Kurzgeschichte
Goldener Käfig

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"Goldener Käfig"
Veröffentlicht am 06. Februar 2010, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Goldener Käfig

Goldener Käfig

Es war einmal ein kleiner Junge, der war sehr einsam. Alle seine Freunde waren oberflächlich und er konnte, wenn er sich mit seinen Freunden traf nie er selbst sein. Auch wenn er viele Freunde hatte, so konnte es ihn nicht darüber hinweg trösten, dass er sich immer und überall einsam und alleine fühlte, selbst wenn er sich mit all seinen Freunden traf und doch Spaß hatte, allerdings nur oberflächlich, denn alles was er tat war getrübt durch das Gefühl der Einsamkeit.

Eines schönen Tages ging er im Park spazieren. Er dachte über Gott und die Welt nach, auch wenn Gott wohl nie über ihn nachzudenken schien, denn sonst würde Gott ihm helfen und er

würde sich nicht mehr so alleine fühlen. Und während er in Gedanken Gott fragte, warum er es nicht verdient hatte von ihm beachtet zu werden, stolperte er fast über einen kleinen bunten Vogel der vor ihm über den Weg hinkte.

Er wollte gerade mit dem Fuß ausholen und nach dem Vogel treten, als dieser in ansah und anfing zu zwitschern. Das Zwitschern des Vogels war so herzallerliebst, dass es dem Jungen fast das Herz brach, dass er überhaupt jemals einen Vogel erschreckt hatte, so dass dieser wegflog.

Der Junge bückte sich zu dem Vogel herunter und war erstaunt, dass dieser nicht sofort wegflog. Er streckte seine

Hand aus und der kleine Vogel hüpfte sanft darauf. Der Junge hob den Vogel an sein Gesicht. Das Federkleid des Vogels erstrahlte in den schönsten Farben und das Sonnenlicht wurde von den Federn reflektiert. Der Junge spürte in seinem Innern, dass diese Situation etwas ganz besonderes war. Er glaubte zwar nicht daran, dass Gott ihn sofort erhört hatte, aber es sah diese Begegnung doch als eine Art Wink mit dem Zaunpfahl an, denn seit der diesen kleinen zarten Vogel auf seiner Hand sitzen hatte, fühlte er sich zum ersten Mal im Leben nicht mehr einsam. Auch der Vogel schien sich auf der Hand des Jungen wohl zu fühlen, denn er piepse

einmal und steckte dann seinen Kopf unter einer seiner Flügel und schloss die Augen. So wie es aussah, hatte der kleine Vogel lange keine Zeit mehr gehabt sich auszuruhen.

Während der Vogel auf der Hand des Jungen vor sich hin döste, betrachtete der Junge den Vogel noch ein wenig genauer. Er bemerkte jetzt erst warum der Vogel so gehumpelt hatte, denn er hatte einen kleinen aber spitzen Rosendorn unter einem Fuß. Vorsichtig, um den Vogel nicht aufzuwecken, nähert sich der Junge mit der Hand dem Gefieder des Vogels, weil der das dringende Bedürfnis hat ihn anzufassen. Und auch diesmal überrascht der Vogel

den Jungen. Der Vogel öffnet die Augen, sieht den Finger auf sich zukommen und bleibt still stehen. Er scheint den Jungen auffordernd anzusehen und sagen zu wollen: „Na los, worauf wartest du. Ich habe keine Angst vor dir“. Als der Junge das Gefieder des Vogels berührt hat er das Gefühl die zarteste Seide zu fühlen und er scheint die Federn auch nicht nur an seinen Fingern zu spüren sondern tief im Herzen, als ob nicht er den Vogel streicheln würde, sondern der Vogel sein Herz um es zu heilen.

Der Junge läuft langsam und vorsichtig nach Hause um den Vogel nicht doch noch zu erschrecken, aber selbst wenn er mal stolpert, weil er die Augen nicht

vom Vogel lassen konnte und über eine Wurzel oder Bordsteinkante gelaufen ist, rührt sich der Vogel keinen Millimeter weiter.

Zu Hause angekommen zeigt der Junge den Vogel seinen Eltern und seinen Geschwistern. Diese sind zuerst skeptisch, weil er sonst kein gutes Verhältnis zu Tieren hatte, spüren aber auch, dass der Vogel etwas in dem Jungen verändert hat. Er strahlt auf einmal eine Ruhe aus, die seine Familie zuvor nicht von ihm kannten.

 Der Junge baute dem Vogel in seinem Zimmer dann einen kleinen Käfig, weil oft das Fenster auf war und er den Vogel nicht mehr gehen lassen wollte. Wenn es

um den Vogel ging wurde er ganz egoistisch. Niemand durfte ihn anfassen und es durfte keiner den Käfig öffnen, wenn er nicht vorher überprüft hatte, dass auch bloß alle Fenster geschlossen waren. Der Vogel schien seine neue Umgebung zu genießen. Er zwitscherte und piepste den ganzen Tag und immer wenn der Junge seine Hand zum Vogel in den Käfig streckte hüpfte er vergnügt auf diese und sang noch schöner um dem Jungen zu gefallen.

 Der Junge war so glücklich, dass er in der ersten paar Monaten blind vor Glück war.

 Er stellte Nachforschungen an, weil das Gefieder ihn jeden Tag mehr verzauberte

und erfuhr so, dass er einen Kolibri gefunden hatte. Das war um so überraschender als dass es in der Gegend überhaupt keine Kolibripopulation gab und soweit er wusste noch nicht einmal in dem örtlichen Zoo.

 Nachdem er dies erfahren hatte, fand der Junge, der selbstgebastelte Käfig wäre zu schäbig und zu klein für so einen edlen Vogel. Er ging in die nächst Zoohandlung und fand dort einen Käfig, der genau seinen Vorstellungen entsprach und nahm diesen sofort mit. Außerdem kaufte er noch einiges an Spielzeug und schönen Dingen, mit denen er dem Vogel eine Freude machen wollte. Denn der Junge hatte bald nicht mehr ganz so viel

Zeit für den Vogel und da er ihn nicht frei fliegen lassen wollte, musste der Vogel oft mehrere Tage im Käfig bleiben. Der Junge wusste, dass es dem Vogel schwer fallen würde und wollte deshalb den Käfig so schön wie möglich machen. Dabei vergaß er allerdings, dass der Vogel die Freiheit gewohnt war und dieser goldene Käfig mit dem ganzen schicken Dingen engten den Vogel nur ein. Der Vogel freute sich über die Geschenke und spielte damit, aber er hätte sich gewünscht, dass der Junge ihn häufiger rauslassen würde und vielleicht auch einmal mit ihm in die freie Natur gehen würde, aber der Junge hatte zuviel Angst.

Immer wenn er den Vogel mal aus dem Käfig lies war er misstrauisch, das dieser nicht freiwillig wieder zurückkommt oder doch einmal ein offenes Fenster findet und verschwindet. Der Junge hatte so eine große Angst davor, dass er dem Vogel die Freiheiten nahm und ihn immer seltener einen Flug gönnte. Langsam wurde der Vogel immer trauriger und wenn der Junge die Hand in den Käfig hielt schaute der Vogel nur verwirrt und fiepste einmal leise.

 Der Junge schloss daraus, dass er sich zu wenig Mühe mit dem Vogel gab und versuchte soviel Zeit wie möglich mit den Vogel zu verbringen. Er las dem Vogel Geschichten vor, sang mit ihm

und spielte den ganzen Tag Musik.

 Einmal ließ er den Vogel doch raus, weil er ihm leidtat und der Vogel fand tatsächlich einen Weg aus der Wohnung des Jungen. Dies brach den Jungen fast das Herz. Er setze alles in Bewegung und suchte draußen nach dem Vogel.

 Er fand ihn nicht. Alles Glück schien den Jungen verlassen zu haben und er war so traurig und allein wie noch nie in seinem Leben.

 Als er nach Hause kam, dachte er dass er vor lauter Kummer schon halluzinieren würde, denn als er die Wohnung betrag hörte er das schöne Singen seines Vogels. Der Eindruck des Halluzinierens wurde noch dadurch

verstärkt, dass der Vogel so schön sang, wie er es noch nie getan hatte. Das Zwitschern war eine Melodie die den Jungen in sein Zimmer lockte, ohne dass er sich dagegen wehren konnte.

 Als der Junge dann sein Zimmer betrat, saß der Vogel auf dem goldenen Käfig und schaute den Jungen an. Er zwitscherte so laut, dass es dem Jungen schon fast wehtat und schien zu schreien und zu jubeln: „Siehst du ich wollte dich nie verlassen. Ich brauche zwar ab und zu meine Freiheiten aber ich brauche auch Dich.“

 Und von dem Tag an, hatte der Junge keine Angst mehr den Vogel frei fliegen zu lassen, das Türchen den Käfigs stand

immer offen und auch die Fenster waren kein Hindernis mehr für den Vogel. Nach jedem kurzen Ausflug kam der Vogel zurück und sang so schön wie an diesem einen Tag im Park, als der Junge den Vogel in sein Herz geschlossen hatte. Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.

Und die Moral von der Geschichte: Ein goldener Käfig mag zwar schön sein, aber es ist immer noch ein Käfig.

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Laruma

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shirley Eine schöne Kindergeschichte.
Und ich hab immer was zu meckern...Entschuldige! Nee, ist ja kein Meckern, nur ein Hinweis - auf der zweiten Seite wechselst du in die Gegenwart. Das ist so sicher nicht richtig.

LG shirley
PS: Bei deinen Leserzahlen kann man ja neidisch werden ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Laruma Re: Schöne Geschichte - Ui das freut mich. Vielen lieben dank für deinen Kommentar :-D.
Zitat: (Original von Gast am 25.12.2012 - 09:55 Uhr) Ich habe sie soeben meiner Tochter erzählt.... Merci für den Text, sollten mehr so Kurzgeschichten haben! Merci

Vor langer Zeit - Antworten
Gast Schöne Geschichte - Ich habe sie soeben meiner Tochter erzählt.... Merci für den Text, sollten mehr so Kurzgeschichten haben! Merci
Vor langer Zeit - Antworten
Laruma Re: Du - Vielen Lieben Dank für Deinen Kommentar....

Ja habe ein wenig gebraucht um mal wieder was zu Stande zu bringen, aber ich gelobe Besserung...

Sehen uns ja dann wenn wir die Briefe bekommen....

LG
Rina
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Du - hast die Kategorie verfehlt. ;) Unter Märchen wäre es viel besser aufgehoben. Denn es ist ja keine Geschichte nur für Erwachsene. Auch für Kinder ist diese Geschichte gut geeignet. =)

Endlich ist mal wieder was von dir zu lesen und dann auch noch so eine schöne Geschichte voller Emotionen.
Ich hatte es schon an einer anderen Stelle zitiert, aber hier passt es auch gut: Wenn du jemanden wirklich liebst, musst du auch in der Lage sein, ihn gehen zu lassen. ^^

Liebe Grüße
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Der Autor freut sich über deinen Kommentar.
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