Romane & Erzählungen
Hass - darf man hassen, nur weil man liebt?

Hass.

Darf man hassen, nur weil man liebt? Oder ist Hass grundsätzlich eine ganz miese Sache, die gar nicht geht. Ich bin oder besser, ich war hassfrei, immer, na gut, bis zu dem Tag, an dem ich fast zur Mörderin geworden wäre.

 Ist es auch Mord, wenn man sich selbst umbringt, oder zählt das eher zur Rubrik: Verzweiflungstat. Ja und dann müsste Mord aus Liebe, doch eigentlich entschuldbar sein, denn es ist ja auch nur eine Verzweiflungstat, oder irre ich. Somit würde ich, wenn ich denn Staatsanwalt wäre, in beiden Fällen auf Totschlag? Hilf Himmel, NEIN, wie hört sich das denn an, also ich würde auf Freispruch plädieren. Punkt aus.

Nun da die Sache mich selbst betrifft, werde ich wohl keinen Einfluss auf das Urteil nehmen können, denn ich bin weder, Richter, noch Staatsanwalt, ich glaube sogar, dass selbst mein Anwalt nicht so wirklich von meiner Unschuld überzeugt ist. Aber mal ehrlich, er sollte schon an seine Mandanten glauben. Gut er ist mir ein bisschen, oder besser gesagt, total unsympathisch. Ich mag Männer mit gegelten Haaren nicht und dann diese braunen Schuhe, aus denen hell beige Strümpfe und sogar noch behaarte Affenbeine rausschauen. Eklig. Wenn ich schon höre, wie er zu mir Frau Schneider sagt, könnt ich ihm … na gut lassen wir das. Er rollt beide R, eigentlich geht das gar nicht, aber er kann das, der Herr Advokat. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Harald hat diesen Mann nur vorsichtshalber engagiert, weil es ja auch sein kann, dass ich eingesperrt werde. Na bitte, warum eigentlich, ich habe nichts, gut, fast nichts gemacht. Ich fühle mich unschuldig, wie ein Baby, schließlich habe ich mich nur gewehrt, aber auch nur ein bisschen.

Angefangen hat es damit, dass Moni mir erzählt, dass  sie sich verliebt hat. Dann nimmt sie mich ganz plötzlich in den Arm und weint, Rotz und Wasser, wie mein Vater immer zu sagen pflegte, ich finde diese Worte total primitiv. Auf jeden Fall schluchzt sie mir meine hellrote Seidenbluse nass. Ich streichele ihr, ganz Freundin, über die Schulter und klopfe ein bisschen so tätschelnd drauf, immer und immer wieder und sie heult immer mehr und mehr. „In wen bist du denn verliebt, kenne ich den?“ aber mit jeder Frage weint sie lauter und krallt sich immer fester in meinen Arm. „Ich weiß nicht was ich machen soll“, kommt es dann stammelnd aus ihrem Mund. Irgendwann reicht es mir und ich sage: „Wie soll ich dir helfen, wenn du nur weinst und nichts erzählst“. Das Theater nimmt kein Ende, noch lange nicht, irgendwann sagt sie dann: „Das hat mit dir überhaupt nichts zu tun, wirklich nicht“. Natürlich nicht, aber deshalb kann sie es mir doch sagen. Ich verrate sie schon nicht, sie ist doch meine Moni, eine Freundin verrät man nicht. Ganz egal um welchen Typen es sich handelt. Es ist Paul, schießt es mir durch den Kopf. Paul ist der attraktivste Mann aus unserem Bekanntenkreis, oder ist es Horst, der ist der erfolgreichste. Erfolg macht ja bekanntlich sexy. Auf keinen Fall ist es Günther, den kann sie nicht leiden oder tut sie nur so. Meine Güte, was soll das ganze Gezeter, ich kann ihr doch nur helfen, wenn sie mich einweiht.

Hilflos schaue ich zu meinem Mann, der ganz verstört in der Küchentür steht. „Was ist denn hier los“, will er wissen. Ich rolle mit den Augen und Moni schaut ihn irgendwie verschüchtert an. „Schatz, sei so lieb und fahr Monika nach Hause, sie ist mit den Nerven am Ende“. Er zieht mich aus der Tür und fragt nochmal, was denn los ist und was hat  sie nun ganz genau gesagt. Ich kann ihm auch nicht mehr sagen, als das sie sich verliebt hat. Ich weiß doch auch nicht in wen.  Ganz Freund und ich bin sehr stolz auf meinen Harry, legt er den Arm um Moni, hält ihr die Autotür auf, lässt sie einsteigen, greift nach dem Rockzipfel, der aus dem Auto hängt und dann steigt er selbst auch ein und sie fahren ab. Ich habe die Hand schon am Telefonhörer, das muss ich Marion erzählen, vielleicht weiß sie was Genaueres oder  hat etwas beobachtet.

Viele Stunden später kommt Harry nach Hause. „Und was war?“ löschere ich ihn sofort. „Nichts, was soll denn gewesen sein, nichts. Ihr macht aus allem immer ein Tamtam, unmöglich“. Dacht ich´s mir doch, dass er sauer ist, weil ich gefragt habe, ob er sie heimfährt. Ich hab es gleich gewusst. Nun darf ich das wieder mal ausbaden. Toll. Ohne Gute NachtGruß oder Kuss geht er die Treppe hoch und irgendwie hört es sich so an, als hätte er die Tür mit einem Ruck zugezogen oder besser zugeschlagen. Wenn ich jetzt hinterhergehe, dann lässt er Dampf ab, über meine dämlichen lebensuntüchtigen Freundinnen, dann wird es richtig lustig bei uns. Und plötzlich muss ich weinen und bin ein bisschen neidisch auf Moni, die frisch verliebt ist. Egal in wen, aber sie hat jemanden, für den es sich lohnt zu weinen.

Hängt unser Haussegen wirklich wegen Monika schief? Meine Güte, ist es denn wirklich so furchtbar, wenn er mal eine Freundin von mir nach Hause fährt und die sich an seiner Schulter ausweint. Männer, sind so unsensibel, da merkt man mal wieder, wie wenig wir zusammen passen. Männer und Frauen, zwei Welten prallen aufeinander. Am Freitag ruft Moni an und lädt uns zum Grillen ein, Big Party, mit ca. 40 Leuten, alles ganz lieb, versichert sie mir. „Alles wieder ok“ frage ich sie „Ja, ja, ich hatte nur einen schlechten Tag, eigentlich ist gar nichts los“. Na wenn das *nichts los* war, dann weiß ich nicht was sie macht, wenn *was los* ist. Es wird ein netter Abend. Mein Harry kümmert sich rührend um meine Freundin und ich bin mal wieder eines besseren belehrt worden, er ist ein ganz sensibler, feinfühliger Mann, mein Schatz. Ich schäme mich nun doch ein bisschen, weil ich ihn so verkannt habe.

Irgendwie treffen wir uns in diesem Sommer nicht so oft wie sonst. Jeder hat mit sich zu tun, sogar das telefonieren fällt immer sehr kurz aus. Früher haben Monchen und ich stundenlang telefoniert, wenn die Männer nicht da waren, aber entweder es nimmt keiner ab oder sie hat zu tun. Verstehe ich ja auch. Der große Garten, dann ihr Mann mit der Wechselschicht und dann die Schwiegereltern oder Freunde, die jeden Tag bei ihr rein schneien. Moni ist überarbeitet.

Von verliebt merke ich nichts mehr, auf jeden Fall sprich sie nicht davon und ich frage natürlich auch nicht, wenn sie es mir erzählen will, höre ich gern zu, aber ausfragen, das mag ich nicht.

Harald hat so viel zu tun, dass er oft erst sehr spät in der Nacht nach Hause kommt, wir haben also auch keine Zeit. So geht der Sommer und auch der Herbst sehr distanziert herum. Die Weihnachtsfeiern laufen wie immer ab, jedes Paar lädt alle anderen ein und so geht es Reihum. Harald hat die dickste Überraschung und möchte es auch selbst sagen, ich muss versprechen den Schnabel zu halten. Hilfe, fällt mir das schwer und ein paarmal hätte ich mich auch verplappert, aber ich schweige wie ein Grab.

„Wir haben eine Ãœberraschung und ich hoffe, ihr freut euch alle mit uns“.

Harry hat sich hingestellt und hält sein Weinglas in der Hand. Alle schauen neugierig auf ihn, was er wohl zu sagen hat, nur Moni geht raus. „Moni, bleib doch mal hier“, ruf ich hinter ihr her und als sie nicht zurückkommt, gehe ich ihr nach. Sie liegt auf dem Sofa ganz klein zusammengekrümmt und weint. Herzzerreißend, weint sie. „Habt ihr Ärger, du und Gerhard“ frage ich sie, aber kein Ton außer diesem tiefen Schluchzen kommt aus ihr heraus. Irgendwann sagt sie dann: „sei nicht böse, ich möchte jetzt lieber allein sein“. Ich gehe wieder zu den Anderen, aber keiner hat mehr Lust auf Harald s Neuigkeit. Ganz nebenher sagt er dann: „Ich habe einen Job in Kairo angeboten bekommen, erster Arbeitstag ist der 1. Januar.

Fortsetzung folgt……

 

©UteAnneMarieSchuster 15.6.2010