Kurzgeschichte
Eine Geschichte zwischen Höhepunkt und Happy End - - Die Geschichte ohne Höhepunkt und ohne Happy End

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"Eine Geschichte zwischen Höhepunkt und Happy End - - Die Geschichte ohne Höhepunkt und ohne Happy End"
Veröffentlicht am 04. Mai 2010, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Eine Geschichte zwischen Höhepunkt und Happy End - - Die Geschichte ohne Höhepunkt und ohne Happy End

Eine Geschichte zwischen Höhepunkt und Happy End - - Die Geschichte ohne Höhepunkt und ohne Happy End

Beschreibung

- endlich fand ich die richtigen Worte- geschrieben am 28.12.2008

“Hallo”, eilig betrat ich die dunkle Veranda. Links zwei Türen. Kammer vollgespickt mit Lebensmitteln. Kleine Toilette. Rechts großer Tisch.
“Hallo”, sie kommt mir entgegen. Man konnte nur ein kleines Lächeln auf ihren Lippen erkennen und doch wusste ich sofort wie sehr sie sich freute.
“Anja, na alles klar.” Mein Cousin kam auch. Und mein Onkel.
“Na klar”, antwortete ich lachend.


Stimmen, die durch meinen Kopf wirrten, begleiteten mich durch den dunklen, schwach beleuchteten Gang. Genau wie das schwere, erbarmungslose Pfeifen der Orgel. Weiter vorn fand ich meinen Platz. Links an der Wand. Später wurde ich einmal gefragt, wie die Kirche denn von innen aussehe. Ob sie vielleicht einmal renoviert worden sei. Ehrlich musste ich den Kopf schütteln. Ich wusste es nicht mehr. Sah nun den großen, in der rechten Ecke stehenden Tannenbaum. Spärlich geschmückt mit nicht mehr brennenden Kerzen und einigen, verlorenen Sternen aus Stroh. Dann der hölzerne, auf schwarzen Samt liegende Sarg.

“Kommt doch rein”, sagt sie und holt Hausschuhe. Ich trete durch und schaue in die helle Küche. Fühle das weiße, saubere Lamynaht unter meinen Socken.
“Hier deine Hausschuhe.” Eilig stellt sie zwei angwärmte Pantoffeln vor meine Füße.
“Ach, ich brauch doch keine”, antworte ich schnell.
“Natürlich brauchst welche”, meint meine Mutter stur und geht an mir vorbei. Ich gebe auf. Sehe dann auf den großen, weißen Küchentisch, der vor mir steht.


Hatten wir dort nicht erst vor einem Jahr unser Abendbrot gegessen? Gespaßt und gescherzt?, denke ich und schaue nieder auf meine Knie. Das Lied der Orgel endet und nun erst treten das viele, zaghafte Schnauben und Husten in den Vordergrund. Atemlose Stille. Glocken über uns fangen an zu schlagen. Nicht ihre gewöhnlichen zwei Mal, wie sonst um diese Zeit. Nein, sie leiten einen qualvollen Abschied voller Leid und Trauer ein. Eine Pastorin, ebenfalls schwarz gekleidet und mit einem goldenen Kreuz auf der Brust, schreitet den Gang hindurch und zieht jeden mit sich in die Geschichte meiner verstorbenen Tante. Diese Geschichte erzählt von ihr, ihrem Mann, ihren Kindern. Auch von Gott, Jesus und dem heiligen Geist. Und von Weihnachten. Eine halbeStunde später schlagen die schweren Glocken ein weiteres Mal gegeneinander. Orgeltöne entreißen sich den alten Pfeifen, tanzen durch den kalten Raum, erheben uns und den Sarg. Langsam schreite ich ihm hinterher. Trete hinaus und sehe das große erdende Loch, das, wie es scheint, lieblos in die Erde gerammt worden sei.

“Kommt doch weiter”, sagt sie und ich trete in die gemütliche Stube. Links der ockerfarbene, Wärme spendende Ofen. In der linken Ecke der farbenfrohe und leuchtende Tannenbaum. Oft haben wir Kinder uns darunter fotografieren lassen. Dann die große Schrankwand. Der Fernseher rechts in ihr. Wie immer lief ein Spielfilm. Fotos von Verwandten lächeln mir entgegen. Inmitten des Raumes der ausgezogene Tisch. Auf ihm süße Leckerein, Sekt und Bier.

Schluchzend stehe ich vor dem Loch. Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub. Dreimal schmeiße ich Erde auf den hölzernen Sarg. Dann die roséfarbene Rose. Plump landet sie, dreht sich einmal und bleibt still liegen. Leise trete ich weg.

Wie viel Spaß wir immer hatten, wenn wir Kinder den ersten Weihnachtsfeiertag bei meiner Tante feierten. Was wir immer angestellt haben und die Erwachsenen damit zum Kochen brachten. Immer noch rieche ich den Frikassee, der dann vor uns stand. Aus dem ich mir die vielen Klösschen gesucht habe.

Oh, wie selbstverständlich fand ich dies immer. Wie selbstverständlich. Niemand hätte noch vor einem Jahr geahnt, dass dieser erste Weihnachtsfeiertag der letzte richtige sei.
Bedächtig gehe ich zu meinem Onkel, zu meinem Cousin, meiner Tante und den anderen. Spreche leise mein Beileid aus und drücke mich an sie. Gehe ein Schritt weiter. Meine Mutter kommt mir entgegen. Schmeißt sich an meine Schulter und weint.

“Danke fürs Essen”, sagt mein Vater und ich umarme meine Tante. Sie drückt mich fest an ihre Brust. Dann gehe ich ein Schritt zurück und schaue sie mir noch einmal richtig an. Gefärbtes, dunkelblondes Haar, das kraus absteht. Blaue Augen, die in Höhlen stehen. Vom alter gefaltete Haut. Ein wollener Pulli. Rock und dunkle Strumpfhose. Dunkelrote Hauslatschen. Ich gehe in die kühle Nacht und ziehe zitternd meine Handschuhe an. Winke ein letztes Mal.

Einen Tag später stehe ich abermals am Grab. Ein warmer Arm drückt mich am Rücken. Schiebt mich an eine warme Brust. Schluchzend schaue ich auf die vielen Rosenkränze. Weißer Reif vom Morgen hatte die vielen Rosen und anderen Blumen umspielt und auf wunderbare Weise verziert. Fast konnte man denken, sie seien aus hochwertigem, fadenscheinigem Glas. Und so sehr zerbrechlich. Letzte Grüße lagen darunter. Ebenso einer von mir.
Ich löse mich aus dem Griff und trete näher.

Eine stille Krankheit schlich sich in dir ein und verzerrte dich in rasender Weise, sodass wir nur ahnungslos zu schauen konnten. Natürlich war es kein Happy End, als du sechs Tage vor Heiligabend verstarbst, doch ich denke, dass es für dich ein total verdientes Happy End sein sollte. Denn du musstest nicht leiden. Und dass du leidest, hätte wirklich niemand gewollt...

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