Kurzgeschichte
Mondlicht

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"Mondlicht"
Veröffentlicht am 16. Februar 2010, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Mondlicht

Mondlicht

Beschreibung

Fortsetzung von "Sonnenuntergang" und doch eigenständig. Ein bisschen inspiriert von PhanThomas und Schlauchen und vor allem von Die Toten Hosen - Angst. Deswegen auch ihnen gewidmet :-) (und ich will nicht schleimen ^^)

Mondlicht

Dunkelheit. Vollkommene Finsternis. Es ist die Art von Finsternis, die keinen Lichtstrahl durch die düstere Nacht brechen lässt. Es ist die Art, die jedes Licht, jedes Gefühl, jedes Geräusch verschluckt. Es ist ein schwarzes Loch, das alles absorbiert. Es ist die Art von Dunkelheit, die nicht zulässt, dass man die Hand vor Augen erkennen kann. Es ist die Art, vor der sich Kinder fürchten, sich in eine dunkle Ecke drängen und Angst vor Monstern haben. Es ist die Art von Finsternis, die ich geschaffen habe. Meine Finsternis.

Ob ich die Dunkelheit mag? Gewiss nicht. Ich ängstige mich vor ihr, wie vor keiner anderen Sache auf der Welt. Denn sie ergreift Besitz von mir, legt sich wie der dunkle Schatten, der sie ist, über mein Herz, über meine Seele. Sie schnürt mir die Luft ab, schürt meine Panik, lässt mich nicht mehr los. Sie ist mein größter Feind, doch heute ist sie mein bester Freund.

Heute schützt sie mich vor dem, was mich verfolgt. Schützt mich vor dem, was mir noch größere Angst einjagt, als die Dunkelheit. Die Finsternis gaukelt mir vor, sie wären nicht hier. Hätten mich nicht an diesen Ort verfolgt, der meine Zuflucht ist. Sogar an diesem Ort, an meinem Ort, lassen sie mich nicht in Ruhe. Ich weiß, dass sie hier sind. Sie kriechen wie Schlangen über den Boden, fliegen wie Fledermäuse über meinen Kopf hinweg und krabbeln wie Spinnen an den Wänden entlang. Und sie flüstern. Doch die Dunkelheit verschluckt sie. Ich sehe sie nicht, also sind sie nicht hier. Sie sind nicht hier. Sind nicht...

Du bist schon wieder hier.“

Ich schreie. Der Laut durchbricht die Stille, wird von der Finsternis wieder verschluckt. Mein Herz rast, droht aus der Brust zu springen, doch beruhigt sich wieder. Er ist es. Er ist hier und wird mich beschützen, mich beschützen vor denen, die in der Dunkelheit auf mich lauern. Doch sie sind nicht hier.

Was machst du hier?“

Immer stellt er mir diese Frage. Manchmal so, manchmal in einer anderen Form. Dabei weiß er es. Er weiß es immer. Dies ist seine Heimat und doch sein Gefängnis. Er wird immer wissen, warum ich hier bin. Warum ich mich verstecke. Warum ich weglaufe.

Ich verstecke mich.“ Und jedes Mal gebe ich ihm die selbe Antwort. „Aber dieses Mal sind sie auch hier. Sie sind mir gefolgt.“

Sind sie dir gefolgt oder hast du sie mit hierher gebracht?“

Ich spüre, wie er sich neben mich auf den kalten Boden setzt. Ich spüre auch seinen Blick, der auf mir ruht, obwohl er mich nicht sehen kann. Oder kann er mich sehen?

Ich... Ich weiß es nicht“, erwidere ich ungeschickt, knete nervös meine Hände, versuche nicht auf das Flüstern zu achten. Sie kommen näher, kriechen, krabbeln näher. Nicht einmal hier bin ich mehr sicher. Auch hier an meinem Zufluchtsort haben sie mich eingeholt. Die Dämonen. Meine Dämonen. „Ich habe Angst.“ Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, doch er hört es. Weiß es schon längst.

Als er mir antwortet, schwingt kein Lachen in seiner Stimme mit. Kein Mitleid. Nur Verständnis. „Ich weiß. Sie beherrscht dich schon lange. Sie quält dich. Du quälst dich. Warum lässt du hier die Dunkelheit herrschen?“

Das Flüstern kommt näher, sie reden über mich. Blätter rascheln, Äste knacken. Doch es ist dunkel. Ich sehe sie nicht, also sind sie nicht hier. Sie sind nicht hier.

Weil ich sie nicht sehen will“, erkläre ich. „Sie sind nicht hier, wenn ich sie nicht sehe.“

Ich höre ihn lachen. Sein freundliches, warmes, leises Lachen. Er lacht mich nicht aus, lacht nicht über meine kindische Aussage. Er lacht, weil es mir gut tut. Der feste Knoten in meiner Brust, über meinem Herzen, lockert sich, löst sich und lässt mich tief durchatmen.

Nur weil du sie nicht siehst, heißt das nicht, dass sie nicht hier sind. Sie sind immer hier. Immer bei dir, weil du sie nicht los lässt.“

Verwirrt sehe ich in seine Richtung, sehe nichts. Nichts als Dunkelheit. Ich lege die Stirn in Falten, verstehe nicht, was er mir damit sagen will. Will er mir damit etwas sagen?

Ich halte sie nicht fest“, widerspreche ich. Widerspreche nur um des Widersprechens willen. Weil mit nichts anderes einfällt. Weil ich einfach reden will, damit ich das Flüstern nicht mehr höre. Nicht mehr das Kriechen, das Krabbeln, das Schlagen von Flügeln.

Du legst sie in Ketten und fesselst dich an sie. Du denkst an sie, Tag und Nacht. Sogar hier. Nie lässt du sie ruhen.“

Er tadelt mich nicht. Er verurteilt mich nicht. Er sieht einfach wie ich bin. Ohne Maske. Ohne Kostüm. Er versteht mich. Versteht mich besser, als ich mich selbst verstehe.

Es ist so schwer, sie zurück zu lassen“, hauche ich. „Ich schaffe es nicht. Nicht allein.“

Er sagt nichts. Es ist still, nur das Flüstern, das Kriechen, das Krabbeln, das Flügelschlagen. Es wird immer lauter, immer unerträglicher. Unerträglicher, weil ich weiß, ich könnte es beenden. Schaffe es nicht. Bin zu schwach.

Dann spüre ich seine Hand, die nach meiner greift. Meiner schweißnassen Hand und sie fest in seiner hält. In seiner großen, starken Hand. Er lässt mich nicht los. Hält sie einfach eine Weile, sagt nichts. Die Geräusche werden leiser, werden schwächer. Verschwinden? Oder sind sie noch hier? Halte ich sie immer noch fest?

Dann richtet er sich auf, zieht mich mit auf die Beine. „Wir gehen. Wir lassen sie hier“, teilt er mir mit. Seine Stimme klingt ruhig, sie beruhigt mich. Gibt mir wieder das gute Gefühl. Das Gefühl nicht alleine zu sein, verstanden zu werden. „Du lässt sie hier und wir gehen an einen anderen Ort. Wir sprengen die Ketten.“

Er läuft los, hält meine Hand noch immer in seiner. Mein Engel, mein Engel, der mich beschützt. Mein Magen zieht sich vor Freude zusammen. Zweige Knacken unter unseren Füßen, Blätter rascheln. Unsere Schritte klingen dumpf auf dem Waldboden. Er geht voran, ich folge ihm. Folge ihm, egal wo er mich hinbringt. Je weiter wir laufen, desto schneller schlägt mein Herz. Sind sie immer noch hier? Immer noch hinter mir?

Du musst sie loslassen. Lass sie los.“

Das Flüstern, das Kriechen, das Krabbeln und die Flügelschläge verstummen. Stille. Nur unsere Schritte sind zu hören. Wir sind allein. Ich habe sie losgelassen. Sie werden wiederkommen, doch ich halte sie nicht mehr fest. Kann ich endlich wieder tief durchatmen?

Plötzlich bleibt er stehen, fast renne ich gegen ihn. Immer noch hält er meine Hand, obwohl ich keine Angst mehr habe.

Sieh nach oben.“

Neugierig lege ich meinen Kopf in den Nacken, blicke nach. Und dort, dort wo das Blätterdach am dichtesten ist bahnt sich das Licht des Mondes seinen Weg, seinen Weg auf die Erde. Er ist nicht stark, doch stark genug um die Finsternis zu vertreiben. Immer noch sehe ich nach oben. Der Mond scheint auf mein Gesicht und ich fühle mich frei.

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Robin

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Robin Re: Weißt du, -
Zitat: (Original von Luzifer am 26.02.2010 - 13:06 Uhr) was ich an deinen Geschichten besonders mag (neben den Cover)? Sie sind klein genug, aber interessant genug, um sie in der Pause zu lesen. ^^

Die Sorgen sind es, die da krabbeln, rascheln etc. oder welche Zweifel sprichst du genau an? =)
Jedenfalls wäre ich lieber in der tiefsten Dunkelheit geblieben. Denn sie ist warm, rein und zeitlos. ^^
Achja, zu Anfang würde ich das mit der "dunklen Ecke" ändern. Wenn man schon in der finstersten Finsternis ist, wird man sicher nicht die dunkle Ecke wählen, sondern einfach nur einen Ort, wo der Rücken geschützt ist =)
Fand ich sehr gut geschrieben.

LG
Luzifer


Na, das freut mich :-)
Dann hab ich deine Pause hoffentlich schön gestaltet *lach*

Hm, genau das. Sorgen, Selbstzweifel, eben was ständig um dich herumkrabbelt und was man ständig mit sich herum schleppt. Also ich jedenfalls :-) Hab sie fest an die Leine genommen und zieh sie hinter mir her :D
Ah, okay, ich versteh, was du meinst und es macht auch wirklich mehr Sinn. Sowas fällt mir immer gar nicht auf ^^. Dankeschön, ich werd's gleich mal verbessern :-)

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Weißt du, - was ich an deinen Geschichten besonders mag (neben den Cover)? Sie sind klein genug, aber interessant genug, um sie in der Pause zu lesen. ^^

Die Sorgen sind es, die da krabbeln, rascheln etc. oder welche Zweifel sprichst du genau an? =)
Jedenfalls wäre ich lieber in der tiefsten Dunkelheit geblieben. Denn sie ist warm, rein und zeitlos. ^^
Achja, zu Anfang würde ich das mit der "dunklen Ecke" ändern. Wenn man schon in der finstersten Finsternis ist, wird man sicher nicht die dunkle Ecke wählen, sondern einfach nur einen Ort, wo der Rücken geschützt ist =)
Fand ich sehr gut geschrieben.

LG
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: Das ist -
Zitat: (Original von Windflieger am 26.02.2010 - 09:47 Uhr) Dir wieder sehr gelungen, klasse!
LG Ivonne


Liebe Ivonne,
ein ganz, ganz großes Dankeschön! Ich freu mich sehr, dass du reingelesen hast :-)

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Windflieger Das ist - Dir wieder sehr gelungen, klasse!
LG Ivonne
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: Eine wirklich gelungene Fortsetzung -
Zitat: (Original von schneeflocke am 17.02.2010 - 21:57 Uhr) Ich weiß nicht, warum, aber dieser Teil gefällt mir fast noch besser als der erste. Der Junge scheint so eine Art Engel zu sein, der sie beschützt, und ich muss sagen, ich mag ihn schon so richtig.
Und die Stimmung ist einfach toll. Ich weiß nicht, wie du es schaffst, aber du hast mich richtig in die Geschichte reingezogen. Großes Lob!

Lg Tina


Und nochmal: Hallo Tina :-)
Und ebenfalls nochmal: wow, danke! Ein größeres Lob kann ich ja gar nicht bekommen, oder?
Vielen, vielen, vielen Dank!

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Eine wirklich gelungene Fortsetzung - Ich weiß nicht, warum, aber dieser Teil gefällt mir fast noch besser als der erste. Der Junge scheint so eine Art Engel zu sein, der sie beschützt, und ich muss sagen, ich mag ihn schon so richtig.
Und die Stimmung ist einfach toll. Ich weiß nicht, wie du es schaffst, aber du hast mich richtig in die Geschichte reingezogen. Großes Lob!

Lg Tina
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: -
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 17.02.2010 - 17:13 Uhr) okay...ich korrigiere mich... DAS ist perfekt!!!

Das ist eine Geschichte, wie ich sie in meinem Regal vorfinden könnte :) Wunderschön geschrieben...

5*


Danke und nochmals DANKE :-)
Ist für mich ein wirklich sehr, sehr großes Lob ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
LorelaiPatton okay...ich korrigiere mich... DAS ist perfekt!!!

Das ist eine Geschichte, wie ich sie in meinem Regal vorfinden könnte :) Wunderschön geschrieben...

5*
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: ... -
Zitat: (Original von Bonnie am 16.02.2010 - 17:18 Uhr) Da ist dir wiedermal eine wunderbare und vor allem schöne Fortsetzung gelungen. Habe sie gerne gelesen. :-) :-) :-)
Die Charaktere sind übrigens richtig gut dargestellt worden. ;-)

Mit freundlichen Grüßen,
Anna


Danke, danke, danke :-)
Ein Kommentar, das mich sehr freut und mich auch ein bisschen zum Grinsen bringt. Hoffe, dir gefällt der letzte Teil auch.

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
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