Kurzgeschichte
Ein Tag wie jeder andere

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"Ein Tag wie jeder andere"
Veröffentlicht am 01. März 2010, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Ein Tag wie jeder andere

Ein Tag wie jeder andere

Beschreibung

Die Geschichte "Stummer Schrei - Herztod" aus der Sicht des Mannes. Nun ja, ich hoffe es ist was geworden. - Für Caro -

Ein Tag wie jeder andere

Ein Tag wie jeder andere. Kein Ausbruch aus dem tristen Alltag, keine Veränderungen in den sich immer und immer wiederholenden Abläufen. Eine Reihe belangloser Augenblicke, eine Abfolge oberflächlicher Handlungen. Nichts hat in dieser Welt mehr Bedeutung, nichts einen tieferen Sinn und falls doch, sind diese Taten so beständig wie ein Augenzwinkern. Sie gehören schnell der Geschichte an, der guten alten Zeit. Sie sind so schnell vergessen und breitgetreten wie die Zeitung von gestern, in die man den Fisch einwickelt. Um in dieser Welt zu überleben, um sich in dem Meer aus Trostlosigkeit, Trauer und Schmerz über Wasser halten zu können, muss man werden wie sie. Um in diesem Leben eine Stimme zu erhalten, muss man gefühllos werden.

Ich beklage diesen Zustand nicht, denn ich habe den Schritt schon längst gewagt, mein Herz ist schon lange tot. Damit komme ich gut zurecht, schließlich habe ich dadurch meinen Platz gefunden. Im kosmischen Ganzen oder wie ein Philosoph das bezeichnen mag. Mein Herz ist tot, es wurde mir herausgerissen, aber es war wie eine Befreiung. Erlöst von dem Schmerz, von der Trauer. Erlöst von dem Dasein als Schatten, ein fester Bestandteil der grauen Masse, mein Gesicht ist eines von vielen. Es ist keineswegs so schrecklich wie es sich anhört. Es ist einfach, so einfach und so verlockend.

Jeden Tag gehe ich den selben Weg zu meiner Arbeit, laufe auf diesem Fußgängerweg, der genauso trist und grau ist wie die Welt, der genauso unwichtig ist wie die Taten der Menschen. Die Schritte auf den Steinen klingen immer gleich, dumpf und eintönig. Die Gesichter der Menschen um mich herum, die Gesichter derjenigen, die genau wie ich ihr Herz verloren haben, in das Rettungsboot aus Gefühllosigkeit gestiegen sind, um in diesem Meer nicht unter zu gehen, die Gesichter derjenigen, deren stumme Schreie nicht erhört wurden, sind immer die gleichen. Ich interessiere mich nicht für sie, denn sie interessieren sich nicht für mich. In dieser Welt ist Menschlichkeit nicht mehr gefragt, das eigene Überleben zählt. Jeder achtet auf sich, nicht auf die anderen.

Es ist ein Tag wie jeder andere, doch spüre ich eine Veränderung. Es ist eine Kleinigkeit, kaum nennenswert und doch spüre ich etwas. Es stört mich nicht, schließlich empfinde ich nichts. Nur eine winzige Störung in dem Gefüge der grauen Apathie. Dann sehe ich sie, bleibe stehen und blicke das Mädchen an, das in der Menge steht. Verloren und einsam. Tränen strömen das schmale Gesicht hinab, gleich einem reißenden Strom. Ihre Augen fließen über vor Trauer und Schmerz. Ich empfinde nichts mehr, aber ich kenne diese Gefühle. Eine schwache Erinnerung.

Ihr Mund ist weit aufgerissen, doch kein Laut dringt an mein Ohr. Ein stummer Schrei voller Qualen. Etwas regt sich in mir, ein schwacher Nachhall der Gefühle, die ich einst hatte. Gefühle, die mich beinahe in dem Meer aus Trostlosigkeit, Trauer und Schmerz ertränkt hätten. Es ist Mitleid und doch ist es keins.

Sie hat mich entdeckt, das sehe ich an ihren Augen, die noch immer in Tränen schwimmen. Als ich auf sie zulaufe, legt sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Ein Lächeln, das keines ist, das nicht in meinen Augen zu sehen ist, das für andere mechanisch wirkt, denn das ist es. Keine Gefühle, kein Lächeln. Mein Herz ist tot. Es ist ein Lächeln, das auf meinem Gesicht fest gefroren ist. Ich komme näher und der Hoffnungsschimmer, das letzte Glitzern in ihren Augen erlischt, denn sie hat erkannt, dass ich sie nicht retten werde und doch rette ich sie.

Dann strecke ich meine Hand aus, reiße ihr das Herz aus der Brust, töte ihre Gefühle, töte ihr Herz. Zuerst wirkt ihr Blick fassungslos, dann verzieht sie ihre Lippen zu einem schwachen Lächeln. Dankbarkeit huscht über ihr Gesicht, dann verschwinden die Gefühle. Ihr Herz ist ebenso tot wie meines, sie ist ebenso gefühllos wie ich, wie jeder andere auf dieser Welt.

Der rote Klumpen in meiner Hand zuckt, kämpft einen bereits verlorenen Kampf und hört schließlich auf zu schlagen. Ich gehe weiter, entsorge das Herz im nächstbesten Mülleimer und wische mit einem Taschentuch das Blut von meinen Händen. Ich empfinde nichts und auch das Mädchen fühlt nichts mehr. Sie ist nun wie jeder andere, hat sich in das Boot aus Gefühllosigkeit gerettet. Ich setze meinen Weg zur Arbeit fort, es ist ein Tag wie jeder andere.

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Robin

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LorelaiPatton Re: Re: -
Zitat: (Original von Robin am 02.03.2010 - 19:39 Uhr)
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 02.03.2010 - 19:36 Uhr) Herrlicher Sichtwechsel :) Genau so hatte ich es erwartet! Tolle Beschreibungen... Besonders gefällt mir übrigens der Satz gleich zu Anfang: "Eine Reihe belangloser Augenblicke, eine Abfolge oberflächlicher Handlungen. Nichts hat in dieser Welt mehr Bedeutung, nichts einen tieferen Sinn und falls doch, sind diese Taten so beständig wie ein Augenzwinkern."
Hm, sind eigentlich zwei Sätze :P Aber der sprang mir gleich ins Auge... wuuunderbar. Der Typ wird mir immer symapthischer ;)

Glg


*Hihi* Dankeschön :-) An dem Satz saß ich am längsten (muss ich ehrlich zugeben). Zuerst war er ganz anders, dann hab ich ihn geändert, und nochmal geändert und dann nochmal und schließlich ist das rausgekommen :D Aber anscheinend ja ganz passend. Dankeschön! :-) Und ich mag ihn auch, er ist so schön... gefühllos ;-)

Ganz liebe Grüße


Ja, das gefühlsbetonte und das gefühllose Weltbild sind beiderseits sehr interessant. Und dass du sowohl das Eine als auch das Andere so gut darstellen konntest, beweist, dass du entweder dich sehr gut in diese Rollen hineinversetzen konntest oder, dass du selbst mit beiderlei Erfahrungen gemacht hast.
Jedenfalls ein toller Text und witzig, dass ich mir genau den Satz herausgesucht habe :P Aber er ist wirklich stark in seiner Aussagekraft und schön geschrieben eben :)

Okay, genug palabert! Schön gemacht ;)

Glg
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: Ach, -
Zitat: (Original von Luzifer am 02.03.2010 - 21:34 Uhr) ist das eine schöne Welt. So logisch, so kühl, so menschlich.
Ich finde es wirklich passend zu deinem "stummen Schrei". Nicht nur, dass es die Sichtweise gut beschreibt, sondern auch diese kleine Regung von Mitleid, ist schön formuliert.
Aber hatte das Mädchen in dem Schrei nicht gesessen und nicht in der Menge gestanden?
Für mich war der Satz "Augen, die noch immer in Tränen schwimmen" bedeutend. Es ist so schön ausgedrückt und doch nicht überzogen.

LG
Luzifer


Dankeschön Luzifer, deine Kommentare bringen mich doch immer vor Freude zum Grinsen :-)
Naja, in so einer Welt möchte ich eigentlich nicht leben und doch tu ich's irgendwie :-) Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr, ob sie gesessen oder gestanden ist. Das sollte ich mal überprüfen... Ich frage mich grad, ob ich das überhaupt erwähnt habe ^^
Danke, ich hab mich wirklich, wirklich sehr gefreut!

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Ach, - ist das eine schöne Welt. So logisch, so kühl, so menschlich.
Ich finde es wirklich passend zu deinem "stummen Schrei". Nicht nur, dass es die Sichtweise gut beschreibt, sondern auch diese kleine Regung von Mitleid, ist schön formuliert.
Aber hatte das Mädchen in dem Schrei nicht gesessen und nicht in der Menge gestanden?
Für mich war der Satz "Augen, die noch immer in Tränen schwimmen" bedeutend. Es ist so schön ausgedrückt und doch nicht überzogen.

LG
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: -
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 02.03.2010 - 19:36 Uhr) Herrlicher Sichtwechsel :) Genau so hatte ich es erwartet! Tolle Beschreibungen... Besonders gefällt mir übrigens der Satz gleich zu Anfang: "Eine Reihe belangloser Augenblicke, eine Abfolge oberflächlicher Handlungen. Nichts hat in dieser Welt mehr Bedeutung, nichts einen tieferen Sinn und falls doch, sind diese Taten so beständig wie ein Augenzwinkern."
Hm, sind eigentlich zwei Sätze :P Aber der sprang mir gleich ins Auge... wuuunderbar. Der Typ wird mir immer symapthischer ;)

Glg


*Hihi* Dankeschön :-) An dem Satz saß ich am längsten (muss ich ehrlich zugeben). Zuerst war er ganz anders, dann hab ich ihn geändert, und nochmal geändert und dann nochmal und schließlich ist das rausgekommen :D Aber anscheinend ja ganz passend. Dankeschön! :-) Und ich mag ihn auch, er ist so schön... gefühllos ;-)

Ganz liebe Grüße
Vor langer Zeit - Antworten
LorelaiPatton Herrlicher Sichtwechsel :) Genau so hatte ich es erwartet! Tolle Beschreibungen... Besonders gefällt mir übrigens der Satz gleich zu Anfang: "Eine Reihe belangloser Augenblicke, eine Abfolge oberflächlicher Handlungen. Nichts hat in dieser Welt mehr Bedeutung, nichts einen tieferen Sinn und falls doch, sind diese Taten so beständig wie ein Augenzwinkern."
Hm, sind eigentlich zwei Sätze :P Aber der sprang mir gleich ins Auge... wuuunderbar. Der Typ wird mir immer symapthischer ;)

Glg
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: ... -
Zitat: (Original von Bonnie am 02.03.2010 - 15:50 Uhr) Ich kenne auch diese Tage, die den anderen gleichen, nur zu gut. Ab und zu tauchen im Leben nun mal Tage auf, die nichts bewegen, nichts verändern, dein Leben nicht verschönern oder dir einfach ein Lächeln auf Gesicht zaubern. Aber immerhin kann man dann hoffen, dass der nächste Tag nur noch besser werden kann. :-)


Danke, ich hab mich sehr über den Kommentar und die Bewertung gefreut :-)

Grüß dich lieb
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: -
Zitat: (Original von schneeflocke am 02.03.2010 - 05:54 Uhr) Gut beschrieben, wie immer! Hat mir sehr gefallen, die Geschichte mal aus der anderen Perspektive zu lesen und dabei ein wenig mehr über ihn zu erfahren! Die Trostlosigkeit hast du gut rübergebracht.

Liebe Grüße,
Tina


Dankeschön Tina,
das mit der Trostlosigkeit ist mir eigentlich ziemlich leicht gefallen. So fühlt man sich denke auch öfter, natürlich hab ich's mal wieder übertrieben, aber dazu neige ich ja ;-) Ach, ich freu mich so sehr, dass es dir gefallen hat und auch über das Kommentar!

Ganz liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: Ehrlich gesagt finde ich... -
Zitat: (Original von PhanThomas am 02.03.2010 - 09:32 Uhr) ..., dass diese Version sogar noch besser ist als die aus Sicht der Frau. :-) Beim Lesen hörte ich in Gedanken eine tiefe, brummige Stimme, dazu prasselnder Regen. Eine Schwarz-Weiß-Szenerie, wie man sie aus "Sin City" kennt. Und einzig rot ist das Herz, dass der männliche Protagonist der Frau entreißt, um es einfach wegzuwerfen. Klasse geschrieben und eine schöne Idee, alles noch mal aus der anderen Sicht zu schildern. Weniger Grusel, mehr Noir. Find ich super! :-)

Liebe Grüße
Thomas


Und ich dachte, diese Version wäre irgendwie grottig :-) Ja, genau so eine Stimme hab ich beim Schreiben auch gehört, total gefühllos und alles ist schwarz-weiß. Finde ich sehr gut, dass du das auch so siehst :-)
Zuerst hatte ich vor diese Geschichte aus der Sicht der Frau nochmal zu schreiben, also dass sie jetzt gefühllos ist, aber der Mann hat einfach besser gepasst und eigentlich bin ich auch ganz zufrieden. Und ich find's super, dass es gefällt :-)

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Ehrlich gesagt finde ich... - ..., dass diese Version sogar noch besser ist als die aus Sicht der Frau. :-) Beim Lesen hörte ich in Gedanken eine tiefe, brummige Stimme, dazu prasselnder Regen. Eine Schwarz-Weiß-Szenerie, wie man sie aus "Sin City" kennt. Und einzig rot ist das Herz, dass der männliche Protagonist der Frau entreißt, um es einfach wegzuwerfen. Klasse geschrieben und eine schöne Idee, alles noch mal aus der anderen Sicht zu schildern. Weniger Grusel, mehr Noir. Find ich super! :-)

Liebe Grüße
Thomas
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