Der Spiegel zur Liebe
Ich sah in ihre Augen und sie spiegelten wieder, wie ich noch tiefer in ihre Augen sah, als je zuvor. Dort in diesem schwarzen Ring konnte ich sehen, was sie verschwieg. Ihre innigsten Geheimnisse. Diese, die sie noch nie mit jemandem geteilt hatte, konnte ich nun sehen. Es waren ihr grausame Dinge geschehen. Sie sah zu wie ihr Vater ihre Mutter schlug und das nur, weil ihre Mutter sie beschützen wollte. Sie war doch erst vier und hatte nur das Glas fallen lassen. Wieso wollte ihr Vater ihr nun weh tun? Weiterhin erlebte sie, wie ihr Hund beim Spielen überfahren wurde als sie sechs war. So kam sie früh mit dem Tod in Berührung. Danach war sie oft für sich alleine, weil ihre Eltern sich noch in diesem Jahr trennten. Sie lebte bei ihrem Vater, der sie schlug, da ihre Mutter Alkoholabhängig war und ihr das Sorgerecht entzogen wurde. Als sie zehn war, kam das Jugendamt dahinter, dass ihr Vater sie schlug und sie kam ins Heim. Wieder allein. Unter anderen Kindern, dehnen ähnliches geschehen war. Doch immer noch allein. Sie entdeckte das Internet für sich. Dort fand sie die Menschen, die sie verstanden und ihr das Gefühl gaben geliebt zu werden. Aber auch Methoden, die sie die Dinge vergessen ließen. Ritzen. Als ihre Internetfreunde sie nun auch verließen, fing sie an sich einzuschließen und ihre Unterarme zu bearbeiten. Es war unmöglich sie zu erreichen. Bis zu diesem Punkt. Wo ich nun endlich in ihre Augen sah und wusste was ihr zugestoßen war. Nachdem ich all dies gesehen hatte, verstand ich sie. Denn mir ging es ähnlich. Nicht so schlimm. Aber doch ähnlich. Ich schloss meine Augen. Kam ihr näher. Und ich küsste sie auf die vollen Lippen, die sie hatte. In diesem Moment war alles, ihr Leben und mein Leben, vergessen. Alles was wir erlebt hatten, war weg. Es ging nur um diesen Augenblick. Dieser Kuss sollte nie enden. Es waren nur wenige Sekunden vergangen, aber es kam mir vor wie die Zeit eines ganzen Lebens. Doch dann hörte sie auf mich zu küssen und ging einen Schritt von mir weg. Sie sagte es tut ihr leid, aber sie könne nicht bleiben. Sie könnte mir nicht die Liebe geben, die ich verdient hätte. Und sie ging. Doch diesen Kuss konnte mir nie wieder jemand nehmen. Dieses Gefühl. Es war unglaublich. Und ich entschloss mich dafür zu kämpfen diesen Moment immer wieder zu erleben. Ich lief ihr nach. Als ich sie einholte, griff ich ihren Arm, drückte sie an mich und küsste sie. Es fing an zu regnen. Nun standen wir alleine im Regen. Aber es war uns egal ob wir nass wurden. Es war dieser Augenblick, den ich mir immer gewünscht hatte.