Krimis & Thriller
Im Bann der Verwirrung

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"Im Bann der Verwirrung"
Veröffentlicht am 19. Mai 2010, 106 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Im Bann der Verwirrung

Im Bann der Verwirrung

Beschreibung

Das neue Buch fasziniert Mandy. Es ist spannend, unheimlich und schön zugleich. Doch als sie anfängt, sich in diesem Buch wiederzuerkennen, passieren plötzlich Dinge, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen. Verwandelt sich Mandy etwa in eine eiskalte Mörderin? Oder hat es jemand auf sie abgesehen?

Samstag, 17 Mai 2008   18:00 Uhr

Wer hätte das gedacht, dass sich mein Leben so derartig verändern wird. Früher dachte ich, so etwas passiert nur im Fernsehen, aber doch nicht im realen Leben.
Doch ich habe mich geirrt. Das hier ist wirklich geschehen und ich werde es bestimmt niemals vergessen.

Mandy


Kapitel 1

„Wenn du das Gedicht bis morgen immer noch nicht kannst, dann schreibe ich diese sechs ein.“
„Aber..., ich...“, stotterte Mandy Weber und wurde so rot wie eine Tomate. Mandy war für ihre 15 Jahre nicht besonders groß und extrem schüchtern. Sie hatte ein schönes Gesicht und lange blonde Engelslocken. Wenn sie lächelte, sah sie manchmal wirklich aus wie ein Engel. Aber leider lächelte sie viel zu selten.
Jetzt stand sie ganz eingeschüchtert neben ihrer strengen Deutschlehrerin Frau Gerber und wünschte sich, sie könnte im Erdboden verschwinden.  
„Aber können sie denn nicht eine Ausnahme machen? Schließlich lag Mandy so lange krank im Bett und konnte das Gedicht gar nicht lernen.“, mischte sich ihre beste Freundin Charlie ein.
Charlotte Hering war im Gegenteil zu Mandy ziemlich selbstbewusst und ließ sich von niemandem herumkommandieren. Sie war zwei Monate jünger als ihre beste Freundin, sah aber wegen ihrem modernen Haarschnitt und dem Make-Up um einige Jahre älter aus. Die beiden Mädchen kannten sich schon seit der Grundschule und gingen beide in die neunte Klasse der Goethe Gesamtschule in Dresden.
„An deiner Meinung bin ich überhaupt nicht interessiert, Charlotte. Ich rede gerade mit Mandy und ich habe meine Entscheidung schon getroffen. Diesmal mache ich ganz sicher keine Ausnahmen.“ Sie musterte die beiden Mädels durch die Gläser ihrer silbernen Brille, warf anschließend das Ende ihres Schals über die rechte Schulter und ging dann in Richtung Lehrerzimmer.
„Scheiße.“, flüsterte Mandy und setzte sich auf eine der vorderen Bänke. „Ich kann dieses Gedicht doch nicht bis morgen auswendig lernen. Die Alte spinnt doch. Wie gerne würde ich ihr den Hals umdrehen.“
„Wenn du willst, komme ich heute nachmittag zu dir und helfe dir beim Lernen. Das schaffst du schon.“ Charlie lächelte ihr aufmunternd zu.  
Nachmittags saßen die beiden Mädchen bei Mandy, tranken heiße Schokolade und lernten nebenbei das Gedicht. Die ersten drei Strophen konnte Mandy schon auswendig. Nun musste sie nur noch die fünf restlichen Strophen lernen. Als Mandy die leeren Tassen in die Küche schaffte, hörte sie plötzlich die Roboterstimme ihres Computers: „Sie haben eine E-Mail.“
Schnell rannte sie zu ihrem PC und klickte auf „Nachricht öffnen“. Die E-Mail war von ihrer Brieffreundin aus Berlin, Sandra. Sie war eine totale Bücherfanatikerin und schrieb Mandy von ihrem neuen Buch, dass sie gestern geschenkt bekommen hat. Angeblich war diese Mysterygeschichte so toll, dass sie das Buch an einem Tag durch hatte, obwohl es ganze 200 Seiten waren.
„Du musst es dir unbedingt online bestellen!“, schrieb sie und schmückte ihre Nachricht mit ganz vielen glücklichen, zwinkernden Smileys.
Mandy machte einen Seufzer und schloss die E-Mail. „Hier sitze ich. Forme Menschen nach meinem Bilde...“, lernte sie weiter und lief dabei im Zimmer auf und ab.
Gegen 20 Uhr war sie endlich fertig mit Lernen. Sie brachte Charlie noch zur Tür, gab ihr einen Gutenachtkuss und schlenderte ins Wohnzimmer. Sie schaltete den Fernseher ein, holte sich Chips aus dem Schrank und machte es sich gemütlich. Ihre Mutter hatte heute Spätschicht, deswegen gab es auch kein richtiges Abendbrot.
Nachts konnte sie einfach nicht einschlafen. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und hielten sie noch wach. Anscheinend war sie zu nervös wegen diesem Gedicht. Also stand sie auf und schaltete nochmal ihren Computer ein. Da erinnerte sie sich plötzlich an die E-Mail von ihrer Brieffreundin. Sie überflog sie und ging schließlich zu bücher.de, um sich dieses Buch zu bestellen. Der Titel klang schon mal interessant: „Identitätsfehler“ von einem englischen Autor, den sie noch nicht kannte. Auf der Internetseite las sie noch die Kurzzusammenfassung: „Shelly ist ein ganz normales Mädchen der East-High-School. Sie hat ein tolles Leben und viele Freunde. Doch etwas bedrückt sie. Manchmal denkt sie, sie wäre ihre beste Freundin Miley und gibt sich als diese aus. Doch das ist noch nicht alles. Denn um sie herum geschehen lauter komische Dinge.“
„Wow, das klingt ja echt mega-spannend!“, dachte Mandy. Also klickte sie auf „Bestellung abschicken“. Nun fühlte sie sich doch ein bisschen müde. Also krabbelte  sie wieder unter ihre warme, kuschelige Bettdecke und schlief ein.
Sie wachte erst wieder auf, als ihr Handywecker klingelte. „Mist, wieder so ein Scheiß-Tag heute.“, murmelte sie und schaltete den Wecker aus. Plötzlich hörte sie ein leises Klopfen am Fenster. Sie rieb sich die Augen  und ging hin, um zu sehen, was es war. Und das, was sie dort sah, brachte ihr beinahe einen Herzstillstand. Da war ein kleines, weißes Gespenst, das hin und her schaukelte und dabei an ihr Fenster klopfte. Sie wollte schon schreien und ihre Eltern rufen, da sah sie auf einmal die Schnur, an der dieses kleine Gespenst hing. „Felix!“, knirschte sie wütend. „Dieses kleine Arschloch!“
Felix war zwei Jahre älter als sie und wohnte mit seinen Eltern genau über ihr. Und er liebte es Leuten Streiche zu spielen.
Mandy nahm eine Schere vom Schreibtisch, öffnete das Fenster und schnitt die Schnur ab.
„Mist!“, hörte sie von oben rufen. Sie streckte ihren Arm, so weit wie es ging, aus dem  offenen Fenster nach oben und zeigte den Mittelfinger. Dann schloss sie das Fenster und ging ins Bad, um sich für die Schule fertig zu machen.
Beim Frühstück wiederholte sie nebenbei noch das Gedicht und aß ihre Cornflakes. Ihre Mutter strich ihr ganz liebevoll über das Haar. „Das schaffst du schon, Süße.“
„Ja, das denk ich auch.“, antwortete Mandy und versuchte zu lächeln,  spürte dabei aber wie ihr übel wurde.

Kapitel 17

Gegen sechs Uhr Abends machte sie sich für das bevorstehende Treffen fertig.
„Falls der Täter überhaupt kommt.“, dachte sie. Ansonsten würde sie weitere solcher Nachrichten irgendwo in der Stadt veröffentlichen. Aber aufgeben würde sie ganz bestimmt nicht. Sie packte ihr Handy, Pfefferspray und ein Taschenmesser in ihre Handtasche. Mehr Waffen würden da nicht reinpassen.
Als es so weit war, warf sie ihrem Spiegelbild einen aufmunternden Blick zu und ging zu dem Käfig, um sich von Bienchen zu verabschieden. Doch das kleine Kaninchenbaby war nicht in seinem Käfig und die Käfigtür stand offen.
„So ein Mist auch!“, schimpfte Mandy. „Ich und Charlie haben vergessen die Käfigtür zu schließen und jetzt hüpft Bienchen ganz bestimmt irgendwo in der Wohnung herum.“
 Aber Mandy hatte keine Zeit mehr zu suchen. Sonst würde sie zu spät kommen.
„Dich werde ich später einfangen, mein Fräulein! Bitte knabbere bloß nichts an!“ Mit diesen Worten verließ Mandy die Wohnung.

Es wurde kühler als erwartet. Der Himmel verfinsterte sich ein wenig und Mandys Mut sank immer tiefer, je weiter sie sich dem Treffpunkt am Martin-Luther-Ring näherte. Ständig schaute sie von links nach rechts und drehte sich immer wieder um, um nicht von hinten überrascht zu werden. Doch kein Mensch war in dieser verlassenen Gegend zu sehen. Mandys Herzschlag beruhigte sich allmählich. Sie blieb einfach stehen, lauschte ihrem Atem und wartete.
„Na so was! Du stehst ja immer noch hier rum!“, hörte sie plötzlich hinter sich und schreckte zusammen. Sie drehte sich zu der Person um.
„Charlie!“, rief sie wütend. „Du sollst hier doch nicht auftauchen! Was wenn der Täter gleich kommt?“ Mandy war sauer und erleichtert zugleich.
Charlie blieb ihr gegenüber einfach stehen und grinste übers ganze Gesicht.
„Ach der...“, sagte sie dann. „... der ist schon da!“ Sie grinste wieder frech.
Mandy war jetzt etwas verwirrt. „Was meinst du denn damit, Charlie?“
Sie schaute ihre Freundin etwas irritiert an und wartete auf Charlies Antwort.
Doch anstatt zu antworten griff Charlotte in ihre Tasche und holte da etwas kleines, weiches hervor, dass aussah wie...
„Oh nein!“, schrie Mandy plötzlich auf, als sie erkannte was das war.
Es war Bienchen, was Charlie in den Händen hielt. Kleiner, schlaffer, zusammengesackter Körper des Kaninchens.
„Was soll das? Was ist hier los?“, schrie Mandy schluchzend und schaute Charlie unglaublich an.
„Sie hat nicht lange gelitten.“, antwortete Charlie kühl. „Zumindest nicht so lange wie Frau Schneider oder Christian.“
Mandy konnte einfach nicht fassen, was sie da hörte. Ihr Bewusstsein drohte sie im Stich zu lassen, doch Mandy zwang sich weiterhin Luft zu holen um einen klaren Kopf zu behalten.
„Du warst es?“, presste sie schließlich leise hervor. Ihre Knie zitterten.
„Hättest du nicht gedacht, was?“ Charlie warf ihr das tote Kaninchenbaby vor die Füße.
Mandy fiel auf die Knie und wurde von so einem herzzerreißenden  Schrei erschüttert, welchen sie noch nie im Leben gehört hatte. Doch dieser Schrei kam aus ihrer eigenen Kehle. Sie strich über das blutbefleckte Fell des kleinen Tierchens und starrte Charlie hasserfüllt an.
„Warum?“, flüsterte sie schließlich.
„Da fragst du noch?“, fragte Charlotte überrascht. „Das erste Mal wollte ich dir helfen. Es war einfach nicht fair, wie unsere Mathelehrerin dich behandelte. Ich wollte mich für dich rächen. Und dein eigenes Bild, welches du gemalt hast, hat mich dazu inspiriert. Ich hätte alles dafür getan um dich glücklich zu machen. Natürlich war es dumm von mir diesen Satz an die Wand zu schreiben. Doch es sollte, das letzte sein, was die Schneider sah, bevor sie endgültig starb. Natürlich habe ich schon vorher alles geplant. Und es ist mir ziemlich gut gelungen, meinst du nicht? Keiner kam auf die Idee, dass ich es gewesen sein könnte.“ Stolz schaute Charlie auf Mandy herunter, die immer noch am Boden kniete.
„Aber du!“, sie zeigte mit ihrem Zeigefinger auf Mandy. „Du warst noch nicht mal dankbar dafür. Und anstatt unsere Freundschaft noch unzertrennlicher werden zu lassen, verliebst du dich einfach! Und ich werde natürlich einfach abgeschoben. Mich brauchst du ja nicht mehr! Kannst du dir vorstellen, wie sehr es mich verletzt hat? Ich tue alles, damit es dir gut geht und du ersetzt mich durch irgendeinen Kerl, den du nur ein Paar Tage kennst! Also musste ich doch irgendetwas tun, um unsere Freundschaft zu retten. Also habe ich ihm einen Besuch abgestattet. Es war so leicht ihn von hinten mit dem Stuhl k.o. zu schlagen. Und dann habe ich ihm geholfen, ins Reich der Toten zu gelangen. Alles nur für unsere Freundschaft!“
Mandy weinte jetzt bitterlich und zitterte vor Schmerz und Angst.
„Alles wäre wieder in Ordnung!“, fuhr Charlie fort. „Aber du musstest ja so heldenhaft tun und diesen Zettel schreiben. Wie nanntest du mich doch gleich? Ach ja, einen Alptraum! Und du verabscheust mich! Kannst du dir vorstellen, wie sehr mich das verletzte, als ich es las? Du hast es nicht verdient, mich als Freundin zu haben! Und dein Haustier auch nicht!“ Charlies Augen glühten vor Zorn.
„Du bist krank!“, flüsterte Mandy. „Du hast mein ganzes Leben zerstört. Und du hast recht, ich verabscheue dich! Du bist der schlimmste Feind, den man haben kann!“
Plötzlich schrie Mandy vor Schmerz auf, als Charlie ihr mit dem Fuß auf die Finger trat.
„Das wirst du noch bereuen!“, sagte sie und holte einen Hammer aus ihrer Tasche. „Damit werde ich so lange auf dein schönes Gesicht einschlagen, bis du wie ein Zombie aussiehst!“, lachte Charlotte.
Mandy griff nach ihrer Tasche, um dort den Pfefferspray herauszuholen, spürte jedoch einen harten Schlag auf den Kopf und fiel mit dem Gesicht auf den Boden. Jetzt hatte sie richtige Todesangst. Charlie war zu allem fähig und sie würde sie bestimmt umbringen. Bewegungslos blieb Mandy liegen und versuchte sich trotz der Schmerzen zu konzentrieren. Sie musste Charlie ablenken, um dann an ihre Tasche heranzukommen.
„Willst du mir etwa den ganzen Spaß verderben?“, hörte sie Charlies vor Wut zitternde Stimme. „Los, steh schon auf!“
Langsam rappelte sich Mandy auf und stand Charlie wackelig gegenüber.
„So ist es schon besser.“, grinste Charlotte und holte erneut aus.
Doch Mandy stürzte sich mit voller Wucht auf sie und die beiden Mädchen fielen zu Boden. Dabei schlug sich Charlie den Kopf ein und stöhnte vor Schmerz. Mandy ergriff die Gelegenheit und schnappte sich den Hammer.
„Das traust du dich gar nicht!“, flüsterte Charlie.
Mit voller Kraft holte Mandy aus und schlug zu. Sie traf Charlie mitten auf die Stirn und verursachte damit eine Platzwunde. Das Mädchen wurde bewusstlos. Voller Panik schnappte sich Mandy ihr Handy und wählte die Nummer der Polizei. So gut wie möglich erklärte sie ihnen die Situation und atmete erleichtert auf, als sie hörte, dass die Polizei in fünf Minuten da sein würde.
Weinend legte sie sich auf den Boden und grub ihre langen Fingernägel in die harte Erde. Man hörte schon die Polizeisirenen aus der Ferne.
„Ich habe deine Mörderin gefunden, Christian. Und ich liebe dich.“, murmelte Mandy schluchzend und spürte, dass der Alptraum jetzt endgültig ein Ende hatte.

Kapitel 16

Am nächsten Morgen hatte Mandy nur ein Ziel: Sie musste dem Schrecken ein Ende setzen, und den Mörder finden, bevor noch mehr passieren konnte.
„Wenn es jemand ist, den ich kenne...“, dachte sie. „... könnte er womöglich auf meine Schule gehen.“
Sie schrieb etwas auf ihrem Computer und druckte es mehrmals aus. Dann steckte sie sich die Zettel in die Schultasche und machte sich auf den Weg zur Schule.
Sie war viel zu früh dran und deshalb standen nur wenige Schüler auf dem Flur herum, was natürlich noch besser war.
Sie nahm einen der Zettel und hängte ihn auf die große Pinnwand im ersten Stock.
Auf dem Blatt stand mit großen Druckbuchstaben: „Zwei Menschen, die in meiner Gegenwart starben sind genug. Ich verabscheue dich, denn du bist ein Alptraum, den ich bald loswerde. Also sei kein Feigling und triff dich heute mit mir am Martin-Luther-Ring um 19:00 Uhr. Allein“
Diese Nachricht klebte Mandy noch an die Eingangstür der Schule und die Pinnwand im zweiten und dritten Stock. Dann ging sie beruhigt in den Unterricht.
„Das ist doch völlig albern, was du dort aufgehängt hast!“, sagte Charlie ihr in der Pause. „Ich weiß, wie sehr du Christian vermisst, aber der Mord von Frau Schneider und der Mord an Christian haben doch bestimmt nichts miteinander zu tun. Unsere Mathelehrerin wurde höchstwahrscheinlich von jemanden getötet, der sie gehasst hat, und Christian von jemanden der ihn hasste. Vielleicht schuldete er jemandem Geld, oder so.“
„Ach Charlie, du bist viel zu naiv. Ich spüre es einfach, dass ich mit meiner Vermutung recht habe, du musst mir wirklich vertrauen.“ Mandy umarmte ihre beste Freundin.
„Aber was, wenn der Mörder wirklich kommt?“, fragte Charlotte plötzlich erschrocken. „Was machst du dann?“
„Ich weiß es nicht, Charlie. Ich weiß es nicht.“ Sie musste sich plötzlich umdrehen, weil sie sich beobachtet fühlte und sah Linda, die sie aus den Augenwinkeln seltsam betrachtete. Ein kalter Schauder überlief Mandy und sie drehte sich schnell wieder weg.

Nachmittags saßen die beiden Mädchen bei Mandy und spielten mit Mandys kleinem Kaninchen. Charlie war ganz begeistert von ihm.
„Bitte, Mandy! Geh da heute nicht hin.“ Charlie hielt ihr Bienchen vor das Gesicht und machte einen Schmollmund.
„Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, dass du dir so große Sorgen um mich machst, aber ich werde es jetzt durchziehen.“ Mandy blieb immer noch völlig entschlossen.
„Das bin ich Christian immerhin schuldig.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie an ihn dachte.
Charlie setzte Bienchen wieder zurück in ihren Käfig.
„Ich mach mich dann wieder auf den Weg! Ich hoffe du weißt was du tust.“ Charlie umarmte Mandy zum Abschied. „Ach, Mandy? Hast du zufällig eine Kopfschmerztablette für mich?“, fragte sie schon im Treppenhaus.
„Natürlich! Hast du etwa Kopfschmerzen?“ Mandy schaute ihre Freundin besorgt an.
„Ja.“, murmelte diese.
Mandy ging schnell ins Badezimmer um welche zu holen.
Doch als sie mit dem Medikament wieder zurück kam, war Charlotte nirgends zu sehen.
„Charlie??“, rief Mandy und schaute sich im Treppenhaus um. Es kam keine Antwort.
„Seltsam.“, murmelte Mandy und schloss die Wohnungstür. „Wirklich seltsam.“

Kapitel 15

Als Mandy aus dem Krankenhaus entlassen wurde, musste sie zum Polizeirevier, weil man ihr einige Fragen über Christian stellen wollte.
Ihre Mutter ist mitgekommen und jetzt saßen sie beide in diesem kleinen ungemütlichen Raum und warteten, bis der Polizist endlich kam.
„Guten Tag, Fräulein Weber! Guten Tag Frau Weber!“, sagte der Polizist, als er hereinkam. „Wie geht es Ihnen?“, fragte er an Mandy gewandt.
„Es geht schon. Danke.“, antwortete sie knapp und schaute auf den staubigen Boden.
„Ich möchte Ihnen einige Fragen über Christian Lehmann stellen, da sie ihn ja ziemlich gut kannten, nehme ich an.“ Er setzte sich auf seinen Stuhl und schaute Mandy erwartungsvoll an.
„Ja.“, flüsterte sie.
„Wie lange waren sie denn schon zusammen?“ Er nahm einen Kugelschreiber, um sich Notizen zu machen.  
„Einige Wochen.“, antwortete Mandy und sah Christians Gesicht wieder vor ihren Augen. Sein Lächeln, seine strahlenden Augen. Das konnte alles doch nicht wahr sein.
„Ok. Und konnten sie in dieser Zeit irgendetwas ungewöhnliches an ihm feststellen? Dass er Suizidgedanken hatte oder etwas ähnliches?“, fragte der Polizeibeamte weiter.
„Nein, überhaupt nicht. Er war immer so positiv und strahlte eine gewisse Lebensfreude aus!“, antwortete Mandy schon etwas lauter.
„Ja, kann ich verstehen. Es war nämlich kein Selbstmord, sondern Mord.“, sagte der Mann auf einmal ernst.
„Was???“, schrie Mandy und erschrak vor ihrer eigenen Stimme.
„Ja, die Untersuchungen haben ergeben, dass er einen starken Schlag auf den Hinterkopf bekommen hat und bewusstlos wurde. Danach hat man ihm die Pulsadern auf beiden Armen aufgeschnitten und ihn in seiner Wohnung verbluten lassen. Eine Nachbarin hat die Polizei gerufen, weil die Wohnungstür offen war.“, berichtete der Polizist.
Mandy konnte einfach nicht glauben, was sie da hörte. „Und wissen sie schon wer es war?“, flüsterte sie schluchzend. „Ich wusste doch, dass mich Christian niemals freiwillig verlassen würde.“ Das Zimmer fing sich vor ihren Augen an zu drehen.
„Nein, leider nicht.“, der Polizist schüttelte mit dem Kopf. „Es wurden keinerlei Hinweise in seiner Wohnung gefunden. Der Täter muss das perfekt geplant haben.“
„Aber wer hätte so etwas furchtbares tun können?“ Mandy weinte.
„Genau das, werden wir versuchen herauszufinden. Wissen Sie zufällig, ob Christian Feinde hatte?“
„Nein, nein. Bestimmt nicht. Ich könnte es mir nicht vorstellen.“
„Ok, dann wäre das alles was ich wissen wollte. Nochmal mein herzlichstes Beileid.“
Beim nach Hause gehen stützte sich Mandy an ihre Mutter, da sie selbst fast keine Kraft mehr hatte.
Zu Hause schlief sie sofort ein und versuchte dieses Erlebnis in ihren Träumen zu verarbeiten.

Sie träumte von einem dunklen Friedhof. Langsam spazierte sie dort entlang und fragte sich, was sie hier machte. Plötzlich hörte sie eine vertraute Stimme hinter ihr.
„Mandy!“
Sie drehte sich sofort um und sah in Christians Gesicht. Doch etwas stimmte nicht. Er lächelte nicht und war so blass wie ein Toter.
„Ich liebe dich so sehr, Christian!“, schrie Mandy und drückte seinen versteiften Körper fest an sich. „Ich will dich wiederhaben.“, presste sie unter Tränen hervor.
„Du musst meinen Mörder finden, Mandy! Du musst es für mich tun!“, sagte er plötzlich mit einer eiskalten Stimme, die Mandy Angst einjagte.
„Das werde ich tun, Christian! Aber sag mir bitte, wer es war!“, flehte Mandy ihn an.
„Es war jemand, den du kennst. Und nur du kannst den Mörder aufhalten, denn du bist der Grund, warum er mordet.“, langsam löste sich Christian in Staub auf.
„Bitte nicht!“, schrie Mandy. „Wer kann es denn nur sein? Aber ich werde mein Bestes geben, Christian.“ Sie küsste den Staub, zu welchem er gerade eben zerfallen war. „Ich werde dich immer lieben, Christian.“

Kapitel 13

Sie rannte. Sie wusste nicht wohin, doch sie rannte um ihr Leben. Sie musste einfach nur zu Christian gelangen, denn er würde sie beschützen. Sie musste nur schneller rennen. Dann sah sie dieses Mädchen, es war Shelly aus ihrem Buch. „Ich kann dir helfen, dein Leben zu ändern.“, sagte Mandy zu ihr und streckte die Hand nach ihr aus. Doch das Mädchen wollte es gar nicht. „Es macht doch Spaß zu töten!“, sagte sie und lachte. „Nicht wahr? Du weißt es doch genau so wie ich.“
„Neeeeeiiiiiiiiiinnn!“, schrie Mandy und wachte schweißgebadet auf. Sie holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Schnell schaltete sie ihre Nachttischlampe an und versuchte sich in ihrem Zimmer zu orientieren. Als sie den Käfig sah, musste sie lächeln. Das kleine Häschen schlief zusammengekuschelt in seinem in einer Ecke. Wie schön es doch war, dass ihre Eltern es akzeptiert haben. Ihre Mutter mehr oder weniger mit Freude und ihr Vater nur unter der Bedingung, dass er sich kein bisschen um das Tier kümmern muss. Mandy war so glücklich und einverstanden mit seinen Bedingungen. Morgen früh musste sie die tolle Nachricht unbedingt Christian und Charlie erzählen. Sie würden sich riesig freuen, vor allem Christian. Mit diesen Gedanken schlief Mandy erneut ein.

Kapitel 14

Am nächsten Tag fuhr sie nach der Schule sofort zu Christian. Charlie wollte sie begleiten, doch Mandy hatte vor, ein bisschen Zeit mit ihm allein zu verbringen. Dafür versprach sie Charlie, mit ihr diesen Samstag auf den Rummelplatz zu gehen, um sich zu amüsieren.
Als sie vor seinem Haus stand, spürte sie einen leichten Stich im Herz. Denn ein Krankenwagen und ein Polizeiwagen standen vor Christians Hauseingang.
„Das hat noch gar nichts schlimmes zu bedeuten.“, versuchte sie sich zu beruhigen und ging tapfer auf den Eingang zu. Sie stieg langsam mit klopfendem Herzen die Treppenstufen hoch, bis sie endlich vor seiner Wohnungstür stand, die offen war.
Jetzt zitterte sie vor Angst. Was konnte da bloß passiert sein? Dann sah sie zwei Krankenpfleger aus seiner Wohnung kommen, die eine Trage trugen, auf der, vollkommen zugedeckt jemand lag. Mandy stiegen Tränen in die Augen. „Was ist hier passiert?“, fragte sie.
Die Männer blieben stehen. „Der junge Mann wurde in seiner Wohnung mit aufgeschnittenen Pulsadern tot aufgefunden.“, sagte der eine kopfschüttelnd.
„Tot?“, fragte Mandy wie in Trance. Dann wurden ihre Knie so weich wie Gummi und sie sackte auf dem Fußboden zusammen.

Als sie ihre Augen wieder öffnete, sah sie eine weiße Zimmerdecke über ihr. Sie versuchte den Kopf zu heben, doch ihr wurde sofort wieder schwindlig. Also blieb sie eine ganze Weile still liegen und konzentrierte sich auf ihre Atemzüge. „Das war bestimmt wieder so ein Alptraum!“, dachte sie.
Die Tür ging auf und eine Krankenschwester kam herein. „Ihre Mutter ist hier. Sie kann doch reinkommen, oder?“, fragte sie mit einer netten Stimme.
Mandy starrte sie nur an.
„Kommen Sie rein. Sie ist schon aufgewacht. Es muss ein ziemlich großer Schock für sie gewesen sein.“, hörte sie die Schwester sagen.
Dann sah sie das Gesicht ihrer Mutter.
„Mein Schätzchen!“, sagte sie und setzte sich an die Bettkante. „Warum musstest du denn ausgerechnet dort auftauchen, wo so etwas tragisches passiert ist? Was wolltest du denn überhaupt in dieser Gegend?“
Jetzt wurde Mandy wieder alles klar. Es war also wirklich passiert. Christian war tot.
Eine Träne rollte über ihre Wange.
„Ach Mäuschen.“, sie strich ihr über das Haar. „So etwas passiert nun mal, dass junge Leute sich umbringen. Du darfst es dir nicht so zu Herzen nehmen.“
Jetzt fing Mandy bitterlich an zu weinen. „Du verstehst das nicht!“, flüsterte sie.   „Christian war mein Freund.“ Sie schien in Tränen zu ertrinken und es kamen immer mehr.
Ihre Mutter riss erstaunt die Augen auf. „Dein Freund?“, fragte sie. „Aber das wusste ich ja gar nicht! Ich wusste doch noch nicht mal, dass du überhaupt einen Freund hattest! Warum hast du es mir nicht erzählt?“
„Weil einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt da war!“, weinte Mandy. „Aber jetzt ist sowieso alles zu spät.“
„Es tut mir so leid für dich Schatz!“, sie drückte ihre Tochter ganz fest an sich. „Jetzt verstehe ich natürlich alles. Mein Mädchen, warum passiert dir denn nur so etwas furchtbares? Das hast du wirklich nicht verdient.“ Jetzt weinte Frau Weber auch.

Kapitel 12

Abends brachte sie Christian zur Haltestelle. Als sie wieder zu Hause war, schnappte sie sich das Telefon und rief Charlie an, um ihr von den tollen Neuigkeiten zu berichten.
Charlie klang ziemlich müde am Telefon und erklärte ihr, dass sie letzte Nacht schlecht geschlafen hat und deswegen jetzt schon ins Bett gehen müsste. Mandy war zwar etwas enttäuscht darüber, zeigte es aber nicht und legte auf. Sie ging auf ihr Zimmer und schnappte sich das Buch um weiter zu lesen, während sie auf ihre Eltern wartete. Das Mädchen in dem Buch schien immer verrückter zu werden, sie tötete immer mehr Menschen, die sie liebte und trotzdem konnte Mandy ihren Hass und ihre Wut auf alle irgendwie verstehen.
Als Mandy ihre Mutter an der Haustür hörte, legte sie das Buch weg und stürmte in den Flur um sie zu begrüßen. Sie musste jetzt besonders nett sein um die ahnungslose Mutter auf ein viertes Familienmitglied vorzubereiten.
„Schön, dass du da bist, Mama! Wie geht es dir? Hast du gute Laune?“
Mandy hüpfte fröhlich vor ihrer Mutter auf und ab.
„Was soll denn diese stürmische Begrüßung? Was hast du schon wieder ausgefressen?“ Ihre Mutter lachte.
Sie stellte ihre Tasche ab und ging in die Küche um das Abendbrot vorzubereiten.
„Und ich dachte schon, du hättest das Abendessen gemacht!“, scherzte Frau Weber.
„Oh, tut mir leid, hatte keine Zeit. Und keine Lust.“ Sie gab ihrer Mama einen Kuss auf die Wange.
„Hast du mal einen Moment Zeit?“, fragte sie dann.
Ihre Mutter legte das Brot zur Seite und schaute zu Mandy.
„Natürlich, was gibt es? Ist irgendetwas passiert?“
„Könnte man sagen.“, sagte Mandy und überlegte wie sie es am besten erklären sollte.
„Mandy, sag schon was los ist!“ Frau Weber setzte sich auf einen Küchenstuhl.
„Ach Mama, aber versprich mir bitte, dass du mich nicht umbringst und es akzeptierst, ok?“
Das Gesicht ihrer Mutter verfinsterte sich plötzlich. „Mandy, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, sag einfach was los ist. Und ich werde es mir nachher überlegen, was ich mit dir mache.“
„Ok, ok!“ Mandy merkte, dass sie keine Wahl mehr hatte. Und sie war sich sicher, dass sie sich schon wieder auf Hausarrest gefasst machen konnte.
„Man könnte sagen, wir haben jetzt ein kleines, neues Familienmitglied.“ Mandy versuchte ein Lächeln hinzukriegen und schaute ihre Mutter erwartungsvoll an.
„Oh mein Gott!“ Ihre Mutter riss ganz weit die Augen auf. „Ich fasse es nicht! Mandy wie konntest du nur?“
„Aber was... wie, du weißt doch noch gar nicht welches T......“, stotterte Mandy, aber ihre Mutter ließ sie nicht zu Ende reden.
„Schwanger! Mit fünfzehn! Wie konnte das nur passieren?“ Frau Weber war schon den Tränen nahe.
Mandy riss vor Schreck die Augen weit auf. „Mama!“ Sie wusste nicht ob sie weinen oder lachen soll. Einerseits war sie erleichtert, dass ihre Mutter nicht wegen dem Tier so ausgeflippt ist, andererseits war sie enttäuscht, dass ihre Mama sofort auf solche dummen Gedanken kam.
„Ich bin nicht schwanger, ich habe mir ein Haustier geholt!“, rief sie schließlich um alldem ein Ende zu setzen. Frau Weber hielt ganz plötzlich inne. Ihre Miene wechselte sich von verzweifelt auf irritiert.
„Ich verstehe nicht ganz.“ Sie war immer noch etwas durcheinander.
„Geh doch einfach in mein Zimmer und überzeuge dich selbst.“, sagte Mandy etwas gekränkt.
Frau Weber ging noch etwas unschlüssig in das Zimmer ihrer Tochter und blieb vor dem Käfig wie angewurzelt stehen. Dann fing sie plötzlich an zu lachen. Mandy befürchtete, dass das schon die ersten Anzeichen für einen Nervenzusammenbruch  wären und fing an sich ernsthafte Sorgen um ihre Mutter zu machen. Aber Frau Weber ging auf sie zu und umarmte sie. „Es ist ja nur ein Kaninchen.“, sie lächelte glücklich.
„Also hast du nichts dagegen, dass ich ihn behalte?“ Mandy schaute ihre Mutter hoffnungsvoll an.
„Ja, du darfst!“ Ihre Mutter wischte sich die Tränen aus den Augen. „Es ist immerhin tausendmal besser als jetzt schon Großmutter zu werden.“
„Ach Mama, ich fasse es einfach nicht, dass du gleich so was gedacht hast! Du hast völlig überreagiert!“
„Na hör mal, Schatz! Du hättest dich mal hören sollen: Wir bekommen ein viertes Familienmitglied!“, sie sagte das mit Absicht mit einer piepslichen Stimme und Mandy konnte einfach nicht anders als los zu lachen. Jetzt verstand sie, wie das sich für ihre Mutter angehört haben muss. „Wie leicht es doch in der Sprache zu Missverständnissen führen kann.“, dachte Mandy.
Doch sie war stolz auf sich und unendlich glücklich. Sie hatte es wirklich geschafft.
Glücklich drückte sie Bienchen an sich und war sich sicher, dass nichts mehr in ihrem Leben schief gehen konnte.

Kapitel 11

Die Sonne schien von Morgens bis Abends und das Wetter war die ganze Woche über  einfach fantastisch gewesen. Mandy traf sich fast jeden Nachmittag mit Christian und sie unternahmen alles mögliche zusammen. Heute sind sie aus Langeweile in eine Zoohandlung gegangen, weil Mandy sich die Tierchen dort anschauen wollte.   
„Tut mir leid Chris, aber wir müssen Schluss machen.“, sagte sie plötzlich. „Ich habe mich in jemand anderen verliebt.“ Mandy versuchte ernst zu gucken. „Und zwar in dieses Kaninchen hier.“ Jetzt konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen und lachte los.
Christian, der zuerst etwas irritiert schaute, grinste jetzt auch. „Du bist, das verrückteste und tollste Mädchen, dass ich kenne.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Dann werden wir das kleine Vieh wohl oder übel kaufen müssen.“
„Schön wär´s. Aber meine Eltern werden das bestimmt niemals erlauben. Außerdem sind die Käfige viel zu teuer.“
„Wenn du es so sehr willst, dann wirst du deinen Willen auch durchsetzen können, glaub mir Schatz. Machen wir es so: Du kaufst das Kaninchen, ich kaufe den Käfig und alles andere kaufen wir zusammen. Deine Eltern werden so überrumpelt sein, dass sie gar nicht mehr Nein sagen können.“
„Ich liebe einfach deine Ideen und dein positives Denken!“ Mandy gab sich geschlagen. Christian hatte sicher Recht und sie würde es versuchen.
„Na dann geh ich schon mal die Verkäuferin holen.“ Er zwinkerte ihr zu und ging Richtung Kasse, während Mandy das wunderschöne schwarz-weiße Kaninchen anstarrte.
„Für welches haben sie sich denn entschieden?“, fragte die freundliche Mitarbeiterin der Zoohandlung.
Mandy schaute erschrocken auf. Sie hat die Frau gar nicht kommen hören.
„Dieses hier!“ Sie zeigte auf das schwarz-weiße Kaninchenbaby.
Die Frau öffnete den Stall und holte das kleine Tier, das wie verrückt zappelte. Sie setzte es schnell in eine Kiste mit Luftlöchern.
„So das hätten wir dann mal. Möchten sie noch irgendetwas dazu?“
„Ja, diese Sachen hier noch.“ Chris kam mit einem großen Käfig, Heu, Einstreu und Kaninchenfutter in den Händen.
„Ok, dann folgen sie mir bitte zur Kasse.“
Mandy hielt die Kiste mit dem Kaninchen fest umklammert. Sie spürte schon so etwas wie Muttergefühle für das kleine, süße Ding, dass jetzt ihr gehörte.
An der Kasse bezahlten sie und gingen zusammen zum Bus.

Zu Hause hatte sie Glück, denn ihre Eltern waren noch nicht da. So konnte sie die Sachen in ihrem Zimmer abstellen und alles für das Tierchen vorbereiten. Christian saß auf ihrem Bett und schaute zu.
„Was ist denn das?“ Er hielt ihr neues Buch in der Hand und betrachtete es. „Die Beschreibung klingt echt spannend.“
„Oh ja, das ist es auch!“ Mandy schüttete weiter Einstreu in den Käfig.
„Darf ich es mir mal ausleihen?“
„Natürlich, aber erstmal muss ich es noch zu Ende lesen. Ich hatte irgendwie aufgehört zu lesen und es danach völlig vergessen.“
„Ok, musst mir dann bloß Bescheid sagen, wann es so weit ist.“ Christian legte das Buch auf Mandys Schreibtisch.
„Na gefällt dir dein neues Zuhause?“ Mandy setzte das Kaninchen vorsichtig in den Käfig.
„Also mir würde es gefallen!“ Christian setzte sich neben sie auf den Boden.
„Jetzt braucht es nur noch einen Namen, was meinst du?“ Mandy streichelte dem verängstigten Tierchen vorsichtig über den Kopf.
„Nenne es doch Pünktchen. Wegen den schwarzen Punkten.“
„Ach, ist doch voll langweilig, so ein Name. Ich glaub ich weiß es! Ich nenne es Bienchen. Das reimt sich auf Kaninchen. Und außerdem ist es ja ein Weibchen.“
„Von mir aus. Mir ist alles recht.“ Chris zog Mandy näher an sich und küsste sie. Und schon schmolz sie in seinen Armen dahin.

Kapitel 10

Am nächsten Tag konnte sich Mandy kaum noch auf die Schule konzentrieren. Sie war furchtbar aufgeregt und konnte das Treffen mit Christian gar nicht abwarten.
Dreiviertel fünf wartete sie schon ungeduldig am Elbufer. Dort hatten sie sich nämlich verabredet, weil es ja sozusagen „ihr“ Platz war. Schließlich hatte Chris sie dort in der Nähe gefunden, als sie von zu Hause abgehauen ist.
Also setzte sie sich jetzt auf das Gras und beobachtete die Menschen, die hier mit ihren Kindern oder Hunden unterwegs waren.
„Ein tolles Plätzchen hier, oder?“
Blitzschnell drehte sich Mandy um und lächelte als sie Christians schönes Gesicht sah.
„Hallo.“, sagte sie.
Christian setzte sich daraufhin sofort neben sie auf den Boden und strich mit seiner Hand übers Gras.
„Ohne dich ist meine Wohnung echt öde und langweilig.“ Wie selbstverständlich nahm er ihre Hand, als er das sagte.
Ein Kribbeln ging durch Mandys Körper und sie bekam eine Gänsehaut.
„Cool. Ich dachte du wärst froh, mich endlich losgeworden zu sein. Jetzt fühle ich mich echt geschmeichelt.“ Sie schaute auf den Boden, weil sie sich nicht traute ihm in die Augen zu sehen.
„Also falls du wieder mal Stress hast, kannst du wirklich gern bei mir einziehen.“ Er fuhr mit seinen Fingern zärtlich ihren Arm hinauf.
„Danke. Aber ich bezweifle, das wird nicht mehr passieren. Es gab einfach zu viel Stress in dieser Zeit.“ Sie versuchte nicht in Ohnmacht zu fallen, weil es einfach zu schön war um wahr zu sein.  
„Oh ja das kann ich echt gut nachvollziehen. Ich hoffe du wirst nicht mehr von der Polizei genervt. Sonst müsste ich vielleicht ein Wörtchen mit denen reden. Ich bitte dich! Eine fünfzehnjährige Schülerin bringt ihre Lehrerin um. Die müssen doch wohl einen Knall haben.“
„Danke. Es bedeutet mir sehr viel.“  Plötzlich fühlte sie sich extrem zu ihm hingezogen. Sie rückte etwas näher ran und schmiegte sich an seine weiche, breite Brust. „Weißt du noch, wie damals?“, flüsterte sie und hob den Kopf etwas an um ihm in die Augen sehen zu können.
„Hmm. Wie könnte ich das nur vergessen?“ Er näherte sein Gesicht ihrem, bis sich ihre Lippen beinahe trafen.
Mandys Herz pochte wie verrückt, sie konnte sich nicht mehr kontrollieren. Schnell presste sie ihre Lippen an seine und küsste ihn leidenschaftlich. Christian schien am Anfang überrascht zu sein, machte jedoch sofort mit. Als Mandy nach Luft schnappen musste, ließ sie sich auf das grüne Gras fallen, wobei sie ihn mitzog.
Beide mussten plötzlich lachen. Als sie sich dann wieder beruhigt haben, schwiegen sie und schauten sich gegenseitig an. So verging erstmal eine Weile, bis Mandy die Stille durchbrach.
„Ich wünschte dieser Tag würde niemals für uns zu Ende gehen.“, seufzte sie.
„Keine Sorge.“, flüsterte er und küsste ihr Haar. „Es wird noch viele weitere solcher Tage geben.“
„Na das hoffe ich doch.“ Mandy boxte ihn spielerisch in die Seite. „So schnell wirst du mich nicht mehr los.“
Sie schaute hoch zum Himmel und sah die großen weißen Wolken, wie sie dort oben schwebten. So leicht wie diese Wolken fühlte sie sich in diesem Moment auch. Sie schwebte in einer anderen Welt und hatte das Gefühl, dass Christian das war, wonach sie schon so lange gesucht hat. Ihre zweite Hälfte, ein Seelenverwandter.  
„Jetzt fängt mein Leben erst richtig an.“, dachte sie und schaute weiterhin in Christians warme, strahlende Augen, die sie alles um sich herum vergessen ließen.

Kapitel 9

Die Schule kam ihr plötzlich so anders vor. Als hätte der Tod ihrer Lehrerin die ganze Schulatmosphäre verändert. Sie traf sich mit Charlie wie üblich vor dem Unterricht am Schließfach. Wenigstens verhielten sich die meisten ihrer Mitschüler so wie immer. Nur Einige warfen den beiden Freundinnen seltsame Blicke zu.
Nach dem Unterricht schlenderte sie mit Charlie noch gemütlich durch die Stadt als plötzlich ihr Handy klingelte. Sie kramte in ihrem Rucksack und brauchte eine Weile bis sie das Handy fand.
„Hallo?“, ohne auf den Display zu gucken, ging sie ran.
„Ähm ja hi. Ich dachte, ich ruf dich mal an.“, kam aus dem Hörer.
„Christian!!!“, schrie sie voller Freude. Ihre Hände zitterten vor Aufregung. Sie hatte ganz vergessen, dass sie ihm ihre Handy-und Festnetznummer gegeben hatte.
„Wer ist es?“, flüsterte Charlie dazwischen.
„Psst.“ Mandy machte ihr ein Zeichen, dass sie leise sein soll und widmete sich weiter dem unbekannten Anrufer.
„Wow, es freut mich total, dass du anrufst. Ich habe echt gedacht, dass ich nichts mehr von dir hören werde.“
„Toll, dass du so etwas von mir denkst.“, sie hörte Christian lachen. „Eigentlich rufe ich an, weil ich dich fragen wollte, ob wir uns mal wieder treffen können. Ich vermisse dich nämlich. Irgendwie.“ Er kicherte wieder unbeholfen.
„Oh ach so. Wow. Ich bin echt, naja ähm..., also ich würde es toll finden. Ja.“
Jetzt war Mandy es, die verlegen zu stottern anfing. Der Anruf und vor allem die Frage trafen sie völlig unvorbereitet. Und Charlie stand daneben und schaute sie etwas irritiert an.
„Ja ok, morgen um fünf. Ich freue mich schon. Tschüss.“ Mandy atmete erleichtert auf und steckte ihr Handy zurück in die Tasche.
„Werde ich vielleicht auch irgendwann mal erfahren, wer gerade angerufen hat? Und mit wem du dich da eben verabredet hast?“, fragte Charlie ungeduldig.
„Na gut. Ich werde dir jetzt alles erzählen. Komm wir setzten uns da drüben hin.“
Und dann erzählte sie Charlie den Teil der Geschichte, welchen sie ihr damals verschwiegen hatte. Ihre Freundin hörte erstaunt zu, ohne zu unterbrechen.
„Ja und jetzt haben wir uns wieder verabredet. Ist das nicht Wahnsinn?“, beendete Mandy schließlich ihre komplizierte Story.
„Mandy, du brauchst wohl einen Arzt! Oder einen ordentlichen Klaps auf den Hinterkopf. Weißt du eigentlich wie gefährlich es war? Ich dachte du wärst bei einer Freundin. Aber nein. Da pennst du bei einem wildfremden Typen, der irgendein Perversling hätte sein können. Ich kann es echt nicht fassen!“ Charlie lief vor Wut rot an. Das hätte sich Mandy schon denken können, doch irgendwann hätte sie ja sowieso die Wahrheit erfahren.
„Jetzt sei doch nicht so! Ach Mensch, Charlie! Du reagierst doch völlig über. Außerdem ist mir gar nichts passiert, außer...naja,.... egal. Und Vergangenheit soll eben Vergangenheit bleiben und nicht noch weiter ausdiskutiert werden.“ Mandy versuchte das Thema so schnell wie möglich zu beenden.
„Was meinst du mit „mir ist nichts passiert außer“, hä?“ Charlie sah immer noch wütend aus.
„Nichts meinte ich damit. Vergiss es einfach.“ Mandy schüttelte den Kopf, enttäuscht über Charlies Reaktion.
„Du wirst es mir jetzt sofort sagen!“ Charlie brüllte beinahe.
„Jetzt raste doch nicht gleich aus.“ Mandys Geduld war inzwischen auch am Ende.
„Wenn du es genau wissen willst, damit meinte ich nur, dass ich mich in ihn verliebt habe. So, zufrieden?“
Charlie seufzte. Dann rückte sie noch etwas näher ran und umarmte Mandy.
„Tut mir echt leid. Ich hatte bloß Angst um dich. Ich dachte schon an die furchtbarsten Dinge. Du kennst mich ja. Entschuldigung angenommen?“
„Na gut. Aber ich habe auch schon eine Idee, was wir jetzt tun könnten.“
„Was denn?“ Charlie schaute überrascht auf.
„Wir gehen zum Friseur! Ich muss morgen schließlich gut aussehen.“ Sie zwinkerte Charlie zu.
Beide Mädchen mussten lachen.
„Die Idee ist gar nicht mal so schlecht. Ich könnte auch einen neuen Haarschnitt vertragen.“, meinte Charlie.
„Na dann los!“ Mandy schnappte sich ihre Sachen und lief vorwärts Richtung Bushaltestelle.
Mit dem Bus fuhren die Mädels schließlich zu ihrem Lieblingsfriseur. Zum Glück waren sie zu dieser Zeit die einzigsten Kunden, was bedeutete, dass sie sofort dran waren.
Die nette Friseuse lächelte Mandy ganz lieb an. „Was möchtest du denn für einen Haarschnitt?“
„Hmm...“ Mandy betrachtete sich in dem riesigen Spiegel. „Ich würde sagen ein Stück kürzer, dann noch durchstufen und einen schrägen Pony schneiden.“, entschied sie sich schließlich.
„Super! Wird gemacht!“ Die Friseuse führte Mandy zum Waschbecken und machte ihre Haare nass. Dann rieb sie ihr ganz sanft ein Shampoo in die Haare, welches extrem lecker nach Erdbeere duftete. Mandy schloss genüsslich die Augen und träumte ein bisschen vor sich hin. Als der ganze Schaum aus den Haaren gespült war, wurden sie in ein großes, weiches Handtuch eingewickelt und Mandy konnte sich auf ihren Platz vor dem Spiegel begeben.
Von da aus winkte sie Charlie zu, die auch schon mit nassen Haaren vor einem Spiegel Platz genommen hat.
Als Mandys Haare endlich etwas trockener und durchgekämmt waren, begann die Frau mit einer kleinen Schere zu schnippeln. Sie tat es so schnell, dass man gar nicht nachvollziehen konnte was sie da machte. Leichte Panik überkam Mandy.
„Und was wenn, es am Ende total daneben aussieht?“, fragte sie sich. Minuten später, sah sie wie die Stufen sich langsam bemerkbar machten und wurde etwas ruhiger. „Es wird schon nicht schlimmer aussehen als vorher.“, versuchte sie sich endgültig zu beruhigen.
Als ihre Haare dann schließlich geföhnt wurden, merkte sie wie toll es aussah. Mandy strahlte ihr Spiegelbild an.
„Wie ich sehe, gefällt es dir.“, lachte die Friseuse.
„Ja.“ Mandy fuhr sich mit den Händen durch die Haare um sich zu überzeugen, dass sie echt waren.
„Jetzt siehst du schon fast so gut aus wie ich!“, kicherte Charlie und zog sie vom Stuhl.
„Wow und du erst!“, antwortete Mandy und bewunderte Charlies neuen Haarschnitt. Sie sah wie immer bezaubernd aus.
Anschließend bezahlten sie noch an der Kasse und fuhren glücklich nach Hause.

Kapitel 8

Am nächsten Tag stand sie mit ihrem gepackten Koffer vor der Eingangstür ihres Hauses und klingelte. Doch keiner öffnete. Bestimmt waren ihre Eltern noch arbeiten.
Sie schnappte sich wieder ihre Sachen und ging damit zu dem nächstgelegenen Spielplatz. Dort setzte sie sich auf eine Bank, holte ihr Buch raus und las weiter.
Sie konnte es beinahe vor ihren Augen sehen, wie durcheinander und aufgebracht Shelly war. Sie konnte sich selbst nicht mehr akzeptieren und schlüpfte deswegen einfach in die Rolle ihrer besten  Freundin und hielt sich jetzt auch für diese. „Wenn ich es könnte, würde ich dir helfen, Shelly.“, flüsterte Mandy.
„Redet die kleine Mörderin etwa schon mit sich selbst?“, hörte sie eine Stimme hinter ihrem Rücken. Blitzschnell drehte sie sich um.
„Linda! Hätte ich mir denken können.“ Mandy machte ein angewidertes Gesicht.
„Bist wohl wieder aufgetaucht? Hätte ich an deiner Stelle nicht gemacht. Sonst landest du ruckartig hinterm Gitter. Glaub mir, Kleine.“
„An deiner Meinung bin ich aber nicht interessiert.“ Langsam wurde Mandy richtig wütend.
„Ok, ist mir sowieso egal. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich ganz genau, dass du nicht der Mörder bist. So verrückt bist ja noch nicht mal du.“ Linda schaute sie grinsend an.
„Warum bist du dir da so sicher?“, presste Mandy hervor. „Weißt du etwa, wer das getan hat? Und grinse doch nicht so blöd!“
„Womöglich weiß ich das.“ Linda kicherte. „Oder diese Person sitzt genau vor mir. Und jetzt Schluss mit dem Spaß, ich muss nun weiter. Denn es gibt so viele Menschen, die auf mich warten.“ Sie verdrehte spielerisch die Augen.
„Dann amüsiere dich schön!“, brummte ihr Mandy hinterher.  
Sie beschloss, Charlie anzurufen. Das war sie ihrer besten Freundin schließlich schuldig, nachdem sie sich einige Tage nicht mehr bei ihr gemeldet hatte.  

„Oh Mandy, wie froh bin ich endlich was von dir zu hören!“, schrie Charlie voller Freude in den Hörer.
„Keine Sorge, ich werde dir jetzt alles erklären.“, versuchte Mandy ihre Freundin zu beruhigen. Nach und nach erzählte sie Charlie warum sie plötzlich weg musste,  erzählte ihr von ihrem kleinen Abenteuer. Das einzige, was nicht wirklich der Wahrheit entsprach war, dass sie bei einer Bekannten übernachtet hatte, die sie zufällig im Park traf. Sie wollte einfach nicht, dass Charlie alles in den falschen Hals kriegt. Und dann erzählte sie ihrer Freundin von ihrem neusten Verdacht: „Du Charlie, ich glaube Linda hat Frau Schneider umgebracht.“
„Was? Spinnst du? Wieso sollte sie so etwas tun? Ja, Linda ist eine blöde Kuh, aber deswegen doch nicht gleich eine Mörderin.“
„Hey, lass mich doch erstmal ausreden!“, antwortete Mandy wütend. „Sie war vor kurzem hier und hat mich wegen dem Thema angesprochen. Und dann sagte sie, sie weiß ganz genau, dass nicht ich die Mörderin bin. Aber wieso sollte meine Erzfeindin so was nettes über mich denken, es sei denn sie weiß ganz genau wer der Täter ist. Nämlich sie selbst. Und dann hatte sie noch so komische Andeutungen gemacht.“
„Was denn für Andeutungen?“, fragte Charlie neugierig.
„Ach weiß ich auch nicht mehr genau. Ist ja auch egal. Bestimmt irre ich mich. Obwohl es natürlich so schön wäre, zu wissen, dass nicht ich es getan habe.“ Plötzlich spürte Mandy wieder diesen Kloß im Hals.
„Mandy! Jetzt sei doch vernünftig. Wir wissen beide, dass du es nicht gewesen bist.“
„Wie kannst du dir da aber so sicher sein, wenn noch nicht mal ich es bin?“ Mandy schluckte schnell, um den Kloß los zu werden.
„Weil ich dich inzwischen in und auswendig kenne, Mausi. Ich weiß zu was du fähig bist und zu was nicht.“ Charlies Worte hatten  für Mandy etwas tröstliches. Und das brauchte sie in letzter Zeit am meisten.
Noch sehr lange quatschten die Mädels über alles mögliche und mussten erst dann Schluss machen als Mandys Akku plötzlich leer war. Da merkte sie auch, dass es schon spät war und sie sich schon langsam auf den Weg nach Hause machen konnte. Irgendjemand von ihren Eltern war inzwischen bestimmt schon da. Also lief sie in schnellerem Tempo nach Hause.
Ihre Mutter öffnete ihr die Tür und ihre Augen wurden ganz groß vor Überraschung.
„Mandy!“, presste sie unter den Tränen hervor. Sie umarmte ihre Tochter und drückte sie ganz fest an sich. „Wie sehr ich dich vermisst habe.“, flüsterte sie und wuschelte ihr durchs Haar. „Mein kleines Mädchen.“
Sie kochte einen heißen Cappuccino für Mandy und erzählte ihr die Neuigkeiten. Natürlich stellte sie auch Tausende von Fragen an ihre Tochter, die Mandy wohl oder übel beantworten musste um ihre Mama nicht zu kränken.  
„Du siehst jetzt schon so viel lebendiger aus. Ich hatte solche Angst um dich als du noch so am Boden zerstört warst.“
„Ich fühle mich auch wirklich schon etwas besser, Mama. Wie ich es schon gedacht habe, hat es mir gut getan ein Paar Tage wegzubleiben.“ Mandy lächelte.
„Willst du mir jetzt vielleicht verraten, wo du genau gewesen bist?“, fragte Frau Weber vorsichtig.
Mandy schwieg eine Weile.
„Das wirst du alles noch später erfahren. Keine Sorge. Aber das wichtigste ist doch jetzt, dass ich wieder da bin, oder?“, versuchte sie vom Thema abzulenken.
„Natürlich.“ Ihre Mutter nahm die leeren Tassen und stellte sie in die Spülmaschine.
„Du, ich gehe jetzt auf mein Zimmer und verbringe ein bisschen Zeit an meinem Computer. Habe bestimmt schon Tausende von ungelesenen E-Mails.“
Mandy lachte und lief auf ihr Zimmer. Als sie an ihrem PC saß, vergaß sie völlig die Zeit. Einige Stunden später kam ihre Mutter in das Zimmer.
„Schatz, solltest du nicht etwas für die Schule tun? Schließlich geht es ja morgen richtig los.“
„Oh ja, stimmt. Habe ich völlig vergessen. Mache ich gleich.“ Mit wenig Begeisterung schaltete sie ihren Computer wieder aus und holte ihr Schulzeug.
Als Abends ihr Vater von der Arbeit nach Hause kam, war er genauso glücklich wie ihre Mutter. Doch seine Freude reichte leider nicht aus, um Mandy keinen Hausarrest für ihre Aktion zu verpassen.
„Ganze zwei Wochen? Das kannst du mir doch nicht antun! Papa!“ Mandy fuchtelte wütend mit ihren Armen herum.
Doch ihr Vater war schon immer für seine Standhaftigkeit und Unnachgiebigkeit bekannt, also ließ sich da nichts machen. Mandy musste es wohl oder übel akzeptieren.
Als sie sich vor dem Schlafengehen die Zähne putzte, dachte sie an die Schule. Sie spürte erst jetzt wie aufgeregt sie war. Ihre Mitschüler wieder sehen, die Lehrer. Wie die anderen wohl auf sie reagieren würden, und ob sie sie vielleicht sogar verdächtigen? Sie hoffte, dass alles so sein würde wie früher. Keine Polizeibeamten in der Schule, keine nervigen Fragen.
Etwas unruhig lag sie später in ihrem warmen vertrauten Bett und musste plötzlich an Christian denken. Sie vermisste ihn jetzt schon.

Kapitel 7

Die Wohnung von Christian war ziemlich klein, sah jedoch ganz gemütlich aus. Es gab eine kleine Küche, ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer.
„Und, wie findest du meine Wohnung?“, fragte Christian nachdem sich Mandy überall umgeschaut hatte.
„Schön. Und gemütlich. Ich bin mir sicher, es wird mir hier gefallen.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
„Na, dann ist ja alles super. Du würdest dann hier im Wohnzimmer schlafen. Und falls du irgend etwas brauchst, ich bin gleich nebenan in meinem Zimmer.“
„Ok, danke. Ich könnte jetzt sicher eine warme Dusche vertragen. Ich darf doch, oder?“
„Klar, da ist das Bad. Na dann, viel Spaß.“ Er zwinkerte ihr zu und ging in sein Zimmer.
Mandy holte ein Handtuch aus ihrem Koffer und ging ins Bad. Als das heiße Wasser über ihren Körper floss, fühlte sie sich schon viel besser und sicherer. Anschließend putzte sie sich die Zähne und machte es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer bequem.
Nach zwei Stunden war sie immer noch wach. Jetzt hatte sie auf einmal Schuldgefühle, weil ihre Mama schon bestimmt krank vor Sorge war. Und dann würde sie die Polizei informieren und man würde sie suchen. „Nein, das darf ich nicht zulassen!“
Mandy schnappte sich ihr Handy und wählte die Nummer von ihrer Mutter.
„Ja, hier Frau Weber.“, meldete sich eine Stimme, die so traurig klang, dass Mandy Tränen in die Augen stiegen. Wie konnte sie ihrer Mutter nur so was antun?
„Mama, ich bin´s.“
Plötzlich klang die Stimme ihrer Mutter viel lebendiger. „Mandy? Schatz, wo bist du? Ich bin fast gestorben vor Angst.“ Frau Weber schluchzte.
„Mir geht’s gut. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich bin bei einer Freundin. Du musst das verstehen Mama. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Ich konnte einfach nicht mehr. Gib mir nur einige Tage Zeit, dann komme ich wieder zurück.“
„Aber warum? Wärst du etwa nicht sicher bei mir? Ich habe doch solche Angst um dich. Ich will nicht, dass die Polizei noch mehr Gründe hat dich zu verdächtigen. Bitte komm nach Hause, Engel.“
„Tut mir leid, aber ich weiß wirklich was jetzt besser für mich ist. In ein Paar Tagen bin ich wieder zu Hause. Und mach dir bloß keine Sorgen um mich. Hier bin ich sicher.“ Dann legte sie auf.
„Arme Charlie.“, dachte sie. Da sie zu ihrer Mutter gesagt hatte, sie wäre bei einer Freundin, würde sie bestimmt bald vor Charlies Haustür stehen und nach ihrer Tochter verlangen. „Zum Glück, weiß Charlie auch nicht wo ich bin.“
Jetzt fühlte sie sich schon etwas erleichtert. Es tat gut, die Stimme ihrer Mutter zu hören. Jetzt musste sie wenigstens keine Schuldgefühle haben. Langsam versank sie ins Land der Träume.
Doch mitten in der Nacht, wurde sie von ihrem eigenen Schrei geweckt. Sie hatte wieder den selben Alptraum gehabt. Sie umklammerte ihre Knie und versuchte sich wieder zu beruhigen. Plötzlich ging das Licht an.
„Was ist denn hier los?“ Christian stand nur in Boxershorts und mit einem total verschlafenen Gesicht vor ihr.
„Es...es tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.“, stotterte sie. Sie versuchte ihre Tränen zu unterdrücken.
„Hey, das ist doch überhaupt nicht schlimm.“, sagte er und setzte sich zu ihr auf das Sofa. „Das war wohl ein sehr schlimmer Alptraum, was?“ Er lächelte sie ganz freundlich an.
Plötzlich konnte Mandy ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Er war so lieb zu ihr, aber sie hat es doch überhaupt nicht verdient.
Christian rückte etwas näher an sie und legte seinen Arm um sie. Mandy drückte sich an seine warme Brust und fühlte sich auf einmal so geborgen und so sicher. Vielleicht war es das, was sie so dringend brauchte. Liebe und menschliche Nähe.
„Du zitterst ja total. Ist dir kalt?“ Christian deckte sie zu und schlüpfte mit unter ihre Decke. „Vielleicht wird dir jetzt etwas wärmer.“, sagte er und grinste.
Zufrieden lag Mandy in seinen Armen und kuschelte sich noch näher an ihn.
„Ich kann mir gut vorstellen, wie schlimm das alles für dich sein muss.“, sagte er plötzlich.
„Echt? Hmm.“ Mandy schaute ihm in die Augen und errötete. Was tat sie da überhaupt? Sie lag mit einem Jungen, den sie erst seit zwei Tagen kannte in einem Bett. Aber es fühlte sich trotzdem so richtig an.
„Ich mag dich, Mandy.“, sagte er in ihre Gedanken hinein. „Du bist ganz anders als die Mädchen, die ich so kenne. Und das fasziniert mich an dir so. Und unglaublich hübsch bist du auch noch.“
„Wow. Danke.“ Mandy wurde nur noch röter und spürte wie ihr Hitzewellen in den Kopf schossen.
„Ich mag dich auch. Du bist auch ziemlich außergewöhnlich. Nimmst einfach ein fremdes Mädchen bei dir auf.“ Sie  lachte.
„Ja, ich weiß. Aber ich bereue es kein bisschen.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Wofür war das denn?“, fragte sie und lächelte.
„Nur so. Schlaf gut.“ Er strich ihr ganz zart übers Gesicht und wollte aufstehen.
„Ähm, Christian?“
„Ja?“ Er schaute sie an.
„Ich möchte nicht, dass du gehst.“ Sie versuchte es mit einem Hundeblick.
Bei diesem Anblick musste er lachen. „Ok wenn du darauf bestehst. Da kann ich doch nicht Nein sagen.“ Chris zwinkerte ihr zu.  
Er legte sich wieder zu ihr unter die Decke. „Jetzt wird aber wirklich geschlafen. Ich muss morgen früh zu Uni.“
„Du studierst?“, fragte Mandy überrascht.
„Ja. Hättest mir wohl nicht zugetraut, oder? Meine einzige Beschäftigung ist nicht nur Verführung Minderjähriger.“ Er kicherte.
„Ha-ha. Sehr witzig.“  
„Mmh.“ Er drehte sich auf die andere Seite.
„Schlaf schön.“, flüsterte Mandy.
Nach fünf Minuten schnarchte Christian schon. Ein wenig später ist auch Mandy eingeschlafen.
Und sie wachte erst wieder auf, als die ersten Sonnenstrahlen ins Wohnzimmer drangen. Sie drehte sich auf den Rücken und schaute sich um. Christian war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich war er schon weg. Mandy stand auf und tappte ins Bad. Nach einer kalten, aufmunternden Dusche ging sie in die Küche, um sich etwas zu essen zu machen. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel auf dem geschrieben stand: Guten Morgen, Kleine. Ich bin gegen 16.00 Uhr wieder zu Hause. Mach bitte keine Dummheiten während ich weg bin. Bis später.
PS: Die Nacht mit dir war wundervoll. **zwinker**
„Spaßvogel!“, kicherte Mandy. „Wenn ich das nur Charlie erzählen würde. Ich habe die Nacht mit einem Jungen verbracht. Dann würde sie natürlich sofort was falsches denken.“, dachte Mandy. Bei dem Gedanken musste sie lächeln.
Der Kühlschrank von Christian war nicht gerade überfüllt mit Essen. Aber ein paar Scheiben Wurst und einen Becher Joghurt konnte Mandy noch finden. Satt und zufrieden setzte sie sich aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. In den Nachrichten zeigten sie gerade das Foto ihrer Mathelehrerin. Es wurde gesagt, dass ihr Mörder immer noch auf freiem Fuß und die Hauptverdächtige spurlos verschwunden ist, weil sie eine Auszeit von diesem ganzen Stress braucht, wie ihre Mutter behauptete.
„Ach, Mama. Du bist die Beste.“, dachte Mandy und war froh, dass ihre Mutter sie trotzdem noch unterstützte und auf ihrer Seite war.
Plötzlich hatte sie Heimweh. Sie spürte, dass sie es nicht mehr lange aushalten würde, obwohl sie Christian so gern hatte. Da musste sie sich wohl auf den ganzen Stress vorbereiten, welcher sie zu Hause erwartete. Mittlerweile hasste sie die Polizei. Es gab keine größeren Nervensägen und Fieslinge als sie. Bei dem Gedanken daran wurde ihr schlecht.
Allmählich wurde ihr langweilig. Also machte sie laut Musik an und tanzte durch die Wohnung. Nebenbei packte sie ihre Sachen wieder in den Koffer.
Später kam Christian nach Hause. Er strahlte als er Mandy erblickte.
„Du bist ja noch da.“
„Wieso? Willst du dass ich wieder gehe?“ Mandy stellte sich direkt vor ihn.
„Nein, auf keinen Fall. Ich hatte bloß Angst, dass du nicht mehr da bist wenn ich zurück komme.“ Er machte einen Schritt auf sie zu und umarmte sie.
„Hast du auch was gekocht?“, fragte er grinsend.
„Wir sind nicht verheiratet! Und ich bin nicht deine Hausfrau. Außerdem kann ich gar nicht kochen.“ Mandy schaute ihn lächelnd an und ihr Blick blieb an seinen schönen, vollen Lippen hängen.
„Schade.“, lachte Christian. Er näherte sein Gesicht langsam an ihres und berührte ganz vorsichtig ihre Lippen. Und schon umklammerte Mandy seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich, weil sie sich nicht länger zurückhalten konnte.  
„Nicht so stürmisch, Süße.“, sagte er als er zwischendurch Luft holen musste.
„Tut mir leid.“, flüsterte Mandy und wurde rot.
„Wie wäre es, wenn wir jetzt essen gehen. In der Nähe gibt es ein Burger King.“ Chris strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Das klingt echt super. Lass uns gehen.“
Auf dem Weg zu Burger King nahm Christian ihre Hand. Es fühlte sich so unglaublich an. Mandy fühlte sich zu ihm hingezogen.
Beim Essen erzählte sie ihm, dass sie vorhat schon morgen nach Hause zurück zu kehren. An Christians enttäuschtem Gesichtsausdruck konnte sie sehen, dass er davon nicht gerade begeistert war.  
„Wir bleiben doch auf jeden Fall in Kontakt, oder?“, fragte Mandy unsicher.
„Ja, natürlich. So schnell wirst du mich nicht mehr los.“
Mandy atmete erleichtert auf. Sie hatte  schon Angst, dass Chris sie nicht mehr sehen will.
„Es war bloß so schön dich in meiner Nähe zu haben.“, sagte er nach einer Weile.
„Das sollten wir auf jeden Fall wiederholen.“
„Ja.“ Mandy drückte Christians Hand und strahlte innerlich vor Freude.

Kapitel 6

Am nächsten Morgen, stand Mandy schon um sechs auf und packte ihren Koffer. Sie wollte so schnell wie möglich weg von hier. Sie beschloss von zu Hause abzuhauen, denn sie fühlte sich nicht mehr sicher hier. Und sie würde erst zurück kommen, wenn alle diese schreckliche Sache vergessen haben. Wenn es sein musste, würde sie sogar auf der Straße schlafen, Hauptsache weg von diesen nervigen Polizisten mit ihren sinnlosen, bescheuerten Fragen.
Sie nahm so wenig Sachen und so viel Essen wie möglich mit. Dann ging sie zur Haltestelle und fuhr mit dem Bus nach Pillnitz. Dort könnte sie stundenlang im Schatten eines Baumes oder am Elbufer sitzen und vor sich hin träumen.
Am Elbufer hat sie dann eine kleine rote Decke ausgebreitet und sonnte sich mit einer Zeitschrift in der Hand. Die Zeit verging furchtbar schnell. Als es schon dunkel wurde, packte sie ihre Sachen wieder ein und ging tiefer in den Park um sich eine Bank zu suchen, wo sie eventuell schlafen könnte. Auf dem Display ihres Handys sah sie, dass sie schon zehn Anrufe von ihrer Mutter gekriegt hatte. Bestimmt waren auch schon mindestens so viele Nachrichten auf ihrer Mailbox. „Tut mir leid Mama.“, flüsterte sie und machte das Handy aus. Sie fühlte sich auf einmal sehr einsam.
Sie wickelte sich in die kleine Decke ein und versuchte es sich so bequem wie möglich auf der Bank zu machen. Auf einmal hörte Mandy die Stimmen von mehreren Jugendlichen aus der Ferne.
„Scheiße! Wo soll ich mich jetzt bloß verstecken?“, sie schaute sich um. „Nein, ich bleibe jetzt einfach hier sitzen und tue so, als würde ich auf jemanden warten.“ Mandy setzte sich auf und schlug die Beine übereinander. Ihre Zähne klapperten schon vor Kälte.
Eine Gruppe von Teenagern schlenderte langsam vorbei, wobei einer der Jungs stehen blieb und sie anschaute. „Mandy, nicht war?“
„Was?“, Mandy zuckte erschrocken zusammen.
„Du bist doch Mandy, oder?“, wiederhole  er.
„Ach so. Ähm ja.“ Jetzt schaute sie ihn richtig an. Es war der Junge, den sie gestern im Café kennengelernt hatte.
„Kommst du, Chris?“, fragte einer seiner Kumpels.
„Geht schon mal vor ich komme dann nach.“
„Na gut. Wie du meinst.“ Die Jungs zogen ab.
Christian setzte sich neben Mandy auf die Bank. „Darf ich mal fragen, was du hier so spät noch machst?“
„Ich wüsste nicht, was es dich angeht!“ Mandy wollte ihm die kalte Schulter zeigen, damit er so schnell wie möglich verschwindet. Doch Christian ließ nicht locker.
„Ach komm schon. Ich sehe doch, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich weiß, wir kennen uns ja kaum aber du kannst mir wirklich vertrauen.“
Und auf einmal tat Mandy das auch. Sie vertraute ihm. Und sie erzählte ihm die ganze Geschichte, was für einen Stress sie zu Hause hatte und wie schlimm es alles für sie war. Nur einige Einzelheiten, wie das mit dem Buch hat sie ausgelassen.   
„Boa! Man könnte echt sagen, du steckst da ganz schön tief in der Scheiße. Jetzt kann ich dich auch verstehen. Aber ich kann auch nicht zulassen, dass du hier im Park pennst, wie so ein Obdachloser.“, sagte Christian und schaute kurz in die Richtung, in die seine Kumpels gegangen sind.
„Das kannst du gleich wieder vergessen. Ich gehe auf keinen Fall wieder nach Hause.“ Mandy verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Das habe ich auch nicht gemeint.“ Chris tat so als würde er nachdenken.
„Wenn du willst, kannst du ein Paar Tage bei mir wohnen. Ich hab eine kleine Wohnung in der Neustadt. Dann würde ich im Wohnzimmer Platz für dich machen.“
„Also ich weiß nicht.“ Mandy hatte keine Ahnung, ob sie Ja sagen sollte oder nicht. Doch dann sah sie die langen, kalten Nächte vor sich, die sie ganz alleine auf der Straße verbringen würde. Und dann erschien ihr die Entscheidung schon viel logischer.
„Ja, ich nehme das Angebot an. Das ist sehr nett von dir.“
„Super!“, Chris stand auf und schnappte sich ihren Koffer. „Jetzt gehen wir mal zum Bus. Dann sind es nur noch 20 Minuten von hier.“

Kapitel 2

„Wo ist dieses verdammte Buch?“ Wütend klappte Charlie ihr Schließfach zu.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte Mandy und musste grinsen, als sie das vor Wut rote Gesicht ihrer Freundin sah.
„Ich finde mein Mathebuch nicht.“ Charlie machte einen Schmollmund.
„Oh nein. Sie findet ihr Mathebuch nicht. Jetzt geht garantiert die Welt unter.“, sagte Linda im Vorbeigehen. Linda Rund war die größte Klassenzicke überhaupt. Ihr einziges Hobby bestand wohl darin, andere Menschen runter zu machen und überall  die Beste zu sein.
„Halt du lieber deine Fresse, du Biest!“, schrie ihr Charlie hinterher.
„Ach komm, Charlie, wir können mein Mathebuch doch zusammen benutzen. Wir kommen sonst noch zu spät zum Unterricht.“ Mandy zog Charlotte an ihrem Ärmel.
„Na gut, lass uns gehen.“
Zusammen rannten die beiden Mädels zum Unterricht.
Der Unterricht bei Frau Schneider war wie immer todlangweilig. Die meisten der Schüler waren mit allen möglichen Sachen beschäftigt, außer Mathe. Mandy kaute an ihrem Bleistift und träumte vor sich hin. Plötzlich piepste ihr Handy.
„Charlotte!“, rief Frau Schneider. „Du weißt ganz genau, dass Handys im Unterricht aus sein müssen. Oder willst du die Hausordnung abschreiben?“
„Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.“, flüsterte Charlie.
„Eigentlich war das mein Handy.“, sagte Mandy kaum hörbar.
„Ach, so ist das?“ Die Mathelehrerin schaute sie misstrauisch an. „Na, dann kannst du heute zwei Stunden nachsitzen!“
Lächelnd ging sie wieder zur Tafel.
„Diese bescheuerte Kuh!“, flüsterte Mandy.
„Warum musstest du das auch zugeben?“, fragte Charlie. „Du weißt doch, dass Schneider dich nicht leiden kann.“
„Das ist mir egal, ich werde mich noch rächen. Dann wird die Alte es so was von bereuen.“
Mit einem hasserfüllten Blick schaute Mandy nach vorne.
In der letzten Stunde hatten sie Deutsch. Und Mandy war als Erste dran mit ihrem Gedicht.
„Siehst du Mandy, sich einmal anzustrengen, lohnt sich. Die Betonung war zwar nicht besonders gut, aber wenigstens konntest du das Gedicht. Ich gebe dir eine zwei plus.“ Frau Gerber trug die Note in ihr Notenheft ein.  
„Ja!“ Mandy machte einen Sprung.
„Herzlichen Glückwunsch! Ich wusste, du würdest es schaffen.“, flüsterte ihr Charlie zu.
Nach der Schule verabschiedete sich Mandy von ihr, weil sie ja noch zum Nachsitzen musste. Kurz vor dem Raum 312 blieb sie stehen und überlegte: „Vielleicht sollte ich doch einfach nach Hause gehen und so tun, als hätte ich es ganz vergessen. Welche Strafe würde mich dann wohl erwarten?“
Dann hatte sie plötzlich eine Idee. Sie klopfte an und trat in den Raum. Dort saßen schon einige Schüler und machten irgendwelchen Blödsinn. Und genau wie sie vermutet hatte, saß der Schlägertyp Robin auch an seinem Stammplatz. Sie bewegte sich auf ihn zu.
„Na du Bad Boy, wärmst du deinen faulen Hintern immer noch an diesem Stuhl?“, sagte sie ganz frech und schaute ihn kampflustig an.  
Robin ballte die Fäuste zusammen.
„Sag das noch mal, du Wurm!“, schrie er.
„Ich wiederhole mich aber zu ungern, du fauler Sack!“ Mandy grinste ihm frech ins Gesicht. Und dann holte Robin zum Schlag aus und Mandy konnte nur die weißen Punkte erkennen, die sich plötzlich anfingen zu drehen, während sie in ein tiefes Loch fiel.
Als sie wieder ihre Augen öffnete, blickte sie in das sorgenvolle Gesicht von Frau Fleck, die wohl heute die Aufsicht beim Nachsitzen hatte.
„Gott sei Dank! Du bist wieder bei vollem Bewusstsein. Ich wollte schon den Notarzt rufen. Was ist denn überhaupt passiert, Schätzchen? Deine Wange ist ja blau angelaufen und deine Lippe aufgeplatzt. Hast du dich etwa mit jemandem geprügelt?“
Da erinnerte sich Mandy plötzlich an das, was passiert war und wo sie sich gerade befand.
„Ähm, ich kann mich nicht daran erinnern, was passiert ist. Aber ich habe furchtbare Schmerzen.“ Sie versuchte todunglücklich und bemitleidenswert auszusehen, obwohl das mit den Schmerzen ja nicht wirklich gelogen war.  
Die Lehrerin half ihr aufzustehen und strich ihr ganz vorsichtig über die geschwollene Wange.
„Ich würde sagen, du gehst jetzt lieber nach Hause, legst dich hin und ruhst dich aus. Und vergiss das Nachsitzen. Du hast schon genug gelitten, Mädchen. Und gute Besserung!“
„Ok, das ist sehr lieb von Ihnen. Danke.“ Mandy musste sich ein Grinsen verkneifen.
„Keine Ursache. Komm gut nach Hause.“
Als Mandy die Eingangstür der Schule hinter sich schloss, musste sie anfangen zu Lachen. Ihre Idee hatte wirklich funktioniert. Zwar nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Denn die Schmerzen waren echt schlimm und sie hätte niemals erwartet, dass Robin so hart zuschlagen würde. Aber immerhin hatte sie das, was sie wollte, erreicht. Stolz begab sie sich auf den Weg nach Hause.
Als sie die Haustür aufgeschlossen hatte und ins Haus trat, spürte sie den leckeren Duft von gebratenen Hähnchen. Ihre Mutter war früher zu Hause, als erwartet und war in der Küche beschäftigt.
Vorsichtig und ganz leise schlich sie ins Bad und versuchte die blaue Wange zu überschminken. Sie trug zwei Make-Up Schichten und Puder auf. Dann trug sie einen roten Lippenstift auf, damit der kleine Riss auf der Lippe nicht so deutlich hervor stach. Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel und warf ihrem Spiegelbild ein Luftküsschen zu. So konnte sie sich nun blicken lassen.
„Hey Mam! Bin wieder da!“ Sie ging in die Küche und gab ihrer Mama einen Begrüßungskuss.
„Hallo, Schatz! Schön, dass du da bist. Das Essen ist gleich fertig.“
„Super! Dann deck ich schon mal den Tisch. Kommt Papa zum Mittagessen auch vorbei?“ Mandy holte die Trinkgläser aus dem Schrank.
„Nein, er isst heute irgendwo unterwegs. Aber zum Abendessen ist er auf jeden Fall wieder da.“
„Oh nein! Dann verpasst er ja die leckeren Brathähnchen. Dafür bleibt aber für uns mehr übrig!“ Mandy zwinkerte ihrer Mutter zu.
„Ach übrigens, Schatz. Da ist ein Paket für dich gekommen. Was hast du dir denn nun wieder bestellt? Doch nicht schon wieder Kosmetik, oder?“
„Nein, keine Sorge. Diesmal ist es ein Buch. Zufrieden?“
„Auf jeden Fall! Lesen könnte dir auch nicht schaden. Ich bin stolz auf dich.“
Schnell holte Mandy das Päckchen und packte ihr neues Buch aus. „Sieht toll aus!“
Sie blätterte das Buch schnell durch, um zu prüfen ob es in Ordnung war. Dann legte sie es weg und ging zum Mittagessen.
Später saß sie gemütlich auf ihrem Bett und las dieses Buch. Ihre Brieffreundin hatte diesmal wirklich nicht übertrieben. Dieser Krimi war echt spannend. Deswegen konnte Mandy gar nicht aufhören zu lesen. Sie verschluckte das Buch praktisch, Seite für Seite und konnte einfach nicht genug davon kriegen. Dieses Mädchen namens Shelly faszinierte sie. Mandy fiel auf, dass sie ganz schön viele Gemeinsamkeiten mit ihr hatte, obwohl es eigentlich total lächerlich war. Denn Shelly war verrückt. Das konnte man nämlich ganz deutlich an ihrem Verhalten erkennen. Denn wieso um Himmels Willen dachte sie, sie wäre jemand anders? Hatte sie etwa Persönlichkeitsstörungen? Das alles verwirrte Mandy ein bisschen. Und doch, fühlte sie sich auf eine seltsame Weise mit Shelly verbunden. Sie waren beide ziemlich schüchtern, hassten die selben Fächer, hatten ähnliche Situationen erlebt, hatten Probleme mit den Lehrern. Doch dann kam für Mandy der Schock. Denn Shelly war auch noch eine Mörderin. Sie hat ihre Nachbarin umgebracht, die sie noch nie leiden konnte. „Ein bisschen kann ich sie ja verstehen.“, dachte Mandy und erschrak vor ihren eigenen Gedanken. „Nein! Das ist trotzdem kein Grund jemanden zu töten. Shelly ist ein schlechter Mensch. Ich darf mich nicht mit ihr vergleichen. Ich bin nicht so wie sie und sie ist nicht so wie ich. Ich bin keine Mörderin. Ich könnte nie einen Menschen umbringen.“ Mit diesen Gedanken schlief Mandy ein.
Abends wurde sie vom Telefonklingeln geweckt. Es war Charlie, die nur wissen wollte, wie sie das Nachsitzen überstanden hatte.
„Ach es war gar nicht so schlimm.“, log Mandy. Von ihrem kleinen Abenteuer erzählte sie lieber nichts, denn sie war sich sicher, Charlie würde es nicht verstehen.
„Ok, dann sehen wir uns morgen in der Schule. Tschüss, hab dich lieb!“
„Ja, ich dich auch.“ Mandy legte auf.

Kapitel 3

Am nächsten Tag in der Schule saß Mandy schweigsam im Schüleraufenthaltsraum. Die erste Stunde hatten sie Ausfall. Mandy holte ihren Zeichenblock raus und kritzelte ein wenig darin. Als sie sich dann ihr Meisterwerk anschaute, musste sie lachen. Es war eine ziemlich hässliche Frau, die einen Küchenmesser im Bauch stecken hatte. Mandy nahm einen roten Filzstift und malte eine Blutlache auf den Boden und schmierte mit Rot noch überall ein bisschen rum. Dann schrieb sie in Druckbuchstaben, Frau Schneider drüber.
In der Mittagspause saßen sie und Charlie im Klassenzimmer und redeten über Luis Brewen, den süßen Jungen aus der Zehnten. Als Mandy ihr Zeug für die nächste Stunde auspackte, flog ein zerknitterter Zettel  aus ihrem Hefter. Charlie hob ihn auf und faltete den Zettel auseinander. „Was soll das denn sein?“, sie schaute Mandy erstaunt an. Es war das Bild, welches sie vorhin in der Freistunde gemalt hat.  
„Ach, das ist natürlich bloß Spaß. Mir war vorhin langweilig.“ Sie zerriss das Blatt und warf die Schnipsel in den Papierkorb. „Was starrst du mich denn so an?“
„Nichts, ich finde es bloß ein bisschen seltsam, wie du dich in letzter Zeit benimmst.  Ich meine deinen Hass auf die Lehrer und alles. Das kann zu nichts Gutem führen.“ Charlies sorgenvoller Blick brachte Mandy zum Lachen.
„Jetzt übertreibst du aber. Ja, die Lehrer kotzen mich an. Na und? Ist das etwa verboten, jemanden zu hassen oder so wütend zu sein, dass man ihn am liebsten umbringen würde? Dieses Bild ist übrigens meine Art von Rache.“
„Ja, ja, du hast völlig Recht.“ Charlie nickte. „Und wenn es dir hilft, dann spricht doch nichts dagegen. Ich hatte mir bloß ein bisschen Sorgen gemacht. Aber komm, lass dich nicht unterkriegen, zeig den Lehrern, dass man nicht auf dir rumhacken kann.  Und außerdem hast du ja mich immer an deiner Seite.“ Charlie klopfte ihr auf die Schulter.
Das Klassenzimmer füllte sich langsam mit Schülern, die vom Essen zurück kamen.
Mandy dachte über Charlies Worte nach. Sie sollte wirklich damit aufhören, ihre  kostbare Zeit mit dem Hass auf die Lehrer zu verschwenden und sich stattdessen auf andere Dinge zu konzentrieren.
In der Mathestunde von Frau Schneider musste Mandy eine quadratische Gleichung an der Tafel berechnen. Sie rechnete und überlegte, schrieb einige Zahlen an die Tafel, wischte es wieder weg und überlegte weiter. Die Mathelehrerin hatte es langsam satt und schickte Mandy wieder zurück an ihren Platz.
„Wenn man schon diese einfache Gleichung nicht umformen kann, muss man sich ernsthaft überlegen, ob eine Hauptschule nicht eine bessere Lösung wäre.“ Sie schaute in die Klasse und ihr Blick blieb auf Mandy hängen. „Und dann wäre es auch noch von Vortei, wenigstens manchmal zuzuhören.“  Sie setzte die strenge Lehrermiene auf.
„Ich habe keine Lust, mir ihre beschissenen Kommentare anzuhören. Sie haben gar nicht das Recht dazu, über mich zu urteilen!“ Mandy wurde vor Zorn und Scham ganz rot im Gesicht.
„Jetzt werde mir hier nicht frech, mein Fräulein! Ich versuche dich doch nur zur Vernunft zu bringen. Aber wenn man mit dir nicht vernünftig reden kann, dann sollte ich wohl ein Gespräch mit deinen Eltern führen.“
„Nichts werden Sie tun! Lassen Sie mich doch einfach in Frieden! Sonst werden Sie es bereuen!“, Mandy war kurz vorm Ausrasten. Sie ballte fest ihre Fäuste zusammen und versuchte sich zu beherrschen.
„Jetzt reicht es. Raus mit dir! Und komm erst wieder, wenn du dich beruhigt hast.“
Mandy schnappte ihr Zeug und knallte die Klassenzimmertür hinter sich zu. Sie rannte durch den Schulflur und ging dann schließlich die Treppe hoch auf den Dachboden. Dort kauerte sie sich in einer Ecke zusammen und schloss die Augen, um  an nichts zu denken. So saß sie eine ganze Weile, bis sie sich beruhigt hatte. Als es ihr wieder viel besser ging, wollte sie wieder zurück in ihre Klasse gehen. Doch plötzlich sah sie die ganze Szene wieder vor ihren Augen. Ihre Lehrerin, wie sie Mandy vor allen Schülern blamierte. Auf einmal hatte sie einen dicken Kloß im Hals und spürte das Bedürfnis zu weinen. Also blieb sie in ihrer Ecke sitzen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie weinte so lange, bis sie keine Kraft mehr hatte. Dann fühlte sie sich erleichtert, als wäre ihr ein Stein vom Herzen gefallen. Doch zurück in die Klasse wollte sie nicht. Sie wollte bis zum Unterrichtsschluss warten und dann einfach nach Hause gehen. Jetzt war ihr schon sowieso alles egal.
Als ihr allmählich langweilig wurde, holte sie ihren Krimi aus dem Schulranzen und las ab da weiter, wo sie gestern stehen geblieben war.
Als sie das Buch wieder zuklappte, war es schon längst nach Schulschluss. Etwas erleichtert schnappte sie sich ihre Sachen und stieg die Treppe runter. Da fiel ihr ein, dass sie ihren Terminplaner noch im Klassenzimmer unter der Bank liegen gelassen hatte. Also kehrte sie vor dem Ausgang nochmal um und ging ins Klassenzimmer. Das müsste inzwischen schon vollkommen leer sein. Als sie jedoch ins Klassenzimmer trat, fand sie Frau Schneider liegend auf dem Fußboden. Alles war voller Blut und an der weißen Wand stand mit Blut geschrieben: „Lass Mandy in Ruhe!“
„Das darf doch wohl nicht wahr sein. Was..., was ist hier nur passiert?“ Mandy kniete sich neben ihre Mathelehrerin auf den Boden um sicher zu gehen, dass ihre Lehrerin wirklich tot war oder ob sie bloß Halluzinationen hatte. Kurz berührte sie den reglosen Körper. Und dann fing sie an zu schreien und um Hilfe zu rufen.

Kapitel 4

Inzwischen waren viele Lehrer und die Polizei da. Mandy saß in der Ecke und weinte. Sie durfte jetzt noch nicht nach Hause gehen, denn sie sollte noch als einzige Zeugin die Fragen der Polizei beantworten.
Schon zum dritten Mal erzählte sie dem Kriminalkommissar, was passiert ist. Wie sie ihre Lehrerin gefunden hatte und wie es überhaupt dazu kam, dass sie nochmal ins Klassenzimmer musste. Sie erzählte einfach die ganze Wahrheit. Ihre Eltern wurden inzwischen angerufen und Charlie saß auch an ihrer Seite, um ihr Trost zu spenden.
„Also habe ich die ganzen Stunden auf dem Dachboden verbracht. Und ein Buch gelesen.“ , erzählte Mandy schluchzend weiter.
„Was war das für ein Buch?“, der Kommissar ließ einfach nicht locker.
„Dieses hier.“ Sie holte das Buch aus ihrem Schulranzen.
„Aha. Interessant. Ich werde das Buch mitnehmen und es mir genauer anschauen.“
„Von mir aus, wenn es Ihnen hilft.“
„Es steht ziemlich schlecht für dich, Mädchen. Dein Name steht an der Wand geschrieben und du hattest einen echt guten Grund deine Lehrerin zu ermorden. Du hattest eine furchtbare Wut auf sie.“
„Meine Tochter ist doch keine Mörderin! Das ist sicher das Werk von irgendeinem Psychopathen!“, mischte sich Mandys Vater ein.
„Wir verstehen ja ihre Sorge, aber aus Wut kann man so viele Sachen tun, wozu man sonst niemals fähig gewesen wäre.“  Der Kommissar schaute Mandys Eltern mitleidig an. „Ich weiß wie hart es für Sie sein muss.“  
„Wir haben alles nochmal genauestens untersucht. Es gibt keine Fingerabdrücke auf dem Messer.“, sagte ein anderer Polizeibeamter beim Reinkommen.
„Sie dürfen jetzt erstmal wieder nach Hause gehen.“, sagte der Kommissar an die Familie gewandt. „Aber bleiben Sie bitte in ihrem Haus und seien Sie auch jederzeit erreichbar.“
„Danke.“ Frau Weber nahm Mandys Hand und ging gemeinsam mit ihrem Mann zum Ausgang.
Der Tag war für Mandy der härteste Tag in ihrem ganzen Leben gewesen und wahrscheinlich auch der schlimmste. Beim Abendessen war es so still wie sonst nie. Ihre Eltern schwiegen, weil sie das Thema nicht ansprechen wollten. Und Mandy wurde von Schrecklichen Schuldgefühlen gequält. Sie wusste auch nicht warum, aber trotzdem hatte sie das Gefühl, dass ihr Verhalten heute, die Schuld an dem Tod von Frau Schneider hatte. Sie stocherte lustlos in ihrem Teller mit Spaghetti herum und stellte irgendwelche schrägen Vermutungen auf. Sie war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob sie wirklich unschuldig war. Schließlich hatte sie sich den Tod ihrer Lehrerin gewünscht. Es könnte ja sein, dass sie es doch getan hatte und sich bloß nicht mehr daran erinnern konnte. „Vielleicht bin ich ja wirklich verrückt.“, dachte sie. „Shelly hatte doch auch ihre Nachbarin umgebracht und wusste danach selber nichts mehr davon. Und ich bin ihr in so vielen Sachen ähnlich.“ Doch nein, das konnte einfach nicht sein, sie war keine Mörderin.
„Nein, ich habe meine Lehrerin nicht umgebracht!“,rief sie auf einmal laut.
„Schatz, natürlich nicht. Das wissen wir doch.“ Ihre Mutter stand vom Tisch auf und umarmte sie. „Du brauchst jetzt erstmal viel Ruhe, Maus. Komm ich bringe dich ins Bett.“
Schnell machte sich Mandy bettfertig und kroch unter die Decke. Ihre Mama setzte sich neben sie auf das Bett.
„Soll ich noch hier bleiben bis du einschläfst, oder das Licht anlassen?“ Das Gesicht ihrer Mutter war vor Sorge ganz blass.
„Nein, nein, schon gut. Es geht mir schon etwas besser. Das ist lieb von dir, danke.“
„Ok.“ Frau Weber gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ging.
Nun war Mandy mit ihren Gedanken ganz allein. „Ich brauch das Buch. Ich muss unbedingt wissen wie es dort weiterging.“, dachte sie und sprang auf. Da fiel ihr wieder ein, dass der Kommissar das Buch mitgenommen hatte. Also kroch sie wieder zurück in ihr Bett und versuchte einzuschlafen.
Gegen Mitternacht wachte sie aus einem furchtbaren Alptraum auf. Schweißgebadet saß sie auf ihrem Bett und zitterte vor Angst. In ihrem Traum sah sie sich mit einem großen Küchenmesser auf ihre Mathelehrerin zukommen. Sie wollte es nicht tun, doch sie hatte ihren Körper nicht unter Kontrolle, als würde sie von jemand anderem gesteuert. Deswegen holte sie aus und stieß von hinten mit voller Kraft zu. Und dann noch einmal und noch einmal, bis sie ganz erschöpft auf den Boden sank. Das Blut verteilte sich schon auf dem Boden. Also nahm sie einen Pinsel und tauchte ihn in das  frische Blut und schrieb damit: „Lass Mandy in Ruhe“ an die weiße Wand. Doch als sie damit fertig war und sich wieder umgedreht hat, stand die Lehrern auf einmal auf den Beinen und lachte. Dabei spritzte Blut in alle Richtungen aus ihrem Mund. Danach ist Mandy aufgewacht. Jetzt stand sie vor ihrem Fenster und schaute nach draußen. Die Tränen tropften auf ihr Nachthemd, sie war völlig verängstigt und durcheinander mit ihren Gefühlen. War das nun bloß ein Traum oder eine
Erinnerung? Das traute sich Mandy noch nicht mal zu denken. „Es war ganz bestimmt nur ein Traum.“, versuchte sie sich zu beruhigen. „Ich hab das nur geträumt, weil dieser doofe Detektiv, mir seine Version von dem Mord genauestens geschildert hatte. Und das versuchte ich in dem Traum zu verarbeiten. Ja, so muss es sein. Denn zu so einer Tat bin ich überhaupt nicht fähig.“
Mandy ging in die Küche, um sich eine Tasse Tee zu machen. Sie suchte sich den Schlaf-gut-Beruhigungstee aus. Es schmeckte nicht besonders gut, aber wenigstens wärmte der Tee ihren vor Angst eiskalten Körper. Allmählich merkte sie, dass sie müde wurde. Jetzt musste sie nur noch hoffen, dass sie diesmal bis zum Morgen durchschlafen würde.

Kapitel 5

Am nächsten Morgen erfuhr sie, dass der Unterricht wegfiel, wegen der ganzen Sache. Noch mehr Schüler und Lehrer sollten befragt werden, denn die Polizei wollte es auf keinen Fall aufgeben, den Mörder zu finden. Innerlich hoffte Mandy, dass die Sache langsam ins Vergessen gerät, und die Suche nach dem Täter auch aufgegeben wird. „Ich will auf keinen Fall ins Gefängnis. Lieber würde ich mich umbringen. Aber wieso denke ich überhaupt darüber nach? Ich bin völlig unschuldig.“ Immer wieder versuchte sich Mandy davon zu überzeugen.
Nachmittags rief Charlie an. Sie hatte gute Nachrichten.
„Die Polizei verdächtigt den Exmann von Frau Schneider. Sie hatten sich erst seit einigen Monaten getrennt und hatten ziemlich Streit wegen der Aufteilung der gemeinsamen Sachen. Er hatte ihr sogar Drohbriefe geschickt. Und wahrscheinlich wollte er sie von der Arbeit abholen, wobei es zu einem heftigen Streit kam und er, außer sich vor Wut, sie umgebracht hat. Als Rätsel bleibt jedoch noch der Satz an der Wand. Da erscheint alles noch ziemlich unlogisch. Aber wenigstens bist du nicht mehr die Hauptverdächtige.“
„Jetzt bin ich aber erleichtert.“ Mandy atmete tief aus. Vielleicht würde es ja doch irgendwie wieder in Ordnung kommen.
„Danke, dass du es mir sofort erzählt hast. Halt mich auf dem Laufenden, ok? Ich brauche jetzt viel Ruhe, sonst werde ich noch verrückt.“
„Jaa, sicher. Ruh dich aus. Ich hab dich lieb, meine Mausi.“
„Hmm, tschüss.“
„Ach und Mandy?“
„Ja?“
„Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir. Dein Leben wird bald wieder perfekt sein, so wie es sein sollte.“
„Das hoffe ich auch. Doch das bezweifele ich.“ Mandy legte auf.
Sie überlegte, was sie jetzt tun könnte. Denn sie konnte ja nicht die ganze Zeit nur zu Hause herumsitzen. Sie brauchte dringend frische Luft. Also zog sie sich an und ging an die frische Luft. Sie spazierte durch die Straßen und bestellte sich dann schließlich einen Kakao in einem kleinen Café.
Schweigend schlürfte sie die heiße Flüssigkeit und ließ ihre Gedanken hin und her schweifen. Plötzlich setzte sich ein junger Mann an ihren Tisch. „Ich darf doch, oder?“, fragte er schüchtern. „All die anderen Plätze sind nämlich schon besetzt.“
„Äääh sicher, klar.“, stotterte Mandy. Sie wurde ein bisschen rot, denn der Typ sah echt gut aus. „Wow, ist der heiß!“, dachte sie. Er trank seinen Kaffee und beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Sie lächelten sich beide an.
„Bist du öfters hier?“, sagte er plötzlich.
„Naja, geht schon, so ab und zu.“
„Hmm, dann sollte ich ab jetzt auch öfters herkommen.“ Er lachte. „Ich heiße übrigens Christian.“
„Ich bin Mandy.“, sagte sie und verschluckte sich vor Aufregung beinahe an ihrem Kakao.
„Einen echt schönen Namen hast du! Mandy.“
„Danke. Ich muss jetzt aber los.“ Sie schnappte sich ihre Handtasche und ging aus dem Café.
Doch kaum zu Hause angekommen, wünschte sie sich, sie wäre noch geblieben. Denn der Kriminalkommissar saß bei ihnen im Wohnzimmer und bekam von ihrer Mutter gerade eine Tasse Tee serviert.
„Ich habe dich schon erwartet.“, sagte er freundlich. Doch Mandy lief trotzdem ein kalter Schauer über den Rücken. Was für Nachrichten brachte er wohl mit?
„Ich bringe dir auch dein Buch wieder. Ich habe es kurz überflogen, ich hoffe du hast nichts dagegen. Und darüber möchte ich auch noch mit dir reden.“
„Das ist alles nur ein Zufall. Wirklich. Dass Shelly auch eine Frau umbringt, die sie gehasst hat. Es ist nichts weiter als ein Zufall. Ich bin nicht wie sie. Ich bin keine Mörderin! Bitte glauben sie mir doch.“
Mandy sackte weinend auf dem Boden zusammen. Ihre Mutter eilte erschrocken zu ihr. „Ist schon gut, Schatz“, flüsterte sie liebevoll und streichelte ihren Kopf. „Beruhige dich bitte.“
„Vielleicht sollte ich ein anderes Mal wieder kommen. Das Mädchen steht ja kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Vielleicht sollten sie mit ihr zu einem Psychiater gehen.“
Der Kommissar verabschiedete sich und ging.
„Ich bin nicht verrückt!“, schrie ihm Mandy hinterher.
Ihre Mutter gab ihr Beruhigungstropfen und brachte sie ins Bett. Sie blieb noch sehr lange in ihrem Zimmer und wartete, bis Mandy eingeschlafen war.

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