Fantasy & Horror
Stück für Stück

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"Stück für Stück"
Veröffentlicht am 29. Juli 2010, 10 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Marc_Hartkamp@twitter.com
Stück für Stück

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Stück für Stück

 

 

 

 

Alles lief wie geplant. Die Kunden erschienen pünktlich und hatten bereits im Voraus für sein Theater bezahlt. Marc inszenierte diese gefakten Seancen schon seit einiger Zeit und sie erwiesen sich als äußerst rentabel. Er war nicht der Typ für diesen Gefühls-Scheiß, wie er es immer betitelte, eher gewissenlos und kalt allem gegenüber was das Thema Liebe betraf. Muss wohl an meiner beschissenen Kindheit liegen, sagte er sich gewöhnlich. Liebe ist Liebe und tot ist tot, mir egal, der Rubel rollt. Wenn diese Träumer Antworten wollen, ich gebe sie ihnen. Und das alles für nur dreihundert Euro!

Diesmal handelte es sich um eine sehr übergewichtige Frau, die von einer Person gestützt wurde als sie den Raum betrat, da ihr das gehen sichtbar schwer fiel. Die Kniegelenke waren offensichtlich vom Gewicht überfordert. Wie sich herausstellte, handelte es sich um ihren Bruder, der ihr in dieser schwierigen Situation helfend beistand.

Eine Frage belastete ihre Seele, ließ sie keine Ruhe finden und quälte sie in der Nacht.

Jeder Gedanke daran kam ihr vor wie ein Stich ins Herz. Hat mein Ehemann mich betrogen?

Der unerwartete Tod ihres Mannes durch einen Verkehrsunfall, ließ nur diese eine Frage zurück. Immer häufiger rief er sie abends an und kam mit irgendwelchen Entschuldigungen, er müsse länger arbeiten, oder dringende Besprechungen lagen an. Geh ruhig schon zu Bett und warte nicht auf mich. Der Verdacht des Ehebruchs drängte sich ihr förmlich auf. Eine Schönheit war sie nun mal nicht und im Bett lief schon seit längerer Zeit nichts mehr. Wie sonst konnte sie eine Antwort finden, als einen Kontakt mit ihrem verstorbenen Ehemann herzustellen, welcher ihr die Gewissheit gab und den Verdacht bestätigte.

Marc saß bereits am Tisch und bat die beiden Platz zu nehmen. Die ganze Sache pisste ihn jetzt schon an, da er die Vorgeschichte bereits kannte. Was dachte die denn, was der Kerl gemacht hatte. Wahrscheinlich hatte er sie sogar jede gottverdammte Nacht betrogen. Die letzte Zeit mal in den Spiegel geschaut? Mein Gott wie konnte man nur so naiv sein. Männer denken und sehen nun mal mit dem Schwanz. Das war schon immer so und wird immer so bleiben. Er zwang sich seine üble Laune bestmöglich zu verbergen und entschied sich für die Methode des Oui-ja-Boards um seinen gespielten Kontakt aufzunehmen. Marc war heute nicht in der Stimmung für diesen Händchen halten und in Trance fallen Mist. Die drei Scheine in seiner Hosentasche beruhigten ihn schließlich ein wenig und der Fake konnte losgehen.

Die Qualle will eine Antwort? Ich gebe ihr eine!

Er platzierte das Board vor ihm auf dem Tisch und entschied sich unüblicherweise die herzförmige Planchette allein zu bedienen. Barbette sollte nun Kontakt mit ihrem Mann herstellen indem sie seinen Namen in den Raum rief. Barbette, wie unpassend ihm ihr Name vorkam. Unter diesem Namen stellte man sich eine pralle Französin in Hausmädchen-Uniform und schwarzen Strapsen vor aber nicht das hier.

Barbette rief ihren verstorbenen Gatten. „ Tim, ich möchte gern Kontakt mit dir aufnehmen. Liebling bist du da?“ Bei den letzten Worten brach ihre Stimme und sie begann zu weinen. Ihr Bruder nahm sie in den Arm und versuchte sie zu trösten. Diese unbekannte Situation in Verbindung der angestauten Angst und Trauer entlud sich nun und sie verlor die Fassung.

Doch schließlich gelang es ihrem Begleiter sie einigermaßen zu beruhigen.

Marc wies Barbette an ihre Frage erneut zu stellen und schob die Planchette auf ja.

„Barbette, dein Mann ist anwesend. Du kannst nun mit ihm sprechen. Stelle nun deine Frage die dir auf dem Herzen lastet.“ Marc ließ das Brettchen kreisförmig über das Board gleiten. Doch etwas war anders als bei den üblichen Sitzungen. Sämtliche Nerven in seinem Körper begannen plötzlich zu schmerzen, besonders die in seinen Armen. Komm stell schon deine Frage du Schlampe, damit ich diesen Scheiß hier beenden kann, dachte er, ließ sich jedoch nichts anmerken. Ich gebe ihr ihre Antwort, die sie sowieso schon weiß und die Sache ist beendet. Mit diesem Gedanken spielte er sein Spielchen weiter.

Schluchzend stellte Barbette schließlich ihre Frage. „Tim, ich weiß zwischen uns lief nicht immer alles so wie es in einer Ehe eigentlich sein sollte. Ich möchte nur das du weißt das ich dich über alles geliebt habe.“

Mein Gott geht mir das auf den Sack dachte Marc. Komm endlich auf den Punkt!

„Aber beantworte mir bitte diese Frage. Hast du mich jemals betrogen?“ Mit tränenden Augen schaute sie fragend auf das Oui-ja-Board.

Eiskalt ließ Marc die Planchette auf das Wort ja rutschen.

Kaum hatte er das getan verspürte er einen enormen Ruck am seinem Hinterkopf. Sein Kopf wurde durch die Wucht zurückgerissen und der folgende Schmerz ließ Tränen in seine Augen schießen. Reflexartig griff er zu dem schmerzenden Punkt, spürte sofort die kahle Stelle und sah das Blut an seinen Fingerkuppen, welches warm an seinem Nacken herunterrann. Jemand hatte ihm einen Büschel Haare samt Kopfhaut ausgerissen.

Barbette hielt die Hände vor die Augen und weinte. Auch ihr Bruder bekam von der Attacke nichts mit und redete erneut tröstend auf sie ein, versuchte sie zu umarmen.

Plötzlich spürte sie einen heftigen Druck in ihren Schläfen und eine Stimme dröhnte in ihrem Kopf. Die unverkennbare Stimme Ihres Mannes. „Ich habe dich niemals betrogen, mein Engel! Bitte glaube mir! Ich liebe dich. Aber bitte geh jetzt!“

Das war endgültig zuviel für Barbette. Panikartig sprang sie auf und verließ den Raum. Die stützende Hilfe ihres Begleiters benötigte sie nun nicht mehr. Sie war sich ihres Bruders nicht einmal mehr bewusst und ließ ihn dort zurück. Doch er ließ nicht lange auf sich warten als er den ängstlichen Blick und die blutige Hand des Gastgebers erblickte und lief ebenfalls hinaus.

Marc starrte auf seine blutigen Finger und ertastete nochmals die kahle Stelle an seinem Hinterkopf. Was zum Teufel war das denn?

Tim Hielt das blutige Haarbüschel fassungslos in seinen Händen. Er hatte es tatsächlich geschafft durch seine unbändige Wut, aus dem Jenseits einen Weg in die irdische Welt zu reißen. Dieses Schwein sollte für seine Lüge büssen und hatte nun gebüßt. Doch dieser von ihm geschaffene Weg blieb nicht unentdeckt. Endlos reihten sie sich hinter ihm auf und wollten an seinem Hass teilhaben. Sie fühlten mit ihm, fühlten seinen Schmerz, die Trauer und seinen Zorn. Dieser arrogante Mistkerl hatte seine Show lange genug gespielt. Er hatte es gewagt sich an der Trauer ihrer liebenden zu bereichern und die Toten zu verspotten.

Schließlich gab Tim den Weg frei und verschwand im Jenseits. Er hatte seine Genugtuung und seine Trophäe, die ihn für immer daran erinnern sollte.

Marc schritt fassungslos und verwirrt im Raum umher. Immer wieder betastete er die blanke Stelle an seinem Kopf und suchte vergeblich nach dem fehlenden Stück Haar, als eine plötzliche Attacke erneut seinen Schädel zurückriss. Zeitgleich dröhnte eine Stimme in seinem Innern. „ You will not fool us again, bastard!“

Der unglaubliche Schmerz ließ ihn aufschreien, wieder fehlte ein Stück Kopfhaut samt Haar.

Er sank auf die Knie und hielt sich schützend die Arme über den Kopf. „ Wer seit ihr! Was wollt ihr von mir!“ Tränen, vermischt mit Blut und Rotz zeichneten sein Gesicht. Verzweifelt versuchte er sich vor den unsichtbaren Angriffen zu wehren, doch vergeblich.

„Jij varken!“ Ratsch! Auch das restliche Haar wurde ihm entrissen. Sein Kopf glich nun einem rohen Klumpen Fleisch an dem einige Hautlappen herabhingen. Das Blut floss in Strömen. „ Nein! Bitte lasst mich gehen!“ Nun wurden Ihm die Kleidungsstücke vom Leib gerissen. Eins nach dem Anderen, bis er schließlich nackt und zusammengerollt, wimmernd am Boden lag. „ Fils de pute!“ Etwas grub sich mit Gewalt in die Haut seines Rückens und entriss einen großen Hautlappen der augenblicklich verschwand. In einem Delirium aus Schmerz und Angst, schlug und trat er umher. Er schrie um Gnade, doch nichts konnte sie aufhalten. „Devi morire!“ Ratsch! Wieder ein Stück Haut, größer als das vorherige wurde ihm entrissen. Jetzt waren die Jenseitigen am Zug und trieben ihr Spielchen mit ihm und das Spiel hieß Bestrafung. Kein Körperteil blieb verschont. Der enorme Blutverlust ließen die Schreie schließlich verstummen und Marc war von seiner Qual erlöst. Trotzdem ließen sie nicht von ihm ab, zerrten an dem Leblosen Körper und nahmen sich ihre Trophäen mit ins Jenseits.

„Das Spiel ist noch nicht beendet. Wir treffen uns auf der anderen Seite, du herzloser Bastard!“ Dann wurde es still im Raum. Noch immer lauerten die Jenseitigen vor der Öffnung zur Irdischen Welt, doch der Körper des Opfers war restlos zerlegt und ins Jenseits befördert worden. Stück für Stück.

 

 

 

 

 

 

….die ruhelos irrenden Toten, werden sichtbar, wenn das Herz nah am zerspringen ist, und Bilder, die besser verborgen blieben, treten unabweislich vors Auge……

 

 Clive Barker – Das Buch des Blutes

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