Romane & Erzählungen
Susi gets the Blues (II) - Zweiter Teil: Uniqqart Eettinut Sihannouk

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"Susi gets the Blues (II) - Zweiter Teil: Uniqqart Eettinut Sihannouk"
Veröffentlicht am 26. Mai 2010, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Susi gets the Blues (II) - Zweiter Teil: Uniqqart Eettinut Sihannouk

Susi gets the Blues (II) - Zweiter Teil: Uniqqart Eettinut Sihannouk

Beschreibung

Die Geschichte einer mutigen jungen Frau, die sich ihre Freiheit erkämpft und eine abenteuerliche Reise erlebt. Der zweite Teil der Erzählung.. Bisherige Teile: 1) Das Tal von Illoqqortormiut Coverbild: Fred Walton, GNU

Uniqqart Eettinut Sihannouk

Still liegt der Raum im flackernden Schein des Kaminfeuers und einiger weniger Kerzen da. Nur wenn man ganz genau hinhört, kann man den Wind draußen um die Ecken pfeifen hören.
Die Fenster sind mit Fellen vernagelt. Dazwischen sind die Wände mit den letzten Zeugnissen einer untergegangenen Tradition gesäumt: Harpunen mit gefährlichen Widerhaken, hölzerne Schneeschuhe, bunt gemusterte Wandteppiche, Kochgeschirr aus verbeultem Blech.

In einer Ecke des Raumes befindet sich eine kleine Kochnische, in einer anderen stehen zwei Pritschen mit Strohauflage.
Der Raum wird von einem Sessel in abgenutzten Grüntönen beherrscht. Direkt davor steht ein hölzernes Gestell, darauf eine gerahmte Fotografie.
In dem Sessel sitzt Uniqqart Eettinut Sihannouk. Familienoberhaupt der einst stolzen Sihannouk-Sippe, einer der mutigsten Narwaljäger Illoqqortoormiuts.

Witwer, Fischfabrikarbeiter, gebrochener Mann.

Die riesenhaften, groben Hände hat er in den Schoß gelegt, die Beine eng an den Sessel herangezogen. Steif und unentspannt sitzt er da. Wie eine Statue. Sein Blick ist starr auf das Foto vor ihm gerichtet.

Draußen ist kurz das Grunzen der Schweine zu hören. Schritte. Dann wird die Haustür aufgerissen.

Ein Schwall kalter Luft dringt in den Raum wie eine Wand aus Eis.

Uniqqart Eettinut Sihannouk bleibt vollkommen unbewegt, während Susi die Tür wieder schließt und sich anschließend der dicken Felle um ihren Körper entledigt.

Sie nähert sich ihrem Vater mit bedächtigen Schritten, lässt sich vor ihm auf die Knie fallen und drückt ihre kalte Wange in seine Hände.

„Ehrenwerter Vater“ flüstert sie. Dann lässt sie sich im Schneidersitz und mit niedergeschlagenen Augen auf den Dielenboden vor dem Sessel zurücksinken.

Für mehrere endlos lange Minuten steht eine undurchdringliche Mauer des Schweigens zwischen den beiden. Als Susi es wagt zu ihrem Vater aufzuschauen, ist sein Gesicht weiterhin unverändert starr, doch der Blick in seinen Augen erfüllt Susi mit Furcht.

„Wo…“ der Vater atmet schwer „…wo bist du gewesen?“

Susi versucht ihr Erstaunen über diese Frage zu verbergen, doch die Erkenntnis trifft sie wie ein Schlag ins Gesicht: Er weiß es! Er weiß alles!

„Ich…“ Susi ringt nach Worten, nach einer Erklärung, die es nicht geben kann „…der ehrenwerte Koqqortit Unikattinuit hat ein Schwein schlachten wollen.“ Dumme, dumme Susi Sihannouk! „Da…da habe ich geholfen.“

„Ein Schwein?“ in einer Geste unendlicher Traurigkeit wischt sich Uniqqart Eettinut Sihannouk mit der Hand über das Gesicht  „Bei diesem Unwetter?“

Susi schweigt. Wie könnte sie auch ihrem Vater alles erzählen? Wie könnte sie ihm erzählen, dass sie um Haaresbreite nicht mehr zurückgekommen wäre? Wie könnte sie gestehen, dass sie ihrer Mutter in die ewigen Jagdgründe folgen wollte? Dass sie ihren ehrenwerten Vater beinahe allein gelassen hätte?

Für eine halbe Ewigkeit sitzt Uniqqart Eettinut Sihannouk nur da und sagt keinen Ton.

Dann wagt Susi, das Schweigen zu brechen. Sie legt eine Hand auf das Knie des Vaters und so unverfänglich wie möglich fragt sie: „Wie war es in der Fabrik heute, ehrenwerter Vater?“ sie versucht zu lächeln „Hat man dich gut behandelt?“

Uniqqart Eettinut Sihannouk lässt seine schwarzen Augen für einen Moment auf seiner Tochter ruhen. Dann sagt er langsam und bedächtig: „Es war wie immer“ Er weiß es! Er weiß es! „Ragde hat mich in Ruhe gelassen.“

Radge.

Otis Radge.

Der Name des Vorarbeiters.

Radge ist gerade damit beschäftigt, seine versiffte Lederhose mit einem breiten Gürtel zu verschließen. Auf allen Vieren vor ihm kniend wie ein Hund, versucht sich Susi ihren Anorak über die Hüfte zu ziehen.

„Dafür seid ihr wirklich gut!“ Radge zieht lang und hörbar Rotze hoch „Arbeiten ist bei euch ja eher Fehlanzeige.“ Er lacht humorlos und spukt aus, in irgendeine Ecke.

Susi hat sich aufgerappelt. Als sie schon gehen will packt sie der Vorarbeiter beim Arm und zerrt sie zu sich herum. Sein ungepflegtes Gesicht hängt direkt über dem ihren. Die kleinen blauen Schweinsäuglein fixieren sie wie eine Beute. Auf und ab tanzt ein spitzer Kehlkopf unter unrasierter, pockennarbiger Haut.

„Du wirst mich bestimmt bald wieder beglücken, meine Süße.“ Es ist keine Frage. Es ist ein unmissverständlicher Befehl.

Susi windet sich im Griff des Vorarbeiters, aber seine Hand hält ihren Arm umfasst wie ein eiserner Ring.

„Das…“ Radge kommt ihr nun ganz nahe und bleckt seine gelben Pferdezähne zu einem breiten Grinsen „Das wirst du ganz bestimmt“ Dann lässt er sie los.

Susi stolpert aus der Tür, aus der Fabrik, rennt, reißt sich im Rennen die Kapuze über den Kopf, will weg, nur weg, stolpert, rappelt sich auf, rennt weiter, immer weiter, über die zugeschneite Straße, vorbei an den armseligen Hütten, hinaus ins Tal…. immer ins Weiße………

 

„Ich habe bereits gegessen“ Eine Stimme dringt von ferne an Susis Ohr „Ich werde nun schlafen gehen, Suttisitut Sihannouk.“

Uniqqart Eettinut Sihannouk erhebt sich aus seinem Sessel und geht an Susi vorbei zu seinem Bett und legt sich legt mit dem Gesicht zur Wand darauf.

Für eine Zeit sitzt Susi einfach so da.

Ihr Blick ist starr auf den Sessel gerichtet.

Er weiß es.

Susi erhebt sich und greift ein dunkles Fell von einer Ablage. Sie geht hinüber zu ihrem Vater und deckt ihn damit zu. Als sie sich wieder abwendet, hört sie seine Stimme: „Deine Mutter…“ Susi hält den Atem an. Sie wagt es nicht zu atmen „Sie war eine ehrenwerte Frau“

Unerbittlich pfeift der Wind ums Haus. Am Himmel türmen sich schwarz zürnende Gewitterwolken auf. Immer wieder zerreißen Blitze die allumfassende Dunkelheit und zeichnen abstrakte Muster in den Schnee.

Eine Kerze erlischt.

Nackte Füße rascheln über Dielenboden.

Susi Sihannouk liegt noch lange wach.

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BrianBrazzil Zweiter Teil - Gefällt mir von der Stimmung fast noch besser, man kann sich noch mehr in Susi hinenversetzten. Top!
(Tipp: Der Vorarbeiter ist vielleicht ein bisschen überzeichnet, ein bisschen aber nur.)

Werde bald Teil 3 lesen :)

Gruß
Brian
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