Fantasy & Horror
Die Naht der Herzen Teil I

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"Die Naht der Herzen Teil I"
Veröffentlicht am 19. Mai 2010, 54 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

. nachdenklich, aber oft auch aufgedreht . einfühlsam und kritisch blickend . viele Interessen, wenn nicht sogar zu viele . komplex. (:
Die Naht der Herzen Teil I

Die Naht der Herzen Teil I

Beschreibung

Roman über das Klischee unserer Gesellschaft, über Menschen, die aus dem Rahmen springen und eine Situation, die eskaliert. Die Lebensgeschichte eines jungen Werwolfes.

Kapitel III

Der Gestank im Auto war kaum zu ertragen. Sein Vater hatte das Radio angemacht, die Fenster geschlossen und den Abzug für die Klimaanlage geöffnet. Vielleicht lag es ja an Surgéon, aber seine Eltern schienen nicht mehr riechen zu können. Es roch nach einer Mischung aus Abfall, Zigarettenrauch und nicht geduschten Leuten. Kurzum, Surgéon hasste es, wenn er im Auto mitfahren musste. Er nahm lieber den Bus oder die Bahn, aber bei seinen Eltern mitzufahren, da musste er schon gezwungen worden sein. "Möchtest du etwas Wasser, Sur'?" Mit Zigarettenstümmeln drin? "Nein danke, Muttter." Sein Vater gab ein lautes Grunzen von sich, als ein anderer Fahrer rechts überholte. "Dumme, naive Leute sind das. Siehst du Sur', mit solchen müssen wir arme Eltern uns in der Bank abgeben. Dumm sind sie. Dumm." Er nickte und bejahte so selbst seine eigenen Auffassung, ehe Surgéon noch irgendwas erwähnen konnte. Dumm und naiv, ja. So waren sie alle. So war er vielleicht auch mal später. In zehn Jahren. "Liebling, reichst du mir mal bitte die Butterkekse?" "Aber ja, mein Schatz." Surgéon konnte das Lächeln seines Vaters abtröpfeln sehen. Die Farbe hatte das Bild des Autositzes verschwommen. Surgéon floss mit der Hand drüber und merkte, wie das Wasser an ihm hinunter glitt. "Wir sind gleich da, mein Liebes." "Mhm.", gab er nur zur Antwort und blickte nach draußen, wo die hagere, trübe Welt in Rekordzeit an ihm vorbeirauschte. Die Häuser waren alle gleich groß, gleich breit und gleich hässlich. Erbarmte sich denn niemand, der sie anstreichte und ihnen wenigstens ein bisschen Glanz verschaffen konnte? Sie hatten das Geld doch, um so eine Millionenstadt zu vergrößern, also sollten sie sich darum kümmern, was in ihr geschah und getan werden musste. Irgendwann würde hier alles noch zerfallen und aus Übermut würden sie es nicht bemerken. Ihr Stolz war zu groß geworden in den letzten Jahrhunderten.

"Reichst du mir kurz den Stadtplan, Sur'?" "Aber sicher doch." Kurz brauchte er, um den riesigen Plan aus der Türluke heraus zu ziehen, reichte ihn dann seinem Vater und blickte über dessen Schulter auf das gezeichnete Netz voll unzähliger Straßen und Orte. "Wir müssen gleich abbiegen, glaube ich", murmelte er und als ihm bewusst wurde, dass keiner mehr das Auto fuhr, da er selbst ja mit dem Atlas beschäftigt war, kreischte Surgéon laut auf, griff nach dem Amaturenbrett und konnte gerade noch in letzter Sekunde einem Hund ausweichen, der auf dem Weg zum Bürgersteig gewesen war. "Danke, mein Sohn. Danke." Leicht verwirrt über seine eigene Ungeschicktheit, nahm er das Steuer wieder selbst ihn die Hand und übergab den Stadtplan an seine Frau, die unbekümmert eine Frauenzeitschrift las. "Liebes, achte mal bitte darauf, wo wir lang müssen." Sie nickte, legte die Zeitschrift rasch weg und beäugte den Plan misstrauisch. "Schatz, ich glaube, du musst gleich nach rechts." "Wirklich? Aber ich habe doch eben noch nachgesehen und war mir äußerst sicher, dass ich nach links muss!" "Nein, nach rechts. Sieh doch selbst nach, Schatz. Da steht es schwarz auf weiß. Rechts ist die richtige Richtung." Surgéon lehnte sich schnaubend zurück und zuckte kurz zusammen, als er eine Motte neben sich sitzen sah. Sie war gestreift, komische Farbe. Er selbst verzog unwillkürlich das Gesicht und schubste die Motte nach hinten, worauf diese zu flattern begann. "Aber Sur', lass doch das arme Insekt in Frieden. Schau, sieh dir doch einmal die wunderschönen Gärten hier an. Schatz, glaubst du nicht, dass wir nicht auch so einen gebrauchen könnten? Ich meine, dann würde ich ihn pflegen und hegen und ein paar Pflänzchen eingraben." "Ich muss jetzt erst einmal die richtige Straße finden", gab dieser fauchend zurück und stemmte seine Wursthände an das dicke Steuer. Surgéon wandt sich noch kurz der Motte neben sich zu, drehte sich dann vollends um und blickte aus der hinteren Sichtscheibe.

Doch er erschrak nur leicht.

Der Hund, dem er vorhin ausgewichen war, war tot. Ein Lastwagen hatte ihn kurz nach ihrem Auto übersehen und ermordet. "Mörder.", hauchte Surgéon mit zugekniffenen Augen, warf sich das blonde Haar in die Stirn und hielt sich die Ohren fest zu. Gleich fingen sie wieder an, sich zu streiten. Und auch, wenn sie beide schon Luft holten, um sich abermals gegenseitig Beschimpfungen an den Kopf zu werfen - die nächste Straße zeigte das gesuchte Gebäude. Erleichtert fasste er sich seine Gedanken, streckte sich kurz und tippte dann auf die Schulter des Mannes vor ihm. "Wir sind da, glaube ich." "Oh .. sicher. Steigen wir aus." "Aber möchtest du nicht vorher anhalten?" "Natürlich, Liebes." Der glänzend saubere Wagen hielt schlitternd an der Straßenseite. Surgéon stolperte aus der Tür, blickte unsicher zu seinen lamentierenden Eltern und wusste plötzlich ganz genau, warum er niemals mitkommen hätte dürfen.

 

Kapitel IV

"Sie sehen ja so blass aus, meine Liebe. Das haben wir gleich. Setzen Sie sich doch einfach schon an den Tisch, ich hole dann das Gebäck." Es waren nicht mehr als zwei Minuten vergangen, seitdem Mr. und Mrs. Cornfield die kleine Familie empfangen hatten. Surgéon hatte sich gleich abgewandt und war geschickt vor den wilden Küssen und Umarmungen Mrs. Cornfields geflohen, unter dem Vorwand, er müsse schrecklichst auf die Toilette. Doch den Geräuschen außerhalb des Klos nach zu urteilen, schienen sie sich wieder beruhigt zu haben und sich in das Wohnzimmer zu begeben, was, seinen Erinnerungen zufolge, drei Räume weiter lag.

Surgéon atmete laut auf und lies seine Beine leicht baumeln. Alles war hier riesig, aber anders als bei ihnen strahlte es eine merkwürdige Geborgenheit aus. Alles verschnörkelt, verziert oder bemalt. Er selbst hatte das vor ein paar Jahren gehasst, doch jetzt gefiel es ihm immer mehr. Selbst die Fliesen hier in dem Bad zeigten mittelalterliche Zeichnungen von kühnen Rittern, feuerroten Drachen und hellgrünen Wiesen und Wäldern. Surgéon kannte diese Scheinwelten, er kannte sie und verlor sich in ihnen. Aber wusste er auch, dass er 17 Jahre, und die werten Herrschaften, die in diesem Haus hier wohnten, um Einiges älter waren - und normalerweise wurde ihm jeden Tag eingeflößt, Erwachsene würden nichts von alledem halten. Naja, vielleicht stammten diese Zeichnungen ja noch aus deren Kindheiten, was das Ganze erklären würde. Surgéon stand auf, zog seine Hose wieder hoch und spülte. Kurz erschrak er über den Klang der Spülung, obgleich dieser nicht laut war. Stille hatte sich ausgebreitet, auch in ihm. Eine ungewöhnliche Stille war das, wobei er doch immernoch der Aktivste von seiner Familie war, wenn man das Wort "Aktiv" überhaupt in den Mund nehmen durfte. Schließlich hatten sie alle Fernseher und Computer, was interessierten einen da noch die vielen Sportarten, die es schon seit Jahrhunderten gab und früher wohl viel mehr genutzt wurden, als heute. Aber, was sollte das jetzt schon wieder. Jetzt dachte Surgéon ja schon wieder über seine Eltern nach, das hatte er sich ein für allemal abgeschworen. Die Tür klackte sanft, als er sie hinter sich schloss und durch den ersten, weiß bestrichenen Türrahmen stolperte. Kurz zuckte sein Gewissen - er hatte vergessen, seine Hände zu waschen. "Egal", brummte er und lief unbeirrt durch das Foyer, ehe er zum Wohnzimmer kam. Sein Vater saß faul auf dem Sofa, die Beine lang gestreckt, während Mrs. Cornfield ihm wild gestikulierend was von ihren Kochkünsten schilderte und Mr. Cornfield lethargisch den Fernseher anmachte, um eine Sportshow zu gucken. "Na super", kam es aus Surgéon heraus und schnell wandelte er sein Ausgesprochenes in ein gekünsteltes Hüsteln um. "Hustenbonbons, Liebster?" "Nein, nein. Danke." "Ich habe hier Gute, die helfen wirklich. Willst du sie nicht einmal probieren? Ich schätze, dir geht es danach besser." Surgéons Lächeln war schon mindestens dreimal gestorben, aber in Angesicht des liebevollen Umgangs Mrs. Cornfields mit ihm, fror er es tapfer ein und kratzte sich kurz am Unterarm. Irgendwann würde er noch seine Haut abkratzen. "Darf ich in den Garten?" "Aber sicher, mein Liebster." Unsicher lächelnd verabschiedete Surgéon sich mit einem Winken von dem typischen, ausgelebten Familienbild des 21. Jahrhunderts und betrat den weit auslaufenden, etwas kläglich anmutenden Garten. Sicherlich war er keine Schöhnheit und Mrs. Cornfield hatte die letzte Pflege vor knapp 2 Jahren durchgeführt, aber immerhin war Surgéon hier alleine. Die Blumen wuchsen wild durcheinander und leicht vertrocknete Halme strichen warnend an seinen nackten Fesseln entlang. Es war wie ein verführender Duft, der über dem Garten lag und gerade Surgéon konnte ihm nicht widerstehen.

Solange er auch versuchte, das Abbild des Gartens in sein Gedächtnis einzuprägen, sich daran zu erinnern, wann immer er auch wollte, er schaffte es nicht. Es gelang ihm nicht einmal, den Duft der Hyazinthen einzufangen, ohne, dass er der Verzweiflung nahe kam. Gärten hatten auf ihn schon immer eine beruhigende, aber auch geradezu göttliche Wirkung gehabt; er musste nur an den traurigsten Orten ihrer Welt in einen Raum kommen, wo es eine Blume gab, ein Lebewesen, was kein Lebewesen war, und er würde seine schreiende Außenwelt vergessen und sich der stummen, der leiseren zuwenden. Surgéon wollte kein Gärtner werden, das würden seine Eltern auch niemals erlauben. Aber, wusste er, wenn es außer der Musik noch einen Schwachpunkt der Menschheit gab, dann waren es die Blumen. Eingenommen von seiner eigenen Umwelt, von den vielen Gerüchen und Eindrücken, streifte er durch die wild durcheinander wachsenen Pflanzen; achtete nicht mehr auf die Fernsehstimmen, die aus dem Wohnzimmer kamen, schloss die Augen und lies sich fallen.

 

Surgéon schreckte auf, als er den feuchten Erdboden unter sich spürte.

Schnell tastete er mit seinen Händen über den modrigen Untergrund, umfasste einen etwas stärkeren Halm eines hochwüchsigen Gestrüppes und stemmte sich so mit aller Kraft hoch; auch, wenn ihm etwas schwindelig zumute war. Zittrig auf den Beinen, strich er sich durch die nun verschmutzten Haare. Wo er eben noch einen vielleicht verwucherten, aber wenigstens überschaubaren Garten gesehen hatte, konnte er nun nicht einmal mehr den Weg vor sich erkennen. Die Blumen waren keine Blumen mehr, sie hatten das Ausmaß von Häusern angenommen, die ohne jegliche Gesetze wild umher gebaut worden waren. Seine Beine schienen vorwärts maschieren zu wollen, er selbst aber blieb fest und still stehen, und konnte den Blick nicht von seinen Händen abwenden, die, vielleicht seiner Fiktion nach, die Gestalt grüner Eidechsenpranken angenommen hatten. Ein seltsames Gefühl der Befremdung beschlich ihn, und, als er sich umdrehen wollte, zog es ihn durch Mark und Bein. Irritiert von seinen eigenen Vorstellungen, steckte er seine Hände schnell in die Hosentaschen und duckte den Kopf, als er durch den Urwald von meterhohen Pflanzen vorwärts trat. Er würde innerhalb von wenigen Minuten wieder bei dem Haus angelangt sein, da war er sich sicher. Und als sich eine Taube in seinen hellen Haaren verflog, verschmolzen seine Gedanken wieder mit dem, was er eigentlich in diesem verwunschenen, riesigen Garten gesucht hatte.

Nichts. Und doch war er immer weiter hinein gegangen, hatte sich nichts genau angesehen, denn er hatte irgendwo gewusst, dass er das alles hier schon kannte. Wie ein Déjavù, nur schleichender, nicht derart plötzlich und unerwartet. Missmutig strich Surgéon eine halbvertrocknete Sonnenblume zur Seite. "Geht doch." Das große Haus, die Villa der Bekannten, erstrahlte nicht gerade glanzvoll, aber es strahlte in seinem Kopf wie eine Sonne, die den Mond verzehrte.

Und als er die wenigen Stufen zum Wintergarten betrat, rauschte die Welt an ihm vorbei.

Wie ein ewiger Windschatten schien ihm plötzlich sein Leben zu sein, er konnte nicht im Jetzt existieren, er war woanders besser aufgehoben. Aber auch, wenn Surgéon sich dessen mehr als sicher war, kamen in ihm Zweifel auf: Wenn er so weitermachen würde, würde er nicht allzu spät in einer Psychatrie landen. Kein Wunder bei seinem Aussehen. Aber das Innere durfte dann doch noch anders sein, als seine Erscheinung. Das war dann doch noch erlaubt. Müde vom Denken durchschritt er den Wintergarten und schenkte seinem Vater ein mildes Lächeln, welches in seinen Augen nicht kühler sein konnte. Schlich mit seinem Blick an den Wänden entlang, und inspizierte die vielen Blumenbilder, erkannte die langen, überdeutlich vergrößerten Stacheln einer purpurroten Rose, und fragte sich, warum Pflanzen derartiger Schönheit noch Stacheln brauchten. Er selbst jedenfalls hatte keine; mal davon abgesehen, dass er garkeine Pflanze war. Außer, wenn man ihn als etwas Allgemeines betrachten würde. Dann war er ein einziger Stachel. Blutig von dem Tun derer, die voll Gier und Unvorsicht ihn aus der Erde hatten ziehen wollen.

 

Kapitel II

Das Sonnenlicht blendete ihn.

Surgéon schlug die Augen auf und tastete ziellos nach seinem Wecker, der unwillkürlich auf seinem Nachttisch tickte. Es war früh morgens, seinem verschlafenen Geiste nach zu urteilen. Er konnte kaum klar denken, doch Tenebrae brachte ihn wieder zu Besonnenheit. Es glitzerte ihn an und gab ihm neuen Mut, aufzustehen und den Vorhang beiseite zu ziehen. Der Mond war noch ein wenig zu erkennen, aber die Sonne stritt sich nicht mehr mit ihm und verdeckte ihn einfach mit ihren sanften, vorbeiziehenden Strahlen. Surgéon packte ein paar Socken, zog sich die weite Jeans und ein schwarzes T-Shirt über. Seine Eltern schienen noch zu schlafen, aber das war normal. Er war fast immer der Erste, der aufwachte und kannte es also nicht anders, als sich selbst Frühstück zu machen und alleine die Post zu holen. Normalerweise ging er zur Schule, aber er hatte Ferien. Sechs Wochen lang, in denen er keinen blassen Schimmer hatte, was er tun sollte. Es gab nichts zu unternehmen, alleine wollte er nicht und seine vermeintlichen Freunde fuhren allesamt irgendwo in die Karibik oder in die eiseskalten Alpen. Seine Eltern mussten teils arbeiten, teils wollten sie den Garten pflegen und teils vielleicht noch ein bisschen ins Kino gehen, oder sogar teils ein bisschen Eis essen. Surgéon war nicht in ihre Planung miteingegangen, schließlich war er 15, schließlich hatte er ihnen selbst klargemacht, dass er selbst entscheiden konnte, was er tun wollte. Er zog den Vorhang gänzlich beiseite, öffnete das Fenster und sog die frische Morgenluft gierig ein. Draußen fuhren ein paar Autos, die einen Eindruck von grenzenlosem Reichtum machten. Ihre Besitzer hatten es sicherlich leicht, auch nur irgendwie an Geld ranzukommen.

Als Surgéon aus seinem Zimmer trat und sich auf die lange Wendeltreppe zubewegte, wurde ihm bewusst, was heute für ein Tag war: Seine Eltern waren verabredet, was schon was heißen wollte. Aber es ging nur um die Arbeit, was wiederum garnichts heißen wollte. Er erschauderte und blickte auf den Smoking von seinem Vater. Grau war er, genauso wie dessen Träger es sein würde, würde er ihn anziehen. Grau vor Geldsucht und Arroganz. Surgéon musste natürlich mitkommen. Händchen geben, Lächeln zeigen und Diener machen. Alles hatte er gelernt, ab dem Alter von 0 Jahren bis zu seinem heutigen Lebenstag. Er würde es nie wieder vergessen können, doch tat es ihm Leid, dass seine Eltern soviel Wert darauf lagen, dass er sich dermaßen verstellte. Der Schmerz voll unerklärlicher Missachtung zog sich durch seine dünnen Glieder, wenn er daran dachte. Surgéon musste sich bücken, um auf der Wendeltreppe nicht umzukippen. Fest umklammerte er das alte, morsche Geländer. Was hatten sie blos aus ihm gemacht, warum hatten sie es blos geschafft, dass er sich ihnen so hingeben musste. Schmerzlich verzog er das helle Gesicht, seine Schritte tasteten sich vorsichtig in die Küche, wo die Sonnenstrahlen sich einen Weg zum Foyer bahnten. Die Zeitung war schon angekommen, Surgéon hob sie mürrisch schnaufend auf und warf erst gar keinen Blick auf die Titelseite. Nachrichten waren nichts für ihn. Nicht mehr, schon garnicht nach dem Streit gestern Abend von seinen Eltern. Jetzt konnte er keine Panikmache und keine Klamatierung des Entsetzlichen ertragen, jetzt musste er gedankenlos Kaffee machen und das Brot aus dem Schrank nehmen, ohne hinzusehen. Surgéon legte die Zeitung sorgsam beiseite, wühlte nach einem Messer für das Brot, fand keines und riss es so mit bloßen Händen entzwei. Schließlich war ihm die Zubereitung egal, er wollte nur etwas zu sich nehmen. Die Margarine vergaß er und so schmeckte das Brot mehr nach Morast und Taubendunst, als nach irgendeinem annehmbaren Nahrungsmittel. Er mochte die Margarine nicht, doch ohne sie mochte er das gesamte, vertrocknete Brot nicht mehr. Der Käse hing lustlos an den Rändern der Scheibe hinab; Surgéon musste sich zügeln, um nicht dran zu ziehen und zu prüfen, ob sich vielleicht schon etwas bewegte. Beim Hinsetzen auf einen der kostspieligen Küchenstühle vergaß er den Stuhl und rieb sich wütend zischend seinen Po, ehe er wieder aufstand, um sich einen Stuhl her zu ziehen. Als er dann aber stampfende Schritte auf der Wendeltreppe vernehmen konnte, lies er den Stuhl Stuhl sein und begab sich schleunigst in das Foyer. Es war still hier; die Butler schliefen noch, was seinen Vater nicht erfreuen würde, aber jetzt noch die Butler aufwecken - dazu hatte auch Surgéon keine Lust mehr. War ja nicht seine Aufgabe, hinter denen her zu rennen. Immerhin sollte es eigentlich andersrum laufen: Sie sollten ihm hinterher rennen. Jedoch war es ihm gerade recht, dass sie diese Aufgabe mehr als vernachlässigten. So hatte er wenigstens vor ihnen seine Ruhe. Vor seinen Eltern musste er nicht weglaufen. Vor ihnen musste er nicht einmal mehr leise sein. Sie hatten ihn längst vergessen. Surgéon fuhr sich durch seine dünnen, blonden Haare und kramte mit seiner rechten Hand in seiner Hosentasche, wo er kurz darauf eine kleine Bürste rausholte, sie begutachtete und schließlich mit ihr durch seine Strähnen fuhr. Er legte viel Wert auf sein Aussehen, kein Wunder bei solchen Verhältnissen. Was konnte er schon anderes machen, als arrogant zu werden. In solch einem verwesenen Umfeld voll naiver Leute und Erzeuger. Zum Glück hatte er keine Schwester oder Ähnliches. Das wäre wirklich zu viel für ihn gewesen. Sein Blick schlich um einen alten Holzspiegel, der mit Bronze bestrichen war. Sein Spiegelbild zwinkerte ihn ungläubig an, als wollte es fragen: "Bist du wirklich der Junge, dem ich angehöre?" Surgéon fauchte das alte Glas an, wandte sich ab und stockte, als sein Vater im Foyer auftauchte. Grummelnd blieb dieser stehen und zog die Augenbrauen empor, als er seinen verschlafenen Sohn in Alltagskleidung vor einem Spiegel sehen sah. Zu spät bemerkte Surgéon, dass er noch die Bürste in der Hand hielt. "Verdammt." "Mein Sohn, wie schön ist es, dich zu erblicken. Du siehst so .. frisch und erholt aus." Natürlich war das eine Lüge, aber irgendwas musste sein Erzeuger doch sagen, um ihn zu beruhigen. Alles war in Ordnung, ja. Und wir stellen uns so blöd und haben den Streit gestern abend garnicht mitbekommen. Natürlich sehe ich deine Bürste auch nicht. Wie ungeschickt von mir. Angewidert biss Surgéon sich auf die zerkaute Unterlippe, steckte die Bürste schnell hinter sich in eine Schublade und verbeugte sich leicht. "Sehr Wohl, Vater. Mir geht es prächtig. Und dir?" "Oh, ich kann mich nicht beklagen. Wärst du so freundlich und würdest Kaffee machen?" Der Jugendliche zuckte kurz zusammen und nickte dann. "Ich habe bereits welchen gemacht, Vater. Steht in der Küche, müsste noch warm sein." "Stark?" "Sicherlich." Ein leises Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er den Weg zur Garderobe einschlug. Sein Anzug müsste noch da sein, wenn seine Mutter ihn nicht schon wieder gewaschen hätte.

Er war nicht dort.

Surgéon brummelte, stampfte mit seinem rechten Fuß hörbar auf und fragte sich, warum er nicht seine eigene Garderobe hatte. Dann würde er keine Probleme mehr damit haben, wann und wo seine Kleidung gewaschen werden würde und seine Mutter wäre bei ihm nicht schon wieder um einen Minuspunkt nach unten gesunken. Konnte sie ihn nicht fragen? Einerseits schien er ja überall der große Junge zu sein, andererseits wollten sie ihn noch betätscheln und behüten, wo es nur ging. Wann hörte das blos auf .. "Surgéon, komm mal bitte her." Die Stimme seines Vaters weckte ihn aus seinen Gedanken auf. Seufzend erhob er sich und ging auf ihn zu. "Ja?" "Du kommst doch mit, oder?" Was sollte das jetzt. Fragte er schon? Verdammt, Surgéon, sag nein! "Ja, sicherlich, Vater. Wie anders könnte ich." Volltrottel, Pappnase. Warum solltest du auch die Wahrheit sagen. Surgéon fasste sich an die Stirn und versuchte innigst, die Stimme aus seinem Kopf zu verbannen. "Das freut mich. Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt. Dann ziehe dich um, wir fahren ohne Frühstück los." Er brauchte das garnicht mehr zu sagen, schließlich war sein Magen daran gewöhnt, nichts mehr zu essen. Ph, fehlte noch, dass sie sich Sorgen um ihn machten. Oder um sein Untergewicht, oder seine Gesundheit. Ärzte waren schließlich zu teuer. Brauch man garnicht erst damit ankommen, bei nur 20 Millionen Euro in der Haushaltskasse. Surgéon verzog unmerklich das Gesicht, schnappte sich einen anderen Anzug und zog ihn über seine weite Lieblingskleidung. Fiel kaum auf. Er schnaubte erfreut, strich sich durch das gebürstete Haar und begrüßte seine Mutter mit herzlich aufgelegtem Lächeln, als sie durch die Tür auf den Ausgang zugeschritten kam. Ehrlich, Mum. Du siehst scheiße aus. Die Augenringe stehen dir nicht. Oder hat er dich schon geschlagen? Würde mich nicht wundern, ehrlich. Ehrlich bin ich. Ehrlich. "Mein Schatz. Fährst du?" Sein Vater willigte sachte lächelnd ein und trat aus dem Haus. Surgéon aber blieb kurz stehen und fühlte, wie sich langsam eine erzitternde Gänsehaut auf seinen Armen bildete. Es war kalt diesen Morgen. Verdammt kalt.

Prolog

Es war vielleicht Mittag, als der Himmel sich mit Bluttropfen bedeckt zu haben schien und doch fürchtete keiner, was hinter jenem zu liegen vermochte. Surgéon, ein kleiner, hagerer Junge von zarten 15 Jahren stand seit mindestens einer halben Stunde vor der Kirche und wusste selbst noch nicht so recht, was er hier überhaupt wollte. Die Sonne schlich über seine ungewöhnlich helle Haut, durch sein ungewöhnlich helles Haar und sowieso schien alles recht ungewöhnlich an ihm zu sein. In ihm, ja, da war alles anders. Die Ereignisse von gestern abend zwangen ihn in die Knie; ein alter Mann striff vorbei und warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. "Pinkeln verboten", sagte dieser. Aber Surgéon hatte nichts dergleichen vor. Er hatte Schmerzen, in den Beinen. In den Knien, in seiner Hüfte, vom Bauch bis hinüber zu seiner Kehle. Niemand kannte dieses Gefühl, aber Surgéon war sich ebenso sicher, dass niemand ihn jemals heilen konnte. Vielleicht war es auch ungünstig, jetzt darüber nachzudenken. Wo doch seine Eltern beide im Krankenhaus lagen.

Surgéons Blick hing immernoch an den alten Fassaden der ebenso alten Kirche, schnörkelnd und sich windend verzierten sie deren Anblick, wie ein langes Kleid. Eine gräuliche Taube schob sich durch die Fenster und betrachtete ihre Umgebung mit missachtenden Gedanken in ihren Augen. Diese waren grau und Surgéon konnte noch die einzelnen Muster in der geweiteten Iris erblicken, da wurde er von hinten geschubst. "Kinder ..", murrte er nur leise und warf den Ursachern einen bösen Blick zu. Schließlich sollte er sich mit sowas doch nicht abfinden. Er war schlauer. Er durfte nicht spielen, so, wie es ihm die Eltern gesagt hatten, bevor sie beide gesprungen waren. Natürlich war es kein Selbstmord gewesen, natürlich hatte Surgéon nichts mehr für sie tun können. Ein leichtes Zittern fuhr durch seine gelähmten Beine, sodass er halbwegs stehen konnte. Seine Zunge schien festgewachsen, wie bei all den anderen, die um ihn herum liefen und redeten, flanierten und sich nicht um den kleinen Jungen kümmerten, der sogarnicht in ihr Feld zu passen schien. Aber er wurde akzeptiert, wenigstens hier. Noch hatte er sich nicht getraut, in die Kirche einzutreten. Noch war ihm das unheimlich, ein Werk solch vermeintlich großer Leute zu bestaunen. Außerdem starrte ihn die gräuliche Taube mit den grauen Augen immernoch an. Surgéon wandte sich aprubt ab, wobei sein Blick sich mit dem der Taube festbiss. "Ich habe doch gesagt, dass ich alleine sein möchte." Ein Fauchen, natürlich nicht von der Taube. Der Junge lies seine Zähne wieder verschwinden und holte sein kleines, zerflettertes Notizbuch heraus. Heute war ein Tag, die Nächte musste er nicht beachten. Summend hielt er eine halb zerrissene Seite fest in der zarten, hellen Hand und betrachtete die Skizzen, die dort vor einer Woche gemacht worden waren. Ein Auto, eine Taube, ein Springbrunnen. Und natürlich die Kirche. Surgéon plante im Vorraus. Wiederum von seinen Eltern gelernt, aber er glaubte, das würde er eh tun, auch, wenn sie es ihm nicht beigebracht hätten. Aber seine Eltern waren jetzt nicht hier und so war ihm die Aufgabe vollständig überlassen, was als Neues gezeichnet werden sollte. Weiterhin summend riss er die gesehene Seite herraus, warf sie auf den Boden und taufte sie mit einem Wasserspritzer auf den Namen "Sorgen". Die Taube wich erschrocken zurück, aber das störte ihn jetzt auch nicht mehr. Tiere sollte man zwar achten, aber andersrum sollte ihnen bewusst sein, wohin sie gehörten. Und das war gewiss nicht in Surgéons Umfeld. "Wenn du weiter die Nächte verachtest, werden sie sich rächen." Ein schallendes Gelächter in seinem Kopf, doch er lies sich von nichts mehr beirren. Seine Eltern waren im Krankenhaus. Und dass die Blutkonserven aufeinmal alle ausgegangen waren, dafür konnte er nichts. Dafür hatte er noch nie etwas gekonnt. Surgéon sah zum Horizont, immernoch so rot wie vor ein paar Minuten. Das Blut tropfte auf sein Haupt, aber die Leute gingen ahnungslos weiter. "Aber ich bin doch die Ahnung .. sie sehen mich doch.", wisperte er und vergrub seine Hände in seinen schmutzigen, ausgetragenen Hosentaschen. Wiederum ein Fehler, den er nicht aufzeichnen durfte. Das Gute musste erhalten bleiben. So wie seine weißen Federn, die immer grauer wurden. Wie die der Taube, die im Moment Brotkrümel von dem Marktplatz aufpickte. Surgéon stotterte kurz, ehe er ihr ein kleines Apfelstück hinhielt. Zwar stand das nicht in den Schulbüchern, aber er war sich sicher, dass die Taube nicht verzagen würde. Die Sonne hellte sein blondes Haar noch mehr auf und seine blauen Augen schienen von den Sorgen, die er fortgelegt hatte, durchsetzt. Die Taube aber merkte von alldem nichts mehr, nahm das Apfelstück zwischen die Finger, betrachtete es gründlich und, als sie keine Makel entdecken konnte, steckte sie es sich mürrisch schnaufend in den Hals. Surgéon kicherte, er musste einfach. Seine Federn erzitterten bei dem Gedanken an seine Eltern. Vielleicht war die Taube ja sein Vater, so sah er jedenfalls immer aus, wenn er etwas eigentlich nicht wollte und es doch tat. So, wie viele Menschen. Aber essen, das tat er dann wirklich, deshalb hatte seine Mutter ihn immer dazubringen wollen, eine Diät zu machen. Aber jetzt war es eh vorüber, die Nachricht, das Koma sei vorbei, endete mit einem Todesfall. Mutter war noch am Leben, irgendwo im Zwielicht. Surgéon blickte zu den spielenden Kindern. Vielleicht war er auch mal so gewesen, irgendwann zwischen 2 und 3 Jahren. Irgendwann zwischen Bewusstsein und Vergessen. Sicherlich war er vernünftiger gewesen. Sicherlich hatte er alles getan, was einem gesagt worden war. Und da seine Eltern nun nichts mehr sagen konnten, sagte er sich selbst etwas. Das Buch in den kleinen Händen wurde vom Wind zur Seite gebogen. "Ich werde es neu binden lassen müssen." Der Fünfzehnjährige warf sein blondes Haar zurück, doch die Windböe brachte es wieder in seine Stirn. Leise lächelnd strich er es ein wenig beiseite, winkte der grauen Taube noch einmal zu, trat gegen den Haufen Sorgen und machte sich auf dem Weg in die neue Welt, die ihm gegeben worden war. Und so verpasste er auch das Ringen von dem alten Telefon in dem alten, vergessenen Haus, dass die Todesnachricht seiner Mutter überbringen sollte. Die Krankenschwester zuckte mit den Schultern und legte auf. Surgéon aber legte seine Federn auf die Straße, damit er nie wieder zurückkommen konnte.

 

 

Kapitel I

Die Nachtigall blieb diese Nacht still.

Verschlafene Stimmen drangen aus dem Wohnzimmer nach oben, entlang der langen, antiken Wendeltreppe und suchten ihren Weg durch einen kleinen Spalt durch die Tür in ein winziges, aber mit Mühe gestaltetes Kinderzimmer. Bilder hingen an der in warmen Rottönen gestrichenen Wand, auf dem Fensterbrett standen mehrere kleinere und größere Kakteen. Auf den Bildern jedoch waren keine Pflanzen zu sehen, nein. Sie sprachen von heilen Welten, winzigen Feen und Drachen, die ihre Höhlen mit ihren Diamanten hüteten. Surgéon hatte die alten Poster von der Wand abgerissen und seiner Mutter vor ein paar Wochen wütend erklärt, er werde jetzt alt, er bräuchte keine solchen kindhaften Vorstellungen mehr. Doch seit letzter Woche waren die Feen und die Drachen wieder da; Surgéon hatte die kahle Wand gestört und irgendwie brauchte er es ja doch, das wunderbare Wunschdenken und Träumen von längst vergangenen, vergessenen Welten und Tagen. Sicherlich war er jugendlich und diese Bilder sprachen von solch einer kindhafter Präsenz, dass manch einer meinen müsste, er wäre unterentwickelt. Aber selbst wenn, das würde Surgéon ganz bestimmt nicht mehr stören. Dazu war er dann doch wirklich zu alt, als dass er sich einreden lassen könnte, was für ihn gut war und altersgerecht. Schließlich waren es doch nur die Erwachsenen gewesen, die das sogenannte "altersgerecht" zugeteilt und erfunden hatten; was sollten die schon wissen, was für ihn selbst angemessen und vernünftig war. Auch seine Eltern hatten nichts dagegen gehabt, dass er fortan sein eigenes Leben führen wollte und das war sicherlich auch gut so. Nicht nur für ihn, nein, auch für sie.

Die Stimmen aus dem Wohnzimmer verstummten für eine Weile und Surgéon starrte die rote Decke über sich an, als würde er sie zum ersten Mal erkennen. Auch an der Decke hatte er Bilder, allerdings waren diese nicht von der Art, wie sie an den restlichen Wänden hingen. Anarchie-Zeichen, Augen, Augen, und nochmal Augen. Rot, schwarz, dunkelblau. Düstere, leere Gesichter starrten zurück und hielten so seinem forschen Blick wacker stand. Surgéon hatte diese Bilder nacheinander selbst gezeichnet und ausgemalt, skizziert oder einfach nur ein bisschen experimentiert. Besonders das Schwarze gefiel ihm. Ein großes, riesiges Auge, er nannte es nur noch "Tenebrae", was "Finsterniss" hieß. Vielleicht sollte er die Bilder seinen Eltern zeigen, denn bis jetzt kannte sie noch niemand. Aber irgendwie hatte er das dumpfe Gefühl, es würde etwas in ihm verletzen, ja, schier unterdrücken, wüssten die Eltern von seinen so verherrenden Gedankengängen in letzter Zeit. Sie betrachteten ihn als den Jungen, der er vor zehn Jahren gewesen war. Ein kleines, unschuldiges Lämmchen, mit so kleinen Augen, dass man meinen konnte, er hätte garkeine gehabt und bestände nur aus seinen hellen, verwuschelten Haaren. Surgéon wandt sich schnaufend im Bett und warf eines der orangen Kissen hinunter. Er sollte versuchen, einzuschlafen. Auch wenn die Stimmen weiterhin redeten und Schallwellen nach oben schickten, so kannte er das nachgiebige Verhalten der Beiden doch zu gut und wusste, dass um spätestens 12 Uhr alles vorbei sein würde. Ob sie sich stritten, wusste er nicht genau, aber auf jeden Fall unterhielten sie sich etwas lauter, als normale Leute das taten.

Der Mond schickte ein paar Lichtstrahlen durch den langen Vorhang und Surgéon wurde leicht geblendet, worauf er sich seufzend wieder aufsetzte und den Vorhang zur Seite schob. Der Himmel war nicht ganz dunkel, das war er in der großen Stadt nie. Lichter kamen von den Häusern, von den vielen Straßenlaternen und sogar die Hunde hatten hier Lichter am Halsband, damit sie blos nicht übersehen wurden. Fehlen nur noch die Sterne, wer sieht sie denn schon in dieser Nacht, dachte er sich grummelnd und machte den Vorhang wieder zu. Die Stimmen waren wieder zu einem lauten Schwall aus ungeklärten Fragen und dem ganzen Zeug, was Surgéon nicht interessieren wollte, angeschwollen und nun war er sich mehr oder minder sicher, dass sie sich stritten. Das taten sie zwar nicht oft, aber angesichts der einzelnen Vorfälle momentan konnte er es ein bisschen verstehen, wenn auch nicht viel. Surgéon hielt nichts vom Streiten. Vielleicht war es manchmal ganz nützlich, über unangenehme Sachen oder Vorfälle zu diskutieren, aber warum machte jeder die Unanehmlichkeiten noch unangenehmer, indem er so schreien musste? Man konnte sich schließlich auch auf vernünftige, jugendliche Art und Weise unterhalten: Meist nämlich garnicht. Einfach mal die Klappe halten, lautete das Motto. Es hielten sich nicht alle daran, aber es war weitaus besser, als dieses ewige Hin- und Her von den ewig unwissenden Erwachsenen. Wie sie doch immer nur rumlamentierten! Zum Ausbrechen. Surgéon drehte sich wieder zur Decke rum und blickte Tenebrae mit müden Augen an, fragte sich, was wohl wäre, wenn er jetzt hinunter gehen würde. Aber er lies es besser garnicht erst drauf ankommen, nachher jagte er den Beiden so einen Schreck mit seinem neu gekauften Kajal ein, dass sie plötzlich aufhörten, sich zu streiten und danach, wenn er wieder oben sein würde, würden sie sich darüber streiten, wer ihm erlaubt hatte, Kajal zu kaufen und sie würden noch bis zum Morgengrauen so weiter streiten und ehrlich gesagt, das war Surgéon jetzt auch schon egal. Trotzdem, extra reizen gab's nicht und was er nicht abkonnte, das wollte er auch ihnen nicht antun, auch, wenn sie es seiner Meinung nach wohl verdient hätten.

Seine Eltern waren seit Jahren Bankierangestellte, das heißt, sie verhielten sich wie korrekte Beamten, unterstützten den Staat, so gut es nunmal ging und dafür bekamen sie eine Menge Geld. Das Haus hatten sie vor vier Monaten gekauft; eingezogen waren sie aber schon vor einem Jahr, irgendwas mit Kontakten, oder so. Surgéon kannte sich in dem Kontakt- und Kommunikationsverhalten seiner Erzeuger nicht weiter aus und wollte es auch garnicht wissen, all das, was die Beiden für den Staat taten und das, was sie erreichen wollten und nicht erreichten. Davon gab es viel mehr, fand er, als von dem, was sie wirklich geschafft hatten. Vielleicht musste man sie einfach nur bemitleiden, genauso wie jetzt, wo sie unten sich die Worte aus dem heisernen Halse quetschten und nach weiteren Worten suchten, damit sie diese sich gegenseitig an die momentan nicht sehr gefüllten Köpfe werfen konnten. Jetzt hatten sie schon garkeinen Redeinhalt mehr. Jetzt war nur noch wichtig, dass man möglichst verletzende und laute Wörter nahm. Je härter, desto besser. Surgéon fasste sich an die Schläfen. Er hatte garnicht gewusst, was für eine Philosophie hinter dem Streiten seiner Eltern steckte: Wer nichts konnte, behauptete vom anderen, er könnte das erstrecht nicht. War ja klar, dass gerade sein Vater, sein lieber alter Vater, jetzt erst richtig aufblühte. Gehänselt in der eigenen Schule, viermal geheiratet und wieder geschieden, fühlte er sich missverstanden von der Welt und hatte es zuletzt in einer Singlebörse versucht, in der seine Mutter als Redakteurin gearbeitet hatte. Vielleicht hätten sie sich auch so kennengelernt, aber der eigentliche Kitsch an der ganzen Sache war ja schließlich noch, dass beide zur gleichen Zeit Geburtstag hatten und beide zur gleichen Zeit jeden Mittwoch Abend ihre Arztsendung sahen. Das waren so banale Angewohnheiten, wie sie Surgéon nicht mehr ausstehen konnte, seitdem er für jeden der Beiden am gleichen Tag das Geschenk kaufen musste, es meistens auch vergaß und jeden Mittwoch Abend von einem aufgesetzten, freundlichem Arzt-Lächeln durch die nächtlichen Träume verfolgt wurde. Es waren so verdammt banale Ereignisse, die ihn zur Weißglut trieben. Seit seinem letzten Geburtstag war ihm klar geworden, was Pubertät mit ihm machte, was das eigentlich alles sollte - und trotzdem hatte er nichts von alledem irgendwie verstanden. Erwachsene missachteten seine Art, etliche Fragen zu stellen und Surgéon hatte sich geschworen, nie mehr mit ihnen zu reden. Schweigsam, wie er in den letzten Wochen geworden war, sperrte er sich in seinem Zimmer ein, sehr zu Missgunsten seiner Eltern, die aber so oft arbeiten mussten, dass sie schließlich auch anderes im Kopf hatten. Der Fernseher lief nicht nur Mittags; die Nachrichten waren jede volle Stunde zu hören und jede volle Stunde hörte Surgéon seinen Vater darüber meckern, was denn die anderen Länder für einen Mist anstellten. Er selbst konnte sich keine richtige Meinung darüber machen, er musste erst herausfinden, was denn dieser Mist bedeuten sollte, für ihn, für die gesamte Welt. Und außerdem war er sich überhaupt noch nicht sicher, was er mit den Nachrichten anfangen sollte. Die Moderatoren erklärten jedesmal locker und fröhlich, doch sicherlich mit überaus ernsten Gesichtern, was in den anderen Staaten und Kontinenten der Erde passierte und was vielleicht eintreten würde, wenn das und jenes nicht bald enden könnte. Surgéon wurde nur ganz wirr im Kopf, wenn er die verstörenden Bilder im Fernsehen sah, sehen konnte, wie sich das Grauen entwickelte und das jede volle Stunde zur anderen. Seine Eltern waren da ganz bestimmt anderer Meinung. Wer wollte sich schließlich freiwillig verwirren lassen? Und wenn sie das ganze wirklich verstehen würden, säßen sie längst woanders und würden doch tätig werden. Oder? War die Gesellschaft in seinem Zuhause schon so verbittert und veraltet, dass sie, wenn sie wussten, was zu tun war, nichts mehr taten, nur, weil sie zu faul dazu waren, einmal aufzustehen - ein einziges Mal sich zu erheben und der ganzen, brabbelnden Moderatorenbürgerschaft zu zeigen, dass sie kapiert hatten und keine schlechten Nachrichten mehr brauchten? Surgéon würde alles dafür tun, einmal die gesamte Menschheit als einzigen Punkt ansehen zu können und zu sagen: "Ich stehe über euch." War das denn unmöglich? Er schnaufte, drehte sich um und warf einen Blick auf die Uhr, die auf seinem dunklem Nachttisch tickte. 11 Uhr. Bald müssten sie aufhören, zu streiten. Bald würde er schlafen können. Seine blauen Augen waren jetzt schon müde, träge und erschöpft vom langen Sehen und Ersehnen. Tenebrae schien sich zu schließen und Surgéon gähnte laut, worauf seine tickende Uhr erzitterte. Draußen winkte ihm der Vollmond zu, lächelte seelig und trank mit den erleuchtenden Sternen einen Himmelstrunk. Er summte. Die Sterne brauchten die Menschen also doch nicht. Sie konnten alleine strahlen und leuchten. Sie hatten das Licht nicht verloren, sie verfolgten die Nachrichten nicht und keine Arztsendungen und hatten keine Geburtstage. Sie hatten aufgehört, zu zählen und ihnen war es egal geworden, wer wann geboren worden war. Sie kannten sich alle und das war ihnen genug. Sie brauchten die Menschheit nicht, sie waren schon bereits vor ihnen da gewesen. Die Menschen hatten sie gebraucht, nicht andersrum. Die vielen Forschungen an ihnen ließen sie nur belächeln. "Verdammte Schadenfreude." Surgéon schloss seufzend die Augen, ehe er seinen Vorhang zugezogen hatte. Sollten sie doch die Häuser anleuchten. Ihn interessierte das nicht mehr.

 

Kapitel V

"Surgéon, schnell, ruf einen Arzt!"

Die schrille Stimme seines Vaters riss ihn unsanft aus seinen Überlegungen.

Brummelnd wandte er sich von den Blumenbildern ab und fuhr sich mit angestrengter Miene durch die Haare. Was hatte sein Vater gerufen? Einen Arzt? Aber wofür denn -

"Surgéon, beeil dich!" Er fluchte. Jetzt hatte er, wie man so schön sagte, "innere Ruhe gefunden", und sofort war wieder irgendwas los. Vermutlich war gerade eine Nachkommastelle seines Nettogehaltes im Begriff, an Asthma zu erkranken, oder, noch schlimmer, sich gänzlich von dannen zu machen. Um also nichts zu Überstürzen, und sich nachher dann doch noch ärgern zu müssen, streifte er seine Gedanken glatt wie Gel und betrat das Wohnzimmer. Aber nichts, was ihn interessieren könnte, befand sich hier: Kein Vater, keine Nachkommastelle, kein Asthma. Er würde sich wohl doch noch anstrengen müssen, um rauszukriegen, was denn so schnell einen Arzt bräuchte. Bestimmt nicht sein Vater. Irgendwas vor sich her faselnd, schlich Surgéon sich die alte, knatschende Treppe hoch und ging durch einen Raum, der nach alten Männern stank, Verzeihung, roch und voll mit altem Gerümpel war. Während er sich an einer schon streng riechenden Statue aus dem 18. Jahrhundert vorbei drängte, kamen ihm leichte Gewissensbisse. Nachher war es doch was Ernstes, und dann war er wieder derjenige, der nicht aufgepasst hatte, und alles vermasselte.

Die Treppe lachte ihn aus.

Surgéon hatte nun wirklich keinen Bock mehr auf den ganzen Mist hier und wünschte sich nichts Sehnlicheres, als wieder nach Hause zu dürfen, und, mit gänzlicher Wichtigkeit, schlafen zu können. Da war ihm auch egal, dass die Zeit gerade mal 10 Uhr maß - schließlich war nicht er es gewesen, der die Tageinteilung bestimmt hatte. Mühsam stahl er sich wieder die immernoch schallend lachende Treppe hinunter, begab sich in die Küche und schnappte sich das Telefon. Soweit, sogut. Jetzt nur noch den Notruf betätigen, und sagen, was los war. Davon mal vollkommen abgesehen, dass er es selbst nicht wusste, würde er dem Doktor da schon irgendwas erzählen. Jedenfalls, damit er herkam. Was dann nachher passierte, das lag nicht in seinen Händen.

"Notrufzentrale, wie können wir Ihnen helfen?"

Ja, konnte man ihnen noch helfen? Surgéon biss sich auf die Unterlippe und verdrängte jegliche Antworten.

"Es ist etwas passiert."

Nicht übel, dachte er und lobte sich innerlich. Schlicht, aber treffend.

"Und was? Bitte Einzelheiten."

Bitte und gerne, danke und auf Wiedersehen. Warum musste der Telefonhörerhalter das auch noch alles wissen? Kam er sonst nicht ins Auto? War das eine Art Droge?

"Mein Vater hat geschrien."

Man würde ihm nichts nachsagen können. Er log nicht, auch, wenn er nicht die Wahrheit wusste. Konnte man lügen, wenn man die Wahrheit nicht wusste?

"Ist er verletzt?"

Ja, dachte er und schloss die Augen. Verletzt und ohne Gehirn. Dankeschön.

"Nein, nicht er, aber ich weiß nicht, wer. Ich weiß nur, dass er geschrien hat. Und ein Arzt muss kommen."

Und wenn bald kein Arzt kommt, werd ich einer und verarzte die Welt. Surgéon grummelte. Und das kann schmerzhaft werden.

"Was für eine Art von Verletzung liegt vor?"

Sagmal, war der schwerhörig? Er musste sich halten, um nicht auszurasten.

"Es ist etwas passiert, mein Vater schreit, ich soll einen Arzt rufen. Reicht Ihnen das nicht, Herr Doktor? Wollen Sie jetzt nicht kommen und wohlmöglich jemanden sterben lassen, nur, weil jemand anderes nicht wusste, was los war? Wenn Sie endlich mal herkommen würden, würden sie das doch alles sehen!" Auf der anderen Seite der Leitung war es aufeinmal still. Hatte er aufgelegt? Nein, dann würde so ein nervtötendes Tuten kommen. Surgéon rümpfte die Nase. "Ich bin in der Wallstreet 16, Herr Doktor. Wär sehr nett, wenn Sie kommen. Wenn nicht, gut, dann lassen Sie's."

Er legte auf. Sein Vater konnte ihn nunmehr auch nicht anmeckern, schließlich konnte er selbst nichts für einen derartig dummen Doktor. Vielleicht war es sogar besser, wenn er nicht herkam. Nachher war das so ein Dr. Frankenstein, ein Freak, ein Besessener, der kleine Jungen fraß und Eltern aufspießte. Bei dem Gedanken daran, bekam Surgéon Hunger und hielt sich seinen Bauch fest, als er nach seinem Vater rief. Da aber niemand antwortete, nahm er wieder den Weg die Treppe hoch und bog in die andere Richtung ab, als vorhin. Aber das, was er jetzt sah, versetzte seinem Magen einen derartigen Stich, dass der Hunger sich zu Übelkeit wandelte: Blut.

Kapitel VI

Das Weiß der Fluren blendete Surgéon. Mürrisch wandte er seinen Blick von den vielen leeren und besetzten Krankenbetten ab, die hier etwas verwahrlost und dicht gedrängt an den kahlen Wänden standen. Krankenhäuser waren etwas, vor dem viele Menschen Angst hatten. Surgéon nicht. Er machte sich erst garnicht die Mühe, Angst vor etwas zu haben, was ohnehin schon selbst vor Angst einzustürzen schien. Von überall her hörte man Schreie, Rufe und laute Stimmen, die sich hektisch etwas mitzuteilen versuchten. Ärzte und Krankenschwestern stolperten gehetzt an ihm vorbei; er erschaschte nicht einen ihrer angespannten Blicke. Surgéon fuhr sich durch die langen Haare und runzelte die Stirn. Wer hier freiwillig arbeitete, war für ihn lebensmüde. Wobei doch gerade solche, die des Lebens müde waren, hier landeten. Der Jugendliche lachte heiser auf. Was für ein Wortspiel.

Die Sonne schlich mit ihren wenigen Strahlen durch ein paar vergilbte Fenster und brachte den Flur in ein schummriges Licht. Surgéons Vater trat ungeduldig von einem abgenutzten, plumpen Bein aufs andere. Der Boden unter ihm knirschte beunruhigend, aber ihn selbst interessierte das alles nicht. Er wartete auf die Nachricht, dass es seiner Frau - und ihrem gemeinsamen Kind - gut ging. Dass alles in Ordnung war. Doch eine leise, piepsende Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass die Hoffnung diesmal als Erstes sterben würde. Zitternd hob der alte Mann seine Hand, um sich die vielen Schweißperlen von der Stirn zu wischen. Das Kind sollte erst in zwei Wochen kommen, aber Frühgeburten waren doch nicht derart ungewöhnlich, alsdass es wirkliche Komplikationen geben sollte. Andererseits war da Blut gewesen, viel Blut sogar. Gab es bei Frühgeburten Blut? Gab es überhaupt bei Geburten etwas, was er nicht wusste? Vielleicht hätte er sich mehr informieren und nicht immer nur an die Arbeit denken sollen. Vielleicht hätte er dann handeln können, bevor der Arzt erschienen wäre.

Surgéon schenkte seinem Vater einen nachdenklichen Blick. Er konnte sich gut vorstellen, was nun in seinem Kopf vorgehen musste. Sicherlich gab er sich die Schuld für alles. Ein schiefes Lächeln spazierte über seine blassen Lippen. Das erste Mal bestimmt, dass sein Vater nicht ihm, sondern sich selbst die Schuld für etwas gab. Auch, wenn hier sie beide nichts hätten verhindern können. Aber irgendwie tat er ihm doch Leid. So einsam und hilflos wie er da an der Wand gelehnt stand, könnte man fast meinen, er wäre ein kleines Waisenkind, was nach seiner Mutter weinen würde. Surgéon streckte sich müde und stieß sich von einem der Betten ab. Lange konnte er es hier nicht mehr aushalten. Dieser sterile Krankenhausgeruch heftete an ihm wie klebriges Wachs und Surgéon hatte nicht vor, diesen Gestank fortan sein ganzes Leben an sich tragen zu müssen. Schnell hob er seine Umhängetasche vom Boden auf und ging, ohne seinem Vater ein Wort zu sagen, in Richtung nächsten Flur. Natürlich würde er im Krankenhaus bleiben. Aber er würde ganz bestimmt nicht in gespielter Sentimentalität mit seinem Vater auf etwas warten, was noch Stunden dauern konnte. Er wusste sowieso, dass es seiner Mutter gut ging. An einer verfrühten Geburt war noch keiner gestorben, außer vielleicht im Mittelalter. Aber die heutigen Ärzte prahlten doch immer so mit ihren neuen Erkenntnissen und Techniken. Jetzt hatten sie einmal die Gelegenheit, bei Surgéon einiges wett zu machen. Zum Beispiel die intelligenzscheuen Arztserien, denen er oft genug ausgesetzt war.

Als es etwas ruhiger wurde, blieb Surgéon für einen kurzen Moment stehen. Anscheinend war er in einen anderen Bereich des Krankenhauses gekommen, einen, der nicht für die akuten Fälle eingeteilt worden war. Eine Pinnwand ein paar Meter von ihm entfernt zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Neugierig fuhr Surgéon mit seinen feingliedrigen Fingern über die vielen Blätter, die mit unzähligen Informationen vollgespickt waren: "Sonntag, Kinderstation, Clownbesuch". Surgéon verzog angewidert sein Gesicht. Er hasste Clowns. Wie konnte man den Kindern das antun? Vermutlich waren sie schon derart fertig mit der Welt, dass sie selbst Clowns nun duldeten und als witzig empfanden. Er selbst konnte nicht unbedingt behaupten, dass er Angst vor ihnen hatte. Aber als witzig oder erheiternd empfand er sie auf jeden Fall nicht.

 

Gerade, als Surgéon sich wieder von der Pinnwand abwenden wollte, schlich ein kühler Windzug durch den stillen Flur und brachte die Blätter zum Rascheln. Seine Finger zuckten zusammen, noch bevor er ein farbiges Notizblatt wahrnehmen konnte, dass sich langsam zu Boden schwebend in sein Blickfeld stahl. Vorsichtig streckte er seine Hand nach dem Blatt aus und umschloss es wie einen verloren geglaubten Schatz. Unerklärlicherweise verwandelte sein Herz seine sonst ruhigen, gleichmäßigen Schläge in ein unruhiges Stolpern in seiner linken Brust, das Surgéon aber vorerst ignorierte. Sein Blick huschte über die schwarzen, großen Lettern und das nicht nur einmal. Es war nur ein Satz, der dort niedergeschrieben stand und nur diesen einen Satz verstand Surgéon nicht. Er konnte zwar lesen, welche Buchstaben vorhanden waren, aber von dem Sinn dieser Notiz war er weit entfernt. Hastig steckte er den nun zusammen geknüllten Zettel in seine enge Hosentasche und stolperte los, den Flur entlang. Er hatte eine vage Vorahnung von dem, was nun kommen würde. Irgendetwas in ihm drin sagte ihm, dass er zu seinem Vater musste. Und hoffentlich auch zu seiner Mutter.

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Über den Autor

Falkin
. nachdenklich, aber oft auch aufgedreht
. einfühlsam und kritisch blickend
. viele Interessen, wenn nicht sogar zu viele
. komplex. (:

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Windflieger Spannend - ich bin gespannt wie das weiter geht.
LG Ivonne
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