Romane & Erzählungen
Sabrina 39

Sabrina 39

 

Nun ist also alles vorbei, morgen werde ich 40. In genaugenommen 52 Minuten bin ich eine uralte Frau, die keiner mehr anschaut und die keiner mehr wahrnimmt. O bitte, warum geht das Leben denn so rasch und brutal vorbei.

Nur das nicht, denkt Sabrina, als sie ihren Mann in der Küche werkeln hört. Er wird doch jetzt in dieser schrecklichen Situation nicht auch noch eine Flasche Sekt aufmachen wollen. Mir ist sicher nicht danach. Feiern? Ja was denn? 40, ja ist das denn ein Grund zum Feiern. Wenn ich 40 bin, dann bin ich auch gleich 50 und ehe ich mich versehe bin ich 60 und weiter will ich ja nun mal gar nicht denken. Ich spinne? Nein wirklich nicht. Alle erzählen mir immer und immer wieder, dass mit jedem Geburtstag die Zeit schneller rennt. Na und wenn alle das sagen, dann wird ja wohl auch etwas dran sein, oder?

Nicht nur in der Küche rumort es, nein auch im Wohnzimmer tobt der Bär. Wie kann ein Mann nur solch einen Krach machen, wenn seine Frau hier sitzt und verzweifelt. Ja merkt er denn gar nicht, dass sie jetzt Trost und Zuspruch braucht.

 Naja so in etwa wie: Liebes, du bist wunderschön, Liebling du bist mein ganzes Glück, Herzchen ich bin so froh, dass es dich gibt. Mein Engel du bist die wunderbarste Frau auf der ganzen Welt. Aber nichts. Nein es wird geräumt, gemacht, getan, nur nicht an diesen tiefen traurigen Schmerz gedacht. Voller Selbstmitleid rollen Bri, doch tatsächlich ein paar glitzekleine glitzernde Tränchen aus den Augen. „Bri, Liebling“ tönt es aus dem Wohnzimmer, „bitte, du bleibst schön wo du bist, ja“. O Gott, nicht auch noch dieses dämliche *Bri*, wie hasst sie das, kann denn kein Mensch meinen normalen Namen benutzen. Bri, ist ja noch die harmloseste Verniedlichung von Sabrina. Man kann sich ja nicht vorstellen, wie man diesen Namen verunstalten kann. Die heißgeliebte Schwiegermutter, ruft  sogar, wenn sie zeigen will, wie sehr sie doch das Schwiegertöchterlein mag *Brieeele* toll, oder? Und die allerbeste Freundin Margit, schreit im Geschäft, so dass es auch in der letzen Ecke noch zu hören ist, echt *Brili* oder *Brichen*. Klasse, oder? Alle Welt schaut sich dann um und wenn sie dann sehen, wem dieser bekloppte Name gehört, dann? Ok, so vermutet Sabrina das jedenfalls, dann rollen diese Menschen mit den Augen und denken, Hilfe diese Trine, das ist also das *Briechen*. Gesehen hat sie das natürlich noch nie. Trotzdem hat doch jeder das Recht auf einen vernünftigen Namen und da der nun mal im Pass steht, möchte man ja auch so heißen.

´Nebenkriegsschauplätze´, sind das, pocht es in ihrem Kopf, mein Name ist doch gar nicht das Problem, ich habe einfach Angst vor dieser neuen Zahl, die da nun vorn steht´.

„Liebling“ ruft Sabrina „Liebling? Sag mal, findest du mich alt? Bin ich noch attraktiv? Findest du mich noch erotisch? Würdest du mit mir flirten, wenn du mich nicht kennen würdest? Liiiiiiiiiiebling, hörst du mich?“ Nein, natürlich hört er das nicht, er hat nämlich gerade ihre Lieblings CD eingelegt. Bitte, nicht auch noch Elvis! Dann kommt doch noch größerer Jammer, dann wird das Alter doch noch deutlicher, dann kommen doch Gedanken wie Tanzen, Schmusen, Flirten, Jungsein und noch so ein Quatsch. Warum macht er das?  Da läuft nun *Love me tender* und Sabrina könnte Rotz und Wasser heulen und der Liebling meint auch noch, nun freut sie sich aber. Tut sie nicht, ehrlich nicht.

Noch 22 Minuten. Na endlich setzt er sich neben sie „Was ziehst du denn für ein Gesicht“ toller Kommentar, so 22 Minuten vor 40, „schlechte Laune oder was ist los?“. ´Na toll, nun wird auch noch Streit gesucht, ich wusste es schon als ich dieses *Love me Tender* gehört habe. Er hasst diese Musik und nun meckert er mich an. Naja meckern ist vielleicht ein bisschen falsch, aber muss er mir denn unterstellen, dass ich ein Gesicht ziehe, ist doch kindisch´, die Tränen hat sie jetzt wieder fest im Griff, aber im Bauch spürt Sabrina doch auch diese Trauer oder ist es Angst, alt zu werden oder sogar zu sein.

„Liebling, ich habe dich vorhin was gefragt“ setzt Sabrina nochmal an. „Und was hast du denn gefragt“ will der Liebste wissen. „Ob du mich noch gut findest usw., meinst du, es nimmt mich noch irgendjemand wahr, wenn ich 40 bin, oder glaubst du, es flirtet noch mal jemand mit mir?“. „Ja sag mal, bist du denn noch ganz bei Trost, wer soll denn mit dir flirten und  bitteschön, warum willst du flirten, du bist verheiratet und zwar mit mir und das nicht erst seit gestern, sondern seit 20 Jahren. Ich mache hier den Kasper für dich, stecke Kerzen an und allesmögliche und du fragst mich, deinen Mann, ob dich noch ein anderer Mann wahr nimmt, ich glaub ich bin im falschen Film“

„Naja, ich wollte doch nur wissen, ob ich dir noch gefalle, mehr nicht und da du nicht geantwortet hast, da dachte ich, wenn du mich schon nicht wahr nimmst, wird der Rest der Welt es ja erst recht nicht tun“, gibt ihm Sabrina zu verstehen.

„Schätzchen, glaub mir, du bist wunderschön, du bist so, dass alle Welt dich toll findet, du bist einfach perfekt. Nur muss ich sagen, du bist auch verdammt anstrengend. Meinst du wirklich, in 2 Minuten ändert sich dein Leben so gravierend, dass jeder sagt „schau, ist die alt geworden“.

„Siehst du, nun hast du es auch gesagt, mit 40 bin ich alt.“..

 

©UteAnneMarieSchuster 20.5.2010

 

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