuschließen. Sie warf ihm aus dem Augenwinkel einen Blick zu, als er neben ihr auftauchte, sagte aber nichts. Domoe lief eine Weile nur stumm neben ihr her. Sie hatte vor ein paar Tagen in der Schlucht ziemlich gereizt auf ihn reagiert.
„Bist du noch sauer auf mich?“, fragte er sie dann endlich.
Keyomi warf wieder einen Blick zu ihm.
„Nein.“
„Oh“, lachte Domoe und rieb sich den Hinterkopf. „Wie schön. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“
Keyomi sah ihn nur einfach an.
Akame schloss indes auf Kazuya auf und sah sich prüfend um.
„Ich hab da ein ganz mieses Gefühl“, flüsterte er.
Kazuya hielt den Blick starr auf den Horizont gerichtet.
„Ja ich fühle es auch“, entgegnete er dann. „Dort drüben ist ein Wald. Dort sind wir vorerst sicher.“
Akame nickte und die Truppe legte einen Zahn zu.
Der Wagen von Gherkin und Callery bretterte über den gefrorenen Boden des Geländes. Während Gherkin aus dem Fenster sah, hielt Callery den Blick starr auf dem Ortungsgerät.
„Sie sind ganz in der Nähe“, sagte sie und blickte weiter auf den roten Punkt der sich dort blinkend voranbewegte.
„An alle Truppen“, sprach Gherkin in das Funkgerät. „Haltet euch bereit.“
Gherkin hing das Gerät wieder in die dafür vorgesehene Halterung und umklammerte das Lenkrad fest mit beiden Händen.
„Diesmal wird sie mir nicht entwischen“, murmelte er.
Callery warf ihm einen Blick zu.
„Oh verdammt!“, drehte Akame sich um, als er das Geräusch der herannahenden Autos hörte.
„Beeilt euch!“, rief Kazuya und zog Kahi am Arm hinter sich her.
Die Clique begann zu rennen. Es war nicht mehr weit bis zum Wald, aber hier auf dem offenen Land waren sie ein gefundenes Fressen für diese Soldaten. Hier hatten sie keine Chance.
„Da sind sie!“, schrie Gherkin und sprang aus dem Auto.
Er blieb an der geöffneten Tür, hinter dem Wagen, stehen und legte das Gewehr an. Noch mal würde ihm dieses Wesen nicht durch die Lappen gehen. Er würde jeden Einzelnen von diesen Kindern töten und sich dann das Wesen packen. Sie wollten es ja nicht anders. Gherkin feuerte ab, doch der Schuss ging daneben.
„Oh Scheiße!“, rief Domoe, der beinahe getroffen worden wäre.
„Komm schon“, riss Keyomi ihn an der Hand und stürmte weiter.
Callery stieg entsetzt aus dem Wagen. Niemand hatte ihr gesagt, dass sie diese Kinder töten wollten.
Einer der Soldaten zielte jetzt auf Kahi.
„Du verdammter Idiot!“; brüllte Gherkin und drückte seinen Arm zur Seite, doch der Mann hatte schon abgedrückt.
Die Kugel flog auf Kahi zu. Kaba stürzte plötzlich vor und warf sich vor Kahi. Die Kugel traf ihn in der Schulter und der Wolf fiel schwer zu Boden.
„Kaba!“, rief Kahi entsetzt.
Callery sah dem Ganzen fassungslos zu. Sie verspürte gar Mitleid mit dem armen Tier. Kaba richtete sich indes schwerfällig auf. Kazuya riss Kahi weiter und auch der Rest, einschließlich Kaba, stürmte in den nahe gelegenen Wald.
Die Gruppe war außer Reichweite als sie endlich anhielten. Kaba ließ sich sofort auf die Seite fallen. Er sah müde aus und seine gelben Augen waren ganz trüb. Kahi hockte sich sofort zu ihm runter und sah ihn traurig an. Zärtlich legte sie die Hand auf seinen Hals und streichelte über sein weiches Fell. Sie lächelte betrübt.
„Oh nein“, jammerte Hiko. „Der arme Kaba.“
Auch Domoe, Keyomi und sogar Akame sahen schmerzlich zu dem weißen Tier, das dort lag und mit dem Tode rang. Im Laufe der Reise war er ein Teil der Gruppe geworden, auch wenn er ein Tier und kein Mensch war. Kazuya stand abseits und betrachtete alles nur ganz unbeteiligt. Ein seltsames Gefühl machte sich bei ihm breit und er sah in Kabas Augen, deren Leuchten nach und nach verschwand. Kahi streichelte noch immer über sein Fell, als er nun friedlich die Augen schloss und für immer einschlief.
„Kaba“, wimmerte Hiko und hockte sich zu ihm herunter.
Er legte die Hand auf den Kopf des toten Wolfes und eine Träne kullerte über sein Gesicht.
„Er ist nicht tot“, tröstete Kahi Hiko und sah ihn dabei an.
Hiko blickte überrascht auf. Auch Keyomi, Domoe und Akame sahen Kahi fragend an. Sie richtete ihren Blick langsam auf Kazuya, der noch immer Abseits von ihnen stand. Die Anderen folgten ihrem Blick und trauten ihren Augen kaum. Kaba stand dort vor ihnen. An der Stelle an der Kazuya gestanden hatte. Hiko schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Kazuya vor sich.
„Was…?“, hauchte er nur völlig verwirrt.
Akame, Keyomi und Domoe bekamen kein Wort heraus. Was ging hier vor sich? Kahi stand langsam auf und ging auf Kazuya zu. Sanft streckte sie die Hand nach ihm aus, die er vorsichtig ergriff.
„Nun bist du wieder vollkommen“, sah sie ihn an.
Kazuya nickte, als hätte er es die ganze Zeit gewusst.
„Was hat das zu bedeuten?“, wollte Keyomi jetzt wissen.
„Ich bin ein Wolf“, antwortete er einfach aber voller Stolz.
Keyomi sah ihn fassungslos an. Auf dieser Reise hatte sie schon viele unglaubliche Dinge gesehen oder gehört, aber das war wirklich verrückt. Ihr Bruder sollte ein Wolf sein? Das ergab doch alles keinen Sinn.
„Kaba war Kazuyas tierische Verkörperung“, erklärte Kahi weiter. „Nun da er tot ist, kann Kazuya auch seine tierische Gestalt wieder annehmen.“
Kazuya wurde in diesem Moment einiges klar. Schon in Dark City hatte er gefühlt, dass ein Teil von ihm fehlte und als er Kaba das erste Mal begegnet war, hatte er eine gewisse Verbundenheit mit ihm gespürt. Durch ihn und Kahi war ihm mit jedem Schritt den er gemacht hatte bewusster geworden was er wirklich war. Nun aber erst verstand er es wirklich. Er hatte sich manchmal gefragt, wie er es mit all diesen Soldaten, ohne jede Waffe, hatte aufnehmen können. Einem Wolf wäre das wohl nicht schwer gefallen und da er ein Wolf war, verfügte er auch in seiner menschlichen Gestalt über diese Fähigkeiten.
Während Hiko, Domoe und die Anderen versuchten zu verstehen was da gerade vor sich ging, ärgerte Gherkin sich noch immer das sie schon wieder entwischt waren. Er hatte jedoch nicht viel Zeit dazu, denn ein Trupp von Soldaten kam plötzlich auf sie zu.
„Was ist das?“, fragte sich Callery als sie die herannahenden Fahrzeuge sah.
„Das sind Truppen von Arkum“, wunderte sich Gherkin.
„Von Arkum?“, hakte Callery überrascht nach und sah über das Wagendach zu Gherkin rüber, der die Autos fixierte. „Wussten sie das Arkum weitere Truppen schickt?“
„Nein.“
Callery sah hin überrascht an. Gherkin blieb indes abwartend stehen. Er hatte keine Ahnung was das zu bedeuten hatte. Warum schickte Arkum weitere Truppen ohne ihn zu informieren?
Die Männer mit ihren dicken, schwarzen Rüstungen stiegen aus den Transportern und bauten sich auf. Einen Moment herrschte Stille, dann hob einer der Männer den Arm und sie eröffneten das Feuer.
„Verdammt!“, stieß Gherkin aus und versteckte sich hinter der Tür des Wagens. „Feuer erwidern!!!“
Callery kauerte sich hinter der Tür zusammen. Sie wünschte sich sie wäre nicht mit Gherkin gefahren. Sie hätte doch lieber nach Dark City zu Harbin zurückfahren sollen.
Domoe und die Anderen spitzen ihre Ohren als sie das donnern hörten.
„Was ist das?“, fragte sich Domoe.
„Das klingt nach Gewehren“, entgegnete Akame.
Die Beiden liefen zur Klippe hinüber von wo aus sie das ganze Tal überblicken konnten. Etwas überrascht blickten sie auf die Schlacht die da unten tobte.
„Das sind Truppen von Arkum“, wunderte sich Domoe.
„Was?“, kam Kazuya jetzt dazu und blieb neben Domoe stehen. „Jetzt bekämpfen sich die Truppen schon gegenseitig?“
„Scheint wohl so“, zuckte Domoe mit den Schultern.
„Ich finde wir sollten hier schleunigst verschwinden“, schlug Keyomi vor.
Domoe, Kazuya und Akame drehten sich zustimmend zu ihr um und wollten sich gerade auf den Weg machen, als wieder dieses seltsame Piepen in der Luft ertönte. Alle sahen sofort zum Himmel hinauf, von wo ein riesiges Luftschiff ankam.
„Oh verdammt!“, stieß Akame aus. „Wir müssen hier sofort weg.“
Kazuya nickte und packte Kahi an der Hand. Er zog sie hinter sich her, doch er hatte kaum zwei Schritte gemacht, als er schon wieder stehen blieb. Vor ihnen hatte sich eine kleine Armee von Arkums Soldaten aufgebaut. Sie standen bedrohlich in ihren schwarzen Rüstungen vor den Kids und hielten ihre Laser-Pikes fest in den Händen. Kazuya schob Kahi schützend hinter sich und knurrte die Männer an.
„Oh man, oh man, oh man!“, jammerte Hiko und sah starr auf die stabähnlichen Waffen die die Soldaten in den Händen hielten.
An den Klingen bündelten sich Laserstrahlen mit denen sie bei belieben auf die Jungs hätten schießen können. Im Moment standen sie aber nur abwartend da.
Einer der Soldaten trat jetzt, mit behäbigen Schritten, vor und ging auf Kazuya zu. Ihm war klar, dass er Kahi haben wollte, also sprang Kazuya vor und biss dem Soldaten in die freiliegende Stelle am Hals. Der Soldat kippte um, doch nun gingen die anderen Soldaten auf die Truppe los. Akame zog seine Klinge hervor und schnitt einem nach dem Anderen die Halsschlagader auf. Der einzige wunde punkt bei diesen Rüstungen. Domoe und Hiko brachten die Soldaten durch ihre flinke Art dazu sich selbst abzumurksen. Einer der Soldaten zielte mit seinem Laser auf Kazuya, doch der sprang rechtzeitig zur Seite und fiel den Soldaten in seiner Wolfsgestalt an. Er riss ihm den Hals auf und landete wieder auf seinen Pfoten.
„Keyomi schnell!“, rief Kazuya ihr zu und sah dabei kurz zu Kahi.
Keyomi stürmte los und packte Kahi an der Hand. Sie riss sie hinter sich her. Die Soldaten waren viel zu sehr mit Kazuya und den Anderen beschäftigt. Sie hatte jetzt die Möglichkeit Kahi hier wegzuschaffen. Und alles was zählte war, das Kahi nichts geschah. Die Beiden stürmten über die freie Fläche an der Klippe Richtung Wald. Das Schiff flog jetzt noch etwas mehr über die Klippe und ein Strahl erschien über Keyomi und Kahi. Sie blieben stehen und sahen verwundert nach Oben.
„Kahi!“, rief Kazuya als er das Licht sah.
„Keyomi!“; brüllte Domoe.
„Scheiße!“, fluchte Akame der sich sofort wieder umdrehte um einen Soldaten zu töten.
Der Strahl blendete die Jungs und verschwand dann völlig. Das Schiff flog davon. Kazuya, Domoe, Hiko und Akame sahen dem Schiff entsetzt nach. Arkum hatte Kahi und Keyomi. Die Soldaten waren inzwischen alle tot. Sie hatten keinen am Leben gelassen. Kazuya zögerte nicht lange und stürmte los. Er musste Kahi zurückbekommen.
Gherkin und seine Männer wehrten sich noch immer gegen Arkums Truppen. Diese stellten jedoch plötzlich das Feuer ein und verschwanden. Etwas verwundert sah Gherkin ihnen nach. Callery richtete sich leicht auf und lugte vorsichtig durch das Türfenster. Als sie sah, dass die Truppen abgezogen waren stand sie auf und sah verwirrt und immer noch etwas verängstigt zu Gherkin.
„Was hatte das zu bedeuten?“, fragte sie Gherkin eingeschüchtert.
„Ich hab keine Ahnung“, antwortete er in seinem typisch rauen Tonfall und sah weiter auf den Horizont. „Wie’s scheint hart Arkum weitere Truppen beauftragt. – Ich frage mich langsam was ich hier eigentlich mache.“
„Wie meinen sie das?“
„Ich bin Soldat, Dr. Pear. Ich führe Befehle aus. – Mein Platz ist auf dem Schlachtfeld. - - - Aber das hier ist nicht mein Krieg. Wie es scheint führt Lord Arkum Krieg gegen seine eigenen Leute. – Ich stehe wohl auf der falschen Seite. – Es wird Zeit das zu ändern.“
„Und was haben sie jetzt vor?“
Gherkin drehte sich um und sah zu seinen Männern. Einige wahren tot, andere Verletzt. Die gesunden oder nur leicht angeschlagenen Männer halfen den Verletzten und brachten sie in die Fahrzeuge.
„Wir gehe zurück nach Dark City“, verkündete er lautstark.
Nicht nur Callery, auch seine Männer sahen ihn verwundert an.
„Meinen sie das ernst, Sir?“, hakte einer der Männer nach.
„Dark City ist unsere Heimat. Wenn es sich lohnt für etwas zu sterben, dann doch wohl dafür.“
Callery lächelte leicht. Sie hatte Gherkin ja nicht leiden können, aber das lag wohl einfach nur an ihrer unterschiedlichen Lebensweise. Im Moment verstand sie ihn sehr gut.
„Dürfen wir sie mitnehmen?“, richtete Gherkin sich wieder an Callery.
„Nein danke“, schüttelte sie freundlich den Kopf. „Ich hab da auch noch was zu erledigen, verstehen sie.“
„Ja natürlich“, nickte Gherkin.
Er hatte sie genauso wenig leiden können wie sie ihn, aber jetzt verstand er sie irgendwie. Dieses Wesen war für sie das was für ihn der Krieg war. Das worin er gut war, war Krieg zu führen. Die Befehle seiner Vorgesetzten gut auszuführen. Es war sein Leben. Und scheinbar war dieses Wesen Callerys Leben.
„Aber könnte ich vielleicht den Jeep haben?“, bat Callery.
Gherkin sah sie an und nickte dann.
„Meinetwegen. – Passen sie gut auf sich auf.“
Callery lächelte und sah Gherkin nach, als er nun zu seinen Männern ging.
„Sammelt die Verletzten ein wir fahren zurück nach Dark City“; rief er laut.
Callery schüttelte noch einmal den Kopf. Er war lebensmüde, wenn er nach Dark City zurückkehrte. Arkums neue Truppen waren dort sicher auch schon eingefallen. Man würde jeden Soldaten von Gherkins Truppe vermutlich sofort erschießen. Aber vielleicht war sie ja auch lebensmüde. Sie fuhr direkt in die Höhle des Löwen. Direkt nach Kurosan. Dem Hauptsitz von Lord Arkum.

Harbin fuhr mit seiner alten Schrottkarre über das kahle Land. Seit Stunden schon sah er nichts weiter als gefrorenen Steinboden. Es war kaum zu glauben, dass über eine so lange Distanz nicht mal ein Baum oder ein Fluss oder irgendetwas der gleichen zu sehen war. Nur Steinboden so weit das Auge reichte. Harbin fragte sich ob Callery jemals anerkennen würde was er eigentlich für ein Opfer für sie brachte. Vermutlich würde sie nur sagen, dass sie ihn nicht darum gebeten hatte. Aber er musste es einfach tun. Was hielt ihn denn in Dark City? Seinen Job konnte er nicht ausstehen und die Frau die er liebte war verschwunden. Was also hätte ihn in Dark City gehalten? Dennoch wünschte er sich woanders zu sein. Dieser Ort war ungemütlich und das Auto würde sicher auch bald seinen Geist aufgeben. Als hätte das Auto Harbins Gedanken gehört fing es plötzlich an zu stottern.
„Oh nein!“, jammerte Harbin. „Komm schon.“
Schon war der Motor aus. Harbin ließ den Kopf auf das Lenkrad fallen. Das konnte doch nun wirklich nicht wahr sein. Er hatte diese Karre doch gerade erst reparieren lassen. Genervt und entmutigt stieg Harbin aus und öffnete die Motorhaube. Ein wenig qualm kam ihm entgegen. Harbin hatte absolut keine Ahnung von Autos. Er wusste nicht was kaputt war und er wusste auch nicht wie er es beseitigen konnte. Er drehte sich um und sah in die Ferne. Absolut nichts zu sehen. Keine Stadt, kein Auto, gar nichts. Er war hier mutterseelenallein.
„Na toll!“, beschwerte er sich. „Ausgerechnet in der Pampa verreckt mir der verdammte Wagen. Das kann ja auch nur mir passieren. – Oh Callery, wie soll ich dich denn jemals finden?“
Mutlos ließ Harbin sich gegen den Wagen fallen und sah auf den Boden. Das machte doch alles keinen Sinn. Er würde Callery nie finden. Niemals. Er war einfach ein Pechvogel, damit musste er wohl leben.
Harbin horchte plötzlich auf und sah zum Horizont. Da bewegte sich etwas. Er sah etwas genauer hin und erkannte hinter der Staubwolke ein paar Autos.
„Das ist mein Glückstag!“, stieß er aus und sprang sofort auf. „Hey! Hallo!“
Harbin fuchtelte wild mit dem Arm hin und her. Der Fahrer des LKWs sah Harbin natürlich dort rumhüpfen und hielt an. Gherkin stieg aus dem Wagen und ging auf Harbin zu.
„Haben sie Probleme?“, fragte er ihn.
„Ja. Mein Wagen springt nicht mehr an.“
„Lassen sie mal sehen.“
Gherkin ging sofort zur Motorhaube und warf einen Blick darauf.
„Sie schickt wirklich der Himmel“, seufzte Harbin erleichtert.
„Das sieht schlimmer aus als es ist“, sagte Gherkin und fummelte ein wenig am Motor herum. „Das kriegen wir wieder hin.“
„Sie können sich gar nicht vorstellen wie froh ich bin das zu hören.“
Gherkin schraubte weiter am Motor herum.
„Was machen sie eigentlich hier draußen?“, wollte Gherkin wissen, während er weiter herumwerkelte.
„Na ja, wie soll ich das erklären“, druckste Harbin etwas herum und rieb sich dabei den Nacken. „Ich bin auf der Suche nach einer Frau die wegen ihrer Obsession zu irgendeinem seltsamen Wesen auf mysteriöse Weise verschwunden ist.“
Gherkin kroch jetzt wieder unter der Motorhaube hervor und sah Harbin an, während er sich die Hände an einem alten Taschentuch abwischte.
„Hörn sie mir auf mit solch verrückten Weibern. Ich bin froh diese Wissenschaftlerin endlich los zu sein. – Sie hat mich mit ihrem Gefasel fast in den Wahnsinn getrieben.“
Harbin sah Gherkin verwundert an, während der weiter in seinen Bart hineinmurmelte.
„Sagen sie mal“, sprach Harbin ihn wieder an. „Sprechen sie vielleicht von Dr. Callery Pear?“
„Ja“, antwortete Gherkin etwas überrascht, über die Frage.
„Und wo ist sie jetzt?“
„Sie ist nach Kurosan gefahren um nach diesem Mondwesen zu suchen.“
„Danke; danke für alles“, bedankte Harbin sich hastig und sprang ins Auto.
Gherkin sah ihm verwundert nach, als er den Wagen anließ und davonbrauste. Ein komischer Typ, dachte sich Gherkin und stieg wieder in den Lastwagen. Er hatte noch etwas zu erledigen. Es würde vielleicht das Letzte sein was er je in seinem Leben tun würde, aber er tat es mit Stolz.

Kazuya, Domoe, Hiko und Akame stürmten durch den hohen Schnee. Der Himmel war strahlend blau, aber der Wind blies ihnen eisig um die Ohren. Kazuya lief voran, aber auch Domoe war im Moment erstaunend schnell. Hiko hing etwas zurück. Er war der Jüngste und Schwächste von den Vieren. Er versuchte mitzuhalten, da er die Anderen nicht aufhalten wollte, aber er konnte nun mal nicht schneller laufen. Er war froh, dass er Domoe, Kazuya und Akame begegnet war, auch wenn er sich manchmal nach den schönen Zeiten mit seiner Großmutter zurücksehnte. Seine Eltern waren gestorben, als er noch ganz klein gewesen war. Er konnte sich nicht einmal an sie erinnern. Aber seine Großmutter war eine liebe Frau gewesen die sich immer gut um ihn gekümmert hatte. Ihr Tod hatte Hiko sehr traurig gemacht, zumal er seitdem ganz allein auf der Welt war. Aber nun hatte er ja Kazuya und die Anderen. Er war froh mit ihnen zusammen zu sein, auch wenn diese Reise sehr beschwerlich war.
Hiko krachte jetzt fast auf Domoe drauf, als der plötzlich, genau wie die Anderen, an einer kleinen Klippe stehen blieben.
„Hey!“, maulte Domoe. „Pass gefälligst auf.“
„Tut mir Leid“, entschuldigte sich Hiko und sah dann auf den riesigen, gefrorenen See.
Er hatte noch nie einen so großen See gesehen. Die Ufer konnte man von hier nicht mal erahnen. Man sah weit und breit nur das Eis. Es spiegelte sich ganz glatt und schön. Hiko war wirklich begeistert. Andererseits beängstigte es ihn auch etwas.
„Lass mich raten!“, sagte Domoe zu Kazuya, ohne den Blick dabei von der Eisschicht zu wenden. „Wir müssen da rüber.“
„Ganz genau“, antwortete Kazuya und machte einen Satz nach Unten.
Domoe seufzte nur leicht. Er hatte es sich ja schon gedacht. Ihm war zwar nicht ganz wohl bei dem Gedanken über eine riesige Eisfläche zu laufen, aber wenn es sein musste. Domoe folgte Kazuya sofort. Auch Akame zögerte nicht lange und sprang. Nur Hiko blieb stehen. Er hatte Angst. Es war doch ziemlich weit bis dort Unten und das Eis beunruhigte ihn nicht weniger. Was wenn es einbrechen würde? Dort draußen hatten sie keine Chance. Sie würden ertrinken oder erfrieren. Hiko wusste nicht was schlimmer war.
„Hey; worauf wartest du?!“, brüllte Domoe auf seine typische Art nach Oben.
„Ich komme ja schon“, entgegnete Hiko und sah dabei ängstlich nach Unten.
Er ballte die Hände zur Faust und bereitete sich auf den Sprung vor, während Kazuya, Akame und Domoe ihn abwartend ansahen.
„Okay; so hoch ist das gar nicht“, machte er sich selbst Mut. „Eins; zwei uuuund… - Ahh!“
Hiko rutschte mit dem Fuß auf der glatten Oberfläche weg und landete unsanft auf dem Hosenboden.
„Au!“, nuschelte er leise und verzog traurig das Gesicht.
„Klasse Landung“, zog Domoe ihn grinsend auf. „Dafür bekommst du von mir ne glatte neun.“
Hiko verzog nur wieder das Gesicht. Ständig zog Domoe ihn auf und ärgerte ihn nur weil er noch so jung war.
„Lasst uns weiter gehen“, forderte Kazuya die Anderen auf und ging los.
Domoe eilte ihm sofort hinterher. Akame sah zu dem Kleinen und wartete bis er aufgestanden war, dann setzte auch er den Weg fort. Hiko trottete ihnen hinterher.
Es war bitterkalt und hier draußen schien es noch etwas kälter zu sein. Kazuya, Domoe und Akame rannten über das vereiste Wasser, während Hiko ihnen erschöpft hinterher lief. Er war schon fast am Ende seiner Kräfte und war weit zurückgefallen.
Kazuya blieb plötzlich stehen und drehte sich zu Hiko um.
„Was hast du?“, fragte Domoe ihn, weil er den Grund für sein Anhalten nicht verstand.
Kazuya antwortete nicht und sah nur zu Hiko, der nun langsam aufholte.
„Der Kleine ist völlig fertig“, bemerkte Akame.
Kazuya nickte. Als Hiko ankam stütze er sich auf seine Knie und atmete erst mal tief durch.
„Sollen wir eine Pause machen?“, fragte Kazuya Hiko, der ihn daraufhin mit großen Augen ansah.
Es war kaum zu glauben, das Kazuya vorschlug eine Pause zu machen. Für gewöhnlich war er gar nicht zu bremsen. Er sah noch ziemlich fit aus, er brauchte keine Pause, er machte sie also nur wegen Hiko. Das war verwunderlich, aber sehr nett von ihm, denn Hiko konnte wirklich kaum noch laufen.
„Wir können jetzt keine Pause machen“, sagte Domoe, was alle genauso verwunderte wie das was Kazuya gesagt hatte. „Keyomi und Kahi werden vielleicht getötet, wenn wir nicht bald was unternehmen.“
Kazuya sah Domoe an. Es war erstaunlich, dass ausgerechnet er das sagte. Er, der sonst immer der Erste war, der nach einer Pause schrie. Ihm schien mehr an Keyomi zu liegen, als Kazuya gedacht hatte. Sie schien ihm wirklich wichtig zu sein. Kazuya wusste das Domoe Recht hatte. Sie mussten sich beeilen. Für eine Pause war keine Zeit.
„Ich brauche keine Pause“, sagte Hiko jetzt. „Macht euch um mich keine Sorgen.“
Kazuya nickte nur wieder und lief weiter. Domoe eilte ihm sofort nach. Akame warf einen Blick zu Hiko. Der Kleine war manchmal ein richtiger Held. Er war völlig fertig, aber er wollte die Gruppe nicht aufhalten und hielt tapfer durch. Akame lächelte leicht und lief dann den anderen hinterher.

Harbin war noch immer unterwegs nach Kurosan. Er hatte diese kahle Steinwüste endlich hinter sich gelassen und tuckerte nun wieder durch hohen Schnee. Eigentlich war das auch nicht viel besser, aber wenigstens waren es keine rissigen Steine mehr die so trist und leblos aussahen. Bald war er ja wieder in einer richtigen Stadt. Kurosan galt als eine der letzten, intakten Kuppelstädte. Es war kein Wunder das Lord Arkum lieber dort lebte, als in Dark City. Harbin gähnte laut und rieb sich kurz mit dem Handrücken über die Augen. Er war schon ziemlich weit gefahren und hatte lange nicht geschlafen. Er war hundemüde. Aber er musste noch eine Weile durchhalten. Harbin guckte vor sich auf die Straße. Er sah eine Gestalt am Horizont. Einen Mann. Einen Mann mit einem beigen Mantel, einem Hut und einem Koffer in der Hand. Harbin kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Ein Mann mitten in der Pampa? Das war absurd. Harbin brauchte dringend eine Pause wie es schien. Er öffnete die Augen jetzt wieder, aber der Mann war noch immer da und inzwischen war er sogar ganz deutlich zu sehen. Harbin fuhr langsam weiter, immerhin wollte er den armen Teufel ja nicht überfahren. Als er näher kam warf er erneut einen Blick nach draußen. Das war ja kaum zu glauben. Das war Pear! Pear blieb natürlich stehen als er das Auto hörte und drehte sich um.
„Pear!“, hatte Harbin das Fenster runtergekurbelt und den Arm herausgestreckt.
„Was will der denn hier?“, murrte Pear, der Harbin auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Harbin hielt direkt neben Pear an.
„Kommen sie schon, steigen sie ein.“
Pear zögerte kurz. Er konnte diesen Trottel zwar nicht leiden, aber eine Mitfahrgelegenheit konnte er gut gebrauchen. Pear warf den Koffer auf den Rücksitz und lief dann zur Fahrertür rüber. Er riss die Tür auf und sah Harbin grimmig an.
„Na los, rutsch rüber“; brüllte er ihn schon beinahe an.
Harbin sah seinen Chef verwirrt an und rutschte dann auf den Beifahrersitz. Pear stieg ein und drückte sofort aufs Gas.
„Ich hab sie überall gesucht“; brabbelte Harbin gleich los.
Harbin warf ihm aus dem Augenwinkel einen grimmigen, aber verwunderten Blick zu.
„Na ja, eigentlich hab ich Cal gesucht, aber sie waren ja auch plötzlich einfach verschwunden. Was machen sie hier draußen?“
Pear antwortete nicht und sah nur starr auf die Straße.
„Callery ist verschwunden“, sagte er Pear jetzt.
„Ich weiß“, antwortete er emotionslos.
„Sie wissen das?!“, stieß Harbin überrascht aus.
Eigentlich war es nachvollziehbar. Callery war verschwunden und kurze Zeit darauf war auch Pear verschwunden gewesen. Sollte er vielleicht sogar auf der Suche nach ihr sein? Er war immerhin ihr Vater. Andererseits hatten sie sich nie sonderlich gut verstanden. Callery schien Pear vollkommen egal zu sein.
„Deshalb sind sie hier, oder?“, hakte Harbin nach.
Pear schwieg eine Weile. Callery war nicht der Grund. Er hatte gewusst, dass sie mit diesem Commander unterwegs war um nach dem Wesen zu suchen, aber sie war nicht der Grund warum er Dark City verlassen hatte. Sie war es. Kahi. Dieses Wesen. Das konnte und wollte er Harbin allerdings nicht sagen.
„Callery ist auf dem Weg zurück nach Dark City“, berichtete Pear nun. „Ich habe sie vor ein paar Tagen gesehen.“
„Vor ein paar Tagen?“, hinterfragte Harbin nachdenklich. „Tut mir Leid Pear, aber Callery ist auf dem Weg nach Kurosan.“
Pear hielt ganz abrupt den Wagen an und sah Harbin grimmig an. Harbin entgegnete nur einen unsicheren Blick, denn Pear sah aus als würde er ihn gleich in der Luft zerreißen.
„Woher weißt du das?“
„Dieser Commander hat es mir gesagt. Callery muss bei ihm gewesen sein.“
„Dieser verdammte Sturkopf“, murmelte Pear wütend und drückte nun wieder aufs Gas.
Er fragte sich woher Callery das wohl hatte, das sie so stur war und immer ihren Willen durchsetzte. Na ja, vermutlich hatte sie das wohl von ihm. Aber das spielte absolut keine Rolle. Einmal sollte sie auf ihn hören und dann tat sie genau das Gegenteil von dem was er gesagt hatte. Sie wusste ja gar nicht in was für einer Gefahr sie sich befand.
Kahi und Keyomi saßen zusammengepfercht in einer kleinen Ecke im Raumschiff von Arkums Truppen. Es war nicht viel Platz in dem kleinen Raum und es drang nur wenig Licht durch eine kleine Luke herein. Kahi hatte die Arme um die Beine geschlungen und den Kopf gesenkt. Sie sah eingeschüchtert und verängstigt aus. Keyomi saß neben ihr und musterte sie. Sie hatte furchtbare Angst, aber sie versuchte tapfer zu sein.
„Hab keine Angst“, versuchte sie Kahi zu trösten die leise wimmerte. „Es wird alles wieder gut. Kazuya und die Anderen werden uns hier schon rausholen. Auf Kazuya kann man sich verlassen.“
Ihr Blick ging plötzlich ins Leere und sie dachte an ihren Bruder. Bisher hatte er sie immer beschütz und für Kahi schien er noch weit mehr zu empfinden als für sie. Er würde alles daran setzten Kahi hier rauszuholen. Er würde sein Leben für sie riskieren.

The Wolfe in me

Wenn der Herr der Nacht und die Prinzessin des Mondes anfangen das Paradies zu suchen, dann bricht die Zeit der schwarzen Sonne an. Das Licht des Mondes verlischt und die schwarze Sonne geht auf. Dunkelheit wird sich über die Welt legen. Doch aus dieser Dunkelheit wird ein Stern emporsteigen. Ein Wesen, geschaffen aus Mondlicht. Zusammen mit dem Herrn der Nacht wird sie die Welt aus seinem Schlaf erwecken und ein Paradies des Lichts erschaffen.
Lord Arkum stand gerade und majestätisch vor einem riesigen Spiegel. Ein paar Frauen, in langen, schwarzen Gewändern, legten ihm die Kleider und die Maske an. Ein paar schwarze Strähnen lugten für einen Moment unter der goldenen Maske hervor, doch nun war nichts mehr davon zu sehen. Weder seine Haare noch seine Haut waren zu sehen. Zwei der Frauen, deren Gesichter weiß und Lippen schwarz geschminkt waren, legten ihm den schweren, weiten, lilafarbenen Umhang um und traten dann einen Schritt zurück. Sie senkten den Kopf und nahmen eine ehrfürchtige Haltung ein. Arkum betrachtete sich für einen Moment im Spiegel. Seine schwarzen Augen fokussierten die starre, silberne Maske. Heute war ein Tag zum feiern. Endlich war die Mondprinzessin in seinem Besitz. Der Wolf war tot und er hatte die Mondprinzessin. Sie mussten nur auf diese Kinder aufpassen. Sie schienen ärger zu machen.
Arkum sah noch immer starr in den Spiegel. Seine Augen schienen alles zu durchdringen. Das Glas fing an zu springen und kleine Risse zogen sich über die ganze Fläche des Spiegels.

Kazuya, Domoe und die Anderen hatten den See inzwischen hinter sich gelassen und stapften weiter Richtung Kurosan, durch den hohen Schnee. Sie hatten eine kleine Pause eingelegt und waren nun wieder ganz gut zu Fuß unterwegs. Auch Hiko hielt wieder einigermaßen mit. Kazuya eilte wie immer voraus. Er spürte Kahi. Er wusste, dass sie ganz in der Nähe war. Kurosan war nicht mehr weit, da war er sich ganz sicher. Er konnte Kahis Stimme hören, als stünde sie genau neben ihm.
„Wartet“, blieb Akame plötzlich stehen und sah sich suchend um.
Kazuya und Domoe drehten sich zu ihm um, während Hiko zu ihm aufsah. Kazuya horchte nun ebenfalls auf. Er hörte etwas und er nahm einen bedrohlichen Geruch war.
„Hört ihr auch dieses Summen?“, fragte Domoe die Anderen auf seine typische Weise.
„Das ist kein Summen“, stellte Akame richtig, während er seinen Blick weiter prüfend über die Landschaft schweifen ließ. „Das sind Militärfahrzeuge.“
„Militärfahrzeuge?“, entgegnete Domoe. „Dann brauchen wir uns ja keine Sorgen machen. Sie haben Kahi ja schon.“
Kazuya warf einen Blick zu Domoe. Er hatte nicht ganz Unrecht damit. Arkum hatte was er wollte, aus welchem Grund also hätte er die Gruppe erneut angreifen sollen?
„Lasst uns weitergehen“, schlug Kazuya vor und setzte seinen Weg fort.
Sie liefen jetzt den kleinen Hügel vor ihnen hoch und blieben erschrocken Oben stehen. Vor ihnen stand eine Armee von Arkums Truppen. Bedrohlich hielten die Männer in ihren schwarzen Rüstungen ihre Laser-Pikes in den Händen und schienen auf die Jungs zu warten.
„Wir sollen uns also keine Sorgen machen“, zog Akame Domoe auf.
Domoe warf ihm nur einen genervten Blick zu. Woher hätte er das wissen sollen?
Einer der Männer richtete sein Pike jetzt auf die Jungs und feuerte einen Laserstrahl ab. Kazuya sprang zur Seite und fiel ihn dann an. Er riss ihm die Kehle auf und schnappte sich gleich den Nächsten. Auch Hiko, Domoe und Akame stürzten sich in den Kampf. Sie wichen den Laserstrahlen gekonnt aus und schnappten sich einen Soldaten nach dem Anderen. Hiko, als schwächstes Mitglied der Gruppe, hatte es ziemlich schwer sich gegen diese großen Typen durchzusetzen. Angestrengt kämpfte er gegen einen an, während ein Zweiter auf ihn zielte. Akame, der gerade einem Soldaten die Kehle aufgeschlitzt hatte bemerkte den Soldaten und riss erschrocken die Augen auf. Er musste etwas tun. Sofort stürmte er los und fiel den Soldaten in Wolfsgestalt an. Hiko und auch Domoe, der direkt daneben stand, sahen Akame fassungslos an. Ihnen blieb jedoch nicht viel Zeit darüber nachzudenken, denn sie wurden sofort wieder angegriffen. Bald hatten sie alle erledigt und machten sich aus dem Staub.
Kazuya führte sie wieder an. Domoe und Hiko trotteten hinter Akame her. Aus dem Augenwinkel warf Akame ihnen einen Blick zu. Ihm war klar warum sie ihn so ansahen, aber er wollte nicht darüber sprechen. Er konnte es selbst nicht glauben und er wollte es auch gar nicht.
„Das ist echt cool“, stieß Hiko jetzt aus.
„Seit wann weißt du das schon?“, wollte Domoe wissen.
Akame senkte leicht den Blick und stapfte weiter, die Hände in den Hosentaschen vergraben, durch den Schnee. Kazuya warf einen Blick zu ihm nach hinten. Er hatte mitbekommen das Akame auch ein Wolf war. Es interessierte ihn schon, seit wann er davon wusste.
„Als ich Kazuya sah“, begann er nun zögerlich. „Auf dem Hügel, als Kaba starb, da wurde mir klar, dass auch ich ein Wolf bin. – Ich wollte es nicht wahr haben.“
Alle sahen Akame seltsam an. Selbst Kazuya warf wieder einen Blick zu ihm nach hinten. Für Akame musste das schwer sein. Er war ein Realist. Er glaubte nicht an die Existenz des Paradieses und nun musste er feststellen dass er kein Mensch war sondern ein Wolf der in der Lage war Menschengestalt anzunehmen. Kazuya aber hatte das Gefühl das es Akame gefiel. Er schien endlich zu wissen wer er wirklich war und vielleicht auch wo sein Platz war. Kazuya jedenfalls ging es so.

Callery brauste mit dem Jeep auf die hübsche Kuppelstadt zu. Schon von weitem sah sie richtig einladend aus. Callery hatte ihr ganzes Leben in Dark City verbracht. Eine so schöne Stadt wie Kurosan hatte sie noch nie gesehen. Callery stellte den Wagen ab und stieg aus. Sie warf einen Blick auf den Eingang der Stadt. Es war wohl besser wenn sie zu Fuß ging und das Auto stehen ließ. Callery nahm ihre Sachen und betrat nun die Stadt. Sie war sofort hellauf begeistert. So eine Stadt hatte sie wirklich noch nie zuvor gesehen. Es schien hier nicht einen armen Menschen zu geben. Die Straßen waren sauber und geordnet. Alles wirkte hell und freundlich. Aufmerksam lief Callery durch die Straßen auf der Suche nach einem Anhaltspunkt. Arkum hatte hier, inmitten der Stadt, sein Schloss. Wenn es den Truppen gelungen war Kahi zu bekommen, dann war sie sicher dort. Callery war sich ziemlich sicher das Kahi dort war, denn gegen diese Übermacht hätten diese Kids niemals eine Chance gehabt. Callery warf einen Blick auf die Stadt. Sie konnte das Schloss von hier aus nur erahnen, aber irgendetwas zog sie dort hin. Sie wusste nicht ob Kahi wirklich dort war und sie wusste auch nicht was sie tun sollte, wenn sie sie dort wirklich finden würde, aber sie musste einfach zu diesem Schloss gehen.
„Entschuldigen sie“, sprach sie einen Passanten an, der sofort stehen blieb. „Können sie mir sagen wie ich zum Schloss von Lord Arkum komme?“
„Es gibt hier kein Schloss“, antwortete der freundlich aussehende Mann. „Und es gibt hier auch keinen Lord Arkum.“
Er ließ Callery verdutz stehen und ging weiter. Völlig verwirrt sah sie ihm nach. Was sollte das heißen? Jeder wusste das Lord Arkum hier in einem Schloss lebte. Sie kam aus Dark City und wusste das. Jemand, der hier lebte, hätte das doch wissen müssen. Callery sah sich um und blickte in die Gesichter der Menschen die an ihr vorbeigingen. Immer wieder sah sie etwas Schwarzes in den Augen der Passanten aufblitzen. Plötzlich wurde ihr diese Stadt ziemlich unheimlich. Etwas Seltsames ging hier vor. Callery wusste nicht was es war, aber es beunruhigte sie. Trotz des Unbehagens setzte sie ihre Suche jedoch fort.
Pear trat wie bekloppt auf die Bremse und brachte den Wagen abrupt zum Stehen. Harbin wurde in den Gurt gepresst und landete dann wieder an der Lehne. Er verdrehte genervt die Augen. Wer hatte diesem Mann eigentlich das Fahren beigebracht?
„Fahr zurück“, befahl Pear Harbin und warf ihm den Schlüssel auf den Schoß.
„Was?!“, stieß Harbin aus und stieg sofort aus dem Wagen. „Was meinen sie damit?“
Pear blieb stehen und drehte sich um.
„Das du nach Dark City zurückfahren sollst.“
„Auf keinen Fall“, protestierte Harbin und schlug die Wagentür zu. „Ich werde nicht nach Hause fahren ehe ich Callery gefunden habe.“
Pear sah Harbin an. Er schien das ernst zu meinen. Pear hatte keine große Lust sich jetzt mit dieser Nervensäge auseinander zusetzten, also ging er einfach weiter. Hier in Kurosan würde vermutlich sowieso nicht viel passieren. Wenn er Callery gefunden hatte, dann könnte er sie mit zurück nach Dark City nehmen und die Sache wäre erledigt. Ungeachtet von Harbin spazierte Pear in die Stadt. Harbin eilte ihm schnell hinterher.
Auch Kazuya und die Anderen waren endlich bei der Stadt angekommen. Kazuya blieb auf dem kleinen Hügel direkt vor der Stadt stehen und warf einen prüfenden Blick auf die grünliche Kuppel. Domoe trat neben ihn und riss staunend die Augen auf. Diese Stadt kam ihm verdammt bekannt vor. Ein bisschen zu bekannt für seinen Geschmack.
„Was ist los?“, sprach Akame Kazuya an.
„Wir können nicht durch den Haupteingang in die Stadt gelangen. Dort stehen Wachen und wie es scheint sucht Lord Arkum aus irgendeinem Grund nach uns.“
„So würden wir wenigstens schnell in dieses Schloss gelangen“, scherzte Akame sarkastisch.
Kazuya warf ihm einen schmunzelnden Blick zu.
„Oder wir werden getötet“, stellte er dann klar, woraufhin Akame das Lachen verging. „Wir müssen einen Hintereingang finden.“
„Wie gut das ihr mich dabei habt“, schmunzelte Domoe, der sich wieder gefangen hatte. „Ich bin ein Spezialist, wenn es darum geht ein Schlupfloch zu finden.“
Kazuya nickte und bedeutete Domoe damit vorzugehen. Er stürmte den Hügel hinunter und lief auf die Stadt zu. Kazuya, Akame und Hiko folgten ihm sofort.
Beeindruckend schnell hatte Domoe ein kleines Loch in einer Mauer gefunden und die Gruppe landete in einem weniger schönen Teil unterhalb der Stadt.
„Woher hast du das gewusst?“, fragte Hiko erstaunt und sah sich, genau wie die Anderen, um.
„Keine Ahnung“, antwortete Domoe und lies dabei seinen Blick über die Steinbrocken und Löcher in den Wänden schweifen.
Ein seltsames Gefühl überkam ihn, aber er konnte es nicht richtig einordnen.
„Wir sollten gehen“, forderte Kazuya die anderen wie gewöhnlich auf.
„Ich schlage vor ihr Beide sucht nach einem Eingang ins Schloss und Hiko und ich sehen uns etwas um.“
Kazuya sah Domoe skeptisch an.
„Ich dachte dir wäre es so wichtig Keyomi zu retten“, bemerkte Kazuya.
„Das ist es immer noch, aber ich halte es für besser, wenn ihr Zwei einen Weg ins Schloss sucht, während Hiko und ich uns ein bisschen umhören.“
Kazuya sah Domoe weiter skeptisch an. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Kazuya wusste nicht was es war, aber er hatte etwas. Bevor sie in diese Stadt gekommen waren, war er kaum aufzuhalten gewesen und nun plötzlich wollte er sich lieber umsehen, statt Keyomi zu suchen? Das war eigenartig.
„Also gut“, nickte Kazuya.
„Bei Sonnenuntergang treffen wir uns wieder hier“, befahl Akame.
„Ihr könnt euch auf uns verlassen“, lächelte Hiko und eilte Domoe sofort nach.
Akame und Kazuya sahen den Beiden für einen Moment hinterher, dann brachen auch sie endlich auf. Beide hatten ihre Wolfsgestalt entdeckt und hatten es daher leicht durch die Schlucht zu kommen. Sie sprangen auf einen Vorsprung und eh sie sich versahen waren sie im oberen, schönen Teil der Stadt angekommen. Sie liefen prüfend durch die Straßen. Hier sah alles vollkommen gleich aus und einen Geruch konnten sie auch nicht wahrnehmen.
„Diese Leute hier benehmen sich seltsam“, bemerkte Kazuya und warf jedem an dem er vorbeikam einen musternden Blick zu.
„Ja“, stimmte Akame zu. „Wie Zombies.“
Kazuya steckte die Hände in seine Jackentaschen und ging unauffällig weiter. Auch Akame hatte seine Hände in den Taschen seiner engen, schwarzen Hose vergraben. Er trottete Kazuya seltsam brav hinterher.
„Sag mal“, holte er plötzlich auf und lief neben Kazuya, der ihm aus dem Augenwinkel einen kurzen Blick zuwarf. „Seit wann weist du eigentlich schon das du ein… ein Wolf bist?“
Kazuya schmunzelte leicht da es Akame schwer fiel auszusprechen was er war. Er wurde jedoch schnell wieder ernst und senkte den Kopf. Die vorderen Strähnen seiner Haare fielen ihm ins Gesicht und verdeckten seine Augen leicht.
„Ich hab es schon immer gewusst“, antwortete Kazuya kühl wie immer. „Es war ein Gefühl tief in mir drin. Das Gefühl nicht ich selbst zu sein. Das Gefühl nicht vollkommen zu sein. - - Als ich Kahi und Kaba das erste Mal begegnete wurde es mir klar.“
Akame lief eine Weile schweigend neben Kazuya her.
„Als Kahi ihre Hand auf meine Narbe legte“, erzählte er leise. „Spürte ich es zum ersten Mal.“
Kazuya sah ihn nur einfach an. Es war klar das Kahi etwas damit zu tun hatte, dass sie sich plötzlich daran erinnern konnten, wer oder was sie wirklich waren. All das hatte schon immer in ihnen geschlummert. Sie hatten es nur vergessen und Kahi hatte sie wieder daran erinnert.
Domoe und Hiko liefen noch immer durch die Stadt. Auch sie waren inzwischen im oberen Teil angekommen. Aus irgendeinem Grund hatte Domoe genau gewusst wo lang sie hatten gehen müssen. Skeptisch beobachtete Hiko Domoe, der sich mit merkwürdigem Blick umsah. Irgendetwas war mit ihm nicht in Ordnung. Er benahm sich wirklich seltsam.
„Wo gehen wir jetzt eigentlich hin?“, fragte der Kleine und sah Domoe dabei aufmerksam an.
Domoe aber reagierte gar nicht auf ihn und lief einfach immer weiter. Es war, als würde er einen ganz bestimmten Ort suchen. Er lief durch die Straßen als wüsste er ganz genau wohin er wollte.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, hakte Hiko weiter nach, da ihm Domoes Verhalten wirklich komisch vorkam.
Domoe bog jetzt um die Ecke und blieb stehen. Sein Blick ruhte auf einer riesigen, steinernen Statue eines Mannes. Völlig fassungslos fokussierte er sie. Hiko trat neben ihn und betrachtete die Statue des Mannes mit dem langen Mantel und der Maske.
„Ist das Lord Arkum?“, fragte Hiko.
Domoe antwortete nicht. Sein Kopf tat weh. Hunderte und aberhunderte von Erinnerungen blitzen plötzlich vor seinem inneren Auge auf. Domoe kniff die Augen leicht zusammen und krallte die Hände in seine blonden Haare.
„Was ist denn los?“, sah Hiko ihn hilflos an.
„Arr“, schrie Domoe und stürmte plötzlich los.
„Domoe!“; rief Hiko ihm nach, doch er lief einfach weiter.
Hiko blieb einen Moment ratlos stehen, dann rannte er schnell hinterher. Er wusste nicht was Domoe plötzlich hatte. Aber es war nicht gut, wenn sie sich trennten. Hiko kannte sich hier nicht aus. Er würde sich sicher verlaufen.
Harbin und Pear trotteten auch noch immer durch die Stadt. Pear legte ein schnelles Tempo vor. Er schien es eilig zu haben. Harbin sah sich immer wieder suchend nach Callery um. Pear aber hielt den Blick immer starr nach Vorn gerichtet. Es schien ihn überhaupt nicht zu interessieren, dass seine Tochter irgendwo hier herumlief und sich in Lebensgefahr befand.
„Hey sie“, hielt Pear einen Passanten an. „Wo ist das Schloss von Arkum.“
„Schloss?“, hakte der Mann nach. „Hier gibt es kein Schloss.“
„Willst du mich verarschen?!“, packte Pear den jungen Mann am Kragen und drückte ihn gegen die Mauer.
„Hey“, ging Harbin dazwischen und schob Pear weg. „Bitte entschuldigen sie.“
Ängstlich machte sich der Mann aus dem Staub. Harbin sah Pear mahnend an, der entgegnete jedoch nur einen wütenden Blick.
„Seltsam das hier niemand etwas von einem Schloss weiß“, bemerkte Harbin, der seine Hände inzwischen in die Manteltaschen gesteckt hatte und zog die Schultern dabei etwas hoch.
Pear gab nur ein mürrisches Brummen von sich. Er schien etwas zu ahnen, oder zu wissen, wollte es Harbin aber scheinbar nicht erzählen.
Hiko lief verwirrt durch die Straßen der Stadt. Er hatte Domoe schon vor einer ganzen Weile aus den Augen verloren und wusste nun nicht mehr wo er war.
„Domoe?!“, rief er nach ihm, doch er schien verschwunden.
Hiko lief suchend weiter. Irgendwo musste Domoe doch stecken. Was war nur in ihn gefahren?
„Vielleicht gibt es hier ja wirklich kein Schloss“, laberte Harbin den genervten Pear voll und trottete neben ihm her.
Pear wollte sich gerade umdrehen um Harbin zu sagen das er die Klappe halten sollte, als er Hiko in einer der Straßen sah. Der Kleine huschte flink an ihm vorbei und war verschwunden. Pear zögerte nicht eine Sekunde und stürmte in die kleine Gasse.
„Pear!“; rief Harbin und eilte um die Ecke, doch er konnte den alten Mann schon nicht mehr sehen.
Er war wie vom Erdboden verschluckt. Harbin sah irritiert auf die leere Straße. Wo war er so plötzlich hin?
Domoe blieb, völlig außer Puste stehen und ließ sich gegen eine graue Mauer fallen. Sein Kopf tat weh und alles drehte sich. Ihm war ganz schlecht. Ganz plötzlich war ihm wieder klar, warum er sich hier so gut auskannte und warum er von Anfang an ein so komisches, vertrautes Gefühl gehabt hatte. Er kannte diese Stadt. Er war hier geboren worden. Er hatte diese Erinnerung vollkommen aus seinem Gedächtnis gelöscht. Er erinnerte sich eigentlich an nichts aus dieser Zeit. Doch als er die Kuppel gesehen hatte und dann diese Statue, da war es ihm wieder klar geworden. Er hatte sich einst geschworen nie wieder in diese Stadt zurückzukehren und nun war er hier. Hier wo alles begonnen hatte. Doch nicht nur die Erinnerungen an diese Stadt waren zurückgekehrt. Domoe wusste nun auch warum er seine Eltern nie kennen gelernt hatte und ihm war auch klar, warum er sich an die Zeit in dieser Stadt nie richtig erinnert hatte und warum er es jetzt konnte. Es war Kahi. Kahi hatte ihm klar gemacht wer er war. Genau wie Kazuya und Akame war er ein Wolf. Deshalb erinnerte er sich nicht an seine Eltern und war in einem Heim groß geworden. Und so wie Kazuya und Akame hatte auch er vergessen wer er war und damit hatte er alles aus dieser Zeit vergessen. Aber Kahi hatte dieses Gefühl in ihm wachgerufen und nun da er die Kuppelstadt wieder gesehen hatte erinnerte er sich. Aber es waren schmerzliche Erinnerungen die in seiner Seele brannten. Es schmerzte ungemein. Noch immer tat sein Kopf weh. Domoe legte die Hand an die Stirn und verzog das Gesicht. Wann würden diese Kopfschmerzen endlich nachlassen? Angestrengt schleppte Domoe sich weiter. Er hatte ein Ziel.
Auch Callery irrte noch immer durch die Stadt. Inzwischen waren ihr die Menschen hier alle ziemlich unheimlich geworden. Immer wieder sah sie dieses schwarze Leuchten in ihren Augen. Sie liefen alle wie Roboter durch die Gegend. Wie programmiert. Woher kam das nur und wieso wusste niemand von Arkums Schloss? Es gab sogar eine Statue von diesem Mann in der Stadt, also wieso wusste niemand davon? Das ergab doch alles keinen Sinn.
Callery war inzwischen in eine ruhige Seitenstraße gelangt. Sie fühlte sich hier etwas wohler, weil sie nicht den kalten Blicken dieser Robotermenschen ausgesetzt war. Hier war alles viel ruhiger und leiser. Callery hörte ihre Schritte in der Gasse widerhallen. Sie steckte die Hände in die Tasche ihres hellblauen Mantels und lief einfach immer weiter, auch wenn sie nicht wusste wohin diese Straße sie führte. Sie blieb plötzlich stehen, da ihr Blick auf einen Lichtstrahl fiel, der aus einer weiteren Gasse kam. Einen Moment zögerte sie, dann ging sie, neugierig wie sie war, darauf zu. Etwas überrascht blickte sie auf den Schriftzug am Fenster der kleinen Buchhandlung. Eine Buchhandlung in einer so finsteren Ecke? Hier kaufte sicher niemand ein Buch. Dennoch entschied sich Callery hineinzugehen. Vielleicht konnte man ihr ja wenigstens eine Karte verkaufen. Eine kleine Glocke klingelte, als Callery die Tür öffnete. Prüfend sah Callery sich um. Diese Werke schienen alle sehr alt zu sein.
„Kann ich ihnen helfen?“, kam ein freundlicher, alter Mann auf Callery zu.
Instinktiv achtete sie zuerst auf seine Augen. Seltsamerweise war nichts Schwarzes darin zu sehen. Er wirkte auch nicht so roboterartig wie die anderen Leute in dieser Stadt.
„Ich suche das Schloss von Lord Arkum“, fiel Callery mit der Tür ins Haus.
Der Mann mit seinen weißen Haaren und dem weißen Schnäuzer sah sie überrascht an.
„Diese Frage wird mir in der Tat nicht oft gestellt“, entgegnete er und fummelte dabei leicht mit seinen Händen auf dem Rücken herum. „Kommen sie.“
Gebückt lief er voran. Callery warf einen Blick zurück zur Tür und folgte ihm dann. Sie war sich nicht sicher ob sie ihm trauen sollte. Sie fühlte sich etwas unbehaglich. Callery beobachtete den Mann, der eine, scheinbar uralte, Karte aus einem Regal zog und sie auf seinem Tisch ausbreitete.
„Sehen sie hier“, deutete er auf einen Punkt in der Mitte der Karte. „Hier liegt das Schloss von Lord Arkum.“
Callery warf einen Blick zu dem Mann.
„Wieso behaupten hier alle, dass es gar kein Schloss gäbe?“
Der Mann richtete sich wieder auf und sah Callery einfach an.
„Arkum hat einen Zauber über die Stadt gelegt.“
„Einen Zauber?“, hinterfragte Callery skeptisch.
„Wer sich länger als einen Tag in der Stadt aufhält wird von diesem Zauber in Bann gezogen. Sein freier Wille, die Fähigkeit zu denken wird damit aufgehoben. Alle tun das was Lord Arkum will ohne es zu hinterfragen.“
„Ich verstehe“, sagte Callery mehr zu sich selbst. „Wie es scheint will Lord Arkum also nicht, dass jemand sein Schloss findet.“
„Ganz recht“, entgegnete der Mann und riss Callery damit aus den Gedanken.
Callery sah ihn wieder prüfend an.
„Wie kommt es das sie nicht von diesem Zauber befallen wurden?“
Der Mann lächelte etwas und kramte dann ein altes Buch aus einer Schublade.
„Alte Zauberei. Man muss einen Magier mit seinen eigenen Waffen schlagen.“
Callery schmunzelte leicht. Er schien die Wahrheit zu sagen. Callery jedenfalls glaubte ihm. Es war ihr neu das Arkum ein Magier war, andererseits erklärte das vielleicht sein Interesse für Kahi.
„Wie komme ich auf dem schnellsten Wege zum Schloss?“, fragte Callery aufgescheucht.
„Sie sollten dem Schloss lieber fern bleiben“, erwiderte der Alte und räumte das Buch wieder weg.
„Ich muss aber dort hin“, stütze Callery die Arme auf den Tisch. „Ich habe keine Wahl.“
Der Mann sah Callery prüfend an. Es war ihr an den Augen abzulesen das es ihr sehr wichtig war.
„Also gut“, begann er zu erklären.

Endlich hatten sie es geschafft. Auch wenn es schwer gewesen war, waren Kazuya und Akame ihrer Nase gefolgt. Es gab nur einen Geruch in dieser Stadt und das war der von Kahi. Alles andere roch einfach nur nach Reinigungsmitteln was wirklich penetrant für die sensiblen Nasen der beiden Wölfe war. Aber nun, da sie Kahis Geruch gefolgt waren, hatten sie das Schloss endlich gefunden. Sie konnten natürlich nicht durch den Haupteingang in die Festung gelangen, also suchten sie nach einem Schlupfloch. Eine Weile irrten sie um das Schloss herum ohne einen Weg zu finden. Entmutigt ließen sich Beide auf einem Dach etwas vom Schloss entfernt nieder und ruhten sich einen Moment aus. Kazuyas Blick fiel auf einen Kanal den man von hier nur erahnen konnte. Er floss unter der Stadt.
„Was meinst du wo dieser Kanal hinführt?“, fragte Kazuya seinen Begleiter.
Akame warf einen Blick nach unten zwischen den vielen Etagen hindurch und zuckte dann mit den Schultern.
„Lass es uns ausprobieren“, schlug er vor und stand auf.
Kazuya stand ebenfalls auf, zögerte aber. Sie hatten abgemacht sich mit Domoe und Hiko in der kleinen Schlucht zu treffen. Eigentlich sollten sie umkehren. Die Beiden warteten sicher schon auf sie. Andererseits waren sie nun schon so dicht am Ziel und jede Minute zählte.
„Was ist? Willst du jetzt vielleicht n Rückzieher machen?“
„Nein“, antwortete Kazuya kühl wie immer und sprang nach Unten.
Akame folgte ihm sofort. Sie wateten durch das knöcheltiefe Wasser und landeten tatsächlich in einer kleinen Unterführung unter dem Schloss. Jetzt mussten sie nur noch Kahi und Keyomi finden.
Domoe trottete noch immer durch die Straßen. Seine Kopfschmerzen ließen langsam nach. Er begriff langsam was los war. Stück für Stück fiel ihm alles wieder ein. Jetzt verstand er warum Akame so ein Geheimnis darum gemacht hatte, das auch er ein Wolf war. Und er wusste auch wie Kazuya sich die ganze Zeit gefühlt haben musste.
Hiko suchte noch immer nach seinem verschollenen Freund. Er lief über eine kleine Brücke, als er Domoe zufällig entdeckte. Er wollte ihn gerade rufen, als er Soldaten von Arkum entdeckte. Noch ehe er Domoe warnen konnte, hatten sie ihn mit einem Betäubungsstrahl außer Gefecht gesetzt und schleiften ihn mit sich. Entsetzt sah Hiko zu.
„Was mach ich denn jetzt?“, jammerte er. „Was soll ich denn jetzt machen?“
Hiko sah den Soldaten und Domoe hinterher. Er musste ihnen folgen. Wenn er wüsste wo sie Domoe hinbringen würden, könnte er ihn vielleicht befreien. Schnell und unauffällig lief Hiko ihnen nach.
Kazuya und Akame waren indes ins Schloss gelangt. Sie hatten den Kanal schon wieder verlassen und liefen jetzt durch die dunklen Säulengänge mit den hohen Decken. Es war so still, das man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Leise schlichen sie über den glänzenden Boden. Nur der Geruch half ihnen sich zu orientieren.
Vor ihnen lag eine Wendeltreppe. Wie es schien führte sie in eine Art Turm. Ein Turm der nicht so düster wie die restlichen Gänge dieses Schlossen zu sein schien. Ein rötliches Licht strahlte von Oben herab. Kazuya wusste das er Kahi dort finden würde. Er nahm ihren Geruch war. Er spürte sie und er hörte ihre Stimme. Er hörte sie ganz deutlich. Wie von einem Magneten angezogen steuerte Kazuya auf die Treppe zu. Akame folgte ihm zögerlich. Er nahm den Geruch zwar auch war, aber er spürte auch Gefahr. Etwas stimmte nicht.
Kaum hatte Kazuya den Turm betreten, schnellte eine eiserne Wand hinunter und schloss Kazuya ein. Aufgeschreckt drehte er sich um und donnerte die Fäuste gegen das kalte Eisen.
„AKAME!“; brüllte er durch die Tür, doch scheinbar konnte er ihn nicht hören.
„KAZUYA!“; rief Akame von der anderen Seite, doch ihm wurde schnell klar das das nichts brachte.
Er hielt abrupt Inne, als er etwas hinter sich wahrnahm. Langsam drehte er sich um und blickte in die maskierten Gesichter von Arkums Soldaten. Akame grinste leicht und ging dann sofort in seiner Wolfsgestalt auf sie los. Er riss einem nach dem anderen die Kehle auf, fing sich aber auch selbst einiges ein. Blut spitze und Akame blieb knurrend vor ihnen stehen. Seine spitzen Fangzähne waren ganz rot gefärbt, genau wie die weißen Haare an seiner Schnauze. Akame schnellte vor und sprang auf den Soldaten zu. Er zückte sein Schwert und rammte es Akame in die Schulter. Blutend blieb der Wolf liegen.
Kazuya hatte indes bemerkt, dass es für ihn keinen Weg zurückgab. Er hatte keine Wahl als der Treppe zu folgen. Langsam setzte er den Fuß auf die unterste Stufe und stieg die Treppe hinauf.
Harbin irrte noch immer planlos durch die Stadt. Seit er Pear verloren hatte wusste er überhaupt nicht mehr wo er war, geschweige denn wo er hin sollte. Diese Stadt war das reinste Labyrinth. Es schien, als würde jeder Weg am Ende wieder da aufhören wo er angefangen hatte. Verzweifelt fragte sich Harbin durch, doch niemand konnte ihm helfen. Niemand hier hatte jemals von einem Schloss oder einem Lord Arkum gehört. Harbin war kurz davor durchzudrehen. Er kam an ein paar Soldaten vorbei, denen er aber keine große Aufmerksamkeit schenkte. Stattdessen sprach er eine ältere Dame an.
„Entschuldigen sie bitte, aber können sie mir sagen wie ich zum Schloss von Lord Arkum komme?“
„Ein Schloss? Hier? Tut mir Leid mein Junge.“
Mit diesen Worten ging die alte Frau weiter und ließ Harbin zurück.
„Entschuldigen sie Sir“, sprach einer der Soldaten Harbin plötzlich an.
Er drehte sich um und sah die Soldaten prüfend an.
„Sie suchen das Schloss von Lord Arkum?“
Harbin sah die beiden Soldaten an. Es war ein gutes Zeichen das sie ihn darauf ansprachen, denn es klang so als sei er nicht verrückt und das Schloss existierte tatsächlich. Andererseits war es sicher nicht gut, wenn Soldaten von Arkum hörten, das er nach dem Schloss suchte, denn es gab sicher einen Grund warum niemand davon wusste.
„Nein“, antwortete Harbin. „Ich muss weiter. Einen schönen Tag noch.“
Harbin hob die Hand leicht in die Luft und stahl sich davon. Doch die Soldaten waren nicht dumm und liefen ihm sofort nach.
„Hey sie!“, rief ihm einer der Soldaten hinterher. „Bleiben sie stehen.“
Harbin legte einen Zahn zu und rannte nun zwischen den Leuten hindurch. Er rempelte ein paar von ihnen an, die ihm dann empört hinterher sahen. Die Soldaten hatten Harbin schnell eingefangen und brachten ihn zu Fall. Einer schlug ihm in den Nacken und er war bewusstlos.

Kahi hing in Mitten eines großen, nahezu leeren Raumes. Sie hing an goldenen Fesseln in einem Glasbehälter. Ihr Kopf war auf die Brust gefallen und ihre weißen Haare verdeckten ihr Gesicht. Den lilafarbenen Mantel hatte man ihr ausgezogen und sie trug nun nur noch ihren weiß-goldenen Anzug. Sie hatte die Augen geschlossen und regte sich nicht. Sie schien nicht mal zu atmen.
Arkum stand direkt an der Tür und betrachtete Kahi. Er trug einen langen, schwarzen Umhang mit einer Kapuze, die er weit ins Gesicht gezogen hatte. Seine Haut wurde von einer goldenen Maske überdeckt. Langsam ging Arkum auf Kahi zu. Er blieb direkt vor dem Behälter stehen und betrachtete das Wesen.
„Endlich“, hauchte er. „Endlich wird sich mein Schicksal erfüllen. Wie lange habe ich darauf gewartet? Nun ist der Wolf tot und damit ist die Chance das Paradies zu öffnen ein für alle Mal vergeben.“
Er lachte leicht und legte die Hand auf das dünne Glas.
„Nun endlich, da du in meiner Gewalt bist, kann sich mein Schicksal erfüllen. Heute Nacht ist es soweit.“
Stolz blickte Callery auf das Schloss. Sie hatte es tatsächlich gefunden. Sie war diesem alten Mann zu Dank verpflichtet. Endlich hatte sie ihr Ziel erreicht. Sie wusste zwar noch nicht was sie jetzt machen sollte, denn einfach so reinspazieren konnte sie wohl kaum, aber immerhin war sie schon mal angekommen.
„Hey!“, stieß Callery aus als sie ein paar Soldaten an den Armen packten. „Was soll das?“
Die Soldaten antworteten nicht und schleiften Callery einfach mit sich. Ein wenig besorgt und ängstlich, aber auch fasziniert und neugierig sah Callery sich um während die Soldaten sie einen langen Korridor entlang schleiften.
Zwei Soldaten öffneten vor ihr eine große Flügeltür. Callery riss erstaunt die Augen auf. Kahi hing dort in einer Glaskugel und Lord Arkum drehte sich langsam zu ihr um.
„Ein Eindringlich me Lord“, berichtete der Soldat.
Die Beiden Soldaten die Callery an den Armen hielten blieben stehen. Ängstlich sah Callery zu Arkum der langsam auf sie zukam.
„Dr. Callery Pear“, sagte er mit seiner seltsamen Stimme und blieb vor ihr stehen.
Einen Augenblick stand er nur einfach da, dann hob er wegwerfend die Hand in die Luft und drehte sich um. Die Soldaten ließen Callery auf der Stelle los. Sie stolperte ein Stück vor und landete auf den Knien. Erstaunt sah Callery den Soldaten nach, als sie aus dem Raum verschwanden. Arkum hatte ihr indessen den Rücken zugekehrt und betrachtete Kahi erneut.
„Ihr habt viel für mich getan, indem ihr Kahi am Leben erhalten habt“, sagte Arkum trocken. „Ich werde mich dafür revanchieren und euch an der Zeremonie teilhaben lassen.“
„Zeremonie?“, hakte Callery verwirrt nach.
Arkum drehte sich zu ihr um und sah sie mit kalten, schwarzen Augen an. Und obwohl Callery außer den Augen nichts von seinem Gesicht sehen konnte, hätte sie schwören können er würde Grinsen. Sie bemerkte jetzt, dass doch noch ein Soldat im Raum geblieben war. Arkum drehte sich wieder weg und der Soldat zog Callery auf die Beine. Er schob sie etwas unsanft zu einem Stuhl, der eher etwas von einem Thron hatte und drückte sie hinunter. Sofort schlossen sich an Callerys Handgelenken und Fesseln silberne Schnallen.
Beunruhigt versuchte Callery sich zu befreien, aber das war nicht möglich. Der Soldat verschwand nun und Callery sah wieder zu Arkum.
„Was wollt ihr von Kahi?“
Arkum legte wieder seine Hand auf den Glasbehälter und sah Kahi an, die noch immer schlaff in den Fesseln hing.
„Das werden sie schon bald erfahren“, antwortete er.
Sein glühender Blick ruhte auf Kahi. Arkum stutze jedoch leicht. Etwas schien sich zu rühren. Kahi schlief noch immer, aber sie schien etwas wahrzunehmen. Plötzlich flogen die Flügeltüren auf. Erschrocken drehte Arkum sich um und blickte auf den weißen Wolf der dort stand und sie mit seinen gelben Augen ansah.
„Das ist nicht möglich“; hauchte Arkum. „Der Wolf ist tot.“
Kazuya sah sie nur weiter böse an und fing an zu knurren. Arkum betrachtete ihn jetzt genauer und erkannte wer er war. Er begann laut zu lachen.

Keyomi saß in einer kleinen, dreckigen Zelle und lehnte zusammengekauert an der Wand. Sie hatte aufgegeben zu fliehen. Es hatte ja doch keinen Sinn. Diese Gitterstäbe bekam sie niemals durch. Nicht in hundert Jahren. Hoffentlich ging es Kahi gut. Gleich nach ihrer Ankunft hatte man sie voneinander getrennt. Sie hatten Kahi einfach weggeschleppt. Und Keyomi war in dieser düsteren Zelle gelandet. Sie wusste, dass sie nicht allein war. In der Zelle gegenüber saß eine alte Frau. Sie starrte Keyomi die ganze Zeit mit ihren trüben, grauen Augen an. Keyomi war nicht ganz wohl dabei, aber die Frau wirkte nicht bedrohlich auf sie. Es war nur dieser durchdringende Blick der Keyomi etwas störte. Als würde diese Frau etwas sehen, das Keyomi nicht sah.
„Hey!“, riss Domoes Stimme Keyomi aus ihren Gedanken. „Lassen sie mich los!“
„Ah!“, schrie der Soldat auf, als Domoe ihm in den Arm biss.
Er schlug Domoe die Faust ins Gesicht und schleuderte ihn dann in die Zelle neben Keyomi.
„Oh“, stöhnte Domoe. „Dieser verdammte Mistkerl. – Das wirst du mir büßen!“
Domoe hob die Faust drohend durch die Gitterstäbe und sah dem Soldaten nach. Er ließ sich nach hinten fallen und landete sanft auf dem Hosenboden. Er bemerkte, dass ihn jemand ansah und drehte den Blick zur Nachbarzelle.
„Keyomi?!“, stieß er dann überrascht aus.
Er kroch sofort zu ihr rüber und umklammerte die Gitterstäbe. Er presste den Kopf dagegen und sah Keyomi musternd an.
„Mein Gott bin ich froh dich zu sehen.“
Keyomi lächelte leicht.
„Ich dachte es wäre vielleicht schon zu spät und sie hätten dich umgebracht.“
Keyomi wich leicht zurück und sah bedrückt ins Leere.
„Noch nicht“, entgegnete sie dann.
Domoe sah sie nur einfach an. Vermutlich hatte sie Recht. Sie würden sie bestimmt bald umbringen. Warum sollten sie sie hier gefangen halten?
Domoe und Keyomi wurden aufgeschreckt, als sie wieder jemanden kommen hörten. Sie sahen rüber zur Tür und sahen wie zwei Soldaten Akame in die Zelle schleiften. Keyomi legte die Hände um die Gitterstäbe und sah Akame besorgt an. Unsaft warfen die Soldaten ihn in die Zelle neben Keyomi und verschwanden dann wieder.
„Akame“, stieß Keyomi aus.
„Hey man wach auf“, befahl ihm Domoe.
Akame öffnete langsam die Augen. Etwas benommen drehte er den Kopf zu Keyomi um. Ein unmerkliches Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Wo ist Kazuya?“, wollte Domoe von Akame wissen, der gerade ein wenig über seinen schmerzenden Kopf rieb und Domoe nun ansah.
Keyomi riss die Augen besorgt auf.
„Keine Ahnung. Wir wurden voneinander getrennt, kurz bevor diese Typen mich angegriffen haben.“
Keyomi senkte leicht den Blick. Hoffentlich ging es Kazuya gut.
Keyomi und die beiden Anderen wurden wieder aufgeschreckt als ein Soldat hereinkam. Er schupste Harbin vor sich her. Keyomi, Domoe und Akame verfolgten ihn prüfend mit den Augen, als er in eine der gegenüberliegenden Zellen gesperrt wurde.
„Oh“ stöhnte Harbin, der etwas unsanft auf dem Boden gelandet war.
Er rappelte sich langsam auf und sah dann zu den drei Kids die dort auf dem Boden ihrer Zellen saßen und Harbin ansahen. Sie kamen ihm auf Anhieb bekannt vor.
„Ihr seid doch diese Kids aus Dark City“, sprach er sie an. „Die, die den Lebensmitteltransport überfallen haben.“
„Ich hab überhaupt nichts überfallen“, regte Domoe sich auf, fing sich aber einen bösen Blick von Keyomi ein, da das im Moment wirklich überhaupt nichts zur Sache tat.
Harbin musterte sie einen Augenblick.
„Ihr habt dieses Wesen nicht aus dem Labor gestohlen, oder?“
Keyomi, Domoe und Akame schienen etwas überrascht über diese Aussage. Sie hatten nicht mal gewusst, dass man sie dessen verdächtigt hatte. Allerdings wunderte es sie noch mehr, wie Harbin darauf kam, das sie es nicht gewesen waren.
Keyomi schüttelte nun den Kopf.
„Nein. Ein Mann namens Kasun hat Kahi entführt. – Und nun ist sie in den Händen von diesem Lord Arkum.“
Harbin sah das Mädchen prüfend an. Sie war wirklich hübsch. Etwas an ihren Augen war allerdings eigenartig. Sie hatten so ein seltsames Funkeln, das er noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Aber vermutlich war er auch nur übermüdet.
„Wieso interessiert euch dieses Wesen so?“
Auf der Fahrt nach Kurosan hatte Pear Harbin einiges erzählt. Auch das dieses Wesen, Kahi, die ganze Zeit bei diesen Kids gewesen war.
Keyomi, Domoe und Akame sahen ihn nur einfach an. Wie sollten sie ihm das erklären? Er würde ihnen sowieso nicht glauben.
„Ist ja auch egal“, lehnte Harbin sich jetzt zurück. „Spielt sowieso keine Rolle mehr.“
Harbin zog den Hut ins Gesicht und schloss die Augen. Sie würden hier vermutlich niemals lebend rauskommen.
„Ihr seid Wölfe, nicht wahr?“, erklang plötzlich eine alte, raue Stimme.
Keyomi, Akame und Domoe sahen alle zu der alten Frau mit den langen, grauen Haaren hinüber, die auf der Bank in ihrer Zelle saß.
Sie trug ein altes Tuch über den Schultern und hatte den Kopf leicht geneigt, sodass ihre Haare ihr faltiges Gesicht verbargen. Harbin hatte den Kopf indessen leicht angehoben. Er musste sich verhört haben.
„Ich kann es sehen“, fuhr die Alte fort. „Ihr seid Wölfe. Ihr gehört zu den wenigen Wölfen, denen es gelungen ist die Menschen zu täuschen um so zu überleben.“
Akame sah zu Keyomi und Domoe.
„Ihr also auch“, sagte er dann.
Eigentlich hatte er es schon die ganze Zeit gewusst. Als Wolf hatte er es wahrgenommen. Kazuya wusste es sicher auch. Kazuya war auch der Einzige der nicht wirklich überrascht darüber gewesen zu sein schien, das Akame ein Wolf war. Er hatte es wohl auch schon vorher gewusst.
„Was tut ihr hier?“, wollte die Alte nun wissen.
„Wir sind wegen der Mondprinzessin hier“, erklärte Keyomi.
Die Frau hob plötzlich den Kopf an und riss die Augen auf.
„Dann ist es also wahr“, sagte sie leise. „Dann wird die Welt wie wir sie kennen nun zu ende gehen.“
„Woher wissen sie das alles?“, wollte Domoe von ihr wissen. „Woher wissen sie, dass wir Wölfe sind?“
„Weißt du mein junger Wolf“, legte sie ein zartes Lächeln auf, das ihre Haut noch faltiger machte. „Ich bin blind. Einen Blinden kann man nicht so leicht täuschen. - - - Es ist nicht deine Gestalt die ich wahrnehme.“
„Und warum sind sie hier eingesperrt?“, fragte nun Keyomi.
„Arkum kontrolliert die Bürger dieser Stadt. Er hat einen Zauber über sie gelegt. Ich jedoch habe mich geweigert. – Deshalb soll ich hingerichtet werden. Viele von uns wurden es bereits. Und auch mein Ende naht.“
Keyomi, Domoe und sogar Akame sahen sie mitfühlend an. Niemand sollte hingerichtet werden nur weil er jemandem Widersprach. Harbin starrte zu den Kindern rüber. Sie sollten Wölfe sein? Das war absurd. Er sah ihnen in die Augen und erkannte nun auch bei den Anderen dieses seltsame Leuchten. Fassungslos riss er den Mund und die Augen auf. Das war kaum zu glauben.
„Tatsächlich“, nuschelte er so leise das es niemand außer ihm hörte.
„Aber nun da ich weiß, dass die Mondprinzessin ihre Reise angetreten hat, kann ich guten Gewissens sterben. – Es ist nicht mehr aufzuhalten.“
Keyomi, Domoe und Akame sahen sich an. Sie sollten der Frau besser nicht sagen das Kahi in der Gewalt von Arkum war. Sie sollte ruhigen Gewissens sterben können.
Akame hatte sich inzwischen wieder etwas erholt. Sein Kopf tat kaum noch weh und die Kratzer und Schrammen spürte er auch kaum noch. Er war hart im nehmen. Von ein paar kleinen Wunden ließ er sich nicht unterkriegen.
„Wir müssen hier irgendwie raus“, sagte er entschlossen und stand auf.
Keyomi und Domoe sahen zu ihm auf. Er biss mit voller Kraft in die Gitterstäbe und versuchte sie zu verbiegen, aber sie bewegten sich kein Stück.
Harbin kniff die Augen zusammen. Das war unmöglich. Der junge Mann hatte sich plötzlich in einen Wolf verwandelt. Vor ihm stand ein silber-grauer Wolf.
„Es ist wirklich wahr“; sagte er nun lauter. „Ihr seid Wölfe.“
Domoe und Keyomi sahen zu ihm rüber, entgegneten aber nichts.
„Das hab ich alles schon versucht Akame“, richtete Keyomi sich nun an ihn. „Es nützt nichts.“
„Willst du hier tatenlos rum sitzen?“, maulte Akame sie an.
„Natürlich nicht“, entgegnete Keyomi und machte sich nun auch wieder an die Gitterstäbe, auch wenn sie wusste, dass es keinen Sinn hatte.

Kazuya stand noch immer knurrend vor Arkum. Er hatte inzwischen aufgehört zu lachen und sah Kazuya nur ernst an. Er schien keine Angst vor dem bedrohlichen Wolf zu haben.
„Du wirst mich nicht aufhalten Wolf“, sagte Arkum abfällig.
„Ich werde nicht zulassen, dass du Kahi etwas antust“, entgegnete Kazuya mit gefletschten Zähnen.
„Dafür ist es bereits zu spät.“
Kazuya hatte genug. Er preschte vor um auf Arkum loszugehen. Arkum schnellte mit dem Arm unter dem langen Mantel hervor und hielt die Hand stoppend vor Kazuya, der plötzlich anhielt. Angestrengt versuchte er weiter zu gehen, doch seine Muskeln ließen es nicht zu. Sie fühlten sich wie Pudding an. Er konnte sich kaum aufrecht halten. Er streckte alle Viere von sich und blieb so, angestrengt, auf dem Boden liegen. Er knurrte Arkum weiter an.
„Die Zeit der Wölfe“, erklärte Arkum und wand sich von Kazuya ab. „Ist endgültig vorüber. In der neuen Welt gibt es keinen Platz für euch.“
Arkum hob den Kopf in die Luft und sah durch die große Glaskuppel hinauf zum Mond. Es war stockduster draußen und der Mond schien an Farbe verloren zu haben. Es war kein Stern zu sehen. Der Himmel war pechschwarz.
Hallende Schritte tönten plötzlich durch den Korridor. Arkum senkte den Kopf und drehte sich um. Fassungslos blickte sie in Kasuns maskiertes Gesicht. Wie immer trug er einen langen, schwarzen Umhang der alles verdeckte. Die weiße Maske verhüllte sein Gesicht, so dass niemand erahnen konnte, welchen Ausdruck es hatte.
„Kasun“, hauchte Arkum und es machte den Eindruck als würde er dabei vor erfurcht zurückweichen.
Kasun trat etwas näher. Aus dem Augenwinkel warf er einen Blick zu Kazuya und blieb dann ein paar Meter vor Arkum stehen.
„Es ist lange her“, sagte er mit seiner tiefen, verzerrten Stimme. „Lady Arkum.“
Callery riss die Augen auf. Hatte er gerade Lady gesagt? Arkum und Kasun standen sich gegenüber und sahen sich einfach nur an.

Heavens not Enough

Nun da der Mond an Helligkeit verliert ist die Zeit der schwarzen Sonne gekommen. Für immer wird das Licht des Mondes erlischen und damit auch das Leben all seiner Kinder. Die Sonne wird die Welt nun ins Dunkel stürzen. Doch aus dieser Dunkelheit wird die Herrscherin der Schatten emporsteigen und eine neue Welt erschaffen.

Die Nazril hatten sich in zwei gegenüberliegenden Reihen aufgestellt. Sie hielten jeder eine schwarze Kugel in der Hand und hielten die Köpfe leicht gesenkt. Die Kapuzen ihrer dunkelbraunen Kutten verdeckten ihre schwarzen Gesichter. Mondlicht fiel durch ein großes, rundes Fenster auf sie. Der Rest des Raumes war dunkel. Nahezu lautlos murmelten die Nazril eine Beschwörungsformel vor sich her.
Kasun stand noch immer vor Arkum. Langsam griff sie mit ihrer schlanken Hand nach der Maske und nahm sie vom Gesicht. Dabei rutschte auch die Kapuze von ihrem Kopf und entblößte ihre langen, wallenden, schwarzen Haare. Kasuns Blick ruhte auf ihrer ebenmäßigen, blassen Haut und den roten Lippen. Mit ihren pechschwarzen Augen sah sie Kasun an. Sie hatte sich inzwischen wieder gefangen und wirkte selbstgefällig und erhaben. Sie streckte die Hand nach Kasun aus und nahm ihm die Maske vom Gesicht. Unachtsam ließ sie sie auf den Boden fallen und sah Kasun weiter an, der nur regungslos da stand uns sie weiter fokussierte.
Callery beobachtete die Beiden verängstigt und irritiert. Wie hatte Kasun das überlebt? Sie hatte unheimliches Glück gehabt, das sie lebend unter diesen Trümmern hervorgekommen war. Sie erinnerte sich an sein seltsames Lächeln, bevor er den Raum verlassen hatte. Hatte er vielleicht gewusst das Arkum ihn angreifen würde?
„Es ist lange her“, sagte Arkum jetzt und legte dabei ein kaum merkliches Lächeln auf.
Kasun zog nur leicht den Mundwinkel hoch. Er war mehr als einen Kopf größer als Arkum und bedeutend kräftiger. Es waren nur die Schulterpolster die Arkum so breit wirken ließen. In Wirklichkeit war sie eine sehr schlanke Frau. Sie wusste ihre weiblichen Reize jedoch zu verbergen, schließlich sollte sie niemand als Mann erkennen. Kasun war der Einzige der es wusste.
„Ich weiß warum du gekommen bist“, sagte Arkum nun bestimmt. „Aber du wirst es nicht bekommen.“
„Du bist eine falsche Schlange Arkum“, entgegnete Kasun kühl und ging an ihr vorbei.
Arkum drehte sich mit großen Augen um und beobachtete ihn, während er auf Kahi zuging. Er legte die Hand auf die Glasscheibe und betrachtete das reglose Wesen.
„Er war dein Mann und du hast ihn getötet“, fuhr Kasun fort, ohne auf Arkum zu achten. „Melodie brachte euch zusammen. Sie hatte Mitleid mit dir. - - - Das gehörte alles zu deinem Plan, nicht wahr?“
Arkum musterte Kasun, der ihr immer noch den Rücken zu wand. Wie kam er jetzt gerade darauf? Arkum war klar, das er der Geschichte, ihr Mann wäre an einer seltsamen Krankheit gestorben, nicht glaubte. Dafür kannte er sie zu gut. Aber wie kam er gerade jetzt darauf mit ihr darüber zu sprechen? Hatte es etwas mit Melodies plötzlichem Ableben zu tun? Immerhin war Byoshin ihr Bruder gewesen. Ein kränklicher Mann, aber der Herrscher über Dark City und Kurosan. Bedeutend und Einflussreich.
„Antworte mir“, drehte Kasun sich nun doch zu ihr um, klang dabei aber keineswegs zornig.
„Was tut das zur Sache?“, erwiderte Arkum abweisend.
Arkum musterte Kasun eine Weile. Er drehte sich indes wieder um und betrachtete Kahi.
„Sie ist ein Geschöpf des Mondes“, erklärte er mit gedämpfter Stimme. „Ein mächtiges Wesen. Sie selbst kennt ihre Kraft nicht und nutz sie nur instinktiv.“
Arkum sah Kasun gespannt an. Er wusste sehr viel von Kahi. Er war der Einzige der ihren richtigen Namen kannte. Nicht einmal Arkum kannte ihn. Sie wusste nur das was sie wissen musste.
„Ich weiß wozu du sie brauchst.“
Arkum riss die Augen auf. Woher wusste er das? Woher wollte er wissen, was Arkum mit ihr vorhatte.
„Du bist eine Magierin Arkum. Glaube nicht ich wüsste das nicht. – Um deine Macht zu vergrößern, willst du ihre Kräfte absorbieren. Heute Nacht, wenn der Mond seine Farbe verliert und die schwarze Sonne aufgeht, willst du Kahis Kräfte nutzen um die Prophezeiung der Nazril wahr werden zu lassen. Eine Welt in Dunkelheit. Deine Macht wäre unaufhaltsam.“
Kasun drehte sich nun wieder zu ihr um und sah sie kühl an. Arkum musterte ihn. Sie kannte diesen Blick. Kasun und sie kannten sich schon sehr lange. Er war bereits über siebenhundert Jahre alt. Der erste männliche Nachfahre seiner Familie, weshalb der Fluch sich auch nur auf ihn niedergeschlagen hatte. Er konnte nicht sterben, solange der Fluch auf ihm lastete und jede Frau der er sein Herz schenkte starb kurze Zeit darauf. Da Kasun diesen Fluch kannte, hatte er es bisher vermieden sich zu verlieben, doch als er auf Melodie getroffen war, hatte er es nicht vermeiden können. Melodies Bruder Byoshin war der Herrscher über Dark City und Kurosan gewesen. Ein kränklicher Typ um den Melodie sich immer gesorgt hatte. Deshalb war sie auch bedacht darauf gewesen, schnell eine Frau für ihn zu finden. Eine Frau die für ihn Sorgen konnte, falls Melodie eines Tages nicht mehr dazu fähig war. Schon damals hatte sie die Krankheit, die durch den Fluch ausgelöst worden war, gespürt. Sie war Arkum begegnet. Eine junge, arme Frau. Es hatte nicht lange gedauert bis Byoshin und Arkum geheiratet hatten. Der Fluch hatte Melodies Leben kurze Zeit darauf ein Ende bereitet. In seiner Trauer hatte Kasun nicht darauf geachtet was Arkum tat. Nur kurze Zeit später erfuhr er, das Byoshin an einer seltenen Krankheit gestorben war. Arkum war nun Herrscher über Dark City und Kurosan.
Arkum sah Kasun noch immer an. Dieser Blick sagte ihr, dass er sie aufhalten wollte. Auch wenn er es nicht aussprach, aber das war der Grund für sein Kommen.
„Ich kann deinen Schmerz verstehen mein Lieber“, ging sie nun einfühlsam auf ihn zu.
Ihre Stimme klang zärtlich und warm. Liebevoll sah sie ihn an und blieb vor ihm stehen. Sie strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und glitt dann mit ihren zarten Fingern über das Auge, das er mit einer schwarzen Klappe verdeckt hatte.
„Oh Kasun“, säuselte sie. „Dieser Fluch hat dir das genommen, was du am meisten liebtest. Ich verstehe deinen Schmerz. Aber denk noch einmal darüber nach. Heute Nacht wird eine neue Welt aus dem Nichts entstehen und wir Beide könnten die Herrscher dieser neuen Welt sein. Es wäre unsere Welt. Unsere Welt in der unsere Gesetzte gälten. Überlege nur wie mächtig wir wären.“
Kasun packte Arkums Handgelenk und umklammerte es fest. Arkum sah ihn leicht verängstigt an. Er war zu einigem im Stande, das wusste sie. Er war hier um sie aufzuhalten. Wer wusste wie weit er gehen würde. Angewidert und dennoch gefühllos schleuderte er ihre Hand zur Seite und sah sie an.
„Es wird kein uns geben Arkum“, sagte er leise. „Ich werde Kahi mitnehmen.“
Kasun drehte sich um und ging auf den Glasbehälter zu. Arkum beobachtete ihn einen Augenblick, dann schnellte sie vor. Ehe er reagieren konnte stach sie ihm ihr Schwert in den Bauch. Kasun krümmte sich leicht, während Arkum ihre Hand gegen seine Schulter drückte und ihn erregt ansah. Kasun begann zu lächeln.
„Glaubst du, dass mich das töten kann?“, fragte er sie beinahe heiter.
Nun war es jedoch Arkum die lächelte.
„Dieses Schwert mein Lieber, ist mit einem seltenen Gift getränkt. Ein Gift das selbst einen Fluch überwinden kann. – Es tut mir Leid. Aber wenn du nicht mit mir gehen willst, dann musst du eben sterben.“
Arkum zog das Schwert heraus und ließ Kasun auf den Boden fallen. Geschwächt lag er auf dem Boden und sah schwindlig zu ihr hinauf.
„Du wolltest eine Antwort haben, du sollst sie kriegen“, sagte Arkum nun wieder ganz stolz und selbstsicher. „Ja. Ich tötete Byoshin. Es gehörte zu meinem Plan. Ich brauchte politische Macht um meine Ziele zu erreichen. Ich belegte deine geliebte Melodie und ihren Bruder mit einem Zauber, der mich für sie unwiderstehlich machte. – Durch diesen Fluch wirkte der Zauber bei dir leider nicht und ich musste warten bis Melodie endlich das Zeitliche segnete, damit ich deine Trauer ausnutzen konnte um meinen Gemahl zu töten. Ich verabreichte ihm ein Gift das ihn auf der Stelle tötete und mir die alleinige Macht zuschrieb.“
Kasun stöhnte und ächzte während er im Sterben lag. Kazuya und Callery konnten dem Schauspiel nur zusehen. Sie waren Beide unfähig etwas zu tun. Arkum lief nun auf den Behälter zu und sah Kahi an.
„Die Nazril, die Wächter der schwarzen Sonne, und ich werden dank dieses zarten Wesens endlich das Königreich der schwarzen Sonne herbeirufen. Die Mondprinzessin wird mir die nötige Kraft dazu geben. Durch sie kann ich die Gezeiten beherrschen und somit den Mond dazu zwingen nie mehr aufzugehen, um einen Platz für die schwarze Sonne zu schaffen. Meine Macht wird unvorstellbar sein.“
Arkum drehte sich jetzt zu Kasun um und sah ihn überheblich an.
„Nun darfst du mit ansehen wie ich eine neue Welt erschaffe. – Eine Welt in der für dich keinen Platz sein wird mein Lieber. – Aber nun, bevor diese Welt zu ende geht, sollst du wissen, das ich es war, die deine geliebte Melodie tötete. Diese nervige Märchenprinzessin. Deine Liebe zu ihr war erbärmlich. Sie dich nur an.“
Kasuns Blick änderte sich schlagartig. Fassungslos sah er in Arkums Gesicht. Zuerst war es pure Fassungslosigkeit, doch sie schlug schnell in Wut um.
„Nun ist es so weit“, streckte Arkum die Arme aus und ließ den Kopf in den Nacken fallen.
Der Himmel über ihr färbte sich rot. Der Mond schien vollkommen durchsichtig, während sich die schwarze Sonne über ihn legte und nun groß am Himmel prangte. Arkum schloss die Augen und atmete tief ein. Plötzlich riss Kahi ihre Augen auf und hob den Kopf in die Luft. Ein fürchterlicher Schrei hallte durch die Gänge. Eine Art, blaue Blitze, übertrugen sich von Kahi auf Arkum. Kazuya, Callery und Kasun sahen dem nur entsetzt zu.
„Kahi“, hauchte Kazuya angestrengt.

Akame, Keyomi und Domoe versuchten noch immer aus der Zelle auszubrechen. Man hatte die alte Frau inzwischen weggebracht und nur Harbin war noch bei ihnen. Während Keyomi immer noch an den Gitterstäben herumkaute versuchten Domoe und Akame sie mit ihrer Kraft zu öffnen, indem sie immer wieder dagegen sprangen. Aber es nütze nichts.
„Das hat doch keinen Sinn“, gab Domoe auf.
Keyomi hob den Kopf und sah ihn zustimmend an. Sie wollte nicht aufgeben, aber sie hatten scheinbar keine Wahl. Diese Zellen waren sicher. Hier kamen sie nie raus.
„Jetzt nur nicht aufgeben“, feuerte Akame sie an. „Wir dürfen Kazuya und Kahi nicht im Stich lassen.“
Domoe und Keyomi sahen ihn etwas verwundert an. Seit wann gab Akame sich so viel Mühe?
„Was machen sie eigentlich hier?“, richtete Domoe sich an Harbin, der niedergeschlagen in seiner Zelle hockte.
„Ich war auf der Suche nach der Frau die ich Liebe“, nuschelte er. „Aber ich konnte sie nirgends finden.“
„Reden sie von dieser braunhaarigen Wissenschaftlerin?“
Harbin drehte sich sofort interessiert zu Domoe.
„Ja. Habt ihr sie gesehen?“
„Ja vor ner ganzen Weile. Sie hat wohl nach Kahi gesucht.“
„Kahi! Ich kann diesen Namen langsam nicht mehr hören. Dieses komische Wesen treibt noch alle in den Wahnsinn.“
„Hören sie auf so von ihr zu reden“, maulte Keyomi ihn an.
Harbin sah das Mädchen überrascht an. Einen Moment schwiegen alle.
„Warum ist euch dieses Wesen eigentlich so wichtig? Warum beschütz ihr sie so?“
Domoe, Akame und Keyomi senkten die Köpfe.
„Weil sie uns zum Paradies führt“, antwortete Keyomi schließlich.
„Zum Paradies?“, zog Harbin die Augenbrauen hoch. „Meint ihr etwa das Paradies von dem in der Phrophezeiung des Mondes gesprochen wird?“
Keyomi war etwas verwundert darüber das Harbin dieses Buch zu kennen schien und nickte dann.
„Dann ist es also wahr? Die Mondprinzessin und der Wolf sind aufgebrochen um das Paradies zu suchen, weil die Welt untergeht.“
„Wir wissen nicht was passieren wird“, entgegnete Keyomi. „Wir folgen ihr einfach nur.“
„Jetzt hört auf rumzulabern“, motze Akame und schmiss sich wieder gegen die Gitterstäbe. „Wir müsse hier raus.“
Sie hörten plötzlich Schritte und sahen auf den Gang. Hiko schlich herein und kam mit einem breiten Grinsen auf sie zu.
„Hiko!“, stieß Domoe aus. „Ich hät nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich freu mich wirklich dich zu sehen.“
„Los hol uns hier raus“, befahl Akame dem Kleinen.
Hiko drückte auf ein paar Knöpfe auf einem Schaltbrett und die Zellentüren, von Akame, Domoe und Keyomi öffneten sich.
„Los kommt“, eilte Keyomi sofort an ihm vorbei.
„Wo bist du eigentlich gewesen?“, fragte Hiko Domoe.
„Das spielt jetzt keine Rolle. Wir müssen Kazuya und Kahi retten.“
Hiko und Domoe rannten Keyomi sofort hinterher. Akame blieb kurz stehen und warf einen Blick zu Harbin, dann schlug er die Hand auf einen der Knöpfe und stürmte den Dreien hinterher. Die Zellentür von Harbin hatte sich geöffnet und er streckte seinen Kopf nach draußen.
„Danke“, nuschelte er, obwohl Akame bereits weg war und verließ die Zelle
Die Vier rannten über den riesigen Flur. Sie wussten nicht wo sie nach Kazuya und Kahi suchen sollten, aber ihre Nase trieb sie voran. Wie der Wind stürmten sie durch die Gänge. Sie spürten, dass etwas nicht stimmte und mussten sich beeilen, bevor es zu spät war.
„Pass auf!“, rief Domoe und Akame sprang sofort zur Seite.
Ein Soldat war ganz plötzlich hinter einer Ecke hervorgekommen und hätte Akame beinahe mit seinem Pike erwischt. Nun kamen noch mehr Soldaten auf die Vier zu. Keyomi sprang, in ihrer Wolfsgestalt, auf einen zu und biss ihm in den Hals. Mit den Augen fokussierte sie dabei bereits den nächsten Soldaten. Auch Domoe und Akame hatten bereits einige Soldaten angefallen. Auch der kleine Hiko wusste inzwischen, dass er ein Wolf war und sprang auf einen Angreifer zu. Hiko wirkte noch etwas unbeholfen im Umgang mit seinen Kräften.
„Pass auf Hiko!“, rief Domoe ihm zu.
Der Kleine drehte sich blitzschnell um und entging so einem Angriff.
„Oh man“, jammerte er und biss einem Soldaten in den Arm.
Der Soldat hob den Arm an, doch Hiko hatte sich so tief verbissen, das er einfach nicht losließ. Der Soldat schüttelte ihn ab und Hiko donnerte gegen die harte Wand.
„Hiko!“, stieß Keyomi aus und eilte auf ihn zu, da der Soldat zum Todesstoß ansetzte.
Wie der Blitz sprang Keyomi auf ihn zu und durchtrennte im Sprung seine Hauptschlagader. Ehe der Soldat wusste wie ihm geschah brach er tot zusammen.
„Das war knapp“, schnaufte Hiko.
Ein Soldat kam plötzlich hinter einer Ecke hervorgeschnellt und richtete sein Laser-Pike auf Keyomi, die den Rücken zu ihm gewand hatte.
„Keyomi!“; rief Domoe und eilte sofort auf sie zu.
Er warf sich auf sie und landete etwas unsanft auf dem Boden. Akame erledigte indes den Rest und bereitete dem Soldaten sein Ende.
„Alles in Ordnung?“, fragte Domoe Keyomi besorgt.
Keyomi nickte aufgeregt. Sie musste erst mal wieder runterkommen. Sie wäre beinahe getötet worden.
„Los kommt“, forderte Akame die Anderen auf und eilte weiter.
Domoe half Keyomi auf die Beine und sie stürmten Akame, zusammen mit Hiko hinterher.

Arkum stand noch immer vor dem Glasbehälter und absorbierte Kahis Kräfte. Kahi hatte die Augen zwar noch immer weit aufgerissen, aber sie hing nur noch kraftlos in den Ketten. Nur die Energie die Arkum ihr entzog trug noch dazu bei, dass sie nicht völlig in sich zusammenfiel. Schwarze Adern zeichneten sich an Arkums Hals ab und bahnten sich ihren Weg bis zu ihrem Gesicht hoch.
Kazuya sah sie wütend an. Sie durfte Kahi nicht töten, das durfte er nicht zulassen.
„Kahi“, hauchte er und bewegte sich langsam vorwärts.
Es kostete ihn große Anstrengung, doch er schaffte es sich zu bewegen. Er durfte nicht zulassen, dass sie seine Kahi tötete. Er musste sie beschützen. Die Liebe zu Kahi und seine enorme Wut brachen den Zauber immer mehr und Kazuya konnte sich Stück für Stück immer besser bewegen. Arkum nahm ihn nicht war. Sie bekam nichts mit, während die Energie auf sie überging. Kazuya sprang plötzlich auf sie zu und biss ihr in die Schulter.
„Ah!“, schrie Arkum auf und unterbrach die Energieübertragung.
Kahi sackte in sich zusammen und schloss die Augen. Arkum drehte sich erschrocken um und sah Kazuya fassungslos an.
„Wie ist das möglich?“
Kazuya knurrte sie an und sprang wieder auf sie zu. Arkum zog ihr Schwert und verletzte Kazuya. Blut platschte auf den Boden. Kazuya landete sanft auf seinen Pfoten und sah sie böse an.
„Du wirst mich nicht aufhalten. Nicht mal deine Liebe zu diesem Wesen vermag das zu tun“, fauchte Arkum, die ihr Schwert fest umklammert hielt.
Wieder preschte Kazuya vor und fiel sie an, doch auch diesmal verletzte sie ihn mit ihrem Schwert. Angeschlagen stand Kazuya da und sah sie an. Arkum legte ihre Hand an den Hals und betrachtete dann ihre blutverschmierte Hand. Kazuya fokussierte sie nur wütend. Klirrend ließ Arkum das Schwert auf den Boden fallen und sah Kazuya mit starrem Blick an.
„Nein“; hauchte sie und sackte leicht zusammen.
Sie wurde jedoch von starken Armen aufgefangen. Erstaunt und zugleich dankbar sah sie in Kasuns Gesicht. Er hielt sie in den Armen und sah sie mit seinem einen, rot funkelnden Auge an.
„Ich hatte es doch fast geschafft“, hauchte sie jammernd.
„Schhh“, legte Kasun den Finger auf seine Lippen.
Arkum verzog weinerlich das Gesicht und zitterte.
„Hilf mir“, hauchte sie gebrochen.
Kasun griff ihr kräftig in die Haare und zog daran. Arkum sah ihn ängstlich an und schluchzte unhörbar.
„Du hast Melodie getötet“, hauchte er gefühlskalt. „Und dafür wirst du bezahlen.“
Arkum riss die Augen weit auf und stöhnte auf. Kasun umklammerte den Dolch den er ihr ins Herz gerammt hatte und sah sie befriedigt an, als ihr Kopf in den Nacken fiel und sie tot in seinen Armen lag.
Ohne ein Wort zu sagen stand er auf und ging. Er warf Kazuya einen seltsamen Blick zu und verschwand dann auf dem Flur.
Kazuya sah ihm kurz nach, dann eilte er zu Kahi. Er drückte auf einen kleinen, silbernen Knopf um die Handschellen zu lösen. Kahi landete etwas unsanft auf dem Boden, doch Kazuya hob sie sofort an.
„Meine Kahi“, hauchte er flehend das sie die Augen öffnete.
Langsam schlug sie die Augen auf und sah Kazuya mit einem sanften Lächeln an.
„Ich wüsste, dass du kommen würdest“, sagte sie leise.
Kazuya nickte und schob seine Arme unter sie um sie anzuheben. Er lief auf Callery zu um ihre Handschellen zu öffnen.
„Danke“, entgegnete sie etwas irritiert.
Als Kazuya sich zur Tür drehte entdeckte er Domoe, Keyomi, Akame und Hiko die gerade in den Saal gestürmt kamen.
„Kazuya“, rief Keyomi und stürmte auf ihn zu.
Sie blieb vor ihm stehen und sah ihn und Kahi erleichtert an. Sofort legte sie die Hand an seine blutende Stirn und warf ihm einen besorgten Blick zu. Kazuya nickte nur erleichtert. Es ging ihnen allen gut.
„Wir sollten hier lieber verschwinden“, schlug Akame vor.
Kazuya nickte und die Fünf eilten sofort aus dem Schloss.
Harbin kam nun auch in den Saal. Sein Blick fiel sofort auf Callery die nun endlich von dem Stuhl aufgestanden war um ebenfalls zu verschwinden. Überrascht, ratlos und verwirrt sah sie zu Harbin. Was tat er hier? Wieso war er hergekommen?
„Callery“, stürmte Harbin erleichtert auf sie zu und ergriff ihre Hand. „Ich hab überall nach dir gesucht.“
„Du hast nach mir gesucht?“, wunderte sie sich mit einem lächeln.
Das war wirklich süß von ihm. Dass er nach ihr gesucht hatte machte sie glücklich.
„Natürlich hab ich das“, entgegnete Harbin. „Du bist spurlos verschwunden. Da musste ich einfach nach dir suchen. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht. – Ich hätte nicht gewusst was ich tun sollte, wenn ich dich nicht gefunden hätte.“
Callery sah ihn mit großen Augen an. Wollte er damit sagen, dass er sie liebte? Vermutlich wollte er das. Es war ja nichts Neues für sie. Dennoch ging Callery nicht darauf ein. Sie schlang nur erleichtert ihre Arme um Harbin und vergrub ihre Nase in seinem Mantel.
„Es wird alles wieder gut“; beruhigte Harbin sie und nahm sie in den Arm. „Wir fahren zurück nach Dark City oder irgendwo anders hin.“
Callery entgegnete nichts. Harbin legte jetzt seinen Arm um sie um mit ihr das Schloss zu verlassen.
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Cheza Re: Super story - Danke für deinen Kommentar. Freut mich das dir die Story gefällt. Ich schreibe schon fleißig an den nächsten Kapiteln. Aber ein bisschen wird's noch dauern. :)

Lg Cheza
Vor langer Zeit - Antworten
Nera200 Super story - der stil ist gut
ich finde die story genial
ist mein favo
freu mich mehr von dir zu lesen =)
Vor langer Zeit - Antworten
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