Romane & Erzählungen
Wenn der Wind sich dreht - Ende oder Anfang...?

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"Wenn der Wind sich dreht - Ende oder Anfang...?"
Veröffentlicht am 20. Februar 2010, 78 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Wenn der Wind sich dreht - Ende oder Anfang...?

Wenn der Wind sich dreht - Ende oder Anfang...?

Beschreibung

Seit etwa zwanzig Jahren sind Claire und Mel glücklich verheiratet. Sie haben einen eigenen Jeansladen und kämpfen mit anderen Einzelhändler darum, daß der geplante Bau eines großen Einkaufszentrums vor den Toren der Stadt verhindert wird. Als dies aber doch geschieht, ergreift nach und nach Angst um die Existenz von ihnen Besitz, die beide ganz unterschiedlich verarbeiten. Mel beginnt seine Verzweiflung immer öfter im Alkohol zu ertränken, womit Claire schwer umgehen kann. Sie selbst hält sich mit Hoffen auf bessere Zeiten über Wasser, doch mehr und mehr entgleitet ihr ihr gewohntes Leben. Die belanglosesten Situationen eskalieren immer öfter im Streit. Claire beginnt allmählich damit, ihre eigenen Gefühle zu unterdrücken, Mel's Ansichten und Aussagen über ihre eigenen zu stellen, nur um alles irgendwie noch ruhig halten zu können. Sie fühlt immer mehr ihre innere Abhängikeit von Mel, verzweifelt heimlich an ihrer Unfähigkeit, endlich selbst zu agieren. In allen folgenden Konfrontationen zieht sie letztendlich den Kürzeren, bis sie zuletzt an einen Punkt gelangt, an dem sie einfach nur noch 'fühlt', daß sie gehen muß. Zum ersten mal folgt sie ihrem eigenen, tiefen Gefühl.

Kapitel 1

Es regnete in Strömen.

Regentropfen rappelten wild durcheinander auf das Verandadach vor Joe’s Bar. Der grüne Leucht-Schriftzug der Bar spiegelte sich in den Pfützen und wurde duch die hineinplatschenden Regentropfen in kleine Fetzen zerschlagen.

Es war kalt.

Claire stand mit hochgezogenen Schultern auf der Holzveranda und wartete ungeduldig auf Mel, der den Wagen holte.

Wieder einmal hatten sie sich hier getroffen, um den neuesten Stand der Dinge zu besprechen. Denn die Stadtabgeordneten planten, den Bau eines dieser riesigen Einkaufzentren vor den Toren der Stadt zu genehmigen.

Sie lebten in einer kleinen  Stadt, und f+r jeden der Einzelhändler würde es eine gewaltige Umsatzeinbuße, wenn nicht sogar den kompletten Ruin bedeuten, würde dies tatsächlich geschehen. Aber noch hatten sie dem Bürgermeister nicht all die Unterschriften der Leute vorgelegt, die gegen dieses Vorhaben stimmten. Und davon versprechen sie sich alle sehr viel.

„Meinst Du, wir haben wirklich noch eine Chance?“

Claire wurde auch ihren Gedanken gerissen. Neben ihr stand Daniel und nestelte am Reißverschluß seiner Jacke.

Claire zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich hoffe wirklich, daß die Unterschriften etwas bewirken können.“

Daniel schaute sie an.

„Soll ich Dir was sagen, Claire? Ich denke, wir haben schon jetzt verloren, echt.  Wir haben nicht die geringste Chance. Die Sache ist gegessen. Die haben doch längst beschlossen, daß dieses Einkaufszentrum, diese...“ Daniel rollte die Augen und zog verächtlich die Mundwinkel nach unten „...diese „Mall“, wie die sie nennen, gebaut wird“, meinte er und zerrte immer noch an seinem Reißverschluß. „Warum das immer amerikanisch betitelt werden muß, hä?“

Er sah zu Claire auf und schüttlete den Kopf. „Soll ich dir was sagen? Ich überlege mir tatsächlich, ob ich meinen Zooladen nicht gleich mit der ersten Freigabe der Läden in diese „Mall“ verlegen werde.“

„Daniel!“, rief Claire entsetzt aus. „Du denkst tatsächlich darüber nach? Aber wie sollen wir denn irgendetwas durchsetzen können, wenn wir nicht einheitlich antreten?“

Daniel zuckte mit den Achseln.

„Ach Claire, ich bitte Dich. Es ist dich schon immer so gewesen, daß sich zuletzt jeder selbst der Nächste ist, oder? Sieh es doch mal mit meinen Augen: ja, ich hätte die Umzugskosten am Hals, habe aber danach auch die Möglichkeit, meinen Umsatz zu verdoppeln, denn meine Kunden bleiben mir notgedrungen treu, weil es noch keinen zweiten Zooladen gibt. Und wenn ich mich früh genug bewerbe, wird meiner auch der einzige bleiben. Und zusätzlich habe ich noch die Möglichkeit, neue Kunden dazu zu gewinnen. Was also ist letztendlich so schlimm an der Mall?“

Claire schaute ihn mit großen Augen an. Er hatte ja recht. So gesehen war es für ihn sogar gut. Aber für Mel und sie würde es einfach nur den Ruin bedeuten. Denn erst vor knapp vier Monaten hatten sie ihren jeansladen vergrößert, komplett neu renoviert und ausgestattet. Sie hatten keinen Cent mehr zur Verfügung, den sie in einen Umzug investieren konnten. Ihnen waren die Hände gebunden.

Sie zuckte nur mit den Achseln.

„Ich kann Dich verstehen. Für uns ist das allerdings keine Läsung. Wir müssen kämpfen.“

Das tiefe Brummen eines Motors war zu hören.

Mel fuhr vor.

„Ich weiß Claire. Ich werde auch nicht unbedingt für dieses Zentrum stimmen. Ich bin nach wie vor dafür, daß alles beim alten bleibt. Mal sehn, was aus allem wird“, meinte er dann und zog seinen Reißverschluß hoch.

Claire nickte und lächelte dabei traurig.

„Bis bald, Daniel. Drücken wir uns einfach die Daumen“.

„Ciao Claire,“ lächelte er und schaute ihr hinterher, wie sie über die Pfützen hüpfend zum zum Auto rannte.

Die Autotür fiel ins Schloß.

„Ich habe mich gerade noch mit Daniel unterhalten,“ erzählte Claire, während sie sich die Regentropfen von der Jacke klopfte und Mel den Pick-up langsam mit tief röhrendem Motorklang über den Parkplatz lenkte.

„Und er meinte, er überlegt sich, ob er sich im Falle einer Genehmigung nicht sofort für einen Laden in der Mall bewirbt.“

Mel schaute sie an.

„Warten wir erst einmal ab,“ schlug er vor. „Es liegt noch alles drin. Wir haben genug Unterschriften gesammelt. Und die Presse kommt ja auch. Wenn etwas zu sein. Bleib ruhig.“

Claire’s Blick verfing sich in den Regentropfen auf dem Beifahrerfenster.

„Dein Wort in Gottes Ohr, Mel. Wir können uns keinen Umzug mehr leisten. Es wäre wahrscheinlich unser Ende, sollte dieser verdammte Bau genehmigt werden.“

Der aufgenommene Kredit für ihre Renovierung und den neuen Pick-up ließen erstmal keinen Spielraum für unvorhergesehene Situationen. Dieses Risiko waren sie eingegangen, denn es waren keine Probleme abzusehen, wenn alles wie bisher in halbwegs geordneten bahnen weitergelaufen wäre. Zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme war noch keine Rede von dieser mögllichen infrastrukturellen Veränderung. Alles lief nach dem Umbau so gut an, und nun kam diese Bekanntgabe von diesem Einkaufszentrum. Alles geriet ins Wanken.

„Zuhause.“

Mel stellte den Motor ab und drehte sich zu ihr herüber. Er schaute in ihr besorgtes Gesicht. Claire schaute in seine vertrauten Augen. Er legte seinen Arm um sie und zog sie an sich.

„Mach Dir keine Sorgen, es wird schon klappen. Wir sind doch Glückskinder, oder etwas nicht? Bis jetzt hat doch immer alles hervorragend für uns geklappt, weshalb sollte sich das ändern, hm?“

Er drückte ihr einen Kuß auf die Lippen.

„Was soll also passieren?“ fragte er dann, während er die Tür öffnete.

Claire nickte. Für heute wollte sie nicht mehr darüber grübeln. Nur noch ein heißes Bad und dann schlafen.

 

 

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Claire öffnete die Post.

„Mel, am Mittwoch ist Unterschriftenübergabe,“ rief sie ihm aus dem Büro zu.

Mel stapelte gerade die Jeans der neuen Lieferung in die Regale. Claire kam aus dem Büro, nahm einige Hosen aus dem Karton und reichte sie ihm.

„Weißt Du was? Ich werde zuvor noch einen termin bei Linda vereinbaren.“

„Meinst Du, daß eine schicke neue Frisur die Entscheidung beeinflussen kann?“ grinsend sah er sie an.

Claire verpaßte Mel gespielt entrüstet einen Schubs, so daß er aus der Hocke seitlich auf den Fußboden fiel. Lachend lag er am Boden, strich sich durchs Haar und ahmte die Stimme des Bürgermeisters nach.

„Meine Damen und Herren, ursprünglich stand die Genehmigung für den bau der Mall fest, doch wie wir soeben erkennen konnten, war Claire Berger beim Friseur. Dies nehmen wir zähneknirschend zum Anlaß, unsere Entscheidung zu ändern: wir widerrufen daher die Genehmigung des Baus.“

Lachend lag er am Boden und hob sich den Bauch. Claire schüttelte grinsend den Kopf, nahm dann Jeans für Jeans aus dem Karton und warf sie dann lachend alle über Mel, bis er nicht mehr zu sehen war.

„Tja, es wäre wohl schön, wenn es so einfach ginge,“ lachte sie und schaute zu , wie Mel sich wieder von den Hosen befreite. „Aber ich werde mich wahrscheinlich einfach besser damit fühlen,“ grinste sie und hob den Zeigefinger in die Höhe, „und man sollte jede noch so kleine Möglichkeit nutzen, um der Sache positiv zu dienen, oder meinst Du nicht?“

Sie schnitt ihm eine Grimasse und dreht sich belustigt um, um im Büro einen Termin bei Linda auf Dienstag  zu vereinbaren.

 

 

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Claire freute sich schon auf den Friseurbesuch. Sie nahm sich vor, sich verwöhnen zu lassen und beim neuesten Tratsch so richtig zu entpsannen. Als sie Linda’s Salon betrat, wurde sie von Linda herzlich empfangen und begrüßte Samantha, eine weitere Kundin, die schon fast fertig frisiert war. Linda schob Claire in Richtung nächsten freien Friseurstuhl, während Judith, Lindas Mitarbeiterin, schon eine frische, dampfende Tasse Kaffee brachte.

„Ach, Euer Service ist einfach wundervoll, Linda. Ich danke Gott dafür, daß es Dich gibt,“ meinte Claire mit einem leichten Seufzer und ließ sich in den Stuhl sinken.

Linda trat hinter sie und schaute Claire im Spielel fragend an. Freundschaftlich legte sie ihr die Hände auf die Schultern.

„Du machst Dir auch Sorgen wegen des Einkaufzentrums, stimmts?“

Claire nickte.

„Na ja, die sorgen kann ich Dir leider nicht abnehmen. Dafür verwöhnen wir Dich aber sofort mit einer entspannenden Kopfmassage und einer tollen Packung, hm? Ist das nichts?“

Claire lächelte und nahm einen Schluck Kaffee.

„Zuerst muß ich allerdings Sam kurz fertig frisieren, solange wird Judith Dir die Haare waschen, einverstanden?“

Linda lächelte Claire an und wendete wieder Samantha zu.

„Wir hatten uns auch gerade über die Mall-Sache unterhalten. Es wäre für einige in unserer Stadt schon eine verdammt bläde Sache, wenn die doch gebaut würde. Und ihr beide habt erst alles neu renoviert,“ sagte Linda.

Judith ließ den warmen Wasserstrahl vorsichtig über Claires lange, rötlichen Haare fließen.

„Das stimmt. Aber laß uns bitte über was anderes reden. Dieses Thema ist seit Wochen Thema Nummer eins zuhause, ich würde gerne etwas anderes hören,“ bat Claire.

„Kann ich gut verstehen,“ seufzte Judith leise vor sich hin und rollte dabei gelangweilt die Augen.

„Was gibts Neues in der Stadt?“ fragte Claire mit geschlossenen Augen.

„Tja, was gibts Neues? Ahm....Micha Kühn hatte eine heiße Affaire, habt ihr davon gehört?“ fragte Samantha.

„Nein! Du meine Güte, ist das zu fassen? Weiß Susann es schon?“ Linda war ganz aufgeregt.

„Ja, ja. Sie hat die beiden voll zusammen ertappt.“

„Arme Susann,“ Claire war erschüttert.

„Wer, in Drei-Teufels-Namen, hat Dir das erzählt?“ wollte Linda wissen.

„Moni, vergangene Woche.“

Claire’s Gedanken schweiften ab und sie überlegte, ob das auch ihr und Mel einmal passieren könnte. Sie lag mit geschlossenen Augen nach hinten gelehnt da und ließ sich von Judith ausgiebig die Kopfhaut massieren. Sie hing ihren Gendakne nach, hörte nicht dem Gespräch der Frauen zu.

Tja, mit den Jahren lassen diese heißen, stürmischen Gefühle schon nach und vereinfachen wahrscheinlich einen derartigen Ausrutscher, dachte sie. Aber andererseits kommt zu einer langjährigen Beziehung auch etwas anderes hinzu: eine andere, tiefere Liebe.....Sicherheit. Ein tiefes Verstehen dem anderen gegenüber....ja. Irgendwie erschien ihr dies wohl als die wahrere Liebe.

Doch ab und zu vermisste sie auch dieses Kribbeln.

Claire mußte lächeln.

Trotz allem war sie glücklich mit Mel. Und sie war sich Mel sicher. Jetzt, nach fast zwanzig Jahren gemeinsamen Auf und Ab’s war man doch aufeinander eingespielt. Claire war sich ziemlich sicher, daß so etwas nicht geschehen würde. Wie denn auch? Sie sind immerhin stündlich zusammen.

„...ihm das wohl schon verziehen. Ich habe beide am Wochenende im Club engumschlungen tanzen gesehen,“ hörte Claire Judith erzählen, als sie gerade wieder Claires Lehne senkrecht stellte und mit dem Handtuch die nassen Haare umwickelte.

„Also das könnte ich nicht,“ meinte Linda aufbrausend. „Wenn dich so ein Mistkerl erst einmal betrogen hat, dann macht er es immer wieder, das kann ich Euch sagen. Ich weiß wovon ich spreche. Als Bernd mich das erstemal betrog, hab ich ihm auch verziehen. Und ein halbes Jahr später habe ich ihn mit einer anderen in unserem Bett erwischt. Tzz, in unserem Bett auch noch, stellt Euch das mal vor, dieser Mistkerl. Nee, nee. Einmal und nie wieder, das kann ich euch sagen. Wenn mein Andy auch nur eine winzige Kleingkeit in diese Richtung unternehmen würde, ich schwöre Euch, er würde sofort den Laufpass kriegen.“

Sie zupfte ein paar Locken an Sam’s Haaren zurecht.

Eine kurze Pause entstand.

„Und was meinst Du dazu, Claire?“ fragte Linda. „Du bist so still“.

„Ich weiß nicht,“ antwortete Claire und zuckte dabei mit den Schultern. „Das mit dem Laufpaß ist sicherlich oft leichter gesagt als getan. Theorie und Praxis, sage ich nur.“

„Na ja, Dich kann man dazu auch nicht befragen. Du und Mel seid ja wie am ersten Tag ineinander verliebt. Und stell Dir nur vor,“ fuhr sie zu Samantha gerichtet fort, „die beiden sind sage und schreibe seit – wieviel Jahren genau, Claire?“

„Fast zwanzig,“ erwiderte Claire geschmeichelt.

„...seit zwanzig Jahren zusammen. Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, oder nicht? Zwanzig Jahre und immer noch verliebt. Ich glaube fast, ihr beide seid das einzige Paar in der Stadt, das sooo lange glücklich verheiratet ist.“

„Jetzt übertreibe bitte nicht,“ stoppte Claire Linda.

„Ist das echt wahr?“ fragte Sam, aber ihre Frage ging fast unter in dem Taftnebel, den Linda um sam’s Kopf sprühte und der sie kräftig zum Husten brachte.

„Oh, entschuldige bitte. Es tut mir leid. Ich war so in Gedanken, weil ich mich an Eure Hochzeit erinnert habe, Claire. Ich war nämlich eine Brautjungfer von Claire, müßt ihr wissen. Ihr hättet uns sehen müssen.“

Linda und Claire lachten beide über diese Erinnerung.

„Meine Frisur damals! Leute, ich kann Euch sagen, da hätte ich keinen Preis mit gewonnen....“ Linda stellte lachend das Spray beiseite. „So, fertig.“

Sie nahm Sam den Frisierumhang ab und bürstete ihr die restlichen Haare auf ihren Schultern weg. Sam schaute sich im Spiegel an und entdeckte einen kleinen Pickel an ihrem Kinn, den sie vornübergebeugt näher inspizierte.

„Ich hoffe nur, daß ich auch bald meinen Traumprinzen finden werde, mit dem ich auf ewig glücklich sein kann,“meinte sie dann, während sie ihren Blic auf die Frisur richtete und sich vorsichtig über die Haare fuhr. „Ach, ich fühle schon, daß heute mal wieder ein Kinoabend anstehen wird. Ich werde mir so einen richtig kitschigen Liebesfilm ansehen, wenn einer läuft.“

Sie nahm ihre Tasche.

„Wisst Ihr, manchmal tut sowas richtig gut.“

Schwungvoll drehte sie sich samt Stuhl zu allen um.

„Stimmt,“ gab Claire ihr Recht, „ich sehe mit so was auch gerne an. Vor allem, wenn Sport im Fernsehen läuft. Da ist mit Mel und Romantik wenig los, das kann ich Euch sagen.“

Sie mußten lachen.

„Das ann ich mir vorstellen,“ beteuerte Sam, während sie sich im Spiegel noch einmal von allen Seiten betrachtete. „Tja, dann bin ich mal wieder hübsch gemacht, mal sehen, ob’s überhaupt jemand bemerkt,“ scherzte sie und schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse.

„Also Ihr Lieben,“ sie stand auf, „macht es gut. Bis zum nächsten mal.“

„Tschüss Sam. Bis bald,“ umarmte Linda sie, und Sam folgte Judith an die Kasse.

„So, jetzt also zu Dir,“ meinte Linda und fuhr mit den Fingern durch Claire’s langes, volles Haar. „Ich kann Mel schon verstehen. So schöne Haare hat nicht gleich jede Frau.“

KAPITEL 2

„Das darf doch alles nicht wahr sein!“

Mel schrie zwischen der wütenden, laut brüllenden Menge umher und drängte sich weiter nach vorn. Wildes Blitzlichtgewitter der Reporter erhellte den Raum noch mehr. Claire schlug die Hände vors Gesicht.

„Ich hab’s gewußt...., ich hab’s gewußt,“flüsterte sie nur vor sich hin.

Die Abgeordneten hatten tatsächlich dem Bau der Mall zugestimmt, ungeachtet aller Proteste der Einzelhändler. Fortschritt war auch hier großgeschrieben. Und laut Statistik würden mindestens zwanzig Prozent Steuergelderzuwachs die Stadtkasse klingeln lassen. Dagegen konnte der Einzelne nichts ausrichten.

Mel stand bei einer Gruppe Männer und rief, daß sie nicht klein bei geben würden.

„Laß gut sein, Mel,“ klopfte ihm einer der Männer auf die Schulter, „es ist vorbei. Wir haben verloren.“

„Ich werde nicht aufgeben. Wir müssen kämpfen! Wir sind die Bürger der Stadt. Wir bestimmen, was die da oben zu machen haben.“

Mel wandte sich in Richtung der Abgeordneten, die gerade den Saal verließen.

„Mit uns nicht. Hört Ihr! Wir lassen uns nicht von Euch fertig machen!“

Doch er erntete nur Kopfschütteln.

Claire bahnte sich einen Weg zu Mel und nahm seinen Arm.

„Beruhige Dich doch,“ bat sie ihn.

„Wir müssen uns wehren, Claire, versteh doch. Wir sind sonst am Ende.“ Seine Augen zeichneten seine Verzweiflung wider. Er drehte sich um.

„Ich kämpfe! Wir müssen alle zusammenhalten,“ rief er laut aus. „Wir boykottieren den Bau. Wir müssen nur zusammenhalten.“

Auffordernd klopfte er den umstehenden Männern auf die Schulter und redete auf sie ein. Einige von ihnen sahen Claire hilflos an und schüttelten wortlos den Kopf.

„Es ist vorbei, Mel,“ versuchte Daniel Mel zu beruhigen. „Was könnten wir noch tun? Wir haben alles versucht und es hat nichts gebracht. Ich habe keine Lust gegen das Gesetz zu verstoßen und den Bau zu boykottieren. Was hast Du sonst für Vorschläge?“ Daniel schaute Mel abwartend an.

„Ich weiß es nicht genau...“

„Hör auf, Mel. Wir önnen echt nichts mehr tun. Wir haben noch ein knappes Jahr bis zur Eröffnung dieser verdammten Mall, also kann jeder noch ein Jahr guten Umsatz fahren. Und wer weiß, was in einem Jahr ist.“

„Laßt uns in Joe’s Bar gehen,“ rief eine Stimme.

Die Männer um Mel nickten zustimmend, wandten sich nach und nach um und gingen. Einige klopften Mel freundschaftlich auf die Schulter. „Komm, laß uns den Ärger runterspülen“, meinten sie.

Mel stand da und schaute verzweifelt zu claire.

„Es ist aus, Claire. Wir haben einen Sack voll Schulden gemacht und jetzt..., jetzt machen die uns einen Strich durch die Rechnung.“

Claire nahm ihn in die Arme. Sie konnte ihn nur zu gut verstehen, aber jetzt mit ihm zu jammern würde auch nicht weiterhelfen.

„Nun warte doch erst einmal ab. Velleicht läuft dieses Jahr ja wirklich noch alles so super, daß wir einen Großteil der Schulden abbezahlen können. Und dann ist alles nur noch halb so schlimm, hm?“ versuchte sie ihn zu beruhigen.

Er schüttelte nur den Kopf.

„Mel, auf, komm mit zu Joe’s,“ rief einer der Männer.

„Komm, wir gehen gemeinsam hin. Ich kann auch einen Schluck vertragen“, meinte Claire aufmunternd und schaute ihm lächelnd in die Augen. Mel sah sie an und nahm sie in die Arme.

„Hast Du überhaupt keine Angst?“

Während sie in Richtung Ausgang gingen, legte er seinen Arm um sie.

„Natürlich habe ich Angst, aber wir haben wirklich ein ganzes Jahr Zeit. Es wird schon gutgehen. Außerdem haben wir doch uns beide, was soll schon geschehen, hm? Schulden sind zum abbezahlen da und das bißchen schaffen wir doch, oder nicht?“ Sie schaute ihn von der Seite her an und vesetzte ihm mit ihrem Ellbogen einen leichten Stoß in die Rippen. „Ey, und hast Du nicht erst neulich gemeint, wir seien Glückskinder?“

Es tat ihr selbst gut, ihren Worten zu lauschen.

Mel drückte ihr einen Kuß auf die Stirn.

„Wir sind Glückskinder, Du hast Recht“.

Er bemühte sich um ein Lächeln, aber es gelang ihm nicht so richtig.

 

 

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„Es ist Acht Uhr Mel, aufstehen. Wir sind spät dran“.

Claire stellte ihm eine große Tasse starken Kaffee auf den Nachttisch und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. Es war spät geworden in Joe’s Bar und die selbst fühlte sich nach einer Aspirin schon etwas besser, bezweifelte aber, daß Mel so schnell fit werden würde. Sein Alkoholkonsum, mit dem er seinen ganzen Ärger ertran, war vergangenen Abend doch ziemlich hoch gewesen.

Mel lag auf dem Rücken, öffnete blinzelnd ein Auge und stöhnte.

„Tja, mein Lieber, so ist das nun mal“.

Claire setzte sich auf die Bettkante und mußte bei seinem Anblick das Grinsen unterdrücken.

„Ich habe Dir hier einen Kaffee hingestellt. Du mußt Dich beeilen, wir haben beide etwas verschlafen und müssen dann los. Neben der Tasse liegt eine Aspirin, möge sie Deine Geister beflügeln“.

„Alle meine Geister sind ertrunken“, gab er von sich, drehte sich langsam zu ihr herum auf den Bauch und ließ einen Arm aus dem Bett hängen, während er mit dem anderren das Kissen über seinen Nacken zog, um seinen schmerzenden Kopf darunter zu begraben.

Claire mußte lachen.

„Wenn ich mir dieses Elend weiter mitansehen muß, lege ich mich auch wieder ins Bett, das ist nicht besonders aufbauend.“

Als Antwort klopfte Mel nur mit seiner Hand auf die freie Bettseite neben sich.

„Kein zweites Angebot, sonst bleibt der Laden heute tatsächlich geschlossen,“ grinste Claire und stand entschlossen auf, um unter die Dusche zu gehen.

Sie hoffte sehr, daß Mel heute nicht so verzweifelt sein würde wie am vergangenen Tag und versuchte sich selbst einzureden, daß alles schon wieder in Ordnung käme. Im Moment war erst einmal ein neuer Tag, an dem die Möglichkeit bestand, einen guten Umsatz zu erreichen und zusätzlich war es auch noch Donnerstag, ein starker Umsatztag. Das würde Mel wieder etwas aufmuntern. Es würde alles gut werden.

Als sie aus dem Bad kam sah sie, daß Mel aufgestanden war und den Kaffee samt Aspirin getrunken hatte. Sie ging in die Küche, in der sich Mel gerade ein zweite Tasse Kaffee eingoß.

„Du auch noch eine?“ fragte er mit der Kanne in der Hand.

Sie nickte.

„Na, wie geht es Deinem Brummschädel?“

„Also ich könnte ohne Probleme noch ein paar Stunden schlafen, das würde mir und meinem Kopf wahrscheinlich besser tun, als hier in dieser fürchterlich hellen Küche zu stehen.“

Er kniff die Augen zu zwei schmalen Schlitzen zusammen, während er Claire die volle Tasse reichte.

„Wenn ich genügend Zeit habe, bemitleide ich Dich gebührend.“

Sie stellte die Tasse auf den Tisch,ging zu ihm rüber und legte ihre Arme um seinen Hals. Mel vergrub sein Gesicht an ihrem Nacken. Ihre Hände fuhren langsam durch sein Haar. Beide standen einen Moment nur so da. Claire fühlte seinen warmen Atem an ihrem Hals... der Atem wurde immer gleichmäßiger und tiefer....

„Hey? Schläfst Du jetzt wieder ein, oder was?“

Mel gab nur einen brummenden Laut von sich.

„Übrigens, ich muß Dich doch bitten, bevor wir losfahren die Dusche noch schnell in Anspruch zu nehmen – unserer Kundschaft zu liebe!“

„Hey!“ protestierte Mel und löste sich langsam von ihr, hielt sich dabei den Kopf.

Claire lachte ihn an und warf ihm ihre Serviette hinterher, als er sich brummend auf den Weg zur Dusche machte. Sie räumte die Tassen in den Geschirrspüler.

Ein Tag wie jeder andere, dachte sie. Und doch tickte ab gestern eine Art Zeitbombe mit.

Claire hoffte, daß sich die ganze Situation nicht wirklich so dramatisch für sie auswirken würde, wie sie es sich selbst ausmalten. Aufgrund der Größe ihres Ladens konnten sie eine Auswahl bieten, mit der weit und breit niemand mithalten konnte.

An diesen Punkt klammerte sich ihre ganze Zuversicht.

KAPITEL 3

 

Die Wochen und Monate vergingen wie im Flug, in denen sich nicht viel änderte, was dazu beitrug, daß in Claire wieder eine gewisse Ruhe einkehrte. Mel’s Stimmung schwenkte von gelassen bis verzweifelt, wenn sich ein verkaufsschwacher Tag zu Ende neigte.

Er und die Männer in Joe’s Bar waren immer auf dem neuesten Stand, was die Baustelle betrat. Und es war, mit heranrückendem Fertigstellungstermin, nach wie vor das brisanteste Thema in der Stadt.

Das Telefon im Büro klingelte. Claire nahm ab.

„Hallo Claire.“

„Hallo Mama. Wie geht es Dir?“

„Danke gut. Aber es würde mir bedeutend besser gehen, wenn ich Euch mal wieder zu Gesicht bekommen würde.“

Claire biß sich auf die Lippen und verdrehte genervt die Augen.

„Ja, Du hast ja Recht. Aber es ist einfach viel los, das weißt Du doch.“

Sie freute sich, ihre Mutter zu hören und hatte auch wirklich ein schlechtes Gewissen, weil sie sich so wenig sahen. Doch jedesmal, wenn sie sich bei ihrer Mutter meldete, bekam sie zu allererst Vorwürfe zu hören, was dem Ganzen die Freude nahm.

So mußte sie auch diesmal die gewohnte Zeremonie über sich ergehen lassen. Zuerst die Vorwürfe, dann die Einladung zu einem Abendessen.

Es ärgerte Claire, daß Sie bei ihrer Mutter nicht immer über den Dingen stehen konnte, daß sie oft so offen für die kleinen Angriffe oder Stimmungen ihrer Mutter war. Sie konnte es nicht einmal genau benennen, was diese „Angriffe“, wie sie es empfand, ausmachte. Es schwang irgendwas zwischen den Zeilen mit, das sie reizte und manchmal auch verletzte.

Innerhalb dieser paar Minuten des Telefonats hatte sie sich schon wieder ein nagendes Gefühl einpflanzen lassen, so daß sie erst einmal richtig durchatmen mußte, um wieder einigermaßen ihre Ruhe zu finden.

Wie schaffte es ihre Mutter nur, Claire immer wieder derart zu beeinflussen, ihr ihre Stimmung aufzudrücken?

Claire schüttelte sich fast, als wolle sie sich körperlich davon befreien, als Mel ins Büro kam.

„Was gibts?“ fragte er sie.

„Mama rief an und hat uns auf Freitag zum Essen eingeladen. Ist Dir das recht?“

„Ich wollte eigentlich zu Joe’s gehen...“

„Du mußt nicht immer und immer bei Joe’s sitzen,“ fuhr sie ihn unvermittelt an. Sie schaute ihn sofort entschuldigend an, als Mel verwundert fragte:

„Hey, was geht denn hier ab?“

Claire fuhr sich durch die Haare.

„Entschuldige, ich bin nur etwas gereizt. Wenn Du am Freitag nicht möchtest, dann gibt auch bitte Du Mama Bescheid, daß wir nicht kommen.“

„Du meine Güte, wann bekommst Du das endlich mal auf die Reihe? Laß sie doch. Was hat sie denn wieder gesagt, das Dich so aufgerieben hat?“

Claire schüttelte den Kopf.

„Nichts, ....ach, ich weiß nicht. Vergiß es einfach. Klappt es also mit Freitag?“

„Also gut, Dir zuliebe.“

„Nein, nicht mir zuliebe!“ brauste Claire erneut auf. „Entweder Du möchtest auch hin oder nicht.“

Mel schaute sie an und schüttelte den Kopf.

„Hey Baby, es nicht meine Mutter. Aber ok, ich gehe am Freitag ihr zuliebe hin, in Ordnung? Ich hab kein Problem mit ihr. Nimm es einfach nicht so ernst und denke daran, daß sie eine alte Frau ist, eine Witwe dazu. Sie meint es nicht böse.“

Die Ladentür klingelte und Mel lächelte Claire nochmal aufmunternd zu, bevor er sich der Kundschaft widmete.

Claire lief langsam zum Fenster.

Er hatte gut reden. Wenn es einen nicht selbst betrifft, kann man immer sehr gut über den Dingen stehen, dachte Claire.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah aus dem Fenster. Es war ein trüber Tag. Der Wind spielte mit den Blättern des Baumes, der vor dem Bürofenster stand, und ließ die Zweige wippen. Claire’s Blick verfing sich in den Zweigen, aber sie nahm sie nicht wahr.

Mel konnte sie nicht verstehen, das wußte sie. Ihre Mutter hatte ja wirklich auch nichts Böses gesagt. Sie wußte aber, daß sie dieses Problem schon lange mit ihrer Mutter hatte. Schon lange, als ihr Vater noch lebte. Seit wann genau?

Claire drehte sich abrupt um und verließ das Büro. Sie wollte nicht mehr lönger darüber nachdenken. Als sie sich dann den Kunden widmete, war sie genügend abgelenkt, um sich wieder aus dieser inneren Gereiztheit zu lösen.

 

 

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„Puh! Da war heute irgendwie ein langer Tag, was?“ Mel schloß die Ladentür ab. „Hast Du noch Lust, kurz auf einen Drink bei Joe’s vorbeizugehen?“ rief er Claire ins Büro.

Sie war gerade mit der Abrechnung fertig und schaute unentschlossen zu ihm.

„Ich weiß nicht so recht,“ meinte sie und überlegte dann aber. „Ach, warum eigentlich nicht?“

„Ok, dann mal los.“

Mel öffnete ihr die Tür des Chevy’s.  Claire drehte sich kurz um und umarmte ihn.

„Du hast recht, ein Drink tut uns vielleicht ganz gut und ein bißchen Ablenkung kann auch nicht schaden.“

„Meine Worte,“ lächelte Mel und küßte sie.

Sie fuhren los, bogen an Daniel’s Zooladen links ab und konnten zwei Häuserblocks weiter direkt vor Joe’s Bar parken. Um diese Uhrzeit war noch nicht viel los. Ein paar Männer standen an der Theke.

„Hallo zusammen,“ begrüßten beide die Runde und gesellten sich zu ihnen.

„Was gibt’s Neues?“ fragte Mel und bestellte mit einer Handbewegung bei Joe ein Bier. Claire bestellte sich einen Martini.

„Claire!“

Claire drehte sich um.

„Linda!“ rief sie freudig. „Schön daß Du hier bist.“ Sie gab Mel ein Zeichen, daß sie sich zu Linda an den Tisch setzen würde. „Wie gehts Dir? Wir haben uns schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Oder ist es noch länger her?“ scherzte sie. Beide lachten und umarmten sich herzlich.

„Stimmt. Wir müssen endlich mal wieder ein kleines Grillen veranstalten, was meinst Du?“

Claire stimmte zu. Es hatte immer Spaß gemacht mit Linda und Andy zusammen zu sein.

„Seit unserem Umbau haben wir uns irgendwie überhaupt nicht mehr die Zeit dafür genommen, nach der Arbeit noch was Größeres zu unternehmen. Es wäre wirklich schön, wnn wir mal wieder einen Abend zusammen verbringen könnten.“

Lautes Lachen drang von der Männernrunde zu den beiden Frauen herüber.

„Mel scheint sich gut zu amüsieren. Wie geht es ihm denn, jetzt, zwei Tage vor der Eröffnung der Mall?“ fragte Linda.

„Ich bin mir nicht ganz sicher. Eigentlich sprechen wir nicht mehr so intensiv darüber, wir verdrängen es wohl beide ein wenig. Was könnten wir auch tun? Nur ständig über unsere Sorgen reden, ist auch nicht das Wahre.“

„Da habt Ihr recht,“ nickte Linda, „wahrscheinlich ist es das Beste, was man in solch einer Situation mache kann. Ich bin nur froh, daß ich eigentlich nicht viel zu befürchten habe. Meine Stammkundschaft bleibt sicherlich zum Großteil bei mir, selbst wenn in der Mall ein neuer Friseur eröffnet. Und sollten einige doch abspringen, dann reißt mich das auch nicht in ein großes finanzielles Loch. Der Laden gehört ja mir.“

„Tja, das ist Dein Vorteil. Ich hoffe nur, daß wir auch irgendwie überleben können.“

Claire nahm einen großen Schluck ihres Martinis.

„Komm, es wird schon klappen,“ meinte Linda aufmunternd und hob ihr Glas. „Laß uns auf eine gute Zukunft anstoßen.“

Sie unterhielten sich angeregt und Claire bestellte eine neue Runde. Als sie anstießen, lauschte Claire dem Klang der Gläser.

„Mhm, irgendwie gefällt mir heute dieses Geräusch.“

Sie schauten sich an und mußten dabei lachen. Beide nahmen einen großen Schluck. Linda lächelte und erhob dann ihr Glas erneut.

„Wenn das so ist, Herrschaften, dann muß ich mal genauer hinhören, was Du damit meinst,“ meinte sie mit gespieltem Ernst.

Erneut ließen sie die Gläser klingen und tranken einen großen Schluck. Linda lachte Claire an.

„Mhm, nicht schlecht. Ich glaube ich weiß, was Du meinst,“ ginste Linda. „Wir müssen ab jetzt auch immer nach dem trinken anstoßen, damit wir genau die Klangänderung hören.“

Beide stießen mit grinsenden Augen an, nahmen dann einen Schluck und stießen gleich wieder an.

„Dieser Klang hört sich ein klein wenig zu tief an, was meinst Du?“ fragte Linda.

Claire tat erstaunt.

„Zu tief? Das kann geändert werden, Moment.“

Sie grinsten über beide Ohren, nahmen einen großen Schluck und wollten den Klang danach überprüfen, doch die Gläser waren leer.

Sofort wurden neue geordert, womit sie sich sofort wieder in Position gaben.

„Stop. Der Klang hat sich drastisch verändert, hast Du es bemerkt? Leider müssen wir das Ganze von vorn beginnen. Laß es uns also nochmal überprüfen,“ rief Claire mit erhobenen Zeigefinger aus.

„Sir, Aye, Sir,“ Linda winkelte den Arm zum Salutieren und stieß mit Claire an. Die Gläser klirrten.

„Der Klang wird eindeutig besser.“

Claire war sich im Klaren darüber, was dieses Spielchen für eine Auswirkung hatte, doch es war ihr vällig egal. Es war ihr sogar recht, denn sie wollte endlich wieder einmal unbeschwert sein, sich wieder einmal gehen lassen können, an nichts problematisches mehr denken.

„Also Darling“, Claire versuchte die Stimme Dean Martin’s nachzuahmen, wie er in einem Film sprach, den sie früher so gerne gemeinsam ansahen, „ich muß Dir sagen, mit Dir trinke ich am liebsten, Baby.“

Linda prustete laut los.

„Isch liebe Disch, Dean, mon petit fou, Du mein Verrückter,“ meinte sie und reichte Claire ihre Hand zum Küssen.

Claire bog sich vor Lachen und hauchte einen Kuß auf ihren Handrücken. Ihre Gläser erklangen erneut.

Musik erklang und beide schauten zur Band, die sich in der Zwischenzeit in der Bar eingefunden hatte.

„Oh, die Jungs fangen schon an zu spielen. Ist es schon so spät?“ fragte Linda erstaunt und schaute auf die Uhr.

„Das ist doch völlig egal,“lachte Claire und schob Lindas Arm mit der Uhr beiseite. „Die hohen Töne gefallen mit am besten,“ rief Claire übermütig und prostete der Band zu.

Linda prustete los über Claire und sie ließen wieder ihre Gläser klingen.

Claire kicherte und während sie die Wirung des Alkohols deutlich zu spüren begann, sah sie in ihr Glas. „Uups...,“ sie drehte das Glas nach unten, „...leer!“

Beide lachten lauthals. Claire hielt ihre Hand vor ihren Mund und drehte sich gespielt vorsichtg in Richtung Mel. Er war aber mit den Männern am diskutieren und hatte ihr lautes Gelächter gar nicht mitbekommen.

„Puh, meine Wangen sind ganz heiß, Linda,“ stellte sie belustigt fest und legte beide Hände auf ihr Gesicht.

„Das liegt an den hohen Tönen,“ kicherte Linda und in dem Moment setzte die Band mit einem Lied ein und beide quietschten lustig erschrocken auf. Großes Gelächter begleitete die ersten Takte.

Linda winkte Joe eine neue Bestellung zu. Joe nickte und ließ promt servieren. Beide bedankten sich.

„Auf die Zukunft, auf unsere Männer und auf sämtliche hohen Töne,“ prostete Linda Claire zu.

„Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.“

Sie nahmen überhaupt nur noch große Schlücke, kicherten und amüsierten sich köstlich.

Andy kam zu ihnen herüber, schaute grinsend von einer zu anderen und fragte schließlich, ob denn alles in Ordnung ginge. Claire und Linda schauten ihn wie zwei unschuldige Schulmädchen an, bedankten sich der Nachfrage und lachten einander lauthals an. Andy grinste und hielt nach Mel Ausschau, der gerade in einer Diskussion mit Daniel war, aber den Blick hob und innehielt, als sein Blick auf Andy’s traf.

Fragend hob er eine Augenbraue. Andy zuckte mit den Schultern und sah wieder zu den Damen. Mel folgte seinem Blick und kam kurz danach zu ihnen an den Tisch.

„Und?“ fragte er in die Runde.

„Und was?“ kicherte Linda.

Mel schaute zu Claire, bemerkte ihre rot glühenden Wangen, ihren Blick. Sie bemühte sich sehr, nicht laut loszuprusten. Er sah Andy fragend an und grinste.

„Hier scheint eine Party zu steigen,“ stellte Andy fest.

„Scheint mir auch so, und das ohne uns. Ob wir die beiden hübschen Damen wohl fragen dürften, ob wir uns dazugesellen können? Was meinst Du?“

Beide schauten fragend von einer zur anderen.

„Hm..., ich denke das geht in Ordnung,“ antwortete Claire und schaut gespielt fragend Linda an.

„Aber nur unter der Voraussetzung, daß sich beide auch wie Gentlemen verhalten,“ forderte Linda mit erhobenem Zeigefinger.

„Aber wer will das denn?“ prustete Claire.

Alle lachten.

„Hast recht,“ lachte Linda. „Setzen.“

Unter lautem Gelächter setzten sich die beiden. Sie bestellten noch zwei Biere und zwei weitere Martinis, und der Abend war entspannt und lustig. Claire genoß es in vollen Zügen, seit langem mal wieder so gelöst zu sein und nicht an das Morgen zu denken. Auch Mel wirkte nach einer Weile entspannter und sie alberten und lachten miteinander wie schon lange nicht mehr.

Die Band begann einen aktuellen, romantischen Hit zu spielen.

„Oh, hörst Du, Mel?...Komm, laß uns tanzen....“ kicherte Claire und sprang auf, Mel hinter sich herziehend.

Als sie auf der Tanzfläche zwischen den anderen Paaren standen, schmiegte sie sich eng an Mel und beide weigten sich zum Rhytmus. Mel legte sanft seinen Zeigefinger unter Claires Kinn und hob ihr Gesicht zu seinem. Er lächelte sie zärtlich an.

„Remember the place and time tonight,“ sang er leise mit, bevor sich ihre Lippen zu einem zärtlichen, langen Kuß fanden.

Mit geschlossenen Augen und einem glücklichen Lächeln legte Claire ihren Kopf an seine Schulter, sog seinen vertrauten Duft ein und war einfach nur glücklich.

Als sie sich später von Linda und Andy fröhlich verabschiedeten, fühlte sich Claire rundum glücklich und ließ sich kichernd von Mel zum Auto führen. Was konnte schon passieren? Sie sah überhaupt keine Probleme mehr. Das Leben war doch einfach herrlich und leicht.

Ihren Kopf an Mel’s Schulter gelegt, ließ sie sich nach Hause chauffieren und summte müde, aber glücklich in sein Ohr.

KAPITEL 4

Als Claire’s Mutter die Türe öffnete, kam ihnen schon ein herrlicher Duft entgegen.

„Hallo Mama.“

Claire umarmte ihre Mutter, hob die Nase in die Höhe und atmete tief ein.

„Mhm, das duftet ja köstlich. Was gibt es denn?“

„Laßt Euch überraschen. Wie geht es Euch?“ erkundigte sie sich.

„Danke, eigentlich ganz gut.“ Mel begrüßte sie mit einem Kuß auf beide Wangen und zog eine Flasche Wein aus seinem Jacket.

„Ich habe eine Flasche Rotwein mitgebracht. Ich hoffe, er paßt zu Deinem gut duftenden Essen.“

Lächelnd nahm sie die Flasche entgegen.

„Genau passend,“ freute sie sich, „Du hast wohl heimlich in meine Töpfe geschaut?“

Mel lächelte sie an und zog seine Jacke aus.

Claire beobachtete die beiden. Wie ungezwungen Mel mit ihr umging. Dafür beneidete sie ihn. Sie selbst brachte es immer nur zeitweise zustande, daß sie sich nicht von ihrer Mutter aus der Ruhe bringen ließ. Aber heute Abend wollte sie entspannt sein und einen gemütlichen Abend gemeinsam verbrigen.

„Kann ich Dir bei irgendetwas helfen, Mama?“ fragte Claire.

„Im Moment noch nicht, Liebes, es dauert noch ein paar Minuten. Bitte nehmt Ihr schon Platz. Wollt Ihr zuvor einen Aperitiv? Bedient Euch bitte, Ihr wißt ja, wo alles steht,“ rief sie zu während sie in Richtung Küche verschwand.

„Claire, im Kühlschrank habe ich Martini bereitgestellt, hol ihn doch für Euch,“ rief sie aus der Küche zu.

Claire schaute Mel an und beide grinsten sich an.

„Möchtest Du einen?“ fragte sie Mel.

„Hm, wenn Du mir einen übrig läßt...“, antwortete er augenzwinkernd und zog sie an sich, um sie zu küssen.

Claire holte zwei Martinis aus der Küche.

Das Essen verließ so harmonisch. Mel war begeistert von der Zubereitung des Essens und erkundigte sich interessiert nach Einzelheiten. Ihre Mutter war geschmeichelt und er erfuhr ihre ganzen Tricks, die man wissen mußte, um eine solch gelungene Mahlzeit auf den Tisch zu bekommen. Da Mel eh der Koch zuhause war, war er wirklich ins Gespräch vertieft.

Claire hörte nur mit halbem Ohr zu, lächelte das eine oder andere mal und lauschte der Musik, die leise im Hintergrund von einer Schallplatte spielte.

Wahrscheinlich war ihre Mutter eine der letzten, die noch keine CD’s hatten,

dachte Claire lächelnd, während sie die beiden beobachtete. Mit leicht geröteten Wangen unterhielt sich ihre Mutter mit Mel und gab einige ihrer besten Rezepte preis.

Wie sehr sie doch früher an ihrer Mutter hing, kam es Claire in den Sinn. Es war eine sehr starke Bindung, sie war für ihre Mutter die kleine Prinzessin, die sie umsorgen konnte. Und wenn Claire das Püppchen war, war die Welt wunderbar. Wehe aber, wenn sie einen anderen Willen hatte, dann wurde sie mit Ignoranz und Schweigen bestraft. Die heile Welt wich einer kalten. Erst wenn Claire einlenkte und wieder tat, was sie sollte, war die Welt wieder in Ordnung.

Wie sehr sie lange Zeit dachte, sie könne ohne die Mutter nicht überleben. Und dafür haßte sie fast ihre Mutter. Meine Güte, schüttelte Claire fast unmerklich den Kopf und setzte sich aufrechter auf ihren Stuhl, Zum Glück waren diese Zeiten vorbei.

Mit Mel löste sich damals alles wie von alleine. Sie konnte tatsächlich atmen ohne ohre Mutter. Das Leben ging weiter, sie konnte lachen und lieben.

„Claire! Du hörst ja gar nicht zu.“

Ihre Mutter strich über ihre Hand.

„Oh, entschuldigt bitte. Ich habe mich wohl von Deiner schönen Musik forttragen lassen“, sie räusperte sich. „Also Mama, Dein Essen war wirklich ein Gedicht.“

„Möchtest Du noch ein bißchen? Du hast gar nicht viel gegessen.“

„Nein, nein, danke Mama. Ich habe wirklich genug.“

Ihre Mutter lächelte sie liebevoll an. Dann erhob sie sich und begann abzuräumen. Claire erhob isch ebenfalls und half ihr dabei.

„Weißt Du, ich hätte Dir wirklich mehr beim Kochen zuschauen sollen, dann würde es bei mir nicht immer nur Spiegeleier geben,“ lachte Claire.

„Du wolltest ja nie freiwillig. Ich weiß auch nicht warum. Eine Frau sollte kochen können, allein um ihren Mann damit ein wenig zu verwöhnen,“ gab ihre Mutter zurück.

Claire lächelte leicht. Tja, die alten Ideale. Irgendwie war sie stolz auf sich, daß es anscheinend doch Bereiche gab, gegen die sich doch gewehrt hatte. Na ja, leider war das Kochen mit dabei, dachte sie nun. Aber letztendlich war sie stolz auf sich, daß sie es doch geschafft hatte, sich von ihrer Mutter zu lösen und ein eigenes Leben zu führen.

Als sie das letzte Geschirr in die Küche trug und ihre Mutter da stehen sah, mußte sie einfach zu ihr gehen und sie in die Arme nehmen.

„Ich hab Dich lieb, Mama. Danke für die liebe Einladung.“

„Ja Kind!“ erwiderte Ihre Mutter erstaunt und legte das Küchentuch beiseite. „Ja ich liebe Dich auch, das weißt Du doch.“

Sie standen einfach so da, umarmten sich und sprachen kein Wort. Claire war glücklich und fand in diesem Moment, daß sie sich eigentlich über nichts beklagen konnte. Warum nur ist es manchmal so einfach und weshalb manchmal so schwer?

„Wo seid Ihr denn?“ meldete sich Mel aus dem Wohnzimmer.

„Wir kommen.“ Claire sah ihre Mutter an und drückte ihr einen liebevollen Kuß auf die Wange. Sie lächelten.

Mel saß im Wohnzimmer und reichte den Damen die Weingläser.

„Laß uns noch einmal auf Dein wundervolles essen anstoßen, Mama,“ schlug er vor und sie bedankte sich geschmeichelt.

Als sie sich eine Weile unterhielten, kam das Gespräch natürlich auf die Mall.

„Morgen eröffnet also das Einkaufszentrum. Werdet Ihr hingehen?“

„Klar werden wir vorbeischauen. Wir sind natürlich in erster Linie daran interessiert,was es für Bekleidungsläden geben wird,“ erwiderte Mel.

„Also für mich ist das Einkaufszentrum ja nicht so schlecht, wißt Ihr. Da habe ich alles unter einem Dach was ich brauche. Außerdem soll die Buslinie angeblich auch direkt davor halten. Na ja, und Wind und Wetter ist man auch nicht mehr ausgesetzt.“

„Das ist schon richtig, Mama. Unsere besorgnis gilt nur einem möglichen großen Jeansladen, sonst nichts.“ Claire stellte ihr Weinglas neben sich auf das Beistelltischchen.

„Und wenn schon. Wir sind so gut, Claire, und bieten solch eine Auswahl, daß sich jeder Neueröffner damit auseinandersetzen und überlegen muß, in welcher Größe und mit welchem Umfang er sein Konkurrenzgeschäft errichtet.“

Seit langem sprachen sie mal wieder direkt dieses Thema an.

„Wir haben unsere Kundschaft, er noch nicht,“ fuhr Mel fort. „Und mal ehrlich: die Pachthöhe in der Mall ist ja auch nicht zu unterschätzen, das kommt noch hinzu,“ meinte Mel selbstbewußt und sah Claire an.

Claire wunderte sich ein wenig über seine plötzliche Sicherheit, hoffte aber, daß er Recht behielt.

„Na ja, wir werden es ja morgen sehen, dann wissen wir mehr.“

Claire wollte sich nicht länger über dieses Thema unterhalten und lenkte das Gespräch auf andere Themen.

Als sie sich schließlich verabschiedeten, war Claire ziemlich müde, aber zufrieden. Lächelnd umarmte sie ihre Mutter, drückte sie fest an sich, denn in diesem Augenblick fühlte sie fast körperlich die Dankbarkeit für ihre innere Freiheit, und wollte ihr auch einfach für diesen harmonischen Abend danken.

Dann nahm sie Mel in den Arm und kuschelte sich an ihn. Er legte seinen Arm um sie und Claire’s Mutter winkte ihnen gerührt hinterher.

„Fahren sie mich bitte nach hause, junger Mann.“ Claire stieg müde lächend in den Pcik-up. Mel fuhr den Wagen rückwärts aus der Einfahrt und beide winkten nochmal, bevor sie davonfuhren.

„Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich meinen Kopf an Ihre Schulter lege, James?“ fragte Claire leise mit anzüglicher Stimme und legte ihren Kopf an seine Schulter.

Mel grinste. „Wenn du mich nicht anmachst, Du Luder...“ raunte er.

„Waas?“ entfuhr es Claire und sie setzte sich ruckartig auf. Sie war für eine Sekunde verdutzt und prustete dann los vor Lachen.

„Was hast Du gesagt?“ fragte sie ungläubig.

Mel sah sie an und mußte über ihr verdutztes Gesicht lachen.

Sie legte ihren Kopf wieder an sein Schulter, und beobachtete Mel’s Hände am Steuer, dreht e ihren Kopf leicht und hatte seine rechte Wange direkt vor Augen. Seine Haare verdeckten halb sein Ohr, das sie leicht mit der Nase liebkoste.

„Also doch“! flüsterte Mel und schaute sie kurz mit gespielte wissender Miene an. Claire lächelte ihn an.

„Chauffeure haben eben ihren eigenen Reiz auf mich.“

Mel legte seinen Arm um sie und claire kuschelte sich an ihn und genoß den Moment.

„Ich liebe Autos mit Automatik,“ schnurrte sie fast.

Die Scheinwerfer schnitten weiße Kegel in die Nacht und gaben graue Straßenstreifen frei. Die Umgebung war nur als dunkle Umrisse zu erkennen und die Dunkelheit umgab beide wie eine sichere Hülle, in der es nur sie beide gab. Kein Draußen, Keine Probleme. Kein Morgen. Nur das satte, dumpfe Brummen des Achtzylinders war zu hören.

Sie wäre am liebsten in Mel’s schützendem Arm ewig so weitgefahren...

 

 

"" 

 

 

Für den Tag der Malleröffnung hatten Mel und Claire eine ihrer Aushilfsverkäuferinnen im Laden, so daß sie selbst die Mall besichtigen konnten. Beide waren aufgeregt, sprachen kein Wort, als sie auf dem überfüllten Parkplatz endlich einen Stellplatz ergatterten.

Zuerst mußten sie sich an der Musikkapelle, die bereits fröhliche Stimmung vor der Mall verbreitete, dann durch Luftballons und Menschengewühl drängen, bis sie die Mall betreten konnten.

Eine große Halle empfing sie, alles glänzte und blitzte neu, überall standen und gingen interessierte Menschen. Sanfte Musik untermalte das Bild, das sich ihnen bot. Zwei gläserne Fahrstühle hieften Menschenmassen von einem Stockwerk ins nächste. Ein künstlich, wunderschön bepflanzter See befand sich an der Rückseite der Fahrstühle, in den über große, übereinander gestapelten Steine ein kleines Rinnsal in den See plätscherte. Sitzbuchten in Teakholz, eingerahmt mit saftig grünen Pflanzen, luden zur Verschnaufpause ein.

 

Geschirrgeklapper schallte ihnen von der vollbesetzten Caféterrasse,  entgegen, die hübsch mit einem weißen Zaun eingerahmt war. Leute nahmen unter rot weißen Sonnenschirmen ihren ersten Kaffee in der neuen Mall ein.

 

Alles war harmonisch geplant und sehr hübsch gestaltet. Einen kurzen Augenblick blieben sie stehen und schauten sich um. Ihre Blicke trafen sich. Laut atmete Mel aus. Dann gingen sie langsam weiter.

 

An den für sie uninteressanten Läden gingen sie vorbei und blieben schließlich vor dem ersten Bekleidungsgeschäft stehen.

 

„Kein Thema,“ meinte Mel, als sie sahen, daß es sich hier um Kleidung für die Frau ab Vierzig handelte.

Claire nickte wortlos und sie gingen weiter. Ihr Herz klopfte.

Danach entdeckten sie den großen Laden einer bekannten Kaufhauskette. Sie gingen hinein, um die Jeansabteilung zu betrachten, die sie im zweiten Stock fanden. Mel stellte sofort Preisvergleiche an und kniff die Lippen zusammen. Claire folgte seinem Blick und schaute auf das Preisschild der Jeans in seiner Hand. Sie verkauften dieselbe Jeans 8 Euro teurer. Die anderen Preise waren in etwa mit ihren eigenen Preisen identisch. Wortlos schauten die sich an und gingen weiter, wieder hinab in die erste Etage. Sie verließen das Kaufhaus und drängten sich durch die Menschenmenge in Richtung eines Wegweiserschildes, auf dem sie die vorhandenen Läden der Etage ablesen konnten. Claire wollte bei „Cathy’s Boutique“ nachsehen. Doch dort wurde vorwiegend teure, schicke Kleidung angeboten, und beide atmeten heimlich auf.

Die Rolltreppe brachte sie hinauf in die zweite Etage.

Es traf beide wie ein Blitz, noch bevor sie oben angekommen waren. Große Leuchttafeln waren zu sehen und kündigten ihn an: den Jeansladen, den sie so sehr gefürchtet hatten!

Wie erstarrt standen beide regungslos auf der Rolltreppenstufe, die sie erbarmungslos immer näher brachte. Claire griff nach Mels Arm.

Der Laden hatte in etwa die Größe ihres eigenen Ladens und war von einer großen Jeansladenkette. Beide blieben einen Augenblick stehen und wurde von den vielen Leuten angerempelt.

Claire sah zu Mel und bemerkte seinen Pulsschlag am Hals. Sie wußte nicht, was sie ihm Beruhigendes hätte sagen können, sie selbst war völlig sprachlos.

Es war also geschehen. Sie standen nun tatsächlich vor ihrer neuen Konkurrenz, die ihren Ruin bedeuten konnte.

Claire und Mel schauten sich wortlos an. Langsam gingen sie in Richtung des Ladens. Durch ihre Angespanntheit hatten sie die ganze Zeit über nicht einmal die Musik wahrgenommen, die nun plötzlich hallig aus den Lautsprechern in ihren Ohren tönte. Gesprächsfetzen drangen von der vorbeischiebenden Menschenmenge zu ihnen, durch die sie sich einen Weg bahnten.

„Herzlich Willkommen. Darf ich Ihnen zwei Rubbellose schenken? Sie haben damit die Möglichkeit, eine komplette Jeanseinkleidung zu gewinnen.“

Eine junge Verkäuferin in kappen Jeans-Hotpans stand vor ihnen und überrreichte jedem ein Los. Ihre blau-weiß karierte, bauchfreie Bluse gab fast mehr von ihrer Oberweite preis als sie verbarg und ihr rotes, kleines Halstuch passte ausgesprochen gut zu ihren roten Cowboystiefeln. Mit starhlendem Lächeln drehte sie sich um und begrüßte neue Kunden, die sich in den Laden drängten.

Claire brachte keinen Ton heraus.

Sie schaute Mel an, der ihr wortlos sein Los in die Hand drückte und weiterging. Es war unglaublich. Der gesamte Laden war wie das Innere einer Ranch aufgebaut.

Wangenräder hingen mit künstlichen Fackeln bestückt von der Decke. Die Kasse war hinter einem Gitterverschlag, wie man es von Bankschaltern aus alten Westernfilmen kannte. Zwei in altem Stil gehaltene Ledersessel standen vor einem großen Kamin. Zwei mit Tüten vollbepackte Mütter saßen bereits müde in den Sesseln, während sie auf ihre Kinder in den Umkleidekabinen warteten.

Die gesamte Dekoration allein mußte ein Vermögen gekostet haben. Und das Warenangebot war absolut nicht kleiner als das von Mel und Claire.

Drei sexy Cowboy-Verkäuferinnen hatten jede Menge zu tun, durcheinander hingeschmissene Jeans wieder zu ordnen und an ihren Platz zurückzubringen. An der Kasse warteten die Leute, daß sie ihre ausgesuchten Teile bezahlen konnten.

Claire wurde fast übel. Mel verglich die Preise, aber Claire brauchte nichts weiter wissen.

„Laß uns rausgehen, bitte,“ bat sie Mel.

Mel preßte die Lippen zusammen und nickte. Die Jeans, die er in den Händen hielt, warf er auf den alten Holztisch, der in der Mitte des Ladens stand und auf dem T-shirts, Blusen, Hosen und Jacken durcheinander lagen. Gemeinsam verließen sie den überfüllten Laden.

„Gehen wir was trinken,“ schlug Claire vor.

Mel nickte nur und sie suchten eine kleine Bar oder Ecke, wo sie etwas abseits sitzen konnten.

Als sie endlich eine entdeckt hatten, bestellte Mel sich ein Bier und Claire einen Kaffee.

„Ich wußte es,“ zischte Mel, nahm einen großen Schluck und stellte das Glas mit etwa zuviel Schwung auf den tisch, so daß Bier über seine Hand auf den Tisch schwappte. „Verdammt noch mal,“ rief er laut und wütend und rieb seine Hand an seiner Jeans trocken. „Wir können einpacken! Wir sind fertig.“

Claire rührte in ihrem Kaffee und beobachtete, wie sich die Milch langsam mit der schwarzen Farbe des Kaffees vermischte.

„Sie haben keine Westernboots. Hast Du das auch bemerkt?“ fragte sie Mel.

„Na und? Dafür gibt es sicher einen extra Riesen-Super-Laden nur mit Boots aller Art. Was soll es also? Das rettet uns auch nicht.“

Mit einem Zug trank er sein Glas leer. Er sah ihr kurz in die Augen, schüttelte langsam den Kopf und stieß die Luft durch die Nase aus.

„Warum haben wir nicht solche Nutten als Verkäuferinnen? Damit zieht man die Kundschaft an.“

„Mel! Um Gottes Willen, spinnst Du?“ Claire war entsetzt über seine aufflammende Aggression.

Er stand auf, holte sich ein weiteres Bier und setzte sich wieder.

„Mel, wir hatten bis jetzt gute Umsätze, wir konnten uns nicht beklagen.“

Claire nahm seine Hand.

Er zog sie weg.

„Ach laß mich in Ruhe. Es kotzt mich an!“

Er starrte in sein Bier. „Warum, frage ich Dich, warum wir? Ich habe meine ganze Arbeit, meine ganze Zeit und energie in unseren Laden gesteckt, und für was? Daß uns so eine Scheiß Mall so einfach platt walzt.“

Claire sah ihn kopfschüttelnd an.

„Mel, bitte reiß Dich doch zusammen, ich bitte Dich. Ich glaube, es ist besser, wir gehen jetzt.“

Sie nahm ihre Tasche und stand auf.

„Ich habe noch nicht ausgetrunken,“ fuhr er sie eine Spur zu laut an.

Einige Leute schauten zu ihnen herüber. Claire setzte sich wieder.

„Vielleicht möchte ich noch eins trinken.“

Er schaute Claire gereizt an. Claire war etwas hin- und hergerissen zwischen sich gegen seinen aggressiven Ton ihr gegenüber zu wehren, und ihn zu beruhigen, weil sie nicht die Hauptdarsteller einer peinlichen Szene sein wollte. Einige Leute waren noch immer auf sie beide konzentriert. Daher dämpfte sie angestrengt ihre Stimme.

„Ich weiß jetzt nicht, warum Du mich so anfährst. Ich kann ja wirklich nichts dafür. Also, laß uns bitte gehen.... Oder laß uns sehen was es sonst noch gibt, laß uns ein bißchen bummeln...“

Sofort biß sie sich auf die Lippen, weil sie im selben Moment wußte, daß das der falsche Satz war.

„Ha bummeln! Ich brauche nicht mehr bummel. Ich habe genug gesehen. Es ist mir völlig egal, was es hier sonst noch gibt. Nein, danke. Ich habe alles gesehen, was ich sehen muß.“

Er trank von seinem Bier. Claire saß schweigend am Tisch. Sie wußte, egal was sie jetzt sagen würde, er würde sich darüber aufregen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis er fertig war.

Als sie endlich aufbrachen, entdeckte Claire am Ende der Etage Daniel’s neuen Zooladen.

„Schau mal Mel, da ist Daniel’s Laden,“ meinte sie in betont normalen Ton.

Sie zeigte in die richtung des Ladens. In diesem Moment trat daniel vor sein Zoogeschäft und sah in ihre Richtung. Unglücklicherweise entdeckte er die beiden trotz des ganzen Menschengewühls und winkte sie zu sich.

„Oh Gott,“ zischte Mel aggressiv, „mir bleibt heute auch nichts erspart.“

Claire bahnte sich den Weg zu Daniel.

„Hallo Daniel, hier steckt Du also.“

Claire reichte ihm die Hand und wünschte ihm viel Erfolg zur eröffnung. Mel zwang sich ein Lächeln ab und gratulierte ihm ebenfalls mit einem freundschaftlichen Schulterklopfen. Der Laden war grßer als sein früheres Geschäft und sah mit den hellen, frischen Farben richtig hübsch aus.

„Tja, da habt Ihr ‚ne ganz schöne Konkurrenz bekommen, was?“ meinte Daniel mit Blick auf den großen Jeansladen.

„Aber meine Jeans kaufe ich nach wie vor bei Euch, das ist ja wohl Ehrensache,“ er lachte und stieß Mel spaßeshalber sein Ellbogen in die Rippen.

Mel blickte Claire genervt an.

„Na, da hab ich viel davon,“ brummte er und meinte zu Claire, daß sie jetzt gehen müßten. Daniel schaute verdutzt zu Claire. Sie lächelte ihn charmant an.

„Du bist uns jederzeit willkommen, Daniel. Und nochmals viel, viel Erfolg mit Deinem hübschen Laden. Es ist ja kein Vergleich zu Deinem vorigen Geschäft. Er gefällt mir wirklich gut. Also bis dann.“

Sie reichte ihm die Hand und lächelte ihn freundlich an.

„Danke Claire, schän daß wir uns gesehen haben. Ciao dann.“

Claire drehte sich um und folgte Mel, der schon fast an der Rolltreppe war.

„Kannst du Dich denn nicht zusammenreißen, sag mal? Mit solch einem Verhalten vergraulst Du ruck zuck alle unsere Stammkunden, das muß Dir doch klar sein. Wir brauchen jetzt jeden einzelnen Kunden mehr denn je, verdammt noch mal.“

Ja, ja, ich werde das Kriechen schon noch lernen,“ maulte er.

„Das hat mit kriechen nichts zu tun. Ich möchte unseren Stil beibehalten, mit dem wir Erfolg hatten.“

„Ja, ja,....ich möchte auch viel,“ meinte er über die Schulter hinweg und drängelte sich alleine durch die Menge in Richtung Parplatz.

Claire schüttelte den opf und folgte ihm.

„Ich finde es äußerst unfair, daß Du Deine Angst...Deine ganz Wut an mir ausläßt. Ich kann nichts dafür,“ rief sie ihm zu, als sie ihn fast eingeholt hatte.

Er schloß die Fahrertüre aus und als sie im Wagen saßen, schaute er mit leerem Blick geradeaus. Dann senkte er seinen Kopf.

„...tut mir leid.“

Claire legte ihre Hand auf seine.

„Wir schaffen es schon. Gib nicht auf.“

Er nickte und startete den Wagen.

 

 

"" 

 

 

Im folgenden Monat zeichnete sich ein leichter Umsatzrückgang ab, der sich dann im zweiten Monat deutlich bestätigte. Mel und Claire machten sich Sorgen, sie mußten das erste mal die Lieferung mit dem Ersparten bezahlen, da der laufende Umsatz dazu nicht ausreichte. Claire hoffte auf eine Besserung und rechnete damit, daß sich die erste Euphorie bezüglich der Mall bald legen würde, fühlte aber, daß das wohl nicht eintreten würde.

Sie schaute auf die Uhr.

Mel müßte schon löngst zurück sein. Er wollte ein paar Besorgungen macen und war nun schon seit Stunden weg.

Zwei Kundinnen betraten den Laden. Claire begrüßte sie freundlich und ließ sie durch den Laden schlendern. Sie schauten sich einige Hemden und Blusen an und Claire konnte hären, wie sie sich darüber unterhielten, daß sie die eine Bluse in der Mall preisgünstiger gesehen hatten. Daraufhin verließen sie den Laden und Claire war wieder alleine.

Sie schloß die Augen.

Es mußte doch etwas zu machen sein. Wenn kein Umsatz hereinkam,damm mußten sie die Kosten senken. Sie würde zu allererst einmal auf die Aushilfskräfte verzichten. Dann würde es eben keinen freien Nachmittag mehr geben, in der eine Aushilfskraft den Laden übernahm. Und die bisschen Kundschaft am „verkaufsstarken“ Donnerstag konnte zwischenzeitlich einer von ihnen alleine bewältigen.

Und Katja? Wahrscheinlich mußten sie auch auf die Dekorateurin verzichten. Das wäre zwar schade, denn die Deko war wirklich anziehend.

Mel fuhr vor.

Er kam langsam herein und schaute sich um.

„Oh, volles Haus!“

Sein Lachen klang gepresst.

Claire bemerkt sofort, daß er etwas getrunken hatte.

„Du warst aber lange unterwegs. Hast Du alles bekommen?“ fragte sie ihn, während sie einige T-Shirts zusammenlegte und auf dem Tisch neu anordnete.

Er kam grinsend näher und stützte sich mit seinem linken Arm an dem Tisch ab, während er den rechten um ihre Schultern legte. Ihr schlug sein Alkoholhauch ins Gesicht.

„Nein. Ich habe nichts besorgt. Nichts!“

Zur Untermalung seiner Worte zog er mit seinem Arm einen großen Holbkreis.

„Ah. Du warst also bei Joe.“

Sie sah ihn ins Gesicht. Er schaute sie mit kleinen, starren Pupillen an.

„Mel! Mel!“ ahmte er sie nach. „Was ist denn, Mel! Sei lustig, Mel! Tu so, als sei überhaupt nichts, Mel. Es ist alles in bester Ordnung, Mel!“

Mit jedem wort wurde er lauter.

Claire schaute ihn stumm an.

„Ja, schau mich nur so vorwurfsvoll an. Nichts ist in Ordnung, wenn ich Dich mal aufwekcken darf.“ Er machte ein kurze Pause. „Schau Dich doch um,“ schrie er und drehte sich mit weit aufgebreiteten Armen im Kreis. „Oh, wieviele Leute sind hier. Siehst Du sie?“

Mel ging zu ihr und umarmte sie ein wenig zu stark, nahm dann ihren Kopf in seine Hände, während er rief:“ Kannst Du sehen, wieviele Leute hier sind? Kannst Du sie zählen?“

Claire riß seine Hände vom Kopf und befreite sich.

„Mel!“ schrie sie ihn an. „Hör sofort auf damit. Wenn jetzt Kundschaft kommt. Du bist total betrunken, geb bitte ins Büro.“

Er lachte laut und zog eine Dose Bier aus seiner Jacke.

„Hör auf damit,“ Claire wollte ihm die Dose entreißen.

„Nimm die Finger weg!“ zischte er leise.

Dann schrie er ihr ins Gesicht. „Ich trinke, wenn ich trinken will, und ich will jetzt trinken. Verstanden?“

Claire schlug die Hände vors Gesicht. Mein Gott. Sie erkannte ihn nicht wieder. Was sollte sie nur machen. Sie schaute auf die Uhr. Es war erst fünf Uhr. Noch zweieinhalb Stunden bis sie schließen würden. Sie entschied sich aber dafür, lieber sofort den Laden abzuschließen, bevor irgendjemand diesen Vorfall mitbekam. Sie ging an ihm vorbei ins Büro, um die Schlüssel zu holen.

Mel kam an die Tür.

„Was suchst Du?“ fragte er sie.

Claire hielt inne, atmete zur Beruhigung ein paarmal tief durch, um ihre Aggression besser unterdrücken zu können.

„Komm, ruhe Dich doch hier ein bißchen aus,“ schlug sie in ruhigem Ton vor, ohne seine Frage zu beantworten. Wenn er sich hier im Büro hinlegen würde, könnte sie den Laden doch noch geöffnet halten.

In diesem Moment betraten allerdings drei junge Mädchen den Laden.

Das war ja wieder typisch, dachte Claire und eilte an Mel vorbei. Freundlich begrüßte sie die drei, bevor Mel auf die Idee kam.

Die Mädchen sahen sich um und bemerkten Mel, wie er mit der Dose Bier am Türrahmen gelehnt da stand, und kicherten. Mel schaute sie nur an und lächelte, sagte kein Wort.

Claire schickte Stoßgebete in den Himmel und hoffte, er würde ins Büro gehen. Um die Mädchen abzulenken, fragte sie überschwenglich, ob sie ihnen behilflich sein könnte.

„Danke, wir wollen uns nur umsehen,“ antworteten sie nur und schielten wieder zu Mel. Claire lächelte und ging langsam in Mels Richtung.

„Möchtest Du nicht ins Büro gehen? Ich mach das hier schon,“ flüsterte sie.

„Nein,“ antwortete er so laut, daß die Mädchen zu ihnen herüberschielten. „Nein, ich möchte doch unsere Kundschaft nicht verpassen.“

Die drei kicherten wieder und er prostete ihnen zu.

„Ja, lacht nur. Das ist gesund,“ rief er.

Claire schämt sich fürchterlich und wünschte, die Mädchen wirden sofort den Laden verlassen. Als würde ihr Gebet erhört, begaben sie sich Richtung Ausgang und verabschiedeten sich kichernd. Mel lief zum Ausgang hinterher und rief ihnen nach, sie sollten doch in der Mall schauen, ob die etwas finden würden.

Claire war völlig verwirrt und verzweifelt. Als die anspannung verschwand, liefen ihr Tränen über die Wangen. Wenn sich dieser Vorfall herumsprechen sollte, daß die Kundschaft in ihrem Laden von betrunkenen angepöbelt würde, dann könnten sie ihren Laden sofort schließen.

Mel kam zurück und sah ihre Tränen.

„Ja, ja. Ich finde das Ganze auch zum Weinen, Prinzessin,“ meinte er und ging an ihr vorbei ins Büro. Dort setzt er sich, legte die Beine auf den Schreibtisch und trank seine Dose leer.

Claire lehnte sich an die Wand und wischte ihre Tränen aus dem Gesicht. Sie beobachtete ihn, wie er nach hintengelehnt die Augen geschlossen hatte und ein Lied vor sich hinsummte.

Es war ihr bewußt, daß sie in dieser Verfassung nicht mit ihm reden, ihm klar machen konnte, daß er so nur alles noch schlimmer machte.

Dies war für sie eine ganz neue Seite an Mel, er war ihr in diesem Moment total fremd. Mit derartigen Situationen hatte sie keinerlei Erfahrung und fühlte sich völlig hilflos. Auf keinen Fall durfte sie sich jetzt ebenfalls gehen lassen, beschloß sie. Sie durfte nicht auf diese Art Provokation oder was das auch sein sollte, großartig reagieren.

Sie durchquerte das Büro und überprüfte im Wandspiegel ihr Make-up und puderte ihre rote Nase. Niemand sollte etwas von diesem Vorfall oder der derzeitigen Situation erfahren, das war ihr sehr wichtig.

Dann ging sie zurück in den Laden und räumte Regale aus und ein, nur damit sie beschäftigt war.

Morgen mußte sie unbedingt mit Mel darüber reden. So etwas durfte nicht noch einmal geschehen. Sie konnte seine Verzweiflung ja verstehen. Sie selbst war ebenso verzweifelt. Aber sein Weg machte es nur noch schwerer, alles durchzustehen, das mußte er einfach verstehen. Morgen, wenn er wieder nüchtern war.

Es kamen keine Kunden mehr und so schloß Claire den Laden ab. Als sie ins Büro zurückkam, lag Mel inmitten aller Kissen auf der Couch, die sie in der Ecke stand und schlief.

Claire setzte sich auf die Couchlehne und betrachtete ihn.

Er schnarchte leise, schien tief zu schlafen.

Zärtlich strich sie ihm die Haare aus der Stirn. Er tat ihr so leid, wie er litt und wie er jetzt so vor ihr lag. Sein ganzes Aufbäumen hatte nichts genützt und nichts verhindert. Claire beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuß auf seine Wange.

Schließlich stand sie auf und suchte ihre Sachen zusammen. Dann weckte sie ihn vorsichtig.

„Komm Mel, wir gehen nach hause.“

Er öffnete nach ein paar mal zartem Rütteln die Augen und sah sie verklärt an.

„Komm, wir gehen,“ wiederholte sie.

Er gab einen unkenntlichen Laut von sich, setzte sich aber langsam auf, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und stöhnte leise.


.....

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Luzifer *phuuu* - Den Rat von PhanThomas würde ich befolgen und den Text Kapitelweise reinstellen. Ich habe zwar alles in einem Zug gelesen, aber dadurch hat es mich auch aus der Seite gehauen und ein Relog war nötig.
Achja. Es sind an manchen Stellen noch Fehler (Wort fehlt, Buchstabe anderer als nötig; halt die kleinen Krankheiten), die man schnell sieht. Wenn die noch weg wären, wäre der Lesefluss viel besser.

Zur Geschichte selbst:
Nicht meine Welt. Es liest sich alles wirklich gut. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet. Die Umgebung wird zur Genüge beschrieben und auch die Emotionen kommen sehr gut rüber. Schön fand ich diesen menschlichen Umschwung vom liebenden langjährigen Mann zum totallen Affen. Es ist so typisch menschlich.
Naja. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass jemand mit einer Vorliebe für solche Geschichten, diese verschlingen wird. =) LG
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Huh, ich würd jetzt gern reinlesen... - ... allerdings ist der Text ja recht lang. Damit stößt du hier selten auf Gegenliebe. Leider. :-( Ich mag ja ausgefeilte Geschichten. Ich geb dir einfach mal 'nen Tipp: Veröffentliche deine Geschichten doch kapitelweise als einfache Texte. Beispiele gibt's zu genüge. Beispielsweise findest du bei mir auf dem Profil 13 Episoden einer Fortsetzungsgeschichte mit Namen "Das Tagebuch des Herrn Zuversicht". Ist keine Werbung, nur ein Rat. So kommen dann auch die Leser. :-) Alles Psychologie, yeah!

Aber zum Text an sich: Ich habe das erste Kapitel schon mal gelesen und bin sehr positiv überrascht und, ja, doch auch recht beeindruckt. Schön ausgearbeitet, angenehme Sprache und, tja, alles, was das Leserherz sich wünscht. Vor allem ist die Storyidee an sich mal eine andere als das, was man sonst hier so liest. Ich mach mal im Forum ein bissl Werbung für dich. Und lese dann morgen weiter. :-)

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
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