Sonstiges
Splitter

Splitter

Mein Herz klopft stetig wie ein Uhrwerk, langsam und verlässlich, als ich mit einer müden Traurigkeit auf den Boden starre. Dorthin, wo sie wie ein flächendeckender Teppich liegen. Dorthin, wo mein teuerster und wertvollster Besitz in winzige Einzelteile zersprungen ist. Die gläsernen Splitter liegen verstreut auf dem Boden, glänzen wie Diamanten in dem matten Schein, der den Raum spärlich erhellt. Das Licht bricht sich in den Bruchstücken, wirft die schönsten Farben in verwobenen Wirbeln an die kahle Wand. Ein neues Kunstwerk, entstanden aus dem alten.

Traurig seufzend stehe ich da, bewege keinen Muskel, sehe nur auf die Splitter. Mein Blick ist regelrecht an ihnen fest gesogen, auch wenn ich mich bemühen würde, könnte ich ihn nicht abwenden. Der Schmerz über den Verlust meines kostbarsten Schatzes frisst sich wie ein ekelhafter Parasit in mein Herz, lässt mich nicht mehr los. Es krampft sich schmerzhaft zusammen, ist nur noch ein nutzloser toter Klumpen in meiner Brust, der zu nichts mehr taugt, außer um Sauerstoff durch meinen Körper zu befördern und mich am Leben zu erhalten.

„Lohnt es sich noch zu leben?“

Meine Stimme hallt in dem leeren Raum wieder und lässt mich meiner tiefen Einsamkeit bewusst werden. Jetzt, da mein Schatz zerstört wurde, auf dem Splittern gefeiert und getanzt wurde, ohne das ich es bemerkte, lohnte sich mein Leben noch? Jahrelang hatte ich dieses Kunstwerk behütet, es gepflegt, es immer wieder bewundert. Dann hatte ich es vergessen, in den Hintergrund geschoben und nicht mehr darauf geachtet, weil ich meinte, mich um wichtigere Dinge kümmern zu müssen. Letztendlich weiß ich nicht einmal, wann es zu Bruch gegangen war. Vor einigen Jahren, vor ein paar Wochen oder erst gestern? Warum war ich nur so verblendet gewesen, dass ich nicht bemerkte, das ich meinen teuersten Schatz so respektlos behandelte?

Nun, da ich ihn verloren habe, wird mir sein Wert erst richtig bewusst. Nichts wird ihn je ersetzen können, nicht die Freunde, die ich meinte gehabt zu haben. Die Freunde, die diesen Schatz erst zerstörten. Durch die Weigerung ihn anzunehmen, wie er war, hatten sie auch mich abgelehnt. Mir war es nur nicht bewusst.

Immer noch liegen die Splitter vor mir, starren mich wie ausdruckslose Augen an. Ich befeuchte meine trockenen Lippen, hole tief Luft und wische eine einzelne Träne aus dem Gesicht, die sich ihren feuchten Pfad meine Wange hinab gebahnt hat.

Dann drücke ich bestimmt meine Schultern nach hinten und achte nicht länger auf die Wunden, die mir dieser Verlust zugefügt hat. Leise seufzend sammle ich die Splitter ein, die Splitter meiner Seele, achte darauf, mich nicht an ihren scharfen Kanten zu schneiden, und mache mich daran, sie zu einem neuen Kunstwerk zusammen zu fügen.