Romane & Erzählungen
Melwalor - Die Zeit der Reisen

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"Melwalor - Die Zeit der Reisen"
Veröffentlicht am 17. September 2010, 112 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Melwalor - Die Zeit der Reisen

Melwalor - Die Zeit der Reisen

Beschreibung

Eine Geschichte über eine zauberhafte Welt - Melwalor, die in grosser Gefahr schwebt. Die ersten vier Kapitel, über Feedback freu ich mich immer!!

Vorwort

Ein Buch zu schreiben, davon träumt wohl jeder Zweite, der dir auf der Strasse begegnet.

Hobbyautoren sind öfter unterwegs als man glaubt. Mir liegt das Schreiben

ziemlich sicher im Blut, noch bevor ich Internet kannte und bevor ich Multiplizieren

beherrschte, habe ich meine ersten Kurzgeschichten geschrieben. Ich war dabei

keineswegs ein Wunderkind, sondern ein Kind mit einer grossen Fantasie. Das

Glück, die Geschichten aus dem Kindergedächtnis niederzuschreiben zukönnen,

hat dagegen nicht jeder und darum bin ich sehr froh. Heute bleibt mir ein verschämtes

Lächeln, wenn ich meine ersten Gehversuche als Autorin betrachte, aber

wem geht es anders? Ich bin dankbar für alle, die jemals Anteil genommen haben

an meinen Geschichten und die mit mir eingetaucht sind in die Fantasiewelten, aus

denen meine Geschichten kommen. Fantasie ist nicht besser als Realität, aber sie

bereichert das Leben ungemein. Jeder, der meinen verworrenen Gedanken mit mir

ein Stück gefolgt ist, wird das wissen, genauso wie jeder der unzähligen Autoren auf

dieser Welt, von denen einige mehr, andere weniger kommerziellen Erfolg haben

durften, als Persönlichkeit aber bestimmt alle gewonnen haben. Wenn ich selber

ein Buch lese, lasse ich das Vorwort grundsätzlich aus. Vielleicht liest sich das hier

deshalb nicht nach einer geübten Vorwort-Schreiberin. Wenn es gute und schlechte

Leser/-innen gäbe, gehörte ich wohl zur zweiten Sorte. Trotzdem lese ich gern, genauso

gern wie ich auch schreibe.

Inzwischen sind meine Figuren mir immer näher gekommen und die Abenteuer,

die ihnen in diesem Buch widerfahren, sind nur kleine Zeitfenster aus ihren

Leben, die ebenso erfüllt sind, wie deines und meines. Mich verwundert es selber,

aber diese Persönlichkeiten, die ihre Anfänge in einem einfachen Schulheft haben,

sind mir inzwischen ans Herz gewachsen. Wenn mir bei einer alltäglichen Tätigkeit

eine weitere Szene einfällt, frage ich mich heute, was dies wohl für Gefühle in Diesem

oder Jenem auslösen könnte. Manchmal bin ich sogar versucht, eine geniale

Handlung wieder fallenzulassen, weil die Folgen davon einen meiner Charaktere

verletzen könnte. Als Autorin bin ich Regisseurin meiner eigenen Welt und so sehe

ich Szenen in meinem Kopf häufig in einem Film ablaufen.

Melwalor ist eine Welt, entstanden aus Parallelen und Unterschieden zu unserer

eigenen Welt, in der wir zu wenig Ruhe finden können und in der Gemeinschaft

weniger geschätzt wird, als ich es mir wünschen würde. Es wäre leicht, eine perfekte

Welt zum Leben zu erwecken, doch zum schluss lebt die Welt durch ihre Bewohner.

Diese sind, ob es sich nun um Menschen, Kentauren oder Goldkatzen handelt, selten

perfekt. Und so entsteht eine Welt mit Ecken und Kanten, von der jeder für sich

selber entscheiden kann, ob er sie mag oder nicht. Meine Bitte an jeden Leser ist, es

zu wagen und sich entführen zu lassen. Beim Auftauchen aus Melwalor entscheidet

jeder für sich, ob ihn diese Welt verzaubern konnte, wie sie mich tut oder nicht.

Prolog

Die Natur gibt uns unsere Fähigkeiten,

das Schicksal die Möglichkeit,

sie auch anzuwenden.

Inelinja erzählt:

„Ich werde bald fortgehen meine Prinzessin!“, meinte Atnor auf einmal in die entstandene

Stille. Sofort war ich wieder hellwach. „Wann?“, fragte ich. Doch ich nahm

gar nicht wahr, welchen Tag er nannte, denn ich wusste nur eines: Er würde mich

verlassen. Mein Atnor musste fortgehen und würde mich zurücklassen. Tapfer

schluckte ich meine aufsteigende Traurigkeit und die Tränen wieder hinunter und

sagt erstmal nichts. Insgeheim schimpfte ich mit mir selber, da ich es ja hatte wissen

müssen, dass er nicht immer auf Palid bleiben konnte. „Was wird aus uns?“, fragte

ich leise und in meinen Augen schwammen trotzdem Tränen, als ich zu ihm aufschaute.

„Wirst du auf mich warten? Werde meine Frau Inelinja!“, murmelte er in

mein Haar. Erstaunt blickte ich ihn an. „Man wird es nicht gestatten Atnor!“. wandte

ich verzagt ein und eigentlich wollte ich nicht so hilflos klingen, denn es würde

Atnor den Abschied nicht erleichtern. Auch seine Augen blickten wieder nachdenklich

und gedankenverloren streichelte er meine Hand. „Ich kann ohne dich nicht

mehr leben Inelinja. Versprich mir, auf mich zu warten!“, drängte er mich mit einer

plötzlichen Heftigkeit. Ich nickte. „Es wird nie mehr einen anderen geben für mich

Atnor!“, versprach ich und begann jeden seiner Finger zu küssen. Wie lange er weg

war oder wie ich das meinen Eltern beibringen konnte, diese Fragen liess ich lieber

beiseite. Ab jetzt wollte ich jede Minute mit Atnor noch mehr geniessen und auskosten,

da ich wusste, dass unsere gemeinsamen Stunden gezählt waren.

Atnor erzählt:

Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, meine eigenen waren ausgefüllt von Inelinja

und ich fragte mich, ob wohl einer der anderen ebenfalls an eine Frau dachte.

Früher hatte ich es immer für eine Schwäche gehalten, wenn ein weibliches Wesen

den Geist eines Kriegers so ausfüllte, wie es gerade mit mir geschah und jetzt fragte

ich mich, ob es mich nicht vielleicht stärker machte, da ich endlich herausgefunden

hatte, dass das Leben doch ziemlich lebenswert war. Gerne hätte ich mit meinem

Ziehbruder Keykor darüber gesprochen, doch Keyk wartete irgendwo im Pal Ked

Gebirge mit meinem Volk auf meine Rückkehr. Bestimmt hatte er meine Botschaft

schon bekommen, in der ich ihm mitteilte, dass ich mit den anderen fünf aufbrechen

würde, um den Zauberbann von Melwalor abzuwenden. Es war schwierig

gewesen, überhaupt einen Boten in ganz Palida Menko zu finden, der bereit war,

eine Botschaft an die Pilgerkrieger abzuliefern, da jeder hier in Ehrfurcht oder nur

Furcht zu erstarren schien, wenn er nur schon das Wort hörte.

 

Kapitel 2

 

Glück ist das Einzige
was sich verdoppelt
wenn man es teilt.

Mit seinem Schwert klopfte Neninbio entschlossen an das massive Tor. Ihre Nerven waren zum Zerreissen gespannt, während die sieben Gefährten warteten. Sogar der gemütliche Kentaur Davil trat nervös von einem Huf auf den anderen. Dabei dauerte es nicht allzu lange und die kleine Luke in der Tür schwang auf. Der Pförtner von Palid streckte seinen alten Kopf vorsichtig heraus und fragte barsch nach dem Grund ihres hierseins. Diesmal trat wieder Neninbio vor, erklärte wer sie seien und bat um Einlass.

Nur ein Bruchteil der Panik, die sein Herz erfasst hatte, schwang in seiner Stimme mit, als Atnor aufgescheucht durch die Gemächer Prinzessin Inelinjas hastete und wieder und wieder deren Namen rief. Nie zuvor hatte er die Gemächer einer Frau betreten, doch weder dies bemerkte er, noch die stilvolle und luxuriöse Einrichtung. Ein einziger Gedanke beherrschte sein Gemüt: „Inelinja ist verschwunden!“. Erst nach einer Weile erwachte der König der Gilgulor aus seiner Lähmung. Ihm war, als stecke er mitten in seinem schlimmsten Albtraum. Es konnte einfach nicht wahr sein.

Langsam fiel der junge Mann vor dem Holzschrein, der in Form einer wunderschöne Goldkatze geschnitzt war, auf die Knie. Er, der er nicht an die Götter glaubte kniete einen Moment regungslos und verharrte in stummem Gebet. Die Hoffnung, dass jemand sein Flehen hören würde, war klein. Nach einer Weile erhob sich Atnor wieder und wandte sich einzelnen Gegenständen zu. Die Gemächer sahen aus, als wären sie erst verlassen worden, als würde die Prinzessin, die sie bewohnt hatte gerade aus dem Baderaum kommen und sich vor den Frisierspiegel setzen. Mit seinen schlanken Händen ergriff Atnor den Kamm und drehte ihn ein paar Mal in den Fingern, bevor er ihn wieder auf den Tisch legte. Er schalt sich selber einen verliebten Narren, als er sich einbildete, den frischen Geruch der blonden Haare seiner Inelinja riechen zu können. Nachdem der Gilgulor eine Weile im Zimmer mit dem grossen Himmelbett herumgetigert war, wollte er es wieder verlassen. Die Momente hier oben alleine hatten ihn seiner Inelinja näher gebracht und inzwischen begann der König zu befürchten, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte.

Während Atnor sofort durch die gesamte Schlossanlage in die Gemächer der Prinzessin gestürmt war, hatten die anderen sechs mit Freude und Erstaunen bemerkt, dass sich viele Bewohner von Palida Menko in die hinteren Gebäude von Palid hatten zurückziehen können. So waren sie dem Ansturm der Feo entkommen und hatten überlebt. Erleichtert registrierten dies die Gefährten. Zurus setzte sanft das Kind auf den Boden. Schnell stellte sich heraus, dass es zu keinem der Anwesenden gehörte. Während Neninbio anordnete, dass sich alle Ãœberlebenden im grossen Saal einfinden sollten, bemerkte Zurus bald, dass die Beine des Kindes nachzugeben drohten und er nahm es wieder auf den Arm. Suchend schaute er sich um, doch es schien nirgendwo Wasser oder ein ruhiges Plätzchen für das arme Geschöpf zu geben. Neben ihm meinte auf einmal jemand: „Gib es mir!“, und erstaunt erblickte Zurus Davil den Kentaur. Ihm erschien es ebenfalls als gute Lösung, und auch wenn er den warmen Kinderkörper nicht gerne weitergab, so setzte er trotzdem das kleine Geschöpf auf Davils breiten Rücken, wo sein Schützling fürs Erste in Sicherheit war. Als sie nebeneinander auf das Eingangstor zum Hauptgebäude gingen, trat ein junges Mädchen auf sie zu. Sie knickste tief und schaute unsicher erst auf Zurus, dann auf Davil. Ziemlich sicher hatte sie noch nie einen Kentaur gesehen, doch sie verbarg höflich ihre Neugierde und knickste noch einmal. „Ich bin Harja, die Zofe der Prinzessin Inelinja mein Herr!“, brachte sie nervös hervor und Zurus nickte ihr freundlich zu. Er bemerkte, dass er bisher noch kein Mitglied der Königsfamilie gesehen hatte. Doch noch bevor er eine Frage stellen konnte, redete das Mädchen weiter. Sie schien sehr aufgeregt, was nach dem vorangegangenen Angriff auch verständlich war, denn sie vergass jegliches Protokoll, das ihr verbot, solch hohe Herren anzusprechen. Zurus lächelte nachsichtig und hoffte, von ihr mehr zu erfahren. „Wir haben uns in den hinteren Teil des Schlosses zurückgezogen. Dorthin kamen sie nicht. Aber Prinzessin Inelinja ist bereits seit drei Tagen unauffindbar. Sie ist verschwunden.“. Das Mädchen begann bitterlich zu weinen. „Es ist alles meine Schuld, ich habe nicht richtig Acht gegeben!“, schluchzte sie. Beruhigend legte Zurus ihr die Hand auf die Schulter. „Psst… Erzähl weiter!“, forderte er sie auf und gab ihr damit zu verstehen, dass nun alles Gut werden würde, auch wenn er selber momentan noch keine Ahnung hatte wie. „Der König und die Königin…“, Harjas Stimme klang erstickt. Beunruhigt fasste Zurus sie am Arm und Davil forderte: „Sprich schnell!“. Zum ersten Mal erlebte Zurus, dass er seine gemütliche Art ablegte. „Sie sind hinausgegangen in die umkämpfte Stadt. Sie wollten ihren Leuten Kraft geben und ihnen beistehen.“, stammelte Harja unter Tränen. „Verflucht!“, stiess Zurus  hervor und wies gleichzeitig Davil an, sich um das Kind und die Zofe zu kümmern. Im selben Atemzug stürmte der Königssohn aus Samet Mui schon über den Schlosshof, laut nach seinen anderen Gefährten rufend. Ein älterer Mann wies ihn nach einigem Fragen in den grossen Saal. Dort hatten sich schon viele Leute eingefunden, durch die sich Zurus einen Weg bahnen musste. Endlich Neninbio und Haran gegenüberstehend brachte er nach Atem ringend seine Neuigkeiten vor. Neninbio blieb erstaunlich ruhig und wies Zurus an, gemeinsam mit Terwenso in der Stadt nach dem Herrscherpaar zu suchen. Insgeheim hegte er Zweifel am Ãœberleben der beiden Menschen, die er als gütig und freundlich in Erinnerung hatte. Der Ritter schlug vor, dass Zurus als Begleitung noch einige der Männer, die auf der Burg Schutz gesucht hatten, mitnahm. Haran und Ordwenso sollten in der grossen Halle bleiben, während Neninbio sich persönlich auf die Suche nach Atnor machen wollte, da dessen Anwesenheit dringend benötigt wurde und es kaum Sinn machte, weiter im Schloss nach Prinzessin Inelinja zu suchen. Neninbio hoffte sehr für seinen Freund, dass die Prinzessin frühzeitig hatte in Sicherheit gebracht werden können, doch was er über sie wusste liess ihn daran zweifeln, dass sie geflohen war. Trotz der Hektik, die um ihn herum herrschte, schaffte es Neninbio einen Moment zu lächeln, als er sich erinnerte, wie wenig er von Atnor gehalten hatte, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Dieser war keineswegs bloss ein dahergelaufener Lump, wie der Ritter arrogant angenommen hatte. Ein wenig schämte sich Neninbio vor sich selber, wenn er daran dachte wie schnell er den Gilgulor verurteilt hatte. Inzwischen war er froh um die Gesellschaft des ruhigen und erfahrenen Mannes. So froh, dass er gemeinsam mit ihm um seine Geliebte bangte und es akzeptierte, dass Atnor jeglicher Art von Religion ablehnend gegenüber stand. Während Neninbio die Halle durch einen Seiteneingang verliess und hoffte, den Weg zu den Gemächern der Prinzessin zu finden, erinnerte er sich wehmütig aber belustigt an ein Gespräch, das er mit Atnor geführt hatte, als sie sich noch kaum kannten und beide nicht sonderlich gerne mochten. 

„Zeigen dir die Götter den Weg, den du zu beschreiten hast?“, erkundigte sich der König Gilgulondians spöttisch bei ihm, doch seine Mine verriet keinen Ärger, keine Ungeduld. „Nein Atnor, auch meine Götter zeichnen keine Karten, sie sind nicht das was vor mir liegt, sondern sie verhindern dass ich rückwärts falle.“, erklärte Neninbio „Und schenken sie dir Liebe? Oder schenken sie dir Heimat, wenn diese dir verloren gegangen ist?“, der stolze Atnor konnte einfach nicht glauben dass ein Krieger wie Neninbio es war, sich auf etwas Unsichtbares so stark verliess. „Ja, denn sie sind stets bei mir und ich brauche sie nicht zu suchen. Meine Götter sind überall und das ist es, was mir im Kampfe eine sichere Hand schenkt.“. „ Wie viele Gefährten und gute Freunde hast du schon im Kampf verloren, Neninbio?“, wollte der Gilgulor provokativ wissen. „Jeder der gefallen ist war einer zuviel!“. „Und waren sie denn weniger gläubig als du? Oder haben sie ein Gebet vergessen?“, nun musste er wohl einsehen, dass seine dünnen, veralteten Theorien nicht hinhielten, dass nicht seine unsichtbaren Götter das waren wofür es sich zu sterben lohnet. Was war schon sein Ritterorden, wenn er zu Ehren eines Wesens bestand, das vielleicht nicht einmal existierte? Wofür kämpfte Neninbio dann, wenn dieser Gott nur ein Hirngespinst eines Priesters war? „Du irrst!“, drängte sich sein blonder Gesprächspartner erneut in Atnors Gedanken. „Wir alle sterben für dieselbe Sache, nur weißt du das heute noch nicht! Ich hoffe, dass auch du eines Tages einen mächtigeren Grund hast zu glauben als nur deine eigenen Prinzipien und Träume.“, meinte er, bevor er ihm den Rücken zukehrte und die Stufen vom Turm hinunter stieg.

So war das also. Es würde nicht leicht werden für sie alle, besonders da dieser blonde Götterkrieger schon jetzt deutlich zum Ausdruck brachte dass nur Glaube die wahre Macht war. Was halfen ihm alle seine Götter um eine Schlacht zu gewinnen, sein Königreich zu finden oder für immer mit der Frau seines Herzens vereint zu sein? Ob es diese überhaupt gabt, das wusste ich nicht. Doch Atnor war sich sicher, dass er zu denjenigen gehörten, die zwar zur Geburt ein Schwert erhalten hatten, sonst jedoch für nichts zu kämpfen brauchte als für seine Ehre und für seine Götter. Ihm tat es leid um Neninbio, doch seinen abwertenden Blick und seine belehrenden Worte zeigen ihm deutlich, wie wenig Wert er als Heimatloser in seinen Augen habe. Er war doch nur ein König ohne Königreich und ohne Götter.

Atnor hatte inzwischen das Tagebuch seiner geliebten Inelinja gefunden. Als er gerade den Raum hatte verlassen wollen, hatte er es neben ihrem Bett liegen sehen. Er hatte keineswegs vorgehabt darin zu lesen und somit in die Privatsphäre seiner Inelinja einzudringen, doch hatte ihn das Buch wie magisch angezogen und er redete sich ein, vielleicht darin einen Hinweis auf die Geschehnisse der letzten Tage zu finden. Atnors Herz klopfte, als er das schön gebundene Buch öffnete und Inelinjas zierliche Handschrift erblickte. Schon auf der letzten Seite erkannte er am Datum, dass der letzte Eintrag zu weit weg war, als dass er eine nützliche Information enthalten würde. Atnor musste sich auch eingestehen, dass es unwahrscheinlich war, in Kriegszeiten noch Zeit und Muse zu finden um in ein Tagebuch zu schreiben. Trotzdem konnte er das Buch nicht einfach weglegen, vorallem da ihm der gruslige Gedanken kam, das Tagebuch einer Toten in der Hand zu halten. Der König von Gilgulondian beschloss, es zu bewahren so lange er lebte, oder bis er Inelinja wiedertraf. Keineswegs wollte er die Hoffnung aufgeben, denn tief in seinem Innern wusste er, dass er es gefühlt hätte, wenn seine Inelinja tot wäre. 

Atnor wusste dass er eigentlich nun die Räume der Prinzessin verlassen sollte und sich zu seinen Gefährten gesellen. Durch ein Fenster erblickte er tief unter sich das aufgeregte Treiben im Schlosshof. Doch das Buch das er in der Hand hielt lockte zu sehr und so schlug er es noch einmal auf. Das Gefühl des Verbotenen verging nicht, doch Atnor wusste, dass Inelinja ihn verstehen würde. Gerade wollte er auf der aufgeschlagenen Seite zu lesen beginnen, als er hinter sich Schritte hörte. Schnell schlug er das Buch zu, versteckte es in seinem Umhang und drehte sich betont gelassen um. Hinter ihm stand Neninbio und dieser las trotzdem die grosse Besorgnis in Atnors Zügen. „Sie ist seit drei Tagen verschwunden!“, klärte er seinen Freund ohne Zögern auf. „Seit drei Tagen?“, fragte Atnor erstaunt und auf einmal keimte in ihm wieder neue Hoffnung auf. Wenn Inelinja bereits vor drei Tagen verschwunden war, war sie dem sinnlosen Gemetzel in Palida Menko entkommen. War sie geflohen? Oder - hatte man sie entführt? „Ich muss sie finden! Sie kann dort draussen kaum alleine überleben. Vielleicht haben die Feo sie gefunden und werden sie den Schaduw ausliefern! Oder jemand hat sie entführt?“. In Atnors Kopf bildeten sich die grässlichsten Unglücksbilder und verzweifelt schaute er Neninbio an. „Komm bitte mit mir. Auch das Königspaar ist verschwunden!“ Beunruhigt eilte Atnor hinter seinem Gefährten in die grosse Halle. 

Die Beratung, an der alle Überlebenden teilnahmen, dauerte nicht lange und wurde unterbrochen, als Terwneso mit einigen Männern hereinplatzte. Er eilte in den vorderen Teil der Halle, wo Neninbio, Haran, Ordwenso, Atnor und Davil sich aufhielten. Das Kind hatte Davil inzwischen an Harja übergeben, die versprochen hatte, sich um das Geschöpf zu kümmern und es zu waschen und füttern. Terwenso flüsterte ihnen etwas zu, worauf sich Neninbio erhob und verkündete, dass die Beratung beendet sei. Die Gefährten, die stillschweigend das Kommando über die Stadt übernommen hatten, liessen Wachen aufstellen und nach weiteren Überlebenden in der Stadt suchen. Haran, Ordwenso und Davil blieben in der grossen Halle als Ansprechpersonen für die Bevölkerung, während Atnor und Neninbio Terwenso folgten. 

Vor der Stadt führte Terwenso sie zu einigen Bäume, die gruppenweise den Weg nach Palida Menko säumten. Zwischen diesen Bäumen wartete dann auch Zurus mit den anderen Männern auf sie. Die neu Angekommenen traten in den Kreis und jedem von ihnen stockte das Herz. Die Feo hatten das Königspaar gefunden. „Sie hingen dort am Baum“, erzählte Zurus ensetzt. Die Männer, die ihn und Terwenso auf der Suche begleitet hatten, standen stumm daneben. Die Königin und ihr Gemahl waren mit denselben Ringen der Feo getötet worden wie alle anderen Opfer zuvor auch, doch zusätzlich hatte man ihnen die Ringe angelassen und sie damit an die Bäume gehängt. Wären die sieben Gefährten nicht durch einen Seiteneingang in die Stadt gelangt, hätten sie die beiden Leichen schon früher erblickt. Ein besonders schönes Willkommensbild für Besucher war dies gewiss nicht. Atnor schloss schmerzerfüllt die Augen. Dies waren die Eltern der Frau, die er liebte, diejenigen, die ihr das Leben geschenkt hatten. Auf einmal fiel ihm siedend heiss ein, dass Inelinja nun Königin von Nenwen war. Und mit diesem Gedanken kam ihm auch wieder in den Sinn, dass niemand wusste, wo sich die Prinzessin aufhielt. Plötzlich bemerkte der Gilgulor, dass die Augen aller auf ihn gerichtet waren. „Wir sollten sie in die Stadt schaffen lassen“, flüsterte ihm Neninbio zu. Wie ferngesteuert nickte Atnor und er wusste nicht woher die Kraft in seiner Stimme kam, als er Neninbios Vorschlag laut wiederholte. Die Männer aus der Stadt schulterten die adeligen Leichen und trugen sie davon. Am Ende des traurigen Zuges ging Atnor mit gebeugten Schultern. Neninbio ging langsamer, bis er neben dem König der Gilgulor dahinschritt. Er legte Atnor den Arm um die Schultern und ohne etwas zu sagen wussten sie beide, dass sie sich auf einander verlassen konnten. Stumm kehrten sie in den Schlosshof zurück und beschlossen dann gemeinsam mit Ordwenso und Davil, die beiden Toten in der Schlosskapelle aufbahren zu lassen. Schnell waren einige Priester zur Stelle, welche froh waren, eine Aufgabe zu erhalten. Haran war inzwischen selber in die Stadt zurückgekehrt, um dort nach dem Rechten zu sehen. Am liebsten hätte sich Atnor nun wieder in die Gemächer Inelinjas zurückgezogen. Er wollte alleine sein und nachdenken, doch er wusste, dass er gerade jetzt seinen Gefährten beistehen musste. Lange dauerte es nicht und er begann sich erneut suchend nach Neninbio umzusehen. Die Leute von Palida Menko schienen Atnor und den Ritter als Hauptansprechpartner gewählt zu haben, was es sehr schwer machte, zu Neninbio durchzukommen. „Wir müssen Inelinja suchen. Sie ist jetzt die neue Königin.“, begann der Gilgulor als Neninbio bereits nickte. „Such dir frische Pferde, nimm einen von uns und einige Männer von hier mit. Wenn du sie in vier Tagen nicht gefunden hast, kehre hierher zurück!“, schlug der Ritter vor, bevor schon wieder ein Ãœberlebender in den Schlosshof gebracht wurde und Neninbio seine Helfer anwies, den stark verwundeten Mann in den grossen Saal zu bringen. Die Halle war inzwischen zu einem notdürftigen Lazarett umgebaut worden und alle Kammerdiener waren als Pfleger eingesprungen. Bevor Atnor sein Gespräch mit Neninbio fortsetzen konnte, kam auch bereits Zurus und erkundigte sich nach Harja und dem Kind. Anscheinend schien er den Knirps ins Herz geschlossen zu haben und sich ernsthaft um das Geschöpf zu sorgen. Weder Atnor noch Neninbio wussten, wohin die Zofe das Kind gebracht hatte, nahmen aber an, dass es ebenfalls in der grossen Halle untergebracht worden war. „Vier Tage reichen nicht!“, richtete Atnor endlich wieder das Wort an seinen Freund. „Sie hat drei Tage Vorsprung!“, fügte er an. Neninbio nickte. „Eine Woche. Atnor, du darfst dein Leben nicht aufs Spiel setzen. Es wartet noch eine Aufgabe auf dich!“. Neninbios Worte klangen eindringlich aber ehrlich in Atnors Ohren. Während er über den Schlosshof ging, schaute er sich suchend um, während er sich überlegte, wen er als Begleiter wählen sollte. Wie er sich eingestehen musste, wäre ihm Neninbio am Liebsten gewesen, doch dieser hatte hier die Verantwortung übernommen und würde wohl er beste Vertreter Inelinjas sein, bis Atnor hoffentlich mit der Königin zurückkehren würde. Was wäre, wenn sie Inelinja nicht finden würden, wusste Atnor nicht, doch er erlaube sich keine solcen Gedanken. Ordwenso tröstete gerade eine ältere Frau. Eignete er sich für diese Aufgabe?

 

Kapitel 4

 

Feuer kann immer wiederbelebt werden, 

solange noch Glut da ist.

Nicht einmal geahnt hatte er, dass ihm das Tanzen soviel Spass bereiten würde. Bisher hatte er bei den Festen lieber gegessen und gelacht oder bei Gelegenheit gesungen. Dass er gar keine zwei linke Füsse besass, verwunderte Terwenso über alle Masse. Die Rhythmen, die einige ältere Frauen im Hintergrund des Saals spielten, rissen seinen ganzen Körper mit. Inzwischen war dieser Raum, den der Wüstenprinz noch von dem prunkvollen Gelage am Vorabend des grossen Rates in Erinnerung hatte, als Notlager für die vielen heimatlos gewordenen Flüchtlinge eingerichtet worden. Entsprechend einiges unkonventioneller ging nun das Fest ab, das Neninbio zum Empfang der Krieger aus Emur Muid ausrichten liess. Zuerst war es eine ältere Dame gewesen, die sich für den Abend herausgeputzt hatte, die ihn mit einem kecken Augenaufschlag zum Tanz forderte. Nachdem er dann einen kleinen Jungen durch die Luft geschwungen hatte, war er im Arm einer üppigen jungen Dame mit roten Locken gelandet. In der Festfreude kümmerte es den Prinzen wenig, dass bald darauf ihr Ehemann seine Rechte auf die Frau wieder einforderte. Eine Magd, deren schlichtem Kleid man ansehen konnte, dass es ihr bestes war, nahm den Platz der Rothaarige in seinen Armen ein. Ihre Füsse waren mindestens ebenso flink wie die ihrer Vorgängerin und auch als sie sich anschliessend niedersetzten um Beerenmet zu trinken, wusste ihn das Mädchen gut zu unterhalten. Es schmeichelte Terwenso, dass sie seine Abenteuer bewunderte, doch nicht wie sein Bruder es jetzt getan hätte, liess er sich keineswegs zu überschwänglichen Erzählungen hinreissen. Merina hiess die Magd und sie war im Dienst in der königlichen Küche von Palid. Während Terwenso Merina Tänze aus seiner Heimat beibrachte, betraten Neninbio und Iumeyio nacheinander die Terrasse, die vom Mond beschienen wurde. Dem Ritter war es keineswegs zum Feiern zumute, doch die Bräuche schrieben vor, dass nicht um ein verstorbener König oder eine verstorbene Königin getrauert werden durfte, wenn dies nicht von einem anerkannten Nachfolger oder einer anerkannten Nachfolgerin angeordnet wurde.  Doch erfüllte es Neninbio mit Erleichterung, dass Iumeyio mit einigen fähigen Männern gekommen war. Er wusste nämlich auch, dass er und seine Gefährten nicht ewig in Palida Menko verweilen konnten und er hoffte, Iumeyio könnte der neuen Königin, falls Inelinja noch am Leben war, beim Wiederaufbau ihres Reiches helfen. Doch am meisten freute sich Neninbio darüber, dass mit Iumeyio gleichzeitig der Bruder seiner geliebten Prinzessin Merie gekommen war. „Man hört wohl nicht viel Gutes über mich?“, drang Iumeyios Stimme in Neninbios Gedanken. Der Ritter fragte sich, wie wohl die Stimme seiner Schwester klingen würde. „Du verhältst dich nicht wie ein Thronfolger, sagt man!“, sprach Neninbio ehrlich und offen die allgemeine Meinung über den Sohn von König Tursio aus. Dieser blickte auch nicht sonderlich verwundert und es schien ihn kaum zu erzürnen. Nach einem knappen Nicken herrschte Schweigen, bis Neninbio leise das Gespräch wieder aufnahm. „Willst du mir nicht erzählen, was es damit auf sich hat?“, forderte er den jungen Krieger auf. Dieser seufzte und lehnte mit dem Rücken an das zierliche Geländer, das die Terrasse einzäumte. Ãœber dieses Geländer winkte an den Festtagen die versammelte königliche Familie dem Volk von Nenwen zu. Doch jetzt hätten die beiden jungen Männer nur den Sternen zuwinken können. Neninbio beunruhigte die Stille, da er in jeder Minute mit einem neuerlichen Angriff der Feo rechnete, da er wusste, dass die Schaduw sich nicht zufriedengaben, die Stadt verwüstet zu haben. „Ich möchte nicht als Rebell oder Aufwiegler gegen meinen eigenen Vater dastehen.“, Iumeyio zögerte und ihm schien die Erklärung ziemliche Mühe zu bereiten. Um sie ihm zu erleichtern, legte Neninbio mit leichtem Druck seine Hand auf die Schulter des Prinzen aus Emur Muid. Durch seine unendlich grosse Liebe zu Prinzessin Merie fühlt er sich automatisch auch deren Bruder sehr verbunden und konnte einfach nicht glauben, was man sich über ihn erzählte. Der Mann mit den ernsthaften Augen, die so sehr Meries glichen, konnte sich Neninbio kaum als Spieler und verantwortungsloser Halunke vorstellen. „Meinem Vater König Tursio fällt es schwer, Verantwortung und damit auch Macht weiterzugeben. Und bei seinem Sohn scheint es für ihn ein Ding der Unmöglichkeit zu sein!“, sprudelte Iumeyio plötzlich los und seine Stimme klang viel zu bitter für seine jungen Jahre. „Merie und ich waren ihm nie gut genug und so musste ich mich damit begnügen, herumzusitzen und etwas zu lernen. Dabei möchte ich etwas für mein Land heute tun und nicht nur seine Geschichte auswendig lernen!“, erzählte er. Verständnisvoll nickte Neninbio und sah plötzlich all die Geschichten über den Prinzen in einem ganz anderen Licht. Beim grossen Rat hatte er König Tursio kennengelernt und in ihm einen gerechten und sehr strengen Herrscher gesehen. Dass er diese Gerechtigkeit seinem eigenen Sohn vorenthielt, wunderte den Ritter, doch er zögerte keine Sekunde Iumeyio Glaube zu schenken. Erst nach einer weile lenkte Neninbio das Gespräch auf das, was er schon lange zu erfahren suchte. „Wie geht es deiner Schwester?“, fragte er beiläufig und versuchte, nicht zu interessiert zu klingen. Iumeyio lächelte ihn offen und freundlich an. „Sie vermisst dich sehr, doch ansonsten erfreut sie sich bester Gesundheit.“, erzählte er bereitwillig und übersah grosszügig, wie Neninbios Gesicht sich rot färbte. Der Ritter hatte nicht erwartet, dass der Prinz aus Emur Muid wusste, dass Merie und er sich näher gekommen waren. 

 

Kapitel 1

Schlägt dir die Hoffnung fehl,

nie fehle dir das Hoffen.

Ein Tor ist zugetan,

doch tausend sind noch offen.

Es war mehr Galopp, denn ein zügiger Trab, mit dem die sieben Reiter auf dem

schmalen Weg direkt auf das Nordtor der Stadt zupreschten. Erst auf den zweiten

Blick erkannte man, dass sie unter ihren weiten, im Winde wehenden Mänteln total

verschieden waren.

Davil, der mit ihnen kam war kein Mensch. Er war auch kein Reiter im eigentlichen

Sinne, sondern er war ein Asuki mit dem Oberkörper eines Menschen, ein

Halbpferd, Kentaur genannt. Was ihn jedoch noch besonderer machte war, dass

er die Ohren einer Goldkatze hatte, was ihn auch jedes kleinste Geräusch hören

liess. Ohne Problem konnte er mit seinen neuen Freunden, die allesamt Asukis oder

Goldkatzen ritten, mithalten. Die sechs Menschen, drei Königssöhne, unter ihnen

ein Zwillingspaar, ein König, ein Heer- und ein Ordensführer, kamen allesamt von

weit her. Nur einer von ihnen kannte seine Heimat nicht und wusste nicht ob sie nah

oder fern war. Sie war verschollen. Die Heimat des Königs war die ganze Welt Melwalor

und er kannte diese beinahe besser als Davil, der weit herumgekommen war.

Der Kentaur war Einzelgänger und er hatte ihnen erzählt, dass er sich erst in den

letzten Jahren sesshaft in dem Wald, wo sie ihn aufgespürt hatten, niedergelassen

hatte. Für ihn schien die Zeit keine Rolle zu spielen und es hatte eine Weile gedauert,

ihm zu erklären, dass die Zeit drängte. Sein ganzes Leben lang war er gemütlich

durch seine Welt gewandert, ohne sich um andere Geschöpfe zu kümmern, und nun

sollte er plötzlich keine Zeit mehr haben. Der grosse Blonde, der auf seiner Rüstung

das Wappen eines Ritterordens, dessen Führer er war, trug, hatte es ihm erklärt und

ihn um Hilfe gebeten. Trotzdem hatte Davil gespürt, dass nicht der Ritter mit den

schönen Worten, sondern der Mann mit den dunklen Locken und den Bernsteinaugen

der wahre Anführer der sechs Männer war. Wohl trotzdem hätte Davil kaum

seine gemütliche Höhle und den schönen Garten verlassen, hätte er nicht einige

Tage zuvor Besuch von einem weissen Reh bekommen. Da der Kentaur es als normal

empfand, dass Tiere mit ihm sprachen, fiel ihm nicht auf, dass das Reh sich der

Sprache der Menschen bediente. „Halte dich bereit Davil!“, hatte es ihm gesagt und

ihn eindringlich angesehen. „Sechs Menschen werden vorbeikommen und sie werden

dringend deine Hilfe nötig haben!“, Die Worte des weissen Rehs waren Davil

nicht verständlich gewesen und er hatte es beinahe schon wieder vergessen. Nicht

vergessen aber hatte der Kentaur die Stimme des Rehs, welches gesungen hatte, als

es den kleinen Pfad durch den Garten davongegangen war. Und einige Tage später

waren die Männer dann gekommen, tatsächlich sechs an der Zahl, wie es das Reh

prophezeit hatte, und Davil der Kentaur hatte sie empfangen. Dann war er mit ihnen 

losgezogen.

Sie eilten immer schneller voran, je näher die vor ihnen liegende Stadt kam. Im

Innern jedes der sechs Krieger und genauso im Herzen des Kentaur tauchte die bange

Angst auf, sie könnten zu spät kommen. Denn die einst weisse Stadt, besonders

das hübsche Lustschloss Palid schien dunkel, die letzten Sonnenstrahlen, die über

das Gebirge kamen beleuchteten nur ein grausiges Schlachtfeld, das aus der Stadt

und dem weiten Land am Fusse der Berge geworden war. Rauch stieg auf und hie

und da züngelten Flammen um die bescheidenen Häuser von Palida Menko. Atnor,

der König aus Gilgulondian zügelte abrupt seine Goldkatze und bedeutete den Anderen

mit erhobener Hand ebenfalls anzuhalten. „Wir kommen zu spät!“, stellte er

betrübt fest. Tatsächlich war ausser ihnen keine Seele zu sehen und die gespenstische

Stille liess sogar die tapferen Männer erschaudern. „Es ist unsere Aufgabe, nach

Ãœberlebenden zu suchen und unsere Hilfe anzubieten!“, meinte Neninbio bestimmt

und schaute in die Runde. „Etwas Böses liegt in der Luft!“, warf Davil ein und Atnor

nickte beipflichtend. „Neninbio hat Recht, vielleicht braucht man uns. Wir sind

zwar nur sieben, aber hier zählt jedes Paar Hände!“, drängte Ordwenso und alle

waren seiner Meinung. Sie ritten nun nicht mehr so schnell, doch immer noch zügig

und so dauerte es nicht lange, bis sie vor dem Osttor standen, das kleiner und etwas

verborgener war als das Haupttor. Mit einem Seufzer legte Atnor den Kopf in den

Nacken und blickte entlang der Mauer zur Turmspitze hinauf. Er erinnerte sich,

dass Inelinja ihm erzählt hatte, dass dies einer ihrer Lieblingsorte sei. Das Efeu, das

rund um den Turm wuchs, verlieh ihm tatsächlich eine wildromantische Atmosphäre.

Nun drängte es den König der Gilgulor immer schneller voran. Er konnte es

kaum erwarten, in die Stadt zu gelangen und seine Prinzessin zu suchen. Inständig

hoffe er, dass sie verschont geblieben war und sich irgendwo hatte verbergen können.

Bisher hatte keiner seiner Gefährten klar feststellten können, wer die Schlacht

gewonnen hatte. Dass am Tor keine Wachen aufgestellt waren, verhiess nichts Gutes

und dass kurz hinter dem Tor einige stark verstümmelte Bewohner Palida Menkos

auf dem Weg lagen, liess die Hoffnung der Gefährten keineswegs grösser werden.

Atnor und Davil führten sie an und nun ritten sie nur noch langsam. Dies, obwohl

es den König von Gilgulondian drängte, nach Inelinja zu suchen.

Der Stadtteil hinter dem Osttor war der Teil der Wäschereien und der Seifensieder

gewesen, die Gassen waren eher eng und algenartige Gewächse wuchsen an den

Hausmauern, was wohl daher kam, dass jeden Tag hier hunderte von Bottiche voller

Schmutzwasser ausgeleert wurden. Das Abwasser sammelte sich dann in Kanälen

links und rechts der Strasse und wurde neben dem Tor aus der Stadt geleitet. Haran

nahm an, dass es in einen Fluss geleitet wurde, konnte sich jedoch nicht daran

erinnern, an einem vorbeigekommen zu sein. Doch auch Harans Blicke wendeten

sich bald wieder dem schauderhaften Bild zu, das die Stadt, die er als hellen, freundlichen

Ort in Erinnerung hatte, nun bot. Die meisten Leichen schienen auf dieselbe

Weise umgebracht worden sein. Sie alle trugen die Spuren eines Würgegriffs um

den Hals und Zurus fragte sich, ob die Angreifer, die sich durch diese Spur als Feo

auswiesen, niemals mit anderen Waffen kämpften. Der Prinz aus Samet Mui wusste,

dass diese Todesringe benutzten, um ihre Opfer schnell und geräuschlos zu töten. 

Diese Ringe aus schwerem Eisen stülpte man dem Opfer bevorzugt von hinten über

den Kopf und riss es in dem Moment gleichzeitig zu Boden, wie die Kehle zugedrückt

wurde. Kaum jemand überlebte es, hatte er erst mal einen solchen Ring um

den Hals. Manche, die nicht sofort starben, erstickten erbärmlich, da die Luftröhre

bei dieser Behandlung so stark beschädigt wurde, dass bei jedem Atemzug kaum genügend

Luft in die Lunge drang. Zurus schauderte beim Gedanken an die Schmerzen,

die diese Menschen hatten unschuldig erleiden müssen. Wer jemals von einem

Todesring verletzt worden war und wunderbarerweise geheilt, wusste, dass jeder

dieser Toten hier froh sein konnte, es nicht überlebt zu haben.

Auch die anderen sechs wandten zwischendurch fassungslos den Blick ab von

dem grausamen Leichenteppich, der immer grösser zu werden schien, je näher sie

dem Stadtzentrum kamen. Terwenso fürchtete sich und fragte leise, ob denn niemand

daran gedacht hatte, dass vielleicht noch Feinde in der Stadt seien, die auch

sie mit denselben grausamen Waffen in den Tod schicken würden. Beruhigend legte

sein Zwillingsbruder Ordwenso seine Hand neben Terwensos auf die Kruppe des

sandfarbenen Asukis, das Terwenso inzwischen ein treuer Gefährte geworden war.

Ihre Augen, die beide die Farbe des Himmels hatten, trafen sich und wie immer

wirkte das Wissen, dass sein Bruder anwesend war beruhigend auf den nur um

Minuten jüngeren Terwenso. „Auch der Feinde hat Männer eingebüsst!“, bemerkte

auf einmal Haran und seine tiefe Stimme zitterte, als er auf einen Haufen Leichen

zeigte. Sie lagen allesamt vor dem Hause des Schneiders, als hätten sie dort etwas

gesucht. Anscheinend waren sie daran gehindert worden, denn keiner der Feo sah

aus, als lebe er noch. „Männer!“, bemerkte Atnor bitter und gleichzeitig spöttisch. In

seinem Gesicht jedoch konnte Neninbio zu seinem Schrecken unverhüllte, eiskalte

Wut lesen. Schnell fiel ihm ein, dass dies ja durchaus verständlich war, wenn man

Atnors Geschichte und die seines Volkes kannte. Trotzdem erschrak Neninbio ein

wenig, denn noch nie hatte Atnor so öffentlich seine Gefühle gezeigt. Er schien

jedoch auf die Zähne zu beissen und schwieg weiterhin. Auf einmal hörten sie Zurus

rufen, man solle Halt machen. Er war abgestiegen und stand neben Ordwenso,

der sich vornüberbeugte. Auch Terwenso schien ziemlich blass, legte jedoch tapfer

vom Asuki die Hand auf den Rücken seines Bruders. Diesem war der Anblick der

grässlichen Feo-Fratzen zuviel geworden und er hatte sich übergeben müssen. Alle

schwiegen betreten, keiner der Männer wusste wie er reagieren sollte und so war es

dann Davil, der auf den blassen Sohn von Pendalon zutrabte und ihn leicht mit dem

Kopf stupste. „Komm weiter junger Mann. Das Leben ist ein Weg voller Prüfungen,

doch ich sehe in deinem Herzen, dass du sie bestehen wirst!“, sagte er leise zum

Wüstenprinz und dieser hob etwas getröstet den Kopf. In seinen Augen glitzerten

Tränen über so viel Tod und Zerstörung. Je weiter sie in die Stadt vordrangen, desto

mehr waren die Häuser links und rechts des Pflastersteinwegs nur noch Ruinen,

aufgefressen vom Feuer der Feo. Im Stadtzentrum waren dann die Toten meist Feo,

was Atnor langsam wieder hoffen liess, doch weiterhin hatten sie keine lebendige

Menschenseele mehr getroffen. Ihm schien, als sei Palida Menko eine fremde Stadt

und nichts erinnerte ihn an das lebendige, fröhliche Treiben, das vor einigen Monaten

in diesen Strassen geherrscht hatte. Ähnlich ging es auch Haran. Für den Seefahrer

aus dem nördlichsten aller Länder Melwalors, aus Palon Sindan, war Palida 

Menko der Ort, von dem sie losgezogen waren und somit auch der Ort, an den man

zurückkehren konnte, und der heil und unberührt blieb. Nun aber begegneten sie

hier zum ersten Male dem gesamten Ausmass der Schrecken, die mit Mevun Avuch

nach Melwalor gekommen waren. Neninbio bemerkte, dass Atnors Hände nervös

über das Fell seiner Goldkatze Eianee strichen und dabei sogar leicht zitterten. Aufmunternd

meinte er leise, sodass nur der Gilgulor ihn hören konnte: „Sie lebt noch,

ganz bestimmt. In deinem Innern würdest du es fühlen, wenn es nicht so wäre!“.

Sein schwarzhaariger Gefährte nickte, erwiderte jedoch nichts. Noch vor wenigen

Monaten wäre der Ritter nun zutiefst beleidigt gewesen, beziehungsweise hätte gar

nicht solche Worte an Atnor verschwendet. Doch inzwischen hatte er den König

von Gilgulondian, dem verschollenen Königreich, kennen und schätzen gelernt. Er

wusste, dass sein Schweigen nicht böse gemeint war, sondern dass sein Gefährte lieber

einmal zu lange schwieg, als etwas Falsches zu sagen. So wusste Neninbio auch,

dass was Atnor sagte stets wohl durchdacht war und genau so gemeint war wie er

es sagte. Deshalb verliess sich der Ritter inzwischen stets vertrauensvoll auf das Urteil

des Mannes, den er Anfangs als Fremdling, als Waldbewohner abgelehnt hatte.

Gütig wie Atnor war, sah er darüber hinweg und schien die anfängliche Feindseligkeiten

grosszügigerweise einfach vergessen zu haben. Das Thema Religion, das

zu Anfang einer der grössten Streitpunkte zwischen den zwei so unterschiedlichen

Männern gewesen war, diente inzwischen nicht mehr zu Streits sondern nur noch

als spannendes Diskussionsthema an den Abenden am Lagerfeuer. Diese waren jedoch

besonders in den letzten Wochen kaum mehr angenehm oder entspannend

gewesen, sondern es hatte stets einee Wache aufgestellt werden müssen, da sie sich

entweder in Gebieten, wo Ejamhii lebten, aufgehalten hatten, aber auch weil inzwischen

überall damit zu rechnen war, auf streunende Feo zu treffen. In Emur Muid

schienen sich in allen Wäldern bereits Stützpunkte der Eindringlinge zu befinden.

Neninbio hoffte inständig, dass wenigstens Salak Menko noch verschont geblieben

war und lebte in der gleichen ständigen Sorge um Merie, wie Atnor um seine Inelinja.

Merie was die Prinzessin von Emur Muid und die kleine Schwester des Thronerbens.

Niemals würde Neninbio vergessen, wann sie in sein Leben gekommen war.

Denn seitdem gab es noch mehr Sinn als nur den Krieg, die Jagd und seinen Ritterorden.

Er fühlte sich eingesperrt, obwohl er sich doch so danach gesehnt hatte, endlich

in Salak Menko einzutreffen. Neninbio schien langsam zu begreifen, dass er

keine Ruhe finden würde, solange er nicht wusste, dass die Mission erfolgreich abgeschlossen

war. Er fürchtete, dass sie sein Leben fordern würde, doch umkehren

konnte er nicht mehr, da sein Geist bereits gefangen war. Die Männer hatten erst

einen kurzen Weg zurückgelegt, verglichen mit dem, der noch vor ihnen lag. Viele

Reisen, die Neninbio bereits gemacht hatte, an der Spitze seines Ritterordens, hatten

ihn in grössere Gefahren geführt, als er zwischen Nenwen und Emur Muid bestehen

musste. Doch er wusste, wie alle seine neuen Gefährten, dass die Fahrt ins Blaue

jeden Tag zu Ende sein konnte. Neninbio wanderte ruhelos in den vielen Korrido

ren der Burg Pida Salak umher und konnte keine Beschäftigung finden, die ihn zu

fesseln vermochte. Im Gegensatz zu Atnor, der bei jeder Gelegenheit so schnell als

möglich die schützenden Wände von ?? verliess, war Neninbio noch nicht weiter

als bis zu den Ställen gekommen. Seinen Blicken nach zu schliessen, war er ein

wenig eifersüchtig auf den König der Gilgulor, da man in dessen Miene nie lesen

konnte, ob irgendwelche Sorgen sein Gemüt belasteten. Doch inzwischen wusste

der Ritter zu schätzen, was Atnor alles für die Gemeinschaft tat und seine anfänglicher

Neid, sowie seine Ablehnung waren einer leisen Bewunderung gewichen. Sein

stolzes Herz war im Moment jedoch noch nicht bereit, dies zuzugeben. Er konnte

nicht so unbeschwert warten, bis das Abenteuer weiterging, so wie dies seine jungen

Freunde, die Zwillinge aus Pendalon taten.

Plötzlich passierte etwas, was er nicht erwartet hatte. Er fand die Bibliothek, auf

die Tursio zwar stolz war, die jedoch völlig veraltet, verstaubt und beinahe ungenutzt

dahinvegetierte. Aus reiner Langeweile und Neugierde beschloss er spontan, sie genauer

unter die Lupe zu nehmen. Ihm war nicht klar, nach was er suchte, jedenfalls zu

dem Zeitpunkt nicht, als er die endlosen Regale entlangging und mal hier und mal da

auf einem Buchrücken las. Als Neninbio nun um die Ecke des hintersten Bücherregals

bog, stiess er in einen Stuhl. Ein leiser Schmerzenslaut entfuhr ihm und erst im nächsten

Moment bemerkte er, dass in dem Stuhl eine Person gesessen hatte, die nun entsetzt

aufsprang und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Verzeiht mir! Ich war in

Gedanken! Ihr braucht euch nicht vor mir zu fürchten!“, stiess Neninbio schnell hervor

und machte einen Schritt auf sein Gegenüber zu. Dies war eine junge Frau, deren zartes

Gesicht von langen, schwarzen Haaren eingerahmt wurde. Diese glänzten seidig.

Des Weiteren fiel Neninbio auf, dass ihr Körper der einer Frau war, das Gesicht jedoch

noch sehr jung wirkte. Er knickste zögernd und wartete, dass sie etwas sagen würde, da

er der peinlichen Situation möglichst schnell zu entfliehen wünschte. Doch sie zuckte

einfach mit den Schultern und setzte sich wieder auf den Stuhl. Erst jetzt bemerkte der

Ritter, dessen Augen zuvor anerkennend über ihren Körper geglitten waren und sich

schlussendlich in ihre Augen versenkt hatten, dass sie ein Buch in der Hand gehalten

hatte, das sie nun wieder auf den Tisch vor sich legte. Sie nahm die im Schreck weggeworfene

Feder zur Hand und begann, in einer zierlichen Schrift die leere Seite, die sie

aufgeschlagen hatte zu füllen. Neninbio wagte einen Blick über ihre Schulter und bemerkte,

dass es sich um einen Bericht über eine Reise durch die Wüste handelte. Hatte

sie selber schon eine solch weite Reise unternommen? Eher unwahrscheinlich für eine

Frau, die nicht nur von bezaubernder Schönheit, sondern auch von hohem Rang zu

sein schien. Doch wieso behandelte sie ihn so abweisend? War sie zu arrogant, mit ihm

zu sprechen? Nach dieser Vermutung blickte Neninbio verunsichert an sich herunter,

doch die Kleidung die er trug, hätte auch einem Prinzen gehören können. Er und seine

Gefährten hatten sie erhalten bei ihrer Ankunft in Salak Menko.

Etwas enttäuscht wollte Neninbio sich abwenden um die Bibliothek zu verlassen

und so erlaubte er sich noch einmal einen kurzen Blick auf ihr festgeschnürtes Mieder,

das trotzdem erahnen liess, was es versteckte. Ihm wurde warm ums Herz. Doch schon

halb umgedreht bemerkte er eine Bewegung. Die Frau winkte ihn und bedeutete ihm,

sich auf dem Stuhl ihr gegenüber niederzulassen. Er musste sie ziemlich fragend oder

zweifelnd angesehen haben, denn sie schenkte ihm zusätzlich noch ein aufmunterndes 

Lächeln. Auf einmal wusste der Ritter nicht mehr, ob es richtig war, was er hier tat,

doch er konnte dieser Einladung nicht widerstehen und liess sich gegenüber der Frau

nieder. Interessiert blickte er auf ihr Buch, doch nun standen die Buchstaben auf dem

Kopf und es war schwer, mitzulesen was sie mit leichter Hand niederschrieb. Ihre Hände

waren zart und weiss und wiesen auf eine edle Abstammung hin. Verwirrt erhob

sich Neninbio noch einmal und nahm ihre andere Hand, die sie nicht zum schreiben

brauchte. Wie das Protokoll es vorschrieb, küsste er ihren Daumen und stellte sich

anschliessend mit einer Verbeugung vor: „Ich bin Neninbio und stehe zu Ihren Diensten,

edle Dame!“. Er hielt den Blick gesenkt und wartete einen Moment darauf, dass

sie ihren Namen auch nennen würde. Dann jedoch blickte er ihr frech in die Augen

und fragte nach, als die Antwort ausblieb. Erneut bedeutete ihm die Frau, er solle sich

setzen. Als er ihrem Wunsch gefolgt war, rückte sie ihren Stuhl näher zu ihm. Sie blätterte

einen Moment in ihrem Buch und schlug eine leere Seite auf. „Ich bin stumm. Ich

bin Merie von Emur Muid!“, schrieb sie schnell mit klaren Buchstaben hin und schob

das Buch noch etwas näher zu Neninbio, der nach dem Lesen ihres einen Satzes ein

wenig verlegen wurde, da er sie voreilig als arrogant abgestempelt hatte. Nun sass die

Fremde mit dem schönen Namen dicht neben ihm und ihr weiblicher Duft machte es

Neninbio einen Moment lang unmöglich, sich eine klare Antwort zu überlegen. „Ich

hielt dich schon für arrogant, weil du mir nicht geantwortet hast!“, sagte er dann und

hätte sich im selben Moment die Haare ausreissen können. Wieso sagte er genau das,

was er für sich behalten wollte? War es, weil sie ihn so anschaute mit ihren dunklen

Augen? „Ich weiss“, schrieb sie schnell und er schaute sie erstaunt von der Seite an.

Merie schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. Dieses Lächeln löste in seinem Magen

ein leichtes Kribbeln aus, das sich im Verlaufe des Gesprächs nun immer weiter in den

ganzen Körper ausbreitete. Über eine Stunde schrieben und redeten die beiden miteinander

und es war zum ersten Mal seit seiner Ankunft, dass Neninbio einem Ort und

einer Situation nicht entfliehen wollte. Meries körperliche Anwesenheit verursachte

in ihm zwar ungewollte und auch unbekannte Gefühle, wenn sie ihn ansah wurde

ihm warm und von ihrem Duft entstand den Wunsch nach Nähe. Doch er fühlte sich

gleichzeitig geborgen an ihrer Seite und er hoffte, sie wiederzusehen. Da die Burg riesig

war, war dies nicht selbstverständlich, doch er nahm an, da sie eine Dame von Stand

war, dass er sie spätestens an einem der abendlichen Bälle wiedersehen würde. Bisher

hatte Neninbio diese gemieden, was er nun bereute. Er hatte Merie nicht nach ihrer

Herkunft gefragt und auch nicht, weshalb sie nicht sprechen konnte. Sie hatten nur

über alltägliches geplaudert und Neninbio wünschte, eines Tages mit ihr über seine

Sorgen sprechen zu können, doch er hatte sie damit nicht gerade überfallen gewollt.

Trotzdem dass ihre Gesprächsthemen oberflächlich gewesen waren, fühlte sich Neninbio,

als ob er Merie schon ewig kannte und er bereute es auch, sie für eine Ratssitzung

verlassen zu müssen.

Inzwischen waren die Gefährten auf den Marktplatz gelangt. „Scheint als

Hauptschlachtfeld gedient zu haben!“, bemerkte Davil. Tatsächlich lagen sie hier

wild durcheinander, Menschen, Frauen, Männer und Kinder, aber auch Feo. Ein

jeder der sieben musste einige Male schlucken, denn alle fanden unter den toten 

Gesichtern, die alle Spuren des Erstickungstodes trugen, mindestens eines, das er

gekannt oder von seinem letzten Besuch in Palida Menko noch in Erinnerung hatte.

„Das grenzt ja an Ausrottung!“, bemerkte Ordwenso empört. Er und sein Zwillingsbruder

schienen sich einigermassen an die grausamen Anblicke gewöhnt zu haben,

denn sie schienen nicht mehr so bleich. Mühsam suchte sich zuerst der Kentaur

einen Weg durch die Menschenhaufen. Angewidert schob er hier und da einen toten

Körper zur Seite. Nur Eianee, Atnors treue Goldkatze schien zu begreifen um

was es ging, alle anderen, die auf Asukis ritten, hatten mit deren verständlichem

Widerwillen zu kämpfen. Kein Tier geht gerne so nahe an Leichen vorbei, denn ihre

Nasen können schon viel schneller den Geruch der Verwesung wahrnehmen. Mit

viel gutem Zureden schafften sie dieses Stück über den Platz und Atnor schlug vor,

den Weg zum Schloss einzuschlagen, da er langsam genug hatte vom Anblick, den

der Rest der Stadt bot. Ausserdem wollte er schnellstmöglich herausfinden, wo sich

Inelinja befand. Je näher sie nun dem Schloss kamen auf dem Weg, der den Hügel

hinaufführte, desto schneller schritt Eianee aus, da sie deutlich spürte, wie Atnors

Spannung immer mehr wuchs. Damit bewies sie einmal mehr die tiefe Bindung

zwischen Mensch und Tier.

Kurz vor dem Schloss standen noch einige der kleinen weissen Häuser, die vor

dem Angriff der Feo das Stadtbild geprägt hatten. Endlich, endlich erblickten sie

den ersten noch lebenden Menschen. In einem Hauseingang kauerte eine kleine Gestalt,

die Arme um den winzigen Körper geschlungen sass es still da und zuerst hatte

Atnor es für tot gehalten. Doch als er eine Bewegung wahrnahm, sprang er flink

und in Sekundenschnelle von seiner Goldkatze. Mit wenigen Schritten war er bei

dem Kind. Sein Hals schien zu dünn gewesen zu sein, um es mit der beliebten Feo-

Methode zu töten. Trotzdem hatte das Kind am ganzen Körper Spuren der Schlacht,

am allerdeutlichsten zeigten dies die Schrammen im Gesicht. Auch die Anderen

waren voller Freude und gleichzeitig Besorgnis abgestiegen. Alle hofften sie, nun

endlich zu erfahren, was geschehen war. Selbstverständlich hatten sie es sich bereits

ausmalen können, doch einem jeden lagen so viele Fragen auf dem Herzen.

Die grossen Hoffnungen wurden vorerst enttäuscht, da das Kind total verschüchtert

und kein Ton aus ihm herauszukriegen war. Ob es sich bei der schmutzigen Gestalt

um ein Mädchen oder einen Jungen handelte, hätte niemand mit Sicherheit sagen

können. Zurus, dem plötzlich einfiel, dass er ja selber bereits Vater war, nahm das

Kind kurzerhand sanft aber bestimmt auf den Arm und setzte es vor sich auf den

Rücken seines Asukis. Schwer und trotzdem kaum spürbar lehnte sich der kleine

Körper an seine breite Brust. Ziemlich wehmütige Gedanken bewegten das Gemüt

des Kriegers, während sie weiter auf das Schloss zuritten. Zurus hatte seine schwangere

Frau Haline, die er über alles liebte, in seiner Heimat zurückgelassen. In der

Hoffnung, sie sei in Samet Muis Hauptstadt Tor Menko sicher, hatte er sich aufgemacht

für Melwalor, sein Land, seine Frau und sein inzwischen Geborenes Kind zu

kämpfen. Endlich vor dem Schloss angelangt, wunderten sich die Gefährten, dass

das schwere Tor verschlossen war. „Wir können hoffen, dass sie sich so verteidigen

konnten und das Schloss nicht zu einer Falle wurde für alle, die sich hierher zurückgezogen

haben!“, meinte Haran hoffnungsvoll aber gleichzeitig nachdenklich. 

Kapitel 3

 

 

Licht soll
im Dunkeln leuchten.
Wo es hell ist
wird es nicht gebraucht.

 

 

Nachdenklich lag Atnors Blick auf dem jungen Prinzen aus Pendalon. Er war erstaunlich weit gekommen und weder von ihm noch von seinem Zwillingsbruder war jemals eine Klage gekommen. Sie waren es mit Sicherheit nicht gewohnt, stundenlang zu reiten oder manchmal an schwierigen Stellen zu Fuss zu gehen, und doch hatten die beiden stets ein Lächeln bereit und hatten keine Arbeit und keine Mühe gescheut um der Gemeinschaft zu helfen.

Nun sass Ordwenso mit den fünf Männern aus Palida Menko um das wärmende Feuer, das sie vor einigen Minuten errichtet hatten. Atnor hatte vorgeschlagen, erst in der Morgendämmerung weiterzureiten, da die Dunkelheit es ihnen erschwerte, Spuren von Prinzessin Inelinja zu finden. Keiner von ihnen wusste, welche Richtung sie eingeschlagen hatte, ob sie alleine gewesen war oder vielleicht sogar verschleppt worden war. Atnor sass etwas abseits und lauschte den Gesprächen der anderen, die sich anscheinend um die Waffenschmiede-Kunst drehten. Von den fünf Männern aus Palida Menko waren drei Waffenschmiede, einer aus der königlichen Garde und der andere, gleichzeitig der Jüngste war Stallbursche, der ihnen versichert hatte, ein begabter Kämpfer zu sein.

Da die anderen nun in ihr Gespräch vertieft waren, war für Atnor der langersehnte Moment gekommen, Inelinjas Tagebuch zur Hand zu nehmen. Seine Sorge um die geliebte Prinzessin bedrückte seine Seele, als Atnor das Buch aus der Satteltasche, wo er es vor neugierigen Blicken verborgen hatte, hervorkramte. Für die Suche nach Inelinja hatte er ein frisches und ausgeruhtes Asuki aus den königlichen Ställen erhalten. Der Sattel und die Gangarten waren dem Gilgulor ungewohnt, doch er hatte sich im Laufe des Nachmittags bald an das brave Tier gewöhnt.

Der Feuerschein warf gespenstische Schatten auf das Buch, das Atnor aufgeschlagen auf den Knie hielt. Wahllos begann er einen Eintrag zu lesen. Er war datiert mit „Frühling“.

Man merkte nicht nur am Erblühen der Bäume, Gräser und anderen Pflanzen, dass der Frühling kam. Die Tiere auf den Feldern machten zwischendurch urplötzliche Freudensprünge, die Mütter hatten ein Kitz, Kalb oder Lamm, das unbeholfen hinter ihnen herstolperte. Die scheueren Tiere wagten sich auch wieder aus dem Wald auf die jungen, saftigen Wiesen und auch dort führten die Mütter ihre Kinder zum ersten Mal in die weite Welt. Rehe mit dünnen Beinen und Hasen mit einem dutzend kleiner Häschen reckten ihre Nasen in den frischen Wind. Ich mochte den Frühling, weil es schien mir, dass alles neu wurde und alles zu wachsen begann. Ich fühlte mich dann auch erneuert, wiedererweckt und frisch für einen warmen Sommer. Die Arbeit im Schloss hatte in den Wintermonaten geruht und so schien es, dass auch der Hof Palid aus einem Sibellenschlaf erwachte. Dieses Wort stammte aus einer uralten Legende unseres Volkes. Sie handelte von einem Mädchen mit dem Namen Sibel. Sibel war wunderschön und jeder Mann, der sie sah verliebte sich, völlig unabhängig von Alter und Stand. Sibel war angeblich eine einfache Bauernmaid, doch sogar Könige wollten sie ehelichen. Sibel war jedoch zu jung und sie ward völlig bedrückt von der Last der Entscheidung zwischen so vielen Männern wählen zu müssen. Als sie eines Tages eine Fee traf, die ihr einen Wunsch erfüllen wollte, bat sie bloss, von dieser Last befreit zu werden. Doch wie es mit den Feenwünschen war, geschah zwar was sich Sibel wünschte, doch anders als die Maid es sich vorgestellt hatte. Von nun an fiel jeder Mann, der sich in Sibel verliebte in einen tiefen Schlaf, der ein Jahr andauerte. Dann erwachte er wieder und konnte sich nicht an die Maid erinnern. Was aus ihr geworden war weiss niemand, aber seitdem gab es das Wort Sibellenschlaf in unserer Sprache. 

Ein späterer Eintrag handelte von Inelinjas Eltern. Tränen liefen unbemerkt über Atnors Gesicht, welcher abwechselnd zärtlich lächelte und nachdenklich oder traurig minutenlang bloss auf die Schrift seiner verlorenen Geliebten starrte. Seine Geliebte, die nun Waise war.

Auch sonst bewunderte ich meine Eltern, Enomar und Nenanenja Corbon von Nenwen sehr. Bisher waren sie für mich in jeder Lebenslage meine Vorbilder. Die Liebe, die meine Mutter und meinen Vater verband, war es, was ich auch eines Tages erleben wollte. Sie brauchten nicht viele Worte, jeder der mit offenen Augen durchs Leben ging, erkannte, an ihren tiefen Blicken die tiefe Zuneigung, die sie füreinander empfanden. Obwohl ihre Tage stets ausgefüllt waren mit ihren Pflichten als Herrscherpaar von Nenwen, fanden sie stets an den Abenden Zeit, die sie vor dem Kaminfeuer im Wohnzimmer der Königinnengemächer verbringen konnten. Mein Vater hatte seit er meine Mutter zum ersten Male sah, keine andere Frau mehr begehrt, ja nicht einmal mehr angesehen. Meine Mutter war einfacher Herkunft, was die beiden damals nicht daran gehindert hatte, zu heiraten. Sie versicherten mir immer wieder, ich sei die Krönung ihres gemeinsamen Lebens und von beiden erhielt ich eine grössere Menge Liebe als man sich vorstellen kann. In einigen unsicheren Momenten jedoch zweifelte ich daran, ob sie sich nicht einen Sohn, einen männlichen Erben gewünscht hatten. Weshalb ich Einzelkind blieb, wusste ich nicht und hatte ich mich bisher auch nicht zu fragen getraut. Da meine Eltern beide sehr kinderlieb waren, wunderte ich mich jedoch darüber. Nenanenja, deren Name Sternenkind bedeutet, was mich früher immer dazu angeregt hatte, um Geschichten von Sternenkindern zu betteln, war eine geduldige und fürsorgliche Mutter. Sie hatte nebst all ihren Aufgaben als Königin immer genug Zeit für meine kleinen Sorgen, die mit mir gemeinsam wuchsen und heute wohl etwas grösser waren. 

Als Atnor das Buch wieder schloss, waren die anderen bereits eingeschlafen, nur der jüngste der Waffenschmiede hielt stumme Nachtwache. Atnor nickte ihm zu und rückte näher an das verlöschende Feuer. Während er sich in die Decke wickelte, dachte er lächelnd an seine Inelinja. Durch das Lesen ihrer lebendigen Erzählungen war ihm gewesen, als sässe sie neben ihm. Innigst wünschte er sich, bald wieder Gelegenheit zu haben, seine Gedanken persönlich mit Inelinja zu teilen und ihre Hand zu halten, wenn sie ihm mit ihrer sanften Stimme etwas erzählte. Lange Zeit konnte Atnor nicht einschlafen und als er nach einem kurzen Schlaf wieder hellwach war, übernahm er freiwillig den Rest der Nachtwache. Trotzdem war er am Morgen nicht müde und als Erster sass er wieder auf dem Asuki. Atnor war es auch, der immer wieder abstieg um Spuren zu prüfen. Doch Ordwenso fand schlussendlich die erste Spur, die zu verfolgen sich lohnte. Sie war frisch und führte aus Palida Maenko direkt ins Pal Ked Gebirge. Langsam aber sicher begann Atnor diese Berge zu verabscheuen. Ordwenso stellte in Frage, ob Inelinja, eine Frau, die vielleicht alleine reiste, diesen Weg gewählt hatte. Der Mann aus Palida Menko, der bei der Schlosswache gedient hatte, verneinte, als Atnor wissen wollte, ob ein Bote oder sonst ein Reiter losgeschickt worden war. Da von der Stadtbevölkerung niemand ritt oder einen Grund zum Verlassen der Stadt hatte, war die Wahrscheinlichkeit gross, dass es sich um Inelinjas Spur handelte. In Atnors Kopf herrschte ein wirres Durcheinander von vielen Fragen. Wieso war Inelinja alleine losgezogen? War sie gar nicht freiwillig fortgeritten? Hatte man sie entführt?

Wohl bemerkte der Gilgulor die gelegentlichen besorgten Seitenblicke von Ordwenso aus Pendalon. Inzwischen hatte sich Atnor so weit gefasst und Tod und Schrecken aus seinen Gedanken verbannt, sodass es ihm gelang, dem Wüstenprinzen ein beruhigendes Lächeln zu schenken. Seine Entscheidung, Ordwenso als Begleiter zu wählen, schien eine Gute gewesen zu sein. Der Junge beherrschte nicht nur das Spurenlesen, sondern hatte auch sonst eine angenehme und gelassene Art. Auch wenn er kaum wusste, wieviel Atnor an Inelinja lag, so realisierte er die Wichtigkeit der Aufgabe dennoch. 

Stunden später ritten sie immer noch, ohne Erfolg aber voller Hoffnung. In der letzten Zeit war ein seltsames Gefühl in Atnor aufgekommen. Das Gebiet durch das sie ritten war nun voll mannshoher Felsen. Hinter jedem konnte Gefahr lauern. Obwohl Atnors Nerven dermassen gespannt waren und er selber in einer Fluchthaltung immer wieder verharrte, standen die acht Männer, deren Anführer er war, plötzlich einer Truppe Bogenschützen mit gespannten Waffen gegenüber. Ordwenso und Atnor erkannten die Männer sofort an deren langen Mänteln, dies obwohl sie alle die Kapuzen tief in die Stirn gezogen hatten. Und auch der Anführer der Männer hätte Atnor blind wiedererkannt. Die beiden fielen sich in die Arme und verharrten lange Zeit stumm. Ordwenso lächelte ob dieses Beweises der Brüderlichkeit. Erleichtert atmeten die Begleiter aus Nenwen hinter dem Wüstenprinzen auf, als die anderen Bogenschützen ihre Sehnen langsam losliessen. Der Führer der Bogenschützen, der nun lächelnd mit Atnor auf Ordwenso zukam war nämlich niemand anderer als Atnors Ziehbruder Keykor. Die beiden kannten sich bereits seit ihrer Geburt und es gab in ihrer Vergangenheit unzählige Situationen, die sie ohne einander nicht überlebt hätten. Zwischen den beiden Kriegern aus Gilgulor bestand eine tiefe Seelenverbundenheit und so war es auch selbstverständlich, dass Keykor während Atnors Abwesenheit ihr Volk führte und mit den Männern, die ihn begleiteten die Frauen und Kinder verteidigte und ernährte. Ordwenso hatte Keykor, der ihn nun freundlich begrüsste, kennengelernt vor langer Zeit, als sie auf der Suche nach dem weissen Reh gewesen waren und unterwegs in einer ähnlichen Situation zufällig auf Atnors Volk getroffen waren. Wobei er zugeben musste, dass er bisher erst die Jäger- und Kriegertruppe zu gesicht bekommen hatte und nicht wusste, wo sich der grösste Teil vom Volke seines Freundes aufhielt. Diese Handvoll junger Männer, die hier vor ihm standen, wurden allgemein die Pilgerkrieger genannt, da sie bekannt waren, durch ganz Melwalor zu wandern und hier und dort den Leuten beizustehen. Nachdem Keyk, wie er allgemeint genannt wurde, die Begleiter von Atnor und Ordwenso begrüsst hatte, trat Atnor auf die Pilgerkrieger zu. Diese hatten sch still im Hintergrund gehalten, fielen jedoch nun ehrfürchtig auf die Knie. Dies verwirrte die fünf Männer aus Palida Menko sichtlich, was Ordwenso ungemein belustigte. Atnor richtete einige Worte an die Pilgerkrieger, bevor er näher an Keykor herantrat und die Stimme senkte. „Palida Menko wurde zerstört.“ Nur sein Ziehbruder konnte ihn verstehen. Keykor nickte. „Wir wollten helfen. Der Weg aus den Bergen erschien uns dafür der Beste und so konnten wir wenigstens beim Schutz des Schlosses mithelfen.“, eröffnete Keyk seinem lange gemissten Freund. Erstaunt atmete Atnor heftig ein. ?Ich kam aus Wilderland. Die anderen sechs und ich verliessen das singende Reh schon vor längerer Zeit. Als wir nach Palida Menko kamen, war es jedoch bereits zu spät.“ Betrübt senkte Atnor erneut den Kopf und die Schreckensbilder vom vergangenen Tag tauchten unerbittlich vor seinem inneren Auge auf. Tröstend legte ihm Keykor die Hand auf den Arm. Dann erhob er seine Stimme. „Ihr alle seid für heute Abend eingeladen, Gäste in unserem Lager zu sein. Es steht an derselben Stelle, wie das letzte Mal, als wir uns getroffen haben. Wir werden dies als glückliches Omen ansehen und ihr könnt die Nacht unbesorgt im Schutze unseres Volkes verbringen.“, versprach er. Atnor wollte ihm widersprechen, berichten weshalb sie unterwegs waren, doch Keykor gab ihm zu verstehen, dass ihm später genug Zeit zum Reden blieb.

Das Lager war in einem kleinen Wald aufgeschlagen worden. Zwischen den Bäumen standen Zelte, was nötig war, denn die Nächte waren inzwischen empfindlich kühl. Ordwenso staunte, wie gross die tatsächlichen Ausmasse des Lagers war. Gerne hätte er gefragt, wieviele Menschen denn zu Atnors Volk gehörten, doch er kam nicht dazu. Keykor und seine Männer mit Atnor an der Spitze folgten einem für die anderen unsichtbaren Trampelpfad, der gerade die Breite eines Asukis hatte. Wenn ein Gilgulor ihren Weg kreuzte und Atnor, den König erblickte, fiel er auf die Knie. Auf einmal erlebte Ordwenso eine ganz andere Seite seines Freundes. Huldvolles Lächeln und königliche Gesten schien Atnor sein Leben lang zu kennen. Der Wüstenprinz musste bestätigen, dass der König von Gilgulondian tatsächlich eine majestätische Ausstrahlung hatte und schon immer gehabt hatte.

Nachdem sie eine Weile durch das Lager gegangen waren, fühlte sich Ordwenso mehr und mehr, als sei er in eine andere Welt gelangt. Dies lag besonders an dem Geruch des Holzfeuers, der in der Luft lag, aber bestimmt auch an der Ruhe, die hier zwischen den Zelten herrschte, obwohl ein ganzes Volk in diesem Wald untergebracht war. Das Zelt, vor dem sie Halt machten, war um einiges grösser, als die anderen. Atnor erklärte seinen Begleitern aus Nenwen und Ordwenso: “Hier wohnen die unverheirateten Krieger, die nicht mehr bei ihren Eltern leben wollen oder keine mehr haben.“ Der Wüstenprinz wusste selbstverständlich, dass die Gilgulor immer und immer wieder Kämpfe mit anderen Völkern oder wilden Tieren auszufechten hatten. Bestimmt war das Leben der Männer, die in Keykors Begleitung jagten längst nicht so behütet verlaufen wie das seine. Er schalt sich selbstsüchtig, als er dachte, wie sehr er seinen Zwillingsbruder vermisste. Etwas anderes mangelte ihm nicht und im Gegensatz zu diesen Leuten besass er eine Heimat, einen Ort an den er zurückkommen konnte. Erst als er dieses Lager hier erblickte, verstand er Atnors zeitweilige Sorge. Diese Leute besassen nur ihre Familien und das wenige Hab und Gut, was sich in den Zelten verstauen und leicht mittragen liess. 

Über dem Waldstück schrie ein Habicht oder ein Bussard und einmal glaubte Terwenso zwischen den Bäumen ein Reh gesehen zu haben. Diese Menschen hier lebten in viel engerem Kontakt zur Natur, als dies in Pendalon geschah. 

Tiefe Stimmen und das hohe Pfeifen einer Flöte klangen durch den Nebel zwischen den Bäumen. Das Feuer loderte noch immer hell und freundlich, doch Ordwenso wagte es nicht, sich umzudrehen. Seine Schultern wurden bereits von einem kühlen Wind umstrichen und das anfängliche Gefühl der Geborgenheit verflüchtigte sich mehr und mehr. Der Pendalor war versucht, aufzustehen und sich in die Sicherheit des Zeltes zu flüchten und damit den ersten Anzeichen des Herbstes den Rücken zu kehren. Als Kind der Wüste war ihm die Kälte etwas Neues und Atnor hatte ihm erst gestern erklärt, dass der morgendliche Reifen auf den Gräsern erst der Anfang des Winters war. Dass sich die Blätter einiger Bäume bereits farbig zu werden begannen, faszinierte Ordwenso ganz besonders. Als er nach Nenwen gekommen war, hatten einige Blätter gerade zu spriessen begonnen. Abrupt wurde der junge Krieger aus seinen Gedanken gerissen, als ihm gegenüber eine schlanke Gestalt in den Kreis trat und sich mitten zwischen die Musiker setzte. Ein eindringlicher Blick zwang Ordwenso, dem Neuankömmling in die Augen zu sehen. Überrascht musste er feststellen, dass es die Augen einer Frau waren, die ihn so unverschämt fixierten. Seine Feststellung wurde bestätigt, als sein Gegenüber die Kapuze abstreifte und sich langes, sanft gewelltes Haar um das junge Gesicht schmiegte. Jemand reichte dem Mädchen, das wohl jünger als Ordwenso war, eine Fada, worauf sie leise zu singen begann und sich dabei selber auf dem traditionellen Instrument begleitete. Ordwenso konnte die Augen kaum abwenden von ihren schlanken Fingern, die beinahe zärtlich über die Saiten strichen. Der traurige Gesang drang bis in seine Seele und würde ihn noch auf seinem Nachtlager nicht loslassen. Er nahm kaum wahr, dass man Atnor aufforderte, ebenfalls zu spielen. 

Später im Zelt lag Ordwenso mit offenen Augen auf dem Rücken und lauschte den Geräuschen, die durch die Zeltwand drangen. Die Schreie der Tiere und die leisen Schritte ums Zelt versetzten ihn in die Wüste, die seine Heimat war und die er über ein halbes Jahr lang nicht gesehen hatte. Es dauerte eine Weile, bis Ordwenso das Gefühl, das ihn beschlich zuordnen konnte. Er hatte Heimweh. Er wusste, dass sie zuerst Prinzessin Inelinja finden mussten, da Atnor kaum vorher aufgeben würde. Langsam wurde Ordwenso vom Schlaf übermannt, während dem Einschlafen stets den eindringlichen Blick aus den wunderschönen Augen der unbekannten Musikantin im Kopf. Letztendlich waren nur Atnor und Keykor am Feuer übriggeblieben. „Deine kleine Schwester wird langsam erwachsen!“, meinte der König sinnend, worauf ihm Keykor seufzend zustimmen musste. „Sie wird immer eigenwilliger!“, klagte er, doch in seiner Stimme klang viel Stolz und Bruderliebe mit. „Sie spielt und singt sehr schön!“, fügte Atnor noch hinzu. Keykor war seit seiner Geburt sein engster Freund gewesen und so bestand auch zwischen ihm und Keyks Schwester eine tiefe Bindung. Er hatte sie jedoch als kleines, kindliches Mädchen ohne klares Profil in Erinnerung. Dies hatte sich nun deutlich geändert. „Dein Spiel übertrifft noch lange niemand!“, fügte Keykor nach einer Weile an und es tönte keineswegs nach einer Schmeichelei, sondern aus dem Kompliment klang nur Keykors aufrichtige, brüderliche Bewunderung. Tatsächlich hatte Atnor schon als Kind die Fada vielen Kinderspielen vorgezogen und war dadurch zu einem der besten Musiker seines Volkes geworden.

Als Atnor am nächsten Morgen aufwachte, schien bereits die Sonne ins Zelt und es war ziemlich stickig. Der König stutzte. Hatte er nicht gestern Abend seinen Ziehbruder gebeten, ihn beim Morgengrauen zu wecken? In dem wohlig entspannten Zustand, in dem er sich gerade seit langer Zeit zum ersten Mal befand, konnte er sich nicht mehr genau entsinnen. Nach und nach kam aber die Erinnerung an den vergangenen Abend zurück und leiser Ärger machte sich bei Atnor breit. Der Morgen schien schon fortgeschritten zu sein und er hatte schon lange aufbrechen wollen. Er hatte sich fertig angekleidet und war im Begriff, das Zelt zu verlassen, als Keykor eintrat. Er hatte ein liebevolles Lächeln auf dem Gesicht: „Wann hast du das letzte Mal unbesorgt ruhen können, Bruder?“, fragte er und spielte damit auf Atnors tiefen und langen Schlaf der vergangenen Nacht an. Atnor wollte eben bemerken, dass es nicht seinen Plänen entsprach, so lange geschlafen zu haben. Besonders da er mit Neninbio einen Tag für seine Rückkehr ausgemacht hatte, blieb ihm nur wenig Zeit, Inelinja zu finden. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen, denn nun wartet eine Ãœberraschung auf dich, die deine Nerven beanspruchen könnte!“, meinte Keykor, noch bevor Atnor sich über die fortgeschrittene Zeit beklagen konnte. „Deine Suche hat ein Ende gefunden, mein Bruder!“, fügte er noch an und das Lächeln der vorausgegangenen Feststellung verschwand wieder aus seinem Gesicht. Atnor legte ihm die Hand auf die Schulter und lächelte bedauernd. „Ich kann noch nicht bleiben Keykor. Meine Aufgabe hat erst begonnen!“, sagte er sanft. Er wunderte sich ziemlich, als Keyk bloss den Kopf schüttelte und seinen Arm fasste. Schweigend gingen die Ziehbrüder nebeneinander durch das Lager und Atnor, der nie zuvor in diesem Wald gewesen zu sein glaubte, staunte, wie viele Zelte hier Platz gefunden hatten.

Niemals bisher hatte Atnor dieses Glücksgefühl empfunden, das jetzt in ihm aufwallte, als er die schlafende Gestalt vor sich erblickte. Wie er sich selber eingestehen musste, hatte er nicht damit gerechnet, Inelinja wenn überhaupt, so schnell wieder zu sehen. Wie um sich zu vergewissern ging er in die Knie und legte die Hand auf ihren Rücken, fühlte ihre warme Haut unter der Decke und wusste, dass sie kein Traum war. „Wo?“, brachte der sichtlich gerührte König nur heraus, doch Keyk kannte ihn lange genug um die Frage seines Ziehbruders zu verstehen. „Sie war unterwegs, wohin konnte sie uns leider nicht sagen. Ihr Asuki lahmte und ihre Füsse mussten wohl ziemlich wehtun. Sie konnte nur noch ihren Namen flüstern, bevor sie, wohl erleichtert ob unserer Anwesenheit, in Ohnmacht gefallen ist.“ Dankbar drückte Atnor Keykors Hand und blickte auf die säuberlich eingebundenen Füsse. „Was auch immer sie vorhatte, als besonders kluge Handlung sehe ich das nicht an.“, meinte Atnor, doch der Tadel verschwand unter dem warmen Ton seiner Stimme. Keykor grinste. „Sie hat mehrmals im Schlaf deinen Namen gerufen. Was sie wollte ist dadurch ziemlich offensichtlich!“. Einen Moment stimmte der König in das Lachen seines Ziehbruders ein, doch dann stutzte er: „Du meinst, ...?“, fragte er und wusste im selben Augenblick die Antwort. Inelinja war alleine aufgebrochen, hatte jede Vernunft vergessen, um ihm, Atnor, zu folgen. Wäre sie eine Frau aus seinem Volke gewesen, hätte Atnor ihr dies jederzeit zugetraut, doch Inelinja, die nie einer Gefahr ausgesetzt gewesen war und der stets jede schwere Arbeit abgenommen worden war, kannte gar nicht die Gefahren einer solchen Reise. Trotzdem war der König der Gilgulor zutiefst gerührt ob dieser Geste seiner geliebten Inelinja. Keykor drückte ihm die Hand und verschwand leise. Der alte Maredor war schon länger hinausgegangen und hatte die Ziehbrüder mit Inelinja alleine gelassen. Als auch sein Freund weg war, setzte sich Atnor neben das geliebte Mädchen auf den Boden und verharrte schweigend, vertieft in den Anblick ihres schönen Gesichts, das im Schlaf wirkte, als sei befinde sie sich in den wunderschönen Welten der Träume. Zärtlich legte der König seine Hand auf die weichen Finger seiner Liebsten. Unerwartet und aus dem Nichts fiel ihm plötzlich wieder das Tagebuch ein. Ein Gefühl der Glückseligkeit durchströmte ihn, denn für ihn war das Buch ein Symbol gewesen, dass er nahe daran war, Inelinja zu verlieren. Worte hätte er wohl keine gefunden für das warme Gefühl, das ihn beim Anblick Inelinjas erfüllte. 

Zur selben Zeit, als Atnor diese gemeinsamen Minute mit der schlafenden Prinzessin genoss, wachte Ordwenso erst langsam auf und ging ein Stück durch den Wald, um sich die Füsse zu vertreten und nach einer kleinen Erfrischung zu suchen. Er war erst wenige Schritte durchs Unterholz gegangen, als er eine Bewegung an seiner Seite wahrnahm. Nur wenige Sekunden brauchte der junge Mann, um zu erkennen, dass jemand neben ihm herging. Die schweigende Begleitung verwunderte ihn, doch er glaubte zu wissen, wer sich unter dem Mantel verbarg. All seinen Mut zusammennehmend, hob der Wüstenprinz die Hand und streifte der Gestalt, die etwas kleiner gewachsen als er selber, die Kapuze ab. Nicht besonders verwundert berührte er das lange, seidige Haar, das darunter hervorwallte. „Guten Morgen!“, meinte Ordwenso lächelnd und musterte das Mädchen nun zum ersten Mal bei Tageslicht. Seine Begleiterin hob den Kopf zu ihm und musterte ihn ebenso ungeniert, in ihren wunderschönen Augen war eine gewisse Herausforderung zu lesen. Ordwenso kam es vor, als hätte er das zarte Gesicht, das so selbstbewusst wirkte, schon einmal gesehen und er brauchte eine Weile, bis er bemerkte, dass sie wohl die Schwester von Atnors Ziehbruder Keykor sein musste. Dies erinnerte ihn wieder an seinen eigenen Bruder, seinen Zwilling, der so sehr Teil von ihm war und verwundert bemerkte Ordwenso, dass sein „kleiner“ Bruder ihm im Moment nicht fehlte. „Wo kommst du her?“, fragte das Mädchen plötzlich mit derselben melodischen Stimme, mit der sie ihn gestern Abend singend verzaubert hatte. Der Wüstenprinz lächelte auf sie hinunter und beugte ein wenig den Kopf, da sie wie alle Gilgulor nicht grossgewachsen war. „Ich komme aus der Wüste Pendalon!“, erklärte er und fragte sich, ob sie wohl ebenso weit gereist war wie ihr Bruder und dessen Ziehbruder. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht und Ordwenso fühlte sich, als sei soeben nach einem schweren Regenguss die Sonne aufgegangen. „Ich liebe die Wüste! Sie steckt so voller Geheimnisse!“, erzählte das Mädchen überschwänglich. Dann schob sie vertraulich ihre Hand in Ordwensos. „Lass uns ein Stück gehen!“, schlug sie vor. Als sie dies taten, stellte sich heraus, dass sie tatsächlich Keykors Schwester war und schon ihr ganzes Leben mit den Leuten aus Gilgulondian herumgezogen war. Es dauerte eine ganze Weile, bis Ordwenso sich erinnerte, dass er sie ja erst einige Stunden kannte und nicht einmal ihren Namen kannte. Mit einem verstärkten Händedruck bedeutete er ihr anzuhalten. „Sag mir wie du heisst Mädchen!“, bat er. Ihr darauffolgendes Lachen klang wie das Spiel einer Glocke im Wind. Verlegen lachte Ordwenso mit. „Ich bin Ordwenso, Sohn des Haromso aus Pendalon!“, stellte er sich der Höflichkeit halber schnell selber vor. „Lemina ist mein Name!“, sagte sie, noch immer lächelnd. Wie es sich gehörte, beugte sich der Wüstenprinz über ihre Hand, die vorher die seine festgehalten hatte, und küsste ihren Daumen. Noch immer über ihre Hand gebeugt, hob er den Kopf und sein Blick versank in ihren wunderschönen grünen Augen. Als er ihre Hand losliess, berührte sie ihn mit den Fingerspitzen federleicht wie ein Windhauch an der Wange. 

Erst mehr als eine Stunde später traf Ordwenso wieder vor dem Gästezelt ein. Die Männer aus Nenwen sassen dort in der Sonne und schnitzten und plauderten. 

Neninbio, der sich mit Ordwensos Zwillingsbruder einige Stunden entfernt gerade auf dem Südlichsten Wachturm von Palida Menko. In heller Aufregung hatte man sie am frühen Morgen geweckt und berichtet, eine kleine Armee nähere sich der Stadt. Entsetzen hatte Neninbio befallen, denn bei der aktuellen Anzahl gesunder Menschen und vor allem der kampftüchtigen Krieger, wäre es ihnen unmöglich gewesen, die Stadt zu verteidigen. Zurus, den Neninbio als Späher losgeschickt hatte, war es, der mit der beruhigenden Nachricht zurückkam, dass die Reiter die Flagge Emur Muids trügen. Erleichtert hatte man die Tore öffnen lassen und in eben diesem Moment beobachteten Terwenso und Neninbio, wie die knapp fünfzig Reiter in die Stadt unter ihnen ritten. Auf dem schnellsten Weg begaben sich Neninbio und sein junger Freund zurück ins Schloss. Einige übriggebliebene Minister hatten sich inzwischen so weit erholt, dass sie die repräsentativen Aufgaben übernahmen und Neninbio und den anderen Gefährten nur die Arbeit blieb. Haran, Zurus, Ordwenso, Neninbio und sogar Davil hatten in den letzten Tagen viel Verantwortung in der Stadt übernommen und die Leute wandten sich wie selbstverständlich mit ihren kleineren und grösseren Problemen an diese fünf Krieger. Viele Stadtbewohner wohnten im Schloss, Familien teilten sich im Gesindeflügel die Zimmer und es waren Massenlager in den kleineren Sälen errichtet worden. Neninbio hoffte, dass einige Häuser wieder aufgebaut wären vor dem Winter, da einige Räume im Schloss empfindlich kalt wurden in der dunklen Jahreszeit, sobald man nicht ununterbrochen einfeuerte. Inzwischen hoffte der Ritter inständig, dass Atnor seine Inelinja heil zurückbringen würde, da das Volk klare Verhältnisse suchte. Besorgt wurde immer und immer wieder die Frage erörtert, wie die Erbfrage gelöst würde, wenn Inelinja etwas zugestossen wäre. 

„Ich bin gekommen, um euch Hilfe zu bieten in der Schlacht. Zutiefst betrübt musste ich feststellen, dass ich zu spät gekommen bin!“, sprach der Besucher aus Nenwens südlichem Nachbarland. Es war Prinz Iumeyio, der Thronerbe, der mit einigen tapferen Männern gekommen war, um Nenwen gegen die Feo beizustehen. Wie er da stolz und aufrecht vor seinen Männern stand, die alle geschlossen mit ihm die Halle betreten hatten, konnte Terwenso kaum glauben, was man sich am Abend an den Zeltfeuern erzählte. Dass dieser junge Mann noch nie in eine Schlacht gezogen war und von seinem Vater zu einem Leben des Nichtstuns verdammt worden war, da der alte König Tursio anscheinend nicht bereit war auch nur ein Körnchen seiner Macht abzugeben. Wenn man Iumeyio so sah, vergass man all diese Gerüchte. Währenddessen waren Neninbios Gedanken ganz anderer Art, denn im Gesicht des Prinzen erkannte er Meries Züge und sein Herz erfüllte sich mit Freude. Die freundlichen Phrasen, die die Minister aufsagten, schienen kaum ein Ende zu nehmen und auf dem Punkt gebracht, wollten sie Iumeyio zu verstehen geben, dass seine Reise vergeblich gewesen war. Harans Blick traf sich mit Neninbios und räuspernd trat der Flottenführer vor. „Ich glaube kaum, dass die Götter Iumeyio hierher geschickt haben, damit ihr ihn wieder umkehren lässt“, sprach er und der Blick, der die wankelmütigen Minister traf, war alles andere als freundlich. „Diese starken Männer sind ein göttliches Geschenk und sie sind guten Willens, uns zu unterstützen.“ Haran blickte zu Iumeyio und der jüngere Mann nickte dem Älteren zu. „Wir haben viele Männer verloren und ohne Hilfe werden kaum die Hälfte aller Häuser bis zum Winter fertig gestellt werden.“, erklärte er noch. Iumeyio ergriff nach einem Blick in Richtung Haran das Wort und wandte sich wieder an die Minister. „Der Mann aus dem Norden hat Recht. Wir werden euch selbstverständlich zur Seite stehen, ohne darauf zu achten, welche Arbeit uns zufällt!“ versicherte Iumeyio. 

Nach einem kurzen grimmigen Blick von Neninbio, der an die Adresse der Minister ging, stimmten diese zähneknirschend aber ohne Widerrede zu, dass die Männer aus Emur Muid zu ihrer Unterstützung dableiben durften. Diese wurden, gleich dem gemeinen Volk in dem grossen Saal einquartiert und strömten bald darauf aus, um in der Stadt dort Hilfe zu bieten, wo sie gebraucht wurde. Dankbar betete Neninbio in einer stillen Minute um sich bei Turir für dieses unverhoffte Geschenk zu bedanken, bevor er sich selber wieder in die Arbeit stürzte. 

Aufwachen war in den vergangenen Tagen nicht angenehm gewesen und so war Inelinja froh, dass sie anscheinend nur im Traum erwacht war und in Wirklichkeit noch immer schlief. Denn als sie mühsam die schweren Augenlider hob, erblickte sie wie in vielen vergangenen Traumbildern Atnor, den König der Gilgulor, den sie bis ans Ende ihres Lebens lieben würde. Keine Nacht war vergangen, in der sie nicht in Gedanken bei ihm gewesen war und mal näher oder ferner sein Gesicht vor sich gesehen hatte. Nun strömte der bekannte Duft nach Fell und Holzfeuer in die Nase der Prinzessin und verwundert liess sie die Augen wieder zufallen. Keiner ihrer Träume hatte bisher so real gerochen. Eine leichte Berührung an der Schläfe liess sie zusammenzucken doch der Glaube, zu träumen, blieb vorerst. Atnor war weit fort von hier und wusste wohl genauso wenig wie sie, wo sie sich befand. „Geh nicht fort“, murmelte sie und kuschelte sich enger in die Decken. „Dann verstecke nicht dein Gesicht vor mir, Geliebte!“, tönte da plötzlich durch die Stoffschicht die Stimme, nach der sie sich so gesehnt hatte an Inelinjas Ohr. „Ich träume!“, murmelte sie, doch im Traum hätte sie nicht den Arm gehoben und die Decke abgestreift. Im Traum wäre auch die Hand auf ihrem Haar nicht so warm gewesen und niemals hatten die Bernsteinaugen so geleuchtet wie jetzt. Die Prinzessin versank im Anblick des vermissten Geliebten, der so unerwartet hier aufgetaucht war. 

Als die letzten Müdigkeitsfetzen verschwunden waren, streckte sie ihre Hand aus. „Du bist es wirklich!“, flüsterte sie fassungslos und hob ihr Gesicht dem seinen entgegen. Seine Lippen streiften zart die ihren und Inelinja durchströmte ein Gefühl der Glückseligkeit. 

Lange Zeit hielt Atnor die schmale Hand Inelinjas in seiner. Wenig war bisher gesagt worden und schwer lasteten die traurigen Botschaften auf der Seele des Gilgulor. „Weshalb hast du Palida Menko verlassen?“, hatte er seine Geliebte gefragt. Ihre Augen hatten ihm gesagt, was er sich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Auch zuvor, als Keykor ihm diese Möglichkeit vorgeschlagen hatte, hatte er es nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, dass sie nur seinetwegen aufgebrochen war. „Ich bin dir gefolgt!“, war die schlichte Antwort gewesen, doch sie löste ein grosses Durcheinander in Atnors Kopf und Herz aus. Einerseits hätte er Inelinja wegen ihrer Leichtsinnigkeit schütteln gewollt und gleichzeitig war es für Atnor der grösste Liebesbeweis, den er bisher von Inelinja erhalten hatte. So nahm er sie stumm in den Arm und verschob jeden Tadel auf ein anderes Mal. „Ich habe mich mit Ordwenso auf die Suche nach dir gemacht. Nun können wir gemeinsam heimkehren.“, erzählte Atnor. Nun war ihm auch klar geworden, weshalb sein Ziehbruder ihn so lange hatte schlafen gelassen. Er hatte gewusst, was Atnor gesucht hatte. Diesen erfüllte eine Welle grosser Dankbarkeit, für einen solch guten Freund und Bruder, aber auch für das Schicksal, das ihn so rasch zu seiner Geliebten geführt hatte. „Bleiben wir nun zusammen?“, fragte Inelinja und ihre grossen, verschlafenen Augen blickten derart bittend, dass es Atnor beinahe das Herz zerriss und er bloss stumm den Kopf schütteln konnte. „Es wird noch eine ganze Weile dauern meine Prinzessin.“, gestand er ihr betrübt. „Doch bevor wir uns wieder trennen, begleite ich dich nach Palida Menko, wo du dein neues Amt antreten musst.“, versprach er schnell. Erst an dem fragenden Blick Inelinjas erkannte der Gilgulor seinen Fehler. Traurig senkte er den Kopf. „Die Feo haben deine Mutter und deinen Vater ermordet. Du bist nun Königin von Nenwen.“, rückte er mit der ganzen Wahrheit heraus, da er keineswegs vorhatte, seine Freundin zu belügen. Deren Gesicht verdüsterte sich und als Atnor nun von Anfang an zu erzählen begann, barg sie ihren Kopf an seiner Schulter. Ihr zarter Körper wurde von zahlreichen Schluchzern geschüttelt und Tränen nässten den Stoff von Atnors Umhang. „Wäre ich doch auf Palid geblieben!“, brachte die zukünftige Königin schliesslich voller Selbstanklage heraus. Beruhigend streichelte Atnor ihren Rücken und versicherte Inelinja, dass sie den Lauf des Schicksals nicht hätte ändern können. Sie nickte bloss und es vergingen Minuten und sogar Stunden, in denen die beiden nebeneinander auf dem Notlager in der Hütte des alten Mannes sassen und sich aneinander festhielten. Worte fielen wenige, doch die Herzen der beiden sprachen miteinander und Inelinja fand Schutz und Geborgenheit in den Armen des Königs von Gilgulondian. Um seiner Geliebten eine Freude zu bereiten, erzählte er ihr von der Begegnung mit dem singenden Reh, wie es ihn gewissermassen gerettet hatte und was für ein wunderbares Geschöpf es war. Er wünschte sich, dass die Königin von Nenwen das Tier selber kennenlernen konnte, doch er ahnte nicht, wann und ob er das Reh jemals wieder sehen würde. Während er erzählte, schmiegte sich Inelinja enger in seine Arme. 

Immer weiter verfolgte ich die Waldziege, doch immer wenn ich mich nahe genug an sie herangeschlichen hatte, um nach ihr greifen zu können, entwischte sie mir wieder. Ihr Gemecker tönte für mich verdächtig nach Lachen. Verbissen verfolgte ich sie immer weiter, das würde ihr wohl so passen, mir zu entkommen. Zu ärgerlich, dass ich meinen Bogen an unserem Lagerplatz gelassen hatte. Zwischen ihm und mir lag nun der Fluss Sabugen und die Ziege wäre längst über alle Berge, wenn ich ihn holen würde. So war ich nur auf mein Messer angewiesen und um die Ziege zu treffen, musste ich mich in Stichnähe bringen. Ich bemerkte gar nicht, dass die Bäume um mich immer dichter wurden, ich hatte nur das silberne Fell der Waldziege im Auge. Ihr Fell glänzte wunderschön und auch ihre Hörner würden sich bestimmt gut verwenden lassen. Da die Ziege drei davon hatte, wusste ich, dass sie männlich war. Ein weibliches Tier um diese Jahreszeit zu töten, wäre auch verboten gewesen. Jedenfalls für mich, da ich dies einst mit meinen Gefährten so ausgemacht hatte. Doch jetzt dachte ich vorallem daran, dass ich seit Tagen kein Fleisch mehr gegessen hatte und dass meine Gefährten hungrig waren. Einmal hielt ich kurz inne um Luft zu schöpfen und blickte mich um. Die Bäume standen dicht zusammen und als ich aufblickte, sah ich weit entfernt zwischen den Baumkronen den Mondschimmern. Ich war nicht nur tief in den Wald geraten, die Zeit schien ebenfalls schon fortgeschritten zu sein. Doch ein Gefühl sagte mir, dass ich jetzt nicht gehen konnte, nicht einfach die Jagd aufgeben durfte. Meine Gedanken schienen umnebelt. Ich, ein erfahrener Krieger und Jäger irrte wie verzaubert hinter einer Waldziege her. Wären meine Männer dabei, hätten wir die Ziege schon längst gefangen und verspeist. Doch ich irrte alleine um die Bäume herum und die Hoffnung auf Erfolg meiner Jagd war so winzig klein. Trotzdem konnte ich nicht aufgeben. Unwiederstehlich war bereits der Bann des Waldes. Langsam begannen meine Kräfte zu schwinden und die Ziege vergrösserte ihren Abstand immer mehr. Als ich auf eine kleine Lichtung hinaustrat, ward ich vom Mondschein geblendet und als ich wieder richtig sehen konnte, war die Ziege verschwunden. Meiner Brust entfuhr ein tiefer Seufzer. Ich stolperte und wankte. Meine Beine waren müde. Nie hatten sie eine wirklich erholsame Rast gehabt seit den Nächten in den Höhlen von Cimid Donk. Ich erinnerte mich in diesen Momenten auch wieder an den Turmwächter von Hal Donk mit seinen Liedern und Geschichten. Dabei bemerkte ich eine wohlige Schläfrigkeit, die mich überkam. Obwohl man uns so oft vor diesem Walde gewarnt hatte, hatte ich hier das Gefühl, seit langem wieder einmal unbesorgt schlafen zu können. 

Ich setzte also meinen müden Körper hin und lehnte meinen Rücken an den breiten Stamm eines alten Baumes. Täuschte ich mich oder war er weich und passte sich sogar den Formen meines Rückens an? Obwohl ich nie von weichen Betten verwöhnt gewesen war und das Schlafen unter freiem Himmel gewöhnt, erschien mir das als das Bequemste, was ich seit langem erlebt hatte.

Bevor mir die Augen zufielen, folgen meine Gedanken noch eine Weile hin un her. Ich dachte an meine Gefährten aus Gilgulondian. Dabei bemerkte ich, wie sie mir fehlten, als ich so an die letzten Jahre zurückdachte. Wir waren zu Brüdern geworden. Alle verdammt, für ewig ohne Heimat herumzugeistern. Die vertrauten Gesichter meiner Genossen, die einzige Familie die ich besass. Und heute wusste ich nicht einmal mehr, wo sie sich aufhielten. Ich wusste jedoch, dass sie auch in meiner Abwesenheit gut geführt würden, dafür hatte ich gesorgt. Während ich in Palida Menko am grossen Rat teilgenommen hatte, hielten sie sich in Pal Ked oberhalb der Stadt auf, doch wohin sie jetzt gezogen waren, wusste ich nicht. Nur die Hoffnung, sie vor dem Ende wiederzusehen, blieb mir. Und noch jemanden wollte ich unbedingt wiedersehen. Das Gesicht der Prinzessin der Corbonen schlich sich jeden Tag in meine Gedanken. Inelinja. Konnte ich ihren Worten Glauben schenken? Würde sie auf mich warten? Jeden Tag stellte ich mir vor, was sie gerade machte und auch als ich nun hier alleine tief im Lungor Muid weilte, folgen meine Gedanken davon, über das mächtige Gebirge Pal Ked nach Nenwen zu der schönsten Frau die es für mich gab. Sie war des Tags meine Sonne und des Nachts meine Sterne. 

An den letzten Abenden, wenn wir sechs uns eine Rast gönnten, fühlte ich mich bei den Gesprächen hin- und hergerissen. Haran hatte eine Familie und auch Zurus erwartete ungeduldig die Geburt seines ersten Kindes. Beide vermissten sie ihre Liebsten sehr. Zurus tat mir leid. Er würde sein Kind, wenn überhaupt, erst sehen, wenn wir zurückkehrten und dann wäre es schon gewachsen. Die Prinzen aus Pendalon und auch Neninbio schwärmten zwar manchmal von den schönen Frauen aus den alten Liedern, rühmten es aber, niemanden und somit auch keine Verantwortung zu haben. Wo stand ich mit meinem sehnsuchtsvollen Herzen? Ich war kein Freund der grossen Worte, doch als ich so da sass im Arme dieses Baumes, überkam mich die Lust, zu dichten. Inelinja und ihre Schönheit zu preisen und mein Sehnen in Worten auszudrücken. Ich lächelte und beschloss, dies lieber Terwenso zu überlassen. Doch ein angstvolles Gefühl überkam mich. Würde ich ihn und den Rest der Gemeinschaft überhaupt wiedersehen? Ich musste morgen gleich bei Sonnenaufgang einen Ausweg aus diesem Wald finden. Trotz dieser bangen Gedanken, fielen meine Augen bald zu.

 

Atnor spürte deutlich während er erzählte, dass sich Inelinja in seinen Armen entspannte. Sie wurden jedoch unterbrochen durch den Eintritt von Maredor, dem alten Mann, dem das Zelt gehörte und der eine Art Priester der Gilgulor war. An ihn wandten sich alle mit ihren Gebrechen und Leiden. Prüfend musterte er Inelinja und befand trotz den Spuren der Trauer in ihrem Gesicht, dass es mit ihrer Gesundheit wieder aufwärts ginge. Atnor und Inelinja ergriffen die Gelegenheit, dem Alten zu danken. Darauf schlug der König vor, sich zu Ordwenso und den Männern aus Nenwen zu gesellen, da man in diesem Falle bald nach Palida Menko aufbrechen könne. Freundlich verabschiedeten sie sich von Maredor und verliessen das Zelt. 

 

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