Ich wachte auf. Es war ein Morgen wie jeder andere. Ich stand auf und es war wohlig warm. Ich öffnete das Fenster und roch an der frischen Sommerluft. Draußen sah ich, dass meine Eltern mit meiner kleinen Schwester schon beim Bäcker waren. Ich zog mich an und ging die Treppen hinunter. Der Geruch von warmen, frischen Brötchen zog mir in die Nase. Als ich unten ankam, saßen meine kleine Schwester und mein Vater schon am Tisch. Meine Mutter bereitete den Aufschnitt vor, wie sie es immer tat. Ein großer Teller mit allem was man sich zum Frühstück wünschen kann. Ich setzte mich hin, wir wünschten uns einen Guten Appetit und fingen an zu essen. Ich sah auf die Uhr. Halb 8. Ich packte meine Sachen, gab meinen Eltern und meiner kleinen Schwester einen Abschiedskuss und ging aus der Haustür. Dort erwarteten mich bereits meine besten Freunde. Wir begrüßten uns und liefen los. Wir unterhielten uns den ganzen Weg über Themen, die uns Jugendliche ja so interessieren. Um kurz vor 8 kamen wir an der Schule an, trafen noch einige unserer Freunde und gingen hinein. Es klingelte. Der Lehrer kam rein. Er war wie immer gut gelaunt und lies uns das spüren, indem wir den Unterricht sehr locker gestalteten. Die 6 Stunden gingen so schnell vorbei, dass es mir nur wie Minuten vor kam. Wieder klingelte es und wir konnten gehen. Nicht einmal Hausaufgaben hatten wir aufbekommen. Ich war dann nur kurz zuhause um meine Sachen abzulegen und zog dann mit meinen Freunden umher. Am Abend gingen wir dann ins Kino. Denn es war Freitag und ein neuer Film war angelaufen, der aber erst spät abends lief. Als wir aus dem Film raus kamen, war es schon tiefste Nacht. Und so liefen wir los. Irgendwann trennten sich unsere Wege und wir verabschiedeten uns. Ein wenig später kam ich an einem dunklen Wald vorbei, der mir aber nicht unheimlich erschien. Das war er noch nie gewesen. Es war alles so toll gelaufen. Wie immer. Jeder Tag war ein Geschenk. Ich dachte an nichts Böses, als ich plötzlich starke Schmerzen an meiner rechten Schläfe fühlte. Nie zuvor hatte ich so einen Schmerz gespürt. Ich fiel auf einen harten, unnachgiebigen Boden. Das letzte was ich sah, bevor es schwarz wurde, waren ein paar Schuhe die vor meinem Gesicht standen und eine kaputte, rosarote Brille. Als ich die Augen wieder öffnete war es tiefster Winter und ich lag frierend im Schnee. Es war aber kein schöner, weißer Schnee wie ich ihn kannte, sondern ein grauer Klumpen von Etwas, das einmal Schnee gewesen sein könnte. Ich stand auf und lief so schnell ich konnte nach Hause. Aber dort wo unser wundervolles Haus stand, war nur eine Baracke. Es waren Löcher im Dach. Die Fenster waren eingeschmissen worden und die Tür stand weit offen. Als ich hinein ging fand ich dort meinen Vater. Ich fragte ihn nach meiner Schwester und meiner Mutter und was überhaupt mit unserem Haus geschehen sei. Er drehte sich mit einer schnellen Bewegung um und schlug mir fest ins Gesicht, dass ich das Gleichgewicht verlor und über etwas stolperte. Mein Vater schrie mich an, das hatte er sonst nie getan. Er meinte, ich wüsste doch ganz genau, dass meine Mutter uns verlassen hätte als meine Schwester starb. Und ich war schockiert. Nein, schlimmer. So schlimm, dass ich gar kein Ausdruck dafür fand. Was war mit dem Leben geschehen, das doch vorhin noch da war? Vor diesem Schmerz. Mein Vater packte mich am Arm und zog mich in einen Raum. Es war wohl mein Zimmer. Aber es sah so anders aus. Es lag eine Matratze auf dem Boden. Und sonst. Sonst war dort nichts. Er schloss mich ein. Ich war viel zu verwirrt um dort raus zu wollen. Ich wollte einfach nur noch schlafen. Und das tat ich. Am nächsten Morgen flog mir ein Eimer mit Wasser ins Gesicht. So unsanft war ich noch nie geweckt worden. Mein Vater schickte mich mit einer Ohrfeige zur Schule. Und ich ging. Als ich hinaus ging, wartete niemand auf mich, wie sonst immer. Als ich in der Schule eintraf, ignorierten mich meine Freunde. Es klingelte. Mein Lehrer kam ins Klassenzimmer und warf seine Tasche mit voller Wucht gegen das Gesicht eines Schülers, der noch redete. Stille. Unser Lehrer war doch immer so gut gelaunt gewesen. Was war nur passiert? Ich dachte über den gestrigen Abend nach. Und es fiel mir ein. Nach der Schule, in der mir die 6 Stunden wie Wochen vorkamen, lief ich sofort zu dem dunklen Wald, wo ich diesen Schmerz spürte. Und dort lag sie in diesem grauen Schnee vergraben. Die rosarote Brille, durch die ich die Welt sah, die ich sehen wollte. Und nichts anderes.