Journalismus & Glosse
Mut zum Diskurs

Mut zum Diskurs

Sensible Worte, viel Rauch, große Töne, unendliche Polemik. So liest man die Presse der vergangenen Tage. Äußerungen, die zeitweise jeder Logik entbehren. Von einem genetischen Code, der die Integrationsfähigkeit wenn nicht bestimmt zumindest beeinflusst. Von beispiellos anthropologischer Beugung gefasst in seitenstarkem Papier. Aber auch von der mangelnden Fähigkeit, mit unbequemen Wahrheiten umgehen zu können und langfristig betrachtet einmaligen Entscheidungen. Würde einer die unsäglichen Thesen der betreffenden Veröffentlichung bewusst umdeuten wollen, so könnte man glauben, Deutschland schafft sich ab.

Nahezu bedauerlich erscheint in diesen Tagen der Umgang mit dem Fall Sarrazin. Nicht nur die Tatsache, dass die getroffenen Äußerungen nicht nur inakzeptabel und in einer für die Bundesrepublik repräsentativen Funktion schlicht nicht tragbar sind, sondern besonders auch die Frage nach der Verarbeitung dieses einmaligen Vorgangs. So schnell, wie das Getöse begann, so schnell ist auch wieder aus den Schlagzeilen. Besonders eilig hatte es in diesem Falle die altehrwürdige Sozialdemokratie, Widerspenstige Elemente aus dem Machtapparat zu entfernen und übersah indes, das Spiel mit dem Feuer.

Erinnern wir uns. Es nicht einmal ein Jahrhundert her, da brach über dieses Land das Unheil der Diktatur herein. Damals wie heute, wurden Stimmen missachtet, aus dem Verkehr gezogen, übergangen, passten sie doch nicht in das werte Bild. Mit fatalen Folgen. Freilich ist die gegenwärtige Situation in keiner Weise und ausdrücklich nicht vergleichbar, denn es würde eine entsprechende Motivation voraussetzen. Doch ist es ein nicht zu unterschätzendes Faktum in der Psychologie der Masse Mensch, wenn der Eindruck entsteht, dass die geschätzte bundesrepublikanische Dame die Fähigkeit und den Mut zu politischen Auseinandersetzung verliert. Tatsächlich bestimmt der politische Ausschluss das Ende des Diskurs’. Ein Schelm der denkt, dass ein jeder über das Recht verfügt, seine Meinung in Wort [...] frei zu äußern. Darum bleibt zum Schluss nur mit den Worten des ersten dritten Mannes dieser Republik zu schließen. „Wir wählen die Freiheit!“