Romane & Erzählungen
Ich warte auf dich 2.

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"Ich warte auf dich 2."
Veröffentlicht am 28. Juli 2010, 30 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

«Ein Spielzeug gibt zuerst Genuss durch seine Erscheinung, und dann Heiterkeit durch seinen Gebrauch.»
Ich warte auf dich 2.

Ich warte auf dich 2.

Beschreibung

Da bei meinem anderen Buch schon so viele Seiten beim 1sten Kapitel sind tue ich hier das 2te hin. Also sollte man erst das erste Buch lesen. Viel spaß : )

Abschied - aber nicht für immer.

Er wusste, was ich vor hatte. Ich glaubte, dass er es schon seit langem gewusst hatte. Aber ich wollte ihm nicht in die Augen sehen ... ich wollte nicht mehr schwach sein. James würde immer für mich da sein. Er würde mich nicht enttäuschen. Ich drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange, unterdrückte die aufkeimenden Tränen und stieg aus.


Blindlings stückelte ich durch die riesige Eingangshalle und marschierte Richtung Fahrstuhl. Ich lehnte mich an der kühlen Metalwand. Eine Träne entwich meinen zusammengepressten Wimpern und kullerte über meine Wange. Mit einer zitternden Hand wischte ich sie hin fort und hoffte, dass es die einzige Tränen blieben würde. Oben angekommen ging ich gedankenlos ins Wohnzimmer und drückte auf den blinkenden Knopf des Anrufbeantworters. Wie immer... Es waren fünf Nachrichten.

Während die Stimme von Dave ertönte, zog ich mir meine Schuhe aus. Für mich war die Stimme nur noch ein Hintergrundgeräusch: «Schatz, es tut mir leid, ich hoffe du bist noch nicht los. Ich werde es heute nicht schaffen, ich werde es wieder gut machen.» Dave 16:25 Uhr.

Selbst als die zweite Nachricht kam, reagierte ich nicht: «AAh! Jasper bist du irre? Du kannst mir doch nicht das Telefon aus der Hand nehmen, wenn ich Kiki anrufen will. Gib her!» Jasper keuchte: «Mary lass sie doch in Ruhe, ich hab so ein Gefühl, dass sie auf Shoppen keine Lust hat.» Mary stöhnte laut: «Du und deine Gefühle. Na klar hat sie Lust. Heute haben die Läden 24h offen, gib her!» Jasper knurrte fast: «Nein Mary! Aua hör auf mich zu beißen! Aaa, lass mich los!» Dann kam das Tuuut, tuuut, tuuut. Mary/ Jasper 17:55 Uhr.

«Haaaaaaaaaaallllo Kikilein, na wer bin ich? Mann, bist du gut – natürlich bin ich Mary, wer auch sonst? Ich wollte dich Fragen ob du heute schon was vor hast, weil Dave mich ansprach, dass er keine Zeit hat. Irgend so ein Notfall und hat mich gehen lassen, aber anscheinend hast du schon was vor sonst würde ich nicht deinen Ab voll labern. Naja ist ja auch egal. Bis bald Kaylin» Mary 18:05 Uhr.

«Hey Kay, ich bin’s dein geliebter Bruder. Ist alles in Ordnung mit dir? Ich hab so ein komisches Gefühl. Bitte melde dich bei mir, wenn du wieder da bist. Ich liebe dich, Kaylin» Jasper 19:45 Uhr.

«Hallo hier spricht Louisa Wulf, ich soll ihnen mitteilen das ihr Mann doch noch länger in der Praxis bleiben muss, ein Notfall kam dazwischen... Kaylin es tut mir Leid» Louisa 20:15 Uhr.

Ich biss mir auf die Lippe. Großartig. Jetzt bekam ich sogar Mitleid von seiner Assistentin. Konnte es noch schlimmer kommen? Ich glaubte nicht. Seufzend griff ich nach dem Telefon, lief in Richtung Schlafzimmer und wählte die mir vertraute Nummer. Ich wusste, dass er dran gehen würde. Er ging immer dran...

«Parker.»

Ich atmete tief ein. «Hey Jasper. Ähm mir geht es gut, ich war nur ein wenig draußen...», meine Stimme verlor sich.

Ein paar Sekunden hörte ich nichts mehr und griff nach meiner Brust. Mein Herz schlug noch immer viel zu schnell. «Er hat dich wieder sitzen lassen…», seufzte Jasper. Eine Spurt Zorn war in seiner Stimme wahr zu nehmen.

Nickend holte ich drei Koffer unter dem Bett hervor. Zielstrebig ging ich zum Schrank und griff hinein. Wahllos warf ich Kleidung, Schuhe, Unterwäsche, Socken und sonst noch was in die Koffer.  

«Aber das war nur wegen den beiden Notfällen», sagte ich überzeugend. Wen ich damit überzeugen wollte, wusste ich nicht.

Jasper schnaubte verächtlich. «Kaylin, ist es nicht immer ein Notfall? Wenn er nicht Mary's Bruder wäre und du ihn so sehr lieben würdest, hätte ich mich schon lange verloren. Es ist mir auch scheiß egal, ob er mein bester Freund ist oder nicht. Du bist meine Schwester ... und verdammt unglücklich. Kay, ich will dir doch nur helfen. Du bist und wirst immer unglücklicher mit ihm. Vielleicht ... vielleicht habt ihr es zu schnell angehen lassen.»

«Vielleicht hast du recht...» seufzte ich und schluckte.

Ich spürte wie meine Augen juckten und die Dämme anfangen zu brechen wollten. So gut wie möglich hielt ich es zurück und lief durch die Wohnung. Wie gelähmt nahm ich meine restlichen Sachen – Bücher, Kosmetika, Schmuck, Bilder –, und packte alles in den Koffer hinein. Ich hatte nicht mehr viel Zeit zu verlieren.

«Es tut mir leid, aber es ist die Wahr- ... Warte. Was? Hast ... hast du mir gerade Recht gegeben?» Er machte eine Pause. «Kaylin ist alles in Ordnung? Ich spüre, dass du irgendwas vor hast...»

Natürlich spürte er es. Er spürte alles...

«Jasper, vertraust du mir?» Es war eine Rhetorische Frage, weil ich wusste, dass er es tat.

«Ja, das weißt du doch, aber was hat es jetzt damit zu tun? Kaylin, du wirst doch nicht...»  

Er beendete den Satz nicht. Ich dachte, dass er schon wusste, was ich tun würde. Ich schloss die Koffer und zog ein nach den anderen in den Flur. Als ich aus dem Fenster schaute, fröstelte es mir. Über den Straßen sah ich den ersten Blitz, gefolgt von einem heftigen Donner. Schnee und Hagel prasselten so heftig gegen die Fenster, dass ich jeden Augenblick damit rechnete, die Scheiben würden splitternd ins Zimmer gedrückt.

«Wenn du mir vertraust, dann bitte frag nicht. Sag Mary, dass es mir leid tut.» Ich presste meine Lippen zusammen und atmete zittrig aus. «Jasper, du hattest recht. Es war zu früh.»

Mit den lezten Worten legte ich auf. Ich konnte den Pulsschlag unter meinem Kinn spüren. Ganz langsam – beängstigen langsam – zog sich meine Kehle zusammen und wurde brennend heiß. Mit zittrigen Fingern drückte ich auf das Blackberry und stellte es auf stumm. Ich wusste, dass Jasper anrufen würde; aber ich wollte nicht ran gehen. Das Klingeln hätte mich abgelenkt.

Ich trug die Koffer in den Fahrstuhl und fuhr hinunter. Während ich versuchte die Dinger hinter mir her zu schleppen, zückte ich mein Handy und wählte James Nummer.

«Hallo Kaylin.»

«Hey James, woher weißt du das ich es bin?» Ich schluckte und das schmerzte, weil meine Kehle jetzt völlig trocken war. «Naja ist ja auch egal. Kannst du kommen? Ich warte unten in der Halle auf dich. Bitte.»

«Ja, ich bin in 5 Minuten da.»

«Danke» sagte ich, ehe ich auflegte.

Mit schwirrendem Kopf, lehnte ich mich gegen die eiskalte Wand. Ich fühlte wie die Kälte des Betons durch meine Haut kroch und meine Knochen zum Erzittern brachte. Mein Inneres fühlte sich leer an. Ein Vakuum. Nach fünf Minuten war James da. Er lächelte mich traurig an, als er mich sah. Ich lächelte nicht zurück – ich war nicht in der Lage dazu.

«Danke, James» sagte ich dankbar.

«Kay, für dich immer.» Er streckte seine Hand und berührte meine Schulter. «Ich werde die Koffer zu mir fahren. Du wirst bei uns einziehen; keine Sorge, Bethy würde sich freuen. Wenn du alles mit Dave ... geregelt hast, rufst du mich an. Ich werde dich abholen ... oder liege ich falsch und Dave kommt mit?» murmelte er, obwohl er die Antwort wusste.

Ich schüttelte den Kopf. «Nein, er kommt nicht mit. Und ihr braucht mich nicht aufzunehmen – ich ziehe in irgendein Hotel. Ich will euch nicht belästigen.»

Als James die Augenbrauen zusammen zog, zuckte ich zusammen. Seine Augen glitzerten – er war wütend. «Kaylin, du belästigst uns doch nicht. Du rufst mich nachher an und ich hol dich ab – keine Widerrede. Viel Glück.» Sein Ton war weich und doch klangvoll.

«Danke.» Es hatte keinen Sinn mich zu weigern.

Er verschwand durch die Türen und ich drehte mich um. Mit gesenktem Kopf fuhr ich wieder und griff nach meiner Handtasche. Dave hatte sie mir damals gekauft – von seinem ersten Lohn. Er war sehr stolz gewesen. Damals war es mir egal, was er mir gekauft hätte, denn alles was von Dave kam, war wunderschön.

Meine Finger zitterten immer schlimmer, als ich nach seiner Schranktür griff. In meinen Augen staute sich das Wasser und ich sah alles nur noch verschwommen. Ich zog zwei T-Shirts und eine Boxershorts von ihm aus dem Schrank und stopfte sie in meine Tasche. Schließlich ging ich ins Wohnzimmer, setzte mich auf die Couch und nahm mein Handy.

40 Anrufe in Abwesenheit und 4 Kurznachrichten.

16 Anrufe von Jasper.

11 Anrufe von Mary.

8 Anrufe von Roberto.

5 Anrufe von Lynn.

Jasper ist so eine Petzte!


‹Kaylin,
Geh an dein scheiß Handy ran.
Bitte… ich hab Angst um dich.
Lass uns Reden.
Ich liebe dich, Jasper.›


Schon wieder Jasper: 


‹Verflucht noch mal Kaylin,
geh jetzt ran oder… oder ich komme vorbei.
Glaub mir, dass ich eure gottverdammte Tür eintreten werde! ›


"Verdammt noch mal Kaylin, geh ran!
Jasper"


‹Ok es reicht mir, ich gebe es auf.
Du hast gewonnen, du willst deine Ruhe.
Bitte melde dich, falls was ist.
Du weißt, dass ich immer für dich da bin.
Ich liebe dich, Jasper.›


Es war jetzt 22:00 Uhr. Die letzte Nachricht war vor einer Stunde. Ich verzog keine Miene, lehnte mich zurück und wartete...

22:30 Uhr. Ich schaltete den Fernseher ein – zappte durch die Kanäle.

23:00 Uhr. Es lief nur Schrott und Dave war immer noch nicht da.

23:30 Uhr. Immer noch nicht...

00:00 Uhr. Ich fing an hin und her zu laufen.

00:30 Uhr. Die Wohnung sollte vielleicht geputzt werden.

01:00 Uhr. ...

01:30 Uhr. Die Wohnung glänzte.

02:00 Uhr. Ich legte mich wieder auf die Couch und schlief ein.

Es war Punkt 03:00 Uhr morgens, als mich das Pling des Fahrstuhles aus dem leichten Schlaf riss. Ich schluckte das Unbehagen hinunter das mich befiel. Mein Herz dröhnte, als ich mich aufsetze und den Schlaf aus den Augen rieb. Ich streckte meine Beine aus und versuchte Gefühl in meinem Körper zu legen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Es war wo weit.

Ich lauschte. Er stellte seine Tasche leise im Flur ab und zog sich die Schuhe aus. Ich erkannte an dem mir vertrauten Rascheln, dass er seine Jacke auszog. Ich hörte leise Fußschritte in Richtung Schlafzimmer. Ich stellte mir vor meinem geistigen Auge vor, wie er die Tür öffnete und den Raum leer vorfand.

Er schloss die Tür und kam ins Wohnzimmer herüber. Dave hatte noch keine Ahnung was gleich passieren würde. Doch ich hatte meine Wahl getroffen ... ich würde ihm vielleicht noch ein Ultimatum stellen, wenn er sich doch weigern würde. Ich wusste, dass er mich liebte, genauso, wie ich ihn liebte. Aber ich war beinahe am Ende angekommen.

Im Wohnzimmer war es dunkel, als sein Handy los ging. Ich schmunzelte, als er versuchte es so schnell wie möglich aus der Hosentasche zu holen. Er wollte mich nicht wecken – süß –, schließlich wusste er nicht, dass ich schon wach war. Im schwachen Licht konnte ich seine Gestalt erkennen. Die sportliche Figur, das kantige Gesicht und die zerzausten Haare.

«Wer stört?» zischte er wütend. Irgendjemand redete auf ihn ein, denn ich konnte sehe, wie er sich genervt seine Nasenrücken massierte. «Verdammt! Nein ich hab euch gesagt– Nein! Sag Peter doch was du willst.» Dave atmete laut aus und fuhr sich mit der Hand durch sein wirres Haar – die Bewegung sah unglaublich geschmeidig und gekonnt aus. «Bye.»

«Dave», sagte ich leise und er zuckte zusammen, richtete sich sofort auf und schaute mich langsam an.

Seine smaragdgrünen Augen verschmolzen mit meinen. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus und mein Herz setzte zwei Schläge aus. Sein Haar glänzte in dem schwachen Licht. Ich lächelte. Die Schönheit seiner Augen, die roten Lippen – die sich zu einem schiefen Lächeln verzogen, der die makellose helle Haut besonders hervorhob.

Auf seiner Nase tummelten sich winzige Sommersprossen. Sein kantiges Gesicht, die perfekt gebogene Stirn, die langen Wimpern, das markante Kinn und die weißen Zähne. Er war der Mann, den ich liebte und immer lieben würde. Egal, was jetzt passierte.

Er machte ein schuldbewusstes Gesicht und kam auf mich zu. «Gott Baby, hab ich dich geweckt? Tut mir leid das wollte ich nicht. Louise musste nur kurz mir was erklären. Ich hab eine tolle Neuigkeit für dich, uns.» Seine Grünen Augen leuchteten.

Das schlechte Gewissen setzte ein. Er hatte tolle Neuigkeiten für uns. Der Gedanken erschlich sich mir, dass ich vielleicht James anrufen sollte und ihm sagen, dass er meine Koffer heute Nachmittag bringen sollte... Aber den Gedanken verwarf ich wieder. Ich hatte mir einen Plan in den Kopf gesetzt, egal, was das auch für Folgen für mich haben würde. Ich musste jetzt stark sein.

«Ich muss mit dir reden, Dave» sagte ich ruhig und deutlich.

Sein Gesicht leuchtete – es war eine Mischung aus funkelnden Augen und glühender Röte. «Du mir auch? Darf ich zuerst? Bitte, bitte.»

Dave war ganz aufgeregt. Mein Herz drückte sich zusammen, als ich in seine Augen die Aufgeregtheit und Liebe las. Die einzige Frage, die mein Gehirn durchströmte, war, seit wann er mich wieder so ansah? Es war das Interesse, was mich lächeln ließ. Er hatte wirklich Interesse an mir... Er wirkte wie der Mann, den ich geheiratet hatte.

«Ja sicher, Schatz», lächelte ich.

Ich wusste nicht ob das Lächeln echt oder falsch war. In mir drinnen sah es verdorben aus – doch etwas schimmerte. Ein schwaches Gefühl keimte in mir auf, dass ich nicht kannte. Es war, als wüsste ein Teil meines Gehirns, dass sich etwas anbahnte. Aber es war sein Gesicht, das mich zum Schweigen brachte, das mir das Wort auf der Zunge ersterben ließ, das mir mein Poch-poch-poch in meiner Brust zu Bewusstsein brachte und eine leise, unbestimmte Furcht in mir weckte.

Dann zögerte er plötzlich: «Nein, Kaylin. Sag du es zuerst.»

«Aber, ich dachte...»

Er berührte meine Schulter und lächelte selig. «Ich kann warten.»

«Du...» Ich verschluckte mich an den Wörtern. «Du kannst warten?»

«Natürlich.» Sein Gesicht verzog sich leicht, aber er gewann seine Beherrschung wieder. «Ich kann warten.»

Seine Hände glitten von meiner Schulter. Ich wich zurück, als ich den verwirrten Ausdruck auf seinem Gesicht las. Er zog die Stirn kraus und breitete seine Arme aus. Es war eine warme, herzliche Geste, doch ich blieb wie angewurzelt stehen. Er war alles um. Mit einem Mal warf er alles um - einfach so.

Ich kann warten, hallte es in meinem Kopf wieder. Ja, aber ich konnte nicht warten, denn ich hatte allzu lange gewartet. Ich hatte die letzten Jahre nichts weiter getan, als zu warten. Gewartet, gewartet, gewartet und wieder gewartet. Doch das Warten hatte sich nicht gelohnt, auch wenn es jetzt den Anschein machte, als ob sich etwas ändern würde. Eigentlich wusste ich, was sich ändern würde...

«Ich liebe dich.» Meine Stimme klang liebevoll und zugleich entschlossen. Und er bemerkte es. Er starrte mich ausdruckslos an. «Dave, ich liebe dich. Das tue ich vom ganzen Herzen. Ich liebe dich, aber...»

Aber. Dieses Aber... es war der Anfang vom Ende. Jeder Mensch wusste, dass ein Satz mit «Ich liebe dich, aber...» anfängt, dass Ende jeder Beziehung bedeutet. Und meine Worte verfielen dem Ziel nicht. Ich brauchte nicht auszureden, denn ich sah es in seinem wunderschönen Gesicht. Seine Lippen wurden weiß, seine Augen traten aus den Höhlen und er hatte eine ungesunde Blässe.

«Waa-a-as? Kaa-yll-llin wa-a-s redest du?», stotterte er tonlos.
«Dave.» Ich warf ihm einen Blick zu. Ich schien die Worte in meinen Händen zu sammeln, sie wie Teig zu kneten und sie über die angespannte Luft zu ihm zu werfen. «Ich kann nicht mehr.»

Das Unbehagen schnellte mir mit einem Mal den Hals hinunter – es war, als würde ich etwas Heißes und Schreckliches schlucken, widerliche Medizin, die einen plötzlich wie verdammte Elektrizität glasierte. Er sah mich mit einem Blick an, der mir Angst machte, er sah kalkweiß aus, ich wusste nicht was ich tun sollte. Auf einmal fing er hysterisch an zu lachen, er machte mir eine scheiß Angst.

«Es tut mir leid, Dave.», sagte ich aufrichtig.

«D-d-uu  verarschst mich oder? Wahrscheinlich sind hier irgendwo versteckte Kameras. Heilige scheiße Kay du hast mir Angst gemacht, mach das nie wieder», er lachte zwar immer noch hysterisch, aber schien er jetzt wütend auf mich zu sein?

«Dave, bitte beruhige dich. Hier sind weder versteckte Kameras, noch verarsche ich dich. Es tut mir leid!», sagte ich verzweifelt.

Er hörte auf zu lachen und starrte mich an. Nein, er starrte mich so an, als wären mir plötzlich Hörner gewachsen. Alles war er tat, alles was ich tat, war, stumm zu starren. Wir schauten uns an, doch ich sah nichts. Sein Blick war leer, als wäre alles in ihm vollkommen ausgelöscht. Und ich wusste, dass jetzt eine Welt für uns zerbrechen würde.

«Weißt du, wie lange ich gewartet habe?», fragte ich – ein vergängliches Lächeln auf den Lippen. «Jahre. Ich habe Jahre auf dich gewartet Dave, aber du kamst nicht… Und ich glaube, dass ich genug gewartet habe. Es fühlt sich an, als hätte ich die Zeit verloren – Zeit, die ich hätte mit dir verbringen können. Ich möchte dich vor keine Wahl stellen, denn es ist mir bewusst, dass du deine Arbeit liebst. Und ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, dass ich dich ... gehen lassen kann.»

Nichts. Kein Wimpern zucken, kein blinzeln mit den Lidern, kein öffnen des Mundes, kein Zucken – das absolute Nichts. Plötzlich war es, als würde ich mich in diesem Strudel des Nichts befinden. Dieses klanglose Nichts erfüllte meinen Magen und meine Brust mit einer Hitze, die nicht angenehm war. Mein Mund zitterte. Ich hatte die kalten Arme überkreuzt.

Auf einmal war es in dem Raum so kalt, dass die Kälte selbst durch meine Kleidung kroch. Gefrorene Tränen hingen auf meinem Gesicht und bis dahin hatte ich nicht bemerkt, dass sie mir entwischt waren. Es war erstaunlich, dass mein Körper dieses verräterische Wasser noch produzierte, aber vielleicht sollte es meinen Abgang dramatisieren. Ich wusste es nicht.

Meine Augen waren kalt und braun – wie Kaffeeflecken –, und auch ich fühlte das Nichts. Als würde er mich damit anstecken. Ich wusste nicht wie ich das Nichts interpretieren sollte und machte das Beste daraus, bevor ich in mich zusammen fallen würde. Die Tränen brannten sich in meine Haut und hinterließen unsichtbare Narben.

Die kalten Füße meines Körpers setzten sich in Bewegung, während ich meine Arme löste. Er stand noch immer tonlos da, versteinert, resigniert und unantastbar. Als ich mich nach oben streckte kroch mir sein unvergleichlicher Männerduft durch die Nase. Berauschend und zugleich giftig. Meine Lippen drückten sich auf seine blassen, leblosen Lippen.

«Ich liebe dich, Dave.» Ich streichelte seine Wangen und meine Tränen brannten noch stärker. «Dave, vielleicht hatten die Leute damals recht. Wir waren blind vor Liebe, ohne an die Zukunft zu denken. Es tut mir so wahnsinnig leid.»

Doch diesmal fraß das Nichts mich auf. Es setzte sich in mein Herz, zerstach es und bereitete mir Schmerzen. Es gab kein Zurück mehr, das wurde mir auf einen mal blutig bewusst. Es gab kein Zurück mehr. Und ich wusste, dass die Schmerzen nicht verschwinden würden – nicht morgen und auch nicht heute. Aber vielleicht irgendwann, wenn ich alt und zu nichts mehr zu gebrauchen war.

Ich lief zum Fahrstuhl, nach dem ich bemerkt hatte dass Dave nicht mehr reagierte. Die Türen öffnete sich mit einem lauten Pling, was mich zusammen zucken ließ. Es war das einigste Geräusch, ich war mir nicht mal sicher ob Dave noch atmete, aber um mich um zu drehen, traute ich mich nicht, weil ich innerlich anfing zu bluten.

Schwankend stieg ein und fuhr runter. Während ich fuhr wählte ich James Nummer. Es klingelte einmal und dann legte ich wieder auf. Die momentane Situation verschlug mir die Sprache und das Nichts nutzte es aus und verpulverte sie irgendwo. Splitternde Tränen rollten über meine blassen Wangen und setzten sie in Flammen. Flammen der Schuld. Ja, ich hatte Schuldgefühle.

Das Schluchzen zerbrach die Stille. Mein Körper bebte, hob und senkte sich heftig – erdrückte mich dabei. Mit stummen Schreien floh ich aus der Eingangshalle und drückte die Türen auf. Draußen war es so, als ob die ganze Erde in Schnee gekleidet wäre. Auf dem Bürgersteig verliefen Fußspuren, eingesunken bis zum Schienbein. Die Bäume trugen Decken aus Eis und Regen.

Dann über mahnte mich der Schmerz und das Nichts war verschwunden. Wie die Sonne, die verschwand, wenn der Tag zu Ende ging. Es war weg und nur noch ich war da – halb vom Schnee verschneit, frierend, verletzt, schuldig und mit Eissplitter auf den Wangen. Mein Herz klopfte, obwohl es in meiner Brust zerstochen war und es gab mir Hoffnung. Es gab mir noch Hoffnung, dass ich lebte...

Alles lief an mir vorbei, ich schien nicht in dem Stück mit zuspielen. James holte mich ab, sprach nicht mit mir – ich hätte und könnte ihm so oder so nicht antworten –, brachte mich in das Auto und löschte das Licht. Die Dunkelheit umgab mich wie ein Mantel und hielt mich in sich gefangen. Ich tat es ihr gleich und schloss die Augen. Es war vorbei.

 

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