Kurzgeschichte
Der gute Mensch - Ein Nachruf

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"Der gute Mensch - Ein Nachruf"
Veröffentlicht am 10. August 2007, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Der gute Mensch - Ein Nachruf

Der gute Mensch - Ein Nachruf


Ich bitte um Vergebung, dass ich so lange nichts von mir lesen habe lassen, aber ich habe eine – wie ich meine – gute Entschuldigung dafür, ich bin nämlich tot.
Klingt jetzt womöglich ein klein wenig übertrieben, entspricht aber den Tatsachen.
Ich wollte es ja erst selbst nicht wahr haben, mit dieser neuen Situation konfrontiert zu werden war für mich auch völlig ungewohnt.
Immerhin bin ich bis zum Zeitpunkt meines Exitus mit beiden Beinen fest im Leben gestanden.
Ich war pumperlgesund, habe auch stets auf meine Ernährung geachtet. Wenig Fleisch – und das nicht fett – kein Alkohol, viele Vitamine und so gut wie kein Kaffee – und wenn, dann ausschließlich fair gehandelten solchen.
Ich habe auch immer nur bei regionalen Produzenten gekauft.
Mein Fleisch von glücklich zu Tode gestreichelten Bio-Rindern habe ich stets vom Bauern aus dem Nachbardorf bezogen, der Gemüsehändler ums Eck hat mit mir regelmässig das Geschäft seines Lebens gemacht und den Salat auf meinem Mittagstisch habe ich mit viel Geduld und gut Zureden selbst im Garten gezogen.
Fahr nicht fort – kauf im Ort!
Diesen Slogan der Klein- und Mittelbetriebe Niederösterreichs habe ich immer ganz besonders ernst genommen – man muss ja die heimische Wirtschaft hegen und pflegen, wo es geht.
Sogar mein Gras stammt nicht aus Wien, Holland oder gar aus Tunesien, sondern von der Dachbodenplantage des Studenten, der neben mir wohnt.
Natürlich bin ich ein inländisch produziertes Auto gefahren, das mit Biodiesel betrieben wird – den Treibstoff dazu habe ich selbstverständlich aus dem Rapsfeld hergestellt, das ich hinter dem Haus eigens für diesen Zweck bewirtschaftet habe.
Die Schafe, die meinen Rasen stets auf eine Kürze von 1,2 cm abgegrast haben, waren Jahrzehnte lang die Lieferanten für den gesamten Textilbedarf in meinem Leben. Unterwäsche, Pullover, Teppiche, Servietten und Babywindeln waren in unserem Haushalt immer von beeindruckender Qualität und Schönheit.
Apropos Haushalt – dass meine Frau und ich die Lehmziegel für den Bau unseres Eigenheimes dereinst selbst gebrannt haben, versteht sich von selbst.
Unsere Kinder kennen die Bedeutung von Begriffen wie Kunststoff, Waschpulver, Fernsehen und Cheeseburger bis heute nicht (und einige von ihnen sind nach buddhistischen Zeremonien sogar selbst schon verheiratet).
Ich immer bin stolz auf alle elf gewesen und werde es auch im Jenseits für alle Zeiten sein. Und, dass sie mich umgebracht haben verzeihe ich ihnen auch, denn schließlich hat es sich um einen astreinen Unfall gehandelt, der jedem anderen auch hätte passieren können.

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scheerzeit

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Rehmann Der gute Mensch - Phantasie vom Feinsten - ruhe in Frieden !
Gruß
H. Rehmann
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