Fantasy & Horror
Der Kuss der Schlange

Der Kuss der Schlange.

Salima schmeckt Blut auf ihren Lippen. Wie lange sie schon durch den Wüstensand läuft, weiß sie nicht. Sie weiß nur, dass sie weit, weit weg und nie mehr zusammen mit dieser deutschen Lady, in einem Zimmer sein will.

 Diese blonde und so kluge Frau, ist ihr ein Horror und Amir, scheint ihr total verfallen zu sein. Salima, die bis jetzt seine einzige Frau war, beachtet er überhaupt nicht mehr. Hanna hat ihn verzaubert. Wie, das weiß Salima nicht, aber sie ist sich da ganz sicher. Amir hat sie geliebt und verwöhnt, nie ein böses Wort gesagt und nun spricht er keine Silbe mehr mit ihr. Er sitzt nur noch vor Hanna und hört ihrem Harfenspiel zu.

Salima hat gehört, dass Engel Harfe spielen und auch, dass Engel Macht über Menschen haben. Warum will diese Hanna gerade Amir. Hassam, sein Bruder, hat keine Frau und sieht genauso gut aus. Er hat die gleichen schwarzen Augen und Haare, sie sehen fast aus wie Zwillinge, warum also nicht ihr Schwager? Er hat sie doch erst mit gebracht, aus diesem fernen Deutschland, warum kümmert er sich dann nicht auch um sie.Tränen vermischen sich mit dem Blut der Lippen, das ganze Gesicht brennt wie Feuer. Ohne nachzudenken schleppt sie sich immer weiter. Es ist ihr so egal, ob sie jemand findet oder ob sie irgendwann im Sand liegenbleibt. Was soll sie auf dieser Welt, wenn Amir eine andere Frau liebt. Er ist ihr Leben und wenn er sie verstößt, ist ihr Leben nichts, aber auch gar nichts mehr wert.

Im Palast sitzt Hanna an ihrer Harfe und spielt die traurigsten Lieder, die man je gehört hat. In einem kleinen goldenen Käfig sitzt eine Nachtigall, die ab und einen ihrer wunderschönen Töne, als kleine Beigabe, einfließen lässt. So hört sich das Ganze an wie ein sehr trauriges Duett. Wehmütig und schmerzlich. Es ist ein Schluchzen der Töne, traurig und doch so zauberhaft. Immer wieder fragt sie sich, warum Hassam, dem sie in die Fremde gefolgt ist, sich von ihr abgewandt hat und sie nun im Harem von Amir gelandet ist. Sie liebt diesen Mann nicht und er hat doch schon Salima, die seit 2 Tagen verschwunden ist.

Wie sehr wünscht sie sich, dass sie in Salima eine Freundin findet, aber diese schenkt ihr weder ein Wort, noch einen Blick, sie scheint sie regelrecht zu hassen. Warum nur, fragt sich Hanna. Ich habe ihr nie etwas getan, ich will doch ihren Amir gar nicht. Wie gerne hätte sie diese junge Frau, als Verbündete und wie schön wäre es, ihr zu erzählen, wie unglücklich sie hier ist und dass die Sehnsucht nach Hassam und ein schreckliches Heimweh, so sehr in ihr brennt.

Amir sitzt in seinem Büro neben Hannas Zimmer und lauscht den zärtlichen Klängen, er schließt die Augen und sieht die zarten und schlanken Hände der Deutschen, wie sie sanft und sinnlich über die Saiten fahren. Wie sehr wünscht er, diese Hände würden über seinen Körper streicheln, aber Hanna ist kalt wie Eis und hart wie Stein. Langsam beginnt er sie zu hassen. Bis jetzt hat ihm noch keine Frau widerstanden. Salima, war ihm geradezu hörig. Es war so einfach sie zu verwöhnen, sie liebte ihn und irgendwie begann sie ihn zu langweilen. Natürlich war sie bildhübsch, aber als er mit ihr verheiratet wurde war sie 9 und er 12 Jahre, sie waren fast wie Geschwister. Für Amir, war Salima einfach keine wirkliche Frau, sie war jetzt 20 Jahre alt, aber Kinder hatte sie ihm noch keine geschenkt und weil er nun einmal der Ältere war, hat Hassam ihm Hanna überlassen. Vielleicht würde die ihm den heiß ersehnten Sohn schenken. Er gab sich solche Mühe und beschenkte sie, mit allen möglichen wertvollen Dingen, aber sie saß nur an dieser Harfe und ließ ihre Hände darüber gleiten, gerade so, als würde dieses Instrument ihr alle Liebe schenken, die sie braucht.

Zwischen großen Felsen findet Salima endlich ein wenig Schatten. Langsam verschwindet die Sonne am Horizont, der Sand strahlt in einem warmen orangerot und dann ist nur noch ein großer weißer Mond am Himmel. Augenblicklich wird es eiskalt, ein sanfter Wind weht die Sandkörner auf und wird urplötzlich zu einem starken Sturm. Die langen Haare fliegen ihr um den Kopf und schmerzen wie Peitschenhiebe. Das ist meine Strafe, weil ich weg gelaufen bin. Warum konnte ich Hanna nicht einfach akzeptieren? Alle Männer haben Nebenfrauen, was ist so schlimm daran. Wenn sie Amir einen Sohn geboren hat, schickt er sie vielleicht wieder zurück nach Deutschland, sie passt doch gar nicht zu uns. Langsam erwacht Salimas Lebenswille wieder. Ihr ist aber auch klar, dass sie bei diesem Sturm in der Wüste keine Chance hat.

Ich muss sie suchen und ihr sagen, dass ich Amir gar nicht will, geht es Hanna durch den Kopf. Salima ist bestimmt nur weggegangen, weil, sie Angst hat, Ihren Mann mit mir teilen zu müssen. Sie nimmt die schwere Seidenstola von dem Diwan und verlässt auf Fußspitzen leise das Zimmer. Sie weiß, dass Frauen das Grundstück nicht allein verlassen dürfen, aber ihr ist das egal. Sie hat immer gemacht was sie wollte, warum sollte sie sich jetzt nach diesen fremden Regeln richten. Niemals.

Amir hat sich so in seine Wunschträume verstrickt, dass es eine Weile dauert, bis er bemerkt, dass Hanna längst nicht mehr spielt. Sie wird eingeschlafen sein.  Ich werde sie heute nicht mehr stören, aber lange werde ich mich nicht mehr in Geduld üben.

Als Hanna aus dem Tor tritt, merkt sie erst wie windig es ist. Aber an ein zurück denkt sie nicht. Ich werde Salima finden und danach werde ich zurück nach Deutschland fliegen. Wer ihre Schritte lenkt, das weiß sie nicht, sie tritt fast in die vom Wind bereits verwehten Fußtapfen von Salima. Es muss ein Engel sein, der sie an die Hand nimmt und den Weg leitet.

Ganz eng hat sie den Schal um sich gezogen, der Wind ist schrecklich, aber Hanna ist eine sehr starke Frau. Sie kämpft so dagegen an, dass sie viel schneller voran kommt, als das bei Salima der Fall war. Sie hat natürlich auch den Mond und die Nacht als Verbündete. Die Kälte kennt sie von zu Hause, es macht ihr fast gar nichts aus. Ihr Wille, Salima zu finden, lässt sie alles andere außeracht lassen, sie schreitet beinahe gegen den Wind.

Langsam zaubert die aufgehende Sonne alles in ein rotes Licht, warm und wunderschön, von so einer Faszination, dass Hanna innehält. Ein großer Felsbrocken lädt zu einer kleinen Rast ein. Irgendetwas lenkt ihren Blick zwischen die Felsen und da sieht sie Salima liegen. Zusammengekrümmt und ganz klein wirkt diese wunderschöne Frau. „Bitte, Salima, wach auf, Bitte, ich muss mit dir reden. Glaub mir ich will deinen Amir nicht, ich liebe Hassam. Aber es hat alles keinen Sinn, das habe ich inzwischen begriffen. Ich werde zurück in meine Heimat gehe. Salima, bitte öffne doch deine Augen“. Hanna beugt sich über die kleine zarte Gestalt, streicht sanft über ihr Gesicht und dann sieht sie am Hals 2 kleine Punkte, vorsichtig untersucht sie diese Stelle, die ein wenig an einen Kuss erinnert. Fast kein Puls ist mehr zu spüren, wenn sie diese Wunde nicht sofort versorgt, wird Salima sterben, das weiß Hanna. Es gibt nichts giftigeres als diese Sandvipern. Als die junge Frau ihren Mund an Salimas Hals legt, um die Wunde auszusaugen, spürt sie ein kleines Stechen an ihrer rechten Halsbeuge, es ist genau die Stelle, die Hassam immer so zärtlich geküsst hat , wenn sie beieinander waren. Als sie sich umdreht, sieht sie, wie eine kleine Schlange zwischen den Felsen verschwindet............

©UteAnneMarieSchuster 6.6.2010