Kurzgeschichte
Einsam

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"Einsam"
Veröffentlicht am 04. Februar 2010, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Einsam

Einsam

Einsam

Die Geburt eines Kindes ist für alle Eltern ein wundervoller Moment des Glückes, ein Ereignis, das man voller Vorfreude erwartet. So ist es zumindest bei den meisten. Bei meinen Eltern war das anders, jedenfalls bei meiner Mutter. Meinen Vater kenne ich nicht, darum konnte ich ihn nie fragen. Aber ich glaube kaum, dass er sich auf mich gefreut hatte, sonst wäre er nicht gegangen, ohne mich je gesehen zu haben.

 

Ja, so sieht sie aus, die erschreckende Wahrheit. Ich kann sie nicht ändern, ich kann meine Mutter nicht dazu bringen, mich zu lieben, ich kann meinen Vater nicht zurückholen. Es ist nun mal so und ich glaube nicht, dass sich das jemals ändern wird.

 

Traurig lasse ich den Blick über den nassen Wald schweifen. Wasser tropft auf meinen Kopf. Meine Kleider sind schwer von der langen Zeit, die ich schon im Regen stehe. Einfach so, ohne Grund. Ich brauche das, es tröstet mich,lässt mich mein einsames Leben vergessen. Ich schliesse die Augen und stelle mir vor, wie es wäre, eine Freundin zu haben. Nicht eine die man nur in der Schule trifft, nein, ich meine eine richtige, eine der man alles anvertraut, eine die immer zu einem hält, egal was passiert. Das sind alles nur Träume. Darüber will ich nicht zu oft nachdenken. Es verschlimmert nur die Trauer, den endlosen Schmerz.

 

Ich sollte besser nach Hause gehen, sonst werde ich krank. Das wäre nicht mal schlecht, dann könnte ich im Bett bleiben, den ganzen Tag. Einfach nur schlafen. Nie wieder erwachen, denke ich. Für immer die Augen schliessen, nie wieder der Realität in die Augen blicken, alle sorgen hinter mir lassen.

 

Ich mache mich auf den Heimweg. Langsam, ohne Hast. Es gibt keinen Reiz schnell anzukommen, niemanden der auf mich wartet, niemanden der mich liebt.

 

Das Haus ist alt, die Wände schmutzig, nichts ist gepflegt. Warum auch, nichts helles, schönes verbirgt sich hinter den dunklen Fassaden, nichts was es verdient, sich Mühe zu geben.

Ich gehe hinein, lege mich hin. Die Ruhe will mich nicht überfallen. Sie bleibt weg, entfernt sich, macht der Entschlossenheit platz, die sich Stück für Stück in mir ausbreitet, weiter und weiter.

Ich stehe auf, laufe in die Küche, suche nach etwas, finde nichts, nichts was mich davon abhält, nichts was mein Leben lebenswert macht, nichts.

 

Entschlossen nehme ich den glänzenden Gegenstand in die Hand, schaue ihn an. Ich habe keine Angst vor dem Tod, warum auch? Langsam lasse ich die scharfe Klinge über meine Handfläche gleiten. Sie hinterlässt eine rote Spur. Kurz denke ich an meine Mutter, wird sie traurig sein? Nein, bestimmt nicht, dann ist sie mich los, dass ist es doch, was sie immer wollte. Die Bitterkeit lässt mich schneller handeln, mich von meinem Leid befreien. Die Dunkelheit überkommt mich,ich bin frei, endlich.

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sayaha

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Buhuuuh Gelunges Coverbild find ich ( soweit )! :O)
Vor langer Zeit - Antworten
sayaha Re: Aus dem Leben.. -
Zitat: (Original von escribir am 11.02.2010 - 09:42 Uhr) Geschrieben. Nicht aus deinem?

Schöne Traurige Geschichte...


LG Bernd


Nein überhaupt nicht =)
Dank viel Mal!
LG
Vor langer Zeit - Antworten
sayaha Re: Oh -
Zitat: (Original von Schlauchen am 07.02.2010 - 16:52 Uhr) Sehr schöner Text.
Sehr poetisch und tiefgründig und wie ich finde da um ihn zu erforschen.
Je öfter man drüber ließt, desto mehr geheimnisse scheint er zu offenbaren. Den Unterto bzw. die Atmosphäre die du erzeugst finde sehr sehr schön. Auch wenn er traurig und melancholisch angehaucht ist..

Liebe Grüße
Schlauchen


Vielen dank, es freut mich natürlich, dass es dir gefallen hat!!
Vor langer Zeit - Antworten
sayaha Re: Sehr lesenswert -
Zitat: (Original von kleinertod am 04.02.2010 - 19:10 Uhr) Die Stelle "Die Ruhe will mich nicht überfallen. Sie bleibt weg, entfernt sich, macht der Entschlossenheit Platz, die sich Stück für Stück in mir ausbreitet, weiter und weiter." finde ich am beeindruckendsten. Du wählst die Worte geschickt und treffend, verwendest eine ansprechende Sprache. Mein Kompliment.

Das Ende ist mir allerdings viel zu kurzsichtig und einfach. Die Gleichung Einsamkeit = Selbstmord greift zu kurz. Das Leben ist viel spannender und anspruchsvoller als dieser Gedankengang, auf den man zwar (schnell sogar) kommen kann, doch in Wirklichkeit sieht es (zum Glück) nicht nur meist anders aus, das daraus Entstehende ist außerdem noch viel mehr eine Geschichte wert.

In diesem Sinne, ein lieber Maunzer zum Gruß vom Kater


Danke, auch für die kritik :)
Vor langer Zeit - Antworten
kleinertod Sehr lesenswert - Die Stelle "Die Ruhe will mich nicht überfallen. Sie bleibt weg, entfernt sich, macht der Entschlossenheit Platz, die sich Stück für Stück in mir ausbreitet, weiter und weiter." finde ich am beeindruckendsten. Du wählst die Worte geschickt und treffend, verwendest eine ansprechende Sprache. Mein Kompliment.

Das Ende ist mir allerdings viel zu kurzsichtig und einfach. Die Gleichung Einsamkeit = Selbstmord greift zu kurz. Das Leben ist viel spannender und anspruchsvoller als dieser Gedankengang, auf den man zwar (schnell sogar) kommen kann, doch in Wirklichkeit sieht es (zum Glück) nicht nur meist anders aus, das daraus Entstehende ist außerdem noch viel mehr eine Geschichte wert.

In diesem Sinne, ein lieber Maunzer zum Gruß vom Kater
Vor langer Zeit - Antworten
sayaha Re: Ich bin beeindruckt ... -
Zitat: (Original von Bonnie am 04.02.2010 - 15:50 Uhr) Nicht viele Autoren schaffen es, solch eine Situation nicht kitschig, aber dennoch glaubhaft darzustellen. Auf jeden Fall hast du es geschafft, weshalb du dir meine fünf Sterne redlich verdient hast. :-)

Mit freundlichen Grüßen,
Bonnie

Oh Wow, ich danke dir!!
schön, dass es dir gefällt!
Vor langer Zeit - Antworten
sayaha Re: ... -
Zitat: (Original von MagicMarlene am 04.02.2010 - 15:37 Uhr) Genialer Text! =)
Das Cover gefällt mir sehr. Schön traurig und bedrückend. ='(
Du schreibst in einem tollen Stil.

Liebe Grüße
~ Malli XXX

Vielen Dank!!
Vor langer Zeit - Antworten
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