Hass 3
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Ich fühle mich total einsam. Marion ist mit Paul und den Kindern nach Teneriffa geflogen. Der Rest der Bande macht in Happy-Family. Moni und Gerhard, die sind die einzigen, die zu Hause sind. Sie sitzen genau wie ich hinter dem warmen Ofen. Immer wenn ich anrufe, hat Moni keine Zeit oder will zurückrufen, macht das natürlich nie. Sie kann mich mal! Wirklich! So nötig habe ich sie nun auch wieder nicht. Das einzige worauf ich mich jeden Abend freue ist, Harry´s  Anruf. Er schildert das Leben in Kairo so exotisch, bunt und märchenhaft, dass ich fast glaube selbst dort zu sein. Leider sucht er immer noch nach einer Bleibe für uns. Die Firma für die er arbeitet sucht sehr gewissenhaft, aber das eine Haus ist zu groß, das andere zu teuer oder es muss erst renoviert werden, bis jetzt sieht es nicht nach einem baldigen Umzug für mich aus. Ich habe solches Heimweh nach ihm. Vorhin hat Moni angerufen und wollte hören wie es mir geht „Nun lass doch den Kopf nicht hängen, er ruft dich doch jeden Tag an“. Es tat mir so leid, dass ich sie abwürgen musste, aber Harry ruft immer um 19 Uhr an und da möchte ich die Leitung frei haben. Später habe ich versucht sie zu erreichen, aber es war dauernd besetzt. Schade, ich dachte sie freut sich, wenn ich ihr von Kairo erzähle, es ist doch auch ihre Lieblingsstadt.
Wir waren sicher in früheren Leben mal dort. Moni als Prinzessin und ich sicher als ihre Bedienstete. Nein, das trifft mich nicht, sie ist einfach die Selbstbewusstere von uns Beiden. Ich bin nicht zur Herrscherin geboren, echt nicht, ich bin viel zu angepasst. Monika dagegen hat, egal was sie anhat oder was sie macht, sie hat ihren Auftritt. Immer, sie fällt auf, mal positiv, mal negativ, aber jeder nimmt sie wahr. Harry sagt immer, sie ist eine Granate, wer die hat, der weiß nicht, was in der nächsten Sekunde mit ihm passiert. Ich muss ihm recht geben, sie ist unberechenbar.
Tagsüber bin ich im Büro. Natürlich könnte ich mich mal mit einer meiner Freundinnen treffen, aber das geht nicht. Ich beeile mich so, dass ich pünktlich nach Hause komme. Harry ruft grundsätzlich um sieben Uhr an und wenn ich nicht da bin, muss ich auf den nächsten Tag warten. Mit dem Bus schaffe ich es gerade, aber wehe der hat Verspätung, dann sitze ich schon auf heißen Kohlen und könnt sofort losweinen, weil ich doch seinen Anruf dann verpassen könnte. O Gott, ich bin wirklich abhängig. Moni hat recht: „Was ist denn dabei, wenn du ihn mal einen Tag nicht hörst. Davon geht doch die Welt nicht unter. Man könnte meinen du bist ein kleiner Hund, der seinem Herrli nachjammert. Werd doch irgendwann mal erwachsen. Stell dir nur vor, er lernt mal eine andere Frau kennen, was machst du denn dann?“ Also bitte, warum soll Harald denn eine andere Frau wollen, er hat doch mich und er liebt mich, dass sagt er mir schließlich jeden Abend. Sie ist neidisch, ich merke das immer mehr. Sie hetzt nur noch gegen meinen Schatz. Ich glaube sie ist so, weil sie ihm nicht verzeiht, dass er mich bald nachholt. Man muss böse sein, sonst hält man den Schmerz nicht aus und auch die Trennung nicht. Wenn man alles schlecht macht, kann man leichter loslassen. Ich weiß wirklich nicht wie ich mich verhalten würde, wenn Gerhard und Monika so weit weg gehen würden. Nein ich wäre nicht eifersüchtig, ich würde mich eher auf einen Besuch in Kairo freuen. Aber jeder Mensch geht ja anders mit Abschied um.
Alle 2 Wochen kommt mein Liebster nach Hause.Meist ist er dann müde, was ich natürlich verstehen kann. Schon der Klimawechsel macht ihm zu schaffen und dann die ganze Arbeit, die Suche nach dem Haus und der Verkehr. Es muss schrecklich sein, diese vielen Autos und keine Verkehrsregeln. Die Autos bleiben einfach auf der Straße stehen, der Fahrer steigt aus und schreit den Vordermann an. Neulich hat Harry gesehen, wie es mitten auf einer Kreuzung eine Messerstecherei, wegen eines Auffahrunfalls, gab. Sie fahren einfach alle zur gleichen Zeit und peng, kracht es.
Eine kleine ganz süße Brosche hat er mir mitgebracht. Es ist eine kleine Schlange, mit grünen Smaragdaugen, der Körper ist mit kleinen Diamanten und Rubinen bestückt, wenn ich sie in der Sonne bewege, sieht es aus als würde sich die Schlange bewegen. Naja er hat 2 Anstecknadeln mitgebracht, im Doppel hat er eine für den halben Preis bekommen: „ Schenk eine Moni, dann zickt sie nicht mehr rum, oder gib sie einer deiner anderen Ladies.“. Mein Mann ist wirklich ein Schatz, er weiß wie sehr ich darunter leide, dass meine Freundin so auf Distanz geht. Natürlich bekommt Moni die kleine Schlange. „Geh“, sag ich zu ihm, „schenk du sie ihr doch, sie freut sich bestimmt, dass du an sie gedacht hast“. Entrüstet schaut er mich an: „ich soll deiner Freundin ein Geschenk mit bringen, sag mal, irgendwie tickst du doch nicht richtig, was soll denn Gerhard von mir denken?“ Wie? Was soll er denken? Nichts! Was ist denn dabei, ein Andenken aus Ägypten mitzubringen, also ich finde nichts dabei. Männer sind manchmal schon echt kompliziert. Ich packe das kleine Mitbringsel, naja kleines Mitbringsel ist ja nun auch untertrieben, die muss ein Vermögen gekostet haben, diese kleine magische Schlange. Ich lege sie in das kleine mit rotem Samt ausgeschlagene Herzchen. Ich habe solchen Schnick-Schnack immer in Reserve zu Hause. Ja ich weiß, ich bin ein bisschen kitschig, aber ich mag so etwas halt so gern und Moni auch, da sind wir uns absolut einig, rot und Samt und Herzchen, das ist genau unser Ding. Ja und Schmusemusik nicht zu vergessen.
Am nächsten Morgen fährt Harry einkaufen. Ich rufe bei Moni an und will fragen, ob sie Lust haben uns zu besuchen. Ich möchte ihr doch so gern das Herz geben und sehen was sie für Augen macht, wenn sie das Schmuckstück sieht. Schade, nur Gerhard ist zu Hause: „Mona musste nochmal in die Stadt, aber sie wird wohl bald zurück sein. Kommt doch einfach zu uns, das ist doch viel einfacher und bis meine Süße wieder zu Hause ist, seid ihr schon hier. Ich koch uns was Schönes und wir machen es uns gemütlich. Na was ist?“ Gute Idee denke ich, das Einkaufen wird sicher nicht ewig dauern und dann fahren wir gleich los. Super, Gerhard kocht wie ein 5 Sternekoch. Nicht nur das, dass Essen schmeckt, er deckt auch den Tisch mit ganz viel Liebe. Manchmal frage ich mich, was macht so ein lieber sanfter Mann, mit so einer Powerfrau, wie Moni. Er liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Obwohl er irre gut aussieht und fast 1,90m ist, wirkt er neben ihr wie ein kleiner Junge. Vielleicht liegt das auch nur an seinen braunen Augen, wenn die blau wären, würde er sicher verwegener aussehen. Man was mach ich mir für Gedanken, das kann mir ja nun echt egal sein.
Nachmittags um fast 4 Uhr kommt Harald endlich nach Hause. „Du glaubst nicht, wen ich getroffen habe, ach den kennst du glaub gar nicht, oder kennst du den Matze, klein dick, Brille? Nein den kennst du garantiert nicht. Wir gingen zusammen auf´s Gymnasium, ein Irrer sag ich dir. Wir haben total die Zeit vergessen, lag irgendetwas an?“. „Nicht mehr“ sage ich traurig, „Gerhard wollte für uns kochen, wir sollten zu ihnen kommen. Bitte lass uns doch noch fahren, bestimmt hat er irgendwas ganz gourmetmäßiges für uns gezaubert.“ Wenn Blicke töten könnten, dann wär ich jetzt mausetot. „Also bitte, ich bin im Moment zur Tür rein und du willst den Abend lieber mit deiner Freundin und diesem Softbärli verbringen, als mal mit mir gemütlich zusammen zu sitzen. Ich habe wirklich genug um die Ohren und ich wünsche mir endlich mal nur dich und mich. Ist das denn zu viel verlangt?“ Nein ist es nicht. Ja ich muss zugeben er hat recht. Statt einen gemütlichen Abend zu Hause vorzubereiten, muss ich Freunde besuchen. Wir haben doch schon so wenig Zeit für uns. Am Montag bin ich schon wieder alleine und dann jammer ich, dass Harald nicht da ist. „Wenn du willst“ sagt er versöhnlich „ können wir ja zu ´Toni`, ich hätte Lust auf Scampi´s, was meinst du, klingt doch gut, oder? Ich möchte einfach nur mit dir alleine sein. Zieh dir was Hübsches an und steck die Haare hoch, das gefällt mir besser, als das Lockengewirr“. Nun könnte ich echt losheulen. Ich habe mich extra den ganzen Vormittag mit dem heißen Lockenstab abgemüht, damit meine Haare nach einer Wuschelmähne aussehen und jetzt gefällt ihm das nicht. Die Idee mit den Locken kam von Monika, sie meinte ich sollte mal ein bisschen mehr auf Vamp machen, wenn mein Mann nach Hause kommt. Das war wohl ein Schuss in die falsche Richtung. Ich bürste so lange bis die Haare wieder ihre normale Struktur haben, dann zwirbele ich sie um die Hand, schlage alles nach innen und steck sie mit einer goldenen Spange fest. Ein paar Strähnen ziehe ich noch aus dem Gesamtkunstwerk und dann kommt die große typische Frauenfrage: was zieh ich an? Meiner Stimmung zufolge entscheide ich mich für das schwarze Samt-T Shirt und den weißen langen Rock. Der Blick in den Spiegel sagt mir: Du siehst gut aus. „So willst du gehen? Der Rock ist unmöglich, hast du denn nichts anderes?“ „Nein Harry, so will ich nicht gehen, ich gehe nämlich ins Bett“. Die Tränen sieht er nicht oder will sie nicht sehen, es ist mir auch sowas von egal, was er gerade denkt. Es ist mir echt Scheißegal.
Eigentlich müsste ich Gerhard oder Moni anrufen, aber die würden sofort merken, dass bei uns dicke Trauerluft ist. Ich nehme mir vor, das morgen zu machen. Diskussionen, warum bei uns gerade Disharmonie herrscht, das kann ich im Moment echt nicht gebrauchen. Ich höre Monikas Stimme ganz deutlich: ´warum lässt du dir das denn alles gefallen, wehr dich doch mal, mach doch mal den Mund auf, sei doch mal ein bisschen weniger verhuscht, sag du doch mal, was du willst´. Ja ich weiß, dass sie recht hat, aber ich will auch Frieden haben, wenn er da ist. Harald ist halt nicht so ein Lamm, wie Gerhard. Ja und ich muss zugeben, dass ich Gerd ein ganz klein wenig langweilig finde, falsch, er ist eine ganz ganz liebe Schlaftablette, der noch den Boden küsst, auf dem seine Frau geht. Lieb aber öde ist er.
Als Harald ins Bett kommt, schlafe ich tief und fest. Im Traum haben die beiden kleinen Schlangen miteinander gekämpft, es war schrecklich. Ich wollte sie trennen, aber sie haben ihre glühenden Leiber immer und immer wieder ineinander verschlungen die gespaltenen Zungen zischten ganz unheimlich. Ich werde munter, weil ich etwas an meiner Wange spüre, die Schlangen, die kleinen Schlangen, denke ich. Nein, es ist Harry, der mir mit dem Zeigefinger ganz sanft und zärtlich über mein Gesicht fährt: „Lust auf Kaffee, meine Königin?“Mit einem Ruck reißt er mir die Decke weg, nimmt mich auf den Arm und trägt mich an den Frühstückstisch. „Zugenommen, mein Schatz?“, lacht er und findet seinen GutenMorgenScherz nun wirklich sehr gelungen. Ich nicht, ich könnte gleich wieder losheulen. Muss er das denn jetzt machen? Warum macht er das? Er weiß doch, dass es mich traurig macht, wenn er auf meine 2-3 Kilo zu viel anspielt……….
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 Fortsetzung folgt….
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©UteAnneMarieSchuster 17.6.2010
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