Fantasy & Horror
Steppenreiter

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"Steppenreiter"
252 S.
252 S.

Steppenreiter

 

 

großer Hund durch das Laub rascheln.

„Verdammt, Amely, was ist das?!“

Sie zuckte nur mit den Schultern. In der Dunkelheit konnte ich diese Bewegung nur erahnen.

„Klingt wie ein riesiger Hund... Halt, da ist noch was!“ Ich lauschte erneut und hörte aus einer völlig anderen Richtung, nur etwas näher wie mir schien, ungefähr die selben Geräusche.

„Amely, das ist nicht nur einer!“

Ich rutschte zu ihr in die Mitte de Zeltes.

„Jess, ich glaube, das sind insgesamt keine Hunde, die kommen nämlich kaum in Rudeln vor...“

Etwas stieß gegen die Zeltwand. Ich konnte Amely gerade noch rechtzeitig den Mund zuhalten, sonst hätte sie wahrscheinlich den

 

 ganzen Wald zusammen geschrien. Doch Amely schob meine Hand von sich. Von draußen klang ein Knurren herein, allerdings schien es von der Rückseite des Zeltes zu kommen. Ich erstarrte doch Amely schien darin ihre Chance zu sehen. Hastig zog sie den Reißverschluss auf und rannte hinaus. Ich wollte sie zurückhalten, aber sie war zu schnell. In der Dunkelheit sah ich etwas hinter ihr herrennen und im selben Moment tauchte auch vor mir etwas auf. Dunkelrote Tieraugen starrten mich an. Ich kroch schreiend rückwärts zurück ins Zelt. Das wolfähnliche Wesen folgte mir knurrend, stoppte dann kurz vor dem Zelteingang wieder, legte den Kopf in den Nacken und stieß ein markerschütterndes Heulen aus. Zu meinem Entsetzen spürte ich bereits die Zeltwand in meinem Rücken. Warum mussten gerade in solchen Situationen die Zelte so klein erscheinen? Der Wolf setzte einen Schritt in das Zelt, knurrte mich erneut

 

 

„Jess?! Was machst du denn da?!“, hörte ich meine Freundin Amely rufen. Ich war gerade eingeschlafen, wurde durch ihre Stimme jedoch ziemlich unsanft wieder geweckt. Wir waren gerade auf Zeltwanderschaft, weil wir in unseren Ferien sowieso nichts besseres zu tun hatten. Ich überlegte, ob ich antworten oder einfach nur weiterschlafen sollte. „Jess?! Ich gehe jetzt ins Zelt verstanden?!“

Was redete sie da draußen?! Vielleicht hatte sie ja einfach nicht mitbekommen, dass ich schon lange im Zelt war. Ich entschied mich dafür, nicht erst zu antworten. Wenn sie ins Zelt kam, würde sie ja sehen, dass ich schon halb schlief. Ich hörte ihre Schritte und ein paar Sekunden später hockte sie im Zelteingang. Es war schon dunkel und so schien sie mich nicht zu sehen, jedenfalls drehte sie sich herum und schloss den Reißverschluss des Zelteinganges.

 

 

„Mach dann bitte das Lagerfeuer aus, okay?!“

Jetzt wurde es mir zu bunt. Sie konnte nicht einfach durch den ganzen Wald schreien, wobei ich doch genau hinter ihr war.

„Was zum Teufel schreist du so?!“

Amely erstarrte und drehte sich dann langsam um. In ihren Augen lag ein Ausdruck regelrechter Angst.

„A-Aber... w-wenn du hier bist, wer oder was ist dann das da draußen?!“

Ich hatte keine Ahnung, von was sie eigentlich redete und konnte nur mit schwarzem Humor kontern.

„Ich nehme mal an, da ist dann wohl der Buhmann! Ich jedenfalls bin’s nicht, ich liege hier nämlich schon seit ungefähr einer viertel Stunde und schlafe...“

 

 

Amely starrte mich aus großen Augen an und ich wusste in dem Moment nicht richtig, ob die Angst gespielt war, die darin stand.

„Verdammt...“

Hastig kroch sie in die Mitte des Zeltes und sah sich mit großen Augen um, als könne sie die Zeltwände mit ihren Blicken durchbrechen. Langsam wurde sie mir richtig unheimlich mit ihrem Getue.

„Würdest du mir bitte sagen, was mit dir los ist???“

„Schhhhh! Hör doch mal! Da draußen ist was und ich nehme an, das ist das, mit dem ich die ganze Zeit da draußen versucht habe zu reden!“

Sie flüsterte nur noch und ich spitzte die Ohren. Für den ersten Augenblick hörte ich absolut nichts. Dann klang es, als würde draußen ein

 

 großer Hund durch das Laub rascheln.

„Verdammt, Amely, was ist das?!"

Sie zuckte nur mit den Schultern. In der Dunkelheit konnte ich diese Bewegung nur erahnen.

„Klingt wie ein riesiger Hund... Halt, da ist noch was!" Ich lauschte erneut und hörte aus einer völlig anderen Richtung, nur etwas näher wie mir schien, ungefähr die selben Geräusche.

„Amely, das ist nicht nur einer!"

Ich rutschte zu ihr in die Mitte de Zeltes.

„Jess, ich glaube, das sind insgesamt keine Hunde, die kommen nämlich kaum in Rudeln vor..."

Etwas stieß gegen die Zeltwand. Ich konnte Amely gerade noch rechtzeitig den Mund zuhalten, sonst hätte sie wahrscheinlich den ganzen Wald zusammen geschrien.

 

 

und ich schrie nur noch aus Leibeskräften, spürte jedoch, wie mir langsam meine Stimme den Dienst versagte. Irgendwo weit draußen hörte ich Amely nach mir rufen, um Hilfe schreien. Neben mir zerriss die Zeltwand und eine krallenbewehrte Pfote schlug durch das Zelt nach mir. Ein brennender Schmerz zog sich durch meinen ganzen Körper, trotz dass das Vieh mich nur an der Schulter und einem teil des Oberarmes erwischte.. Das Tier am Eingang sah sich hastig um und hechtete aus dem Zelt. Ein Sirren erklang und der Wolf hinter dem Zelt zog mit einem schmerzverzogenen Heulen die Pfote zurück. Wahrscheinlich hatte Amely ihn mit einem Stock  oder ähnlichem erwischt.

„Verdammt!“

Noch saß ich halb gelähmt im Zelt, atmete erst einmal tief durch und lauschte.

Irgendwie wurde es auf einmal ruhig um mich herum und wobei ich die Ruhe noch vor ein paar Minuten als gute Schlafvoraussetzung empfunden hatte, so hätte ich jetzt alles darum gegeben, auch nur eine Eule oder dergleichen zu hören. Doch es blieb still. Vorsichtig warf ich einen Blick nach draußen. Am Ende der Lichtung stand Amely, eingekreist von diesen Viechern. Was ich im ersten Moment nicht bemerkte, war, dass sie neben den Fahrrädern stand und eine bessere Chance hatte, zu entkommen als ich.

„Amy!“

Das hätte ich besser nicht tun sollen... Die Wölfe drehten sich abrupt um und hechteten auf mich zu. „Verdammt! Jess!!!“

Doch diesmal interessierten sich die Tiere nicht für sie. Ich war interessanter, wahrscheinlich, weil ich nach Blut roch, das aus der wahrscheinlich tiefen Wunde lief. Unter allen andren Umständen hätte ich mich nicht einmal bewegen können, so schmerzhaft war die

 

 

Verletzung, doch in diesem Moment rannte ich einfach nur noch um mein Leben. Vor mir tauchte plötzlich ein Weg auf, dem folgte ich, ohne wirklich zu wissen, wohin ich eigentlich lief. Aber das war ja jetzt auch erst einmal egal. Hauptsache weg von diesen blutrünstigen Bestien. Immerhin hatte ich ein bisschen Vorsprung. Doch dieser brachte mir nicht gerade viel. Ich spürte, wie meine Kräfte nachließen und der Abstand zwischen den Wölfen und mir gehörig schmolz. Ich bog um eine Kurve, hechtete über einen kleinen Bach. Das verschaffte mir erneut genug Vorsprung, denn diese Tiere bevorzugten die etwas entfernte, fast schon zusammen gefallene Brücke. Naja, immerhin waren sie wasserscheu... Irgendwie ein absurder Gedanke und in eben dieser Situation erschien er mir so absurd wie kaum etwas anderes. Beinahe hätte ich laut aufgelacht, doch dafür

 

 

war nicht der richtige Moment. Als ich mich wieder umdrehte, um weiter auf meinen Weg zu achten, stolperte ich direkt einer Gestalt in die Arme. Ich schrie auf, doch diese Gestalt hielt mir den Mund zu und hechtete ins nächste Gebüsch.

„Sei bloß leise und mach keine schnellen Bewegungen, verstanden?!“

Angstvoll nickte ich. Es hatte begonnen zu dämmern und hinter den Bäumen würde wohl bald schon die Sonne aufgehen. Sollte wirklich schon so viel Zeit vergangen sein? Eigentlich auch egal. Das Gebüsch, in dem wir uns befanden, lag dicht am Wegrand. Ich sah die Lichter eines Fahrrads, die wahrscheinlich zu Amely gehörten. Ich wollte sie rufen, doch der Junge hatte mich noch immer nicht losgelassen. Hinter Amely her folgten in einigem Abstand und langsamer werdend

 

 

die Wölfe.

 „Nicht bewegen!“, hörte ich die Stimme des Jungen. Einige Sekunden später wusste ich auch warum. Neben dem Gebüsch schlich ein Nachzügler der Wölfe vorbei. Das Tier schnupperte und im selben Moment schien der Junge meine Verletzung erkannt zu haben.

„Na toll!“

Langsam legte er seinen Arm darüber, sodass die Wunde abgeschirmt wurde. Das Tier blieb noch eine Weile schnuppernd stehen und folgte schließlich seinen Kumpanen. Mich wunderte es, dass es nicht durch das laute Klopfen meines Herzens auf uns aufmerksam geworden war.

Ich wusste nicht, wie lange wir noch in dem Gebüsch gesessen hatten, jedenfalls ging die Sonne endlich vollends auf. Ich musste wohl

 

 

eingeschlafen sein, doch ein stechender Schmerz an der Schulter ließ mich hochfahren.

„Schhhhh! Ist ja okay, ich mach ja schon gar nichts mehr...“

Ich blickte in himmelblaue Augen. Der Junge war ziemlich blass und hatte schulterlange blonde Haare. „Wer bist du?!“

Der Junge musterte mich ernst.

„Mein Name ist Kai... Und du red lieber mal nicht so viel, ich weiß, dass du Jess heißt, deine Freundin hat das laut genug durch den Wald geschrien...“

In seinen Augen blitzte gutmütiger Spott, bevor er wieder ernst wurde.

„Das Vieh hat dich ganz schön erwischt, weißt du das?! Ein paar Zentimeter weiter rechts und du hättest tot sein können!!!“

 

 

Ich richtete mich vorsichtig auf. Kai verfolgte jede meiner Bewegungen.

„Ich würde dir raten, liegen zu bleiben, aber das musst du selber wissen...“

Ich überhörte die Bemerkung und blickte ihn fragend an.

„Was waren das für Viecher?! Ich fände es wirklich nett, wenn ich auch mal aufgeklärt werden würde!“

„Eigentlich ganz normale Wölfe, einige aus dem Dorf behaupten, sie wären Menschenfresser, aber ich finde diesen Begriff übertrieben. Sie wollen nur ihre Nahrung und wenn die Leute eben dumm genug dazu sind, sich immer wieder hier in die Wälder zu trauen, dann selber Schuld... Ob du es glaubst oder nicht... einige zelten hier sogar!“

„Entschuldige mal, aber ich wusste nicht...“

 

 

Ich wusste nicht so richtig, was ich antworten sollte. „Du weißt nicht zufällig, dass du dich hier im Jagdgebiet dieser Viecher befindest, oder?“

Ich schluckte ein paar Mal. Natürlich wusste ich von den Gerüchten, dass Wölfe irgendwo in den Wäldern ihr Jagdgebiet hatten, aber so tief im Wald waren wir doch eigentlich gar nicht.

„Na ja, Amely hat mich hierher geschleppt. Ich bin nur zu Besuch bei ihr und kenn mich hier nicht wirklich aus...“

Kai unterbrach mich.

„Wo wohnt deine Freundin?!“

„Caivallon... “

Kai nickte und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich zusehends.

„Ich kenne sie, aber sie hat nie etwas von dir erwähnt.“ Ich zuckte mit den Schultern.

 

 „Wieso sollte sie auch?!“ Kai machte ein abfälliges Geräusch.

„Normalerweise sind alle Freunde und Bekannte aus Caivallon in meinem Heer stationiert, wenn du verstehst...“

„Aus deinem Heer? Hab ich mich verhört?!“

Kai schüttelte den Kopf.

„Nein, hast du nicht. Wir sind Steppenreiter und im Moment sind wir dafür zuständig, uns auf Trab zu halten, indem wir diese Wölfe jagen. Solange, bis der nächste Krieg bevorsteht - was wohl nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. Deshalb sind wir aus den Wäldern aufgebrochen und jetzt wieder auf dem Weg in unsere Heimatstadt. Allerdings glauben mit unserem Abzug auch diese Viecher, sie können machen, was sie wollen. Außerdem könnte es ja sein, dass wir verfolgt und ausspioniert werden und deshalb...“

 

Eine fremde Stimme unterbrach Kais Redefluss, wobei ich nicht sonderlich erfreut war, denn diese Erklärung hatte ich schließlich bitter nötig.

„Kai?!“

Jetzt waren es mehrere Stimmen und fast alle riefen Kais Namen.

„...sind einige aus unserem Heer zurückgeblieben... Wie du hörst...“

Damit beendete Kai erst einmal seinen Bericht und stand auf.

„Wir sind hier drüben, Marc!“

Erst jetzt fiel mir die weiße Kleidung auf, die für die Steppenreiter so typisch war. Ein weiterer Steppenreiter tauchte auf einem schlichten braunen Pferd auf und beäugte uns misstrauisch.

„Erwischt worden?!“

 

Kai nickte.

„Dann bring sie um!“

Ich war ziemlich überrascht über diese abfällige Bemerkung.

„Na hör mal...“, setzte ich an, doch Kai unterbrach mich.

„Nein, eigentlich hat er Recht. Ich müsste dich umbringen, habe mich aber schon vor ein paar Stunden anders entschieden.“

Marc lachte auf.

„Jaja, so kenn ich dich... Sobald es um hübsche Mädchen geht, lässt du sogar die am Leben, die kurz vor einer Verwandlung stehen.“

Kai sah ihn eingehend an.

„Es gibt genügend Mittel, um sie wieder auf die Beine zu bekommen und du würdest sie an meiner Stelle genauso wenig umbringen!

 

 

Wo ist Philipp? Soweit ich mich erinnern kann, hat er mein Pferd übernommen...“ Ich wusste absolut nicht, um was genau es ging. „Verwandlung?! Von was redet ihr eigentlich?!“

Kai half mir hoch und stützte mich, da ich bald wieder zusammenbrach. Ein stechender Schmerz jagte durch meine Schulter und zog sich so ziemlich durch den ganzen Körper. Augenblicklich wurde mir schwarz vor den Augen. Im Unterbewusstsein bekam ich noch mit, wie Kai mich auffing, als ich endgültig zusammenbrach und Marc die anderen Leute zusammentrommelte. Dann war es nur noch schwarz um mich herum.

 

Als ich wieder aufwachte, blickte ich in die selben strahlend blauen Augen, die mir vor geraumer Weile schon einmal aufgefallen waren. Ich sah Kai ziemlich verschwommen vor mir, im Hintergrund nahm ich einige andere Gestalten wahr.

„Alles wieder in Ordnung?“

Kai klang ziemlich besorgt. Ich versuchte mich aufzusetzen, schüttelte erst einmal den Kopf um diesen verdammten Schleier vor meinen Augen wegzubekommen. Ein bisschen klarer wurde mein Bild schon, doch dafür bekam ich höllische Kopfschmerzen.

„Verdammt, Kai, wenn du ihr wirklich noch helfen willst, dann solltest du das schleunigst tun!“

Kai schüttelte den Kopf ohne dabei sein Augenmerk von mir zu nehmen.

„Da gibt es nur ein Problem, Marc!

 

 

Verbandszeug und das alles sind im Lager!“

„Du kannst sie sowieso nicht hier liegen lassen! Ins Lager müssen wir wohl oder übel...“

Kai hörte schon nicht mehr auf Marc.

„Glaubst du, du kannst aufstehen, ohne noch einmal zusammenzubrechen?“

Ich zuckte nur mit den Schultern. Selbst diese noch so kleine Bewegung tat weh. Allerdings verflüchtigten sich wenigstens meine Kopfschmerzen. Erst jetzt bekam ich mit, dass wir nicht mehr die Einzigen hier waren, sondern sich ungefähr ein halbes Dutzend anderer Gestalten zu uns gesellt hatten. Zwei davon brachten gerade eine Art Trage. Kai schien das recht zu kommen, man sah ihm deutlich an, dass er keine Lust hatte, mich noch einmal zusammenbrechen zu sehen. Er richtete sich auf, während Marc und ein dritter

 

 

Steppenreiter mich auf die Trage hoben. Erneut wurde mir schwarz vor den Augen, ich wusste absolut nicht, was mit mir geschah, hatte nur diese höllischen Schmerzen, die sich von der Schulter her abwärts zogen.

Als ich dann wieder wach wurde, ging es mir wesentlich besser. Wie ich feststellte, mussten wir wohl das Lager erreicht haben, denn ich lag auf einem ziemlich ungemütlichen Feldbett in einem schneeweißen Zelt. Vorsichtig setzte ich mich auf, froh, dass die Schmerzen jetzt erträglich geworden waren. Ich hörte Stimmen, doch das Zelt war leer. „Kai! Wir können nicht nur wegen ihr jetzt hier drei Tage rasten!!! Wir sind im Jagdgebiet von einem Skull, weißt du das??? Das Vieh wird sich freuen, wenn es ein ganzes Heerlager verwüsten kann und noch dazu genügend Nahrung findet!“

 

 

 

„Verdammt noch mal Marc! Was wollen wir machen? Sie hier zurücklassen, damit nur sie die Ernährung für dieses Tier darstellen darf?! Von mir aus schick den größten Teil des Heeres weiter, wenn du unbedingt willst, aber du weißt, dass wir gut genug sind, um gegen einen Skull zu bestehen!“

„Da ist allerdings noch etwas, was ich dir noch nicht gesagt habe... Ein großer Teil des Heeres ist verletzt. Die größte Patrouille ist von den Alten angegriffen worden...“

„Schön, dass ich das auch schon erfahre! Von mir aus schick das Heer weiter, ich habe kein Problem damit, nur mit der Leibgarde hier zu bleiben und nach zukommen... Und jetzt entschuldige mich, ich hab zu tun...“

„Geht klar, Chef!“

„Ach halt doch die Klappe!“

 

 

Schritte entfernten sich und der Zelteingang wurde geteilt. Kai machte ein verdutztes Gesicht, als er mich sitzen sah.

„Du bist doch schon wieder wach...“

Er grinste als ich ihn nur regelrecht vorwurfsvoll anblickte.

„Mir wäre es ehrlich gesagt lieber gewesen, wenn du mal ne Weile durchgeschlafen hättest...“

Ich verstand Kai nicht so richtig.

„Darf ich fragen, warum?“

„Dann hätte ich mir was für eine Erklärung einfallen lassen können... Würdest du dich bitte wieder hinlegen? Bewegung ist in deinem Zustand nicht gerade gesundheitsfördernd.“

Ich ließ mich wieder nach hinten fallen.

 

 Kai setzte sich an den Bettrand und holte unter dem Bett einen Verbandskasten hervor. „Wie geht’s dir?“ – „Ging schon mal besser, glaub mir...“ Kai musterte erneut meine Verletzung. „Hör mal, das muss versorgt werden, aber das wird nicht gerade schmerzfrei...“ Ich sah ihn fragend an. „Worauf willst du hinaus?“ Kais Augen blitzten spöttisch und ich wusste nicht wirklich, was er eigentlich von mir wollte. „Naja, hab ja keine Ahnung, zu welcher Sorte Mädchen du gehörst...“ Ich blickte ihn fragend an. „Was steht alles zur Auswahl?“  Kai grinste jetzt. „Naja, die, die keinen Ton von sich geben und die, die so zimperlich sind, dass sie das ganze Lager zusammen schreien würden...“ Na das war mir ja eine nette Ausdrucksweise... „Na ganz bestimmt nicht letzteres!“ In Kais Augen stand immernoch gutmütiger Spott. „Hätt ich dir jetzt auch nicht geraten!“ Er riss den sowieso zerfetzten Ärmel meines T-Shirts vollends weg

 

 und fuhr dann vorsichtig mit dem Finger über den Kratzer. Ich sog die Luft durch die Zähne ein. „Schhhhh... Is ja okay! Hat dich ja übel erwischt, das Vieh...“ Kai schien Ahnung von dem zu haben, was er da tat, denn für einen Moment spürte ich gar nichts und konnte nur erahnen, wie er sich geschickt aber auch nicht besonders vorsichtig an der Wunde zu schaffen machte. Langsam begann ich, ihn richtig zu mögen, auch wenn ich ihn noch nicht wirklich kannte... „Was hat Marc eigentlich vorhin von Verwandlung gefaselt?“ Kai blickte auf. „Naja, wenn du jemals was direktes von den Wölfen in diesem Teil der Wälder gehört hast, dann müsstest du des eigentlich wissen. Die sind regelrecht giftig, anders kann man das nicht erklären, wäre zu kompliziert. Wenn das Gift in die Blutbahnen kommt, dann kratzt du entweder ab oder du wirst selber zu so einem Vieh, wenn dir nicht rechtzeitig geholfen wird.“ Er strich eine Art Salbe auf die Wunde und fuhr fort.

 

„Allerdings gibt es mittlerweile einige Gegenmittel.“ Als das Mittel mit der Wunde in Berührung kam, spürte ich wieder, dass sie überhaupt da war. Allerdings waren die Schmerzen diesmal nicht wirklich groß. Kai legte mir einen Verband an. „Du machst das so... so gleichgültig...“ Kai sah mich an und in seinem Blick lag etwas ungemein beruhigendes. „Ich muss täglich einige von meinen Leuten versorgen und solange das keine von denen sind, die eben wie schon gesagt das halbe Lager zusammenschreien, geht des auch.“ Kai stand auf und ging zu einem zweiten Bett von dem er ein Kissen nahm, welches er mir unter den Rücken schob. „Wie schon gesagt, m Heer gibt es kaum irgendwelche Dinge, die mir nicht anvertraut werden... Von mir aus kannst du jetzt übrigens auch aufstehen, solange ich dich nicht wieder zum Bett schleppen muss, weil du wieder auf dem Boden liegst...“ Er grinste dieses schadenfrohe Grinsen, welches ich schon öfter

 

 bei ihm bemerkt hatte „So schwer bin ich doch gar nicht!“, protestierte ich. „Nein, hab ich ja auch nicht behauptet, im Gegenteil, aber ich bleibe bei solchen Jagden auch nicht immer unverletzt...“ Kai hob sein Shirt ein Stück hoch und zeigte mir eine ziemlich tiefe Schnittwunde an der Hüfte, die aber schon einige Tage alt sein musste. „...und weiß eben auch, wie so was sich anfühlt und was des so für Folgen hat.“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er setzte sich wieder neben mich. „Ich geh nur noch mal nachsehen, wie Marc das nun geregelt hat. Bin gleich wieder da.“ Damit stand er auf und verschwand nach draußen. Ich schloss die Augen. So jemanden wie Kai musste man erst einmal kennen lernen... Irgendwie fühlte ich mich wohl, wenn er da war. Es hatte bereits begonnen zu dämmern und im Zelt herrschte Halbdunkel. Umso erstaunter war ich über die handgroße Elfe, die, gebadet in einem goldenen Schimmer, zum Zelteingang reingeflattert kam und sich auf meiner Decke

 

 niederließ. Sie sah ziemlich zerzaust aus und ließ sich hinten über fallen. Ich war relativ überrascht über ihr Auftauchen, denn erstens begaben sich Elfen in den Schutz eines Baumes oder sonstigem, sobald es dunkel wurde und zweitens mieden sie Menschennähe. Gleichzeitig brauchten sie aber auch die Menschen, die an sie glaubten, um überhaupt leben zu können. Ich stupste sie mit dem Finger an. „Hey Kleine!“ Die Elfe öffnete ein Auge und starrte mich wie ein Krokodil mit dem einen Auge an. „Wer bist du denn?!“ Die Elfe setzte sich wieder auf und musterte mich. „Mit wem habe ich es hier zu tun?“ Gegenfragen gefielen mir zwar überhaupt nicht, aber diese kleinen Wesen zogen mich immer wieder in ihren Bann. Man schaffte es selten, sich mit einer Elfe unterhalten zu können, aber genauso selten kam es auch, dass eine Elfe einfach zu einem kam und sich auf noch auf der Bettdecke einfach so fallen ließ, noch dazu ohne jegliche Angst.

 

 „Mein Name ist Jess, und wie heißt du?“ Die Elfe öffnete jetzt erst auch das andere Auge. „Ich bin Twix und ehe du noch irgendwelche anderen Fragen stellst, ich bin wahrscheinlich die einzige Elfe noch im Umkreis von 50 Meilen...“ Was bitte sollte das jetzt heißen? Elfen waren Geschöpfe des Tages, die man so ziemlich überall finden konnte, wenn man nur wusste, wo man suchen sollte. Da Kai sowieso nicht, wie er versprochen hatte, sofort wiederkam, redete ich eine Weile mit dem kleinen Geschöpf. Überraschenderweise schien diese Elfe hier überhaupt nicht den Standartregeln zu gehorchen, denn sie war auch überraschend redselig. Ohne dass ich nachfragen konnte, begann sie auch schon ohne jegliche Unterbrechung zu erzählen. Einiges fand ich sehr interessant, wieder anderes interessierte mich herzlich wenig, zum Beispiel die Tatsache, dass sie Hunger hatte, was sie so ziemlich in jedem zweiten Satz wiederholte, ohne mich allerdings darauf

 

 eingehen zu lassen. Sie erzählte mir, dass in diesem Teil Märchenmonds Krieg ausgebrochen war, wobei sie mir das bereits nur unklar gehörte bestätigte. Außerdem war sie der Meinung, dass langsam aber sicher die Magie erlosch.  Deshalb war sie wahrscheinlich die einzige noch existierende Elfe im Umkreis. Wie bereits erwähnt, brauchen Elfen immer jemanden in ihrer Nähe der menschlich ist und auch an die kleinen Wesen glaubte. Aber nicht nur der Glauben zählte. Wenn irgendjemand etwas gegen Elfen hatte und sie nicht akzeptierte, kam das auf das selbe, wie wenn man nicht an Elfen glaubte. Ich war anscheinend die einzige gewesen, die sie hatte finden können, die noch an Elfen glaubte und sie auch akzeptierte. Die Menschen hörten angeblich auf, an magische Wesen zu glauben was mir nicht wirklich in den Kopf wollte. Dann kam das eigentlich interessante an der Sache. „Die Jugend kämpft gegen das Alter, und jeder will seine Welt

 

 durchsetzen. Kai kämpft mit einem Heer für eine neue Ordnung, Wolf mit seinem noch lange nicht so großen Heer für die Welt, wie sie früher war und der eine glaubt, den anderen nicht mehr zu benötigen. Aber woran sie gar nicht mehr denken, sind diese Wölfe. Die warten nur darauf, dass Jung und Alt sich gegenseitig umbringen, damit sie ihr Leben führen können ohne ständig gejagt zu werden.“ Schritte stoppten Twix’ Redefluss. „Jess?“ Der Zelteingang teilte ich. “Mit wem redest du da?” Kais Miene wurde ernst, und er warf einen regelrecht missbilligenden Blick auf die Elfe, die sich mit einem erschrockenen Piepsen in die Luft schraubte. „Du lebst doch auch noch! Hast du ein Glück, dass Insektenspray nicht zur Ausstattung eines Heeres gehört!“ Twix hatte noch nicht die Kraft, sich lange in der Luft zu halten und fiel auf die Bettdecke zurück. „T-Tu mir bitte nichts...“ Kai schüttelte bestimmt den Kopf, doch sein sarkastischer Unterton war kaum zu überhören.

 

 „Solange du auf der heimlichen Geliebten von Marc sitzt, die auch noch verletzt ist, werd ich dich schon nicht zu Brei verarbeiten!“ Ich glaubte, mich verhört zu haben. „Marcs was?“ Kai nickte finster. “Der Kerl will was von dir…Scheint zumindest so!” In seinen Augen blitzte es spöttisch. Ich wusste jetzt absolut nicht mehr, was ich sagen sollte. „Wie... wie kommst du jetzt darauf?“ Kai machte ein abfälliges Geräusch. „Das kann dir doch eigentlich ziemlich egal sein, oder? Auch wenn du im Moment im Mittelpunkt des Heeres stehst...“ Auch diese Antwort nahm mir meine Worte, doch Kai fuhr sowieso schon fort. „Irgendwer hat wohl verlauten lassen, dass ich mit dir zusammen wäre, und da ist Marc ausgerastet! Wenn Philipp und ein paar andere nicht gewesen wären, hätte der mich zu nem kleinen Häufchen Elend verarbeitet...“ Ich zog die Augenbrauen nach oben. Irgendetwas passte mir an der Sache nicht, schließlich war ich noch nicht einmal einen Tag hier und schon sollte ich

 

was am laufen haben? Außerdem sah Kai wirklich nicht so aus, als würde er sich von jemandem wie Marc runderneuern lassen. Kai grinste jetzt, wenn auch nicht so selbstsicher, wie er es vielleicht gern gehabt hätte. „Na ja, zumindest hätte er es versucht...“ Ich setzte mich endgültig auf und schwang die Beine aus dem Bett, doch Kai protestierte lautstark. „Oh nein, mein Fräulein! Du bleibst bitteschön noch liegen!“ Doch diesmal würde er es nicht schaffen, mich am Aufstehen zu hindern. Außerdem hatte er doch schließlich selber vor ca. einer halben Stunde gemeint, ich könnte mittlerweile mich auf die Beine begeben, vorrausgesetzt ich kippte nicht wieder um, oder?! Und letzteres hatte ich wirklich nicht vor. Leichter Schwindel erfasste mich, als ich endlich auf den Beinen stand, doch nach ein paar Schritten ging es ganz gut. Kai kam sofort zu mir, um mir zu helfen, doch ich wies ihn von mir. „Geht schon! Danke!“ Aus den

 

Augenwinkeln bekam ich mit, wie Twix sich auf meine Schulter setzte und vergnügt mit den Beinen baumelte. Fast augenblicklich ging es mir viel besser. Irgendwie schien mir ihre Nähe gut zu tun und vielleicht war es ja auch der Elfenstaub, der angeblich eine heilende Wirkung haben sollte. Genauso schien es Twix zu gefallen, das sie jemanden gefunden hatte, der an sie glaubte und sie auch akzeptierte. Kai blieb verdutzt zurück, als ich mich auf den Weg zu Marcs Zelt machte. Dieses zu finden war gar nicht mal so schwer, ich brauchte nur dem Lärm zu folgen und ein paar Minuten später sah ich eine Gestalt aus einem der Zelte verschwinden und augenblicklich wurde es wieder still. Ich folgte der Person vorsichtig und in einigem Abstand, da ich zu Fuß noch nicht so schnell war. Twix schnatterte fröhlich vor sich hin, ahnungslos, wohin ich wollte. „Ich könnte mich natürlich auch zu Kai gesellen, der glaubt auch noch an Elfen, aber hört zunehmend auf, sie zu akzeptieren.

 

 und außerdem ist er derjenige, der meine Kumpanen, oder wenigstens einige davon, umgebracht hat. Na ja, er hat sie umbringen lassen, aber ich denke, das kommt auf das Selbe heraus. Zumindest ist das meine Meinung und ich...“ Ich hörte ihr schon gar nicht mehr zu, zumal sie immer mehr mit sich selber redete und sich für meine Antworten gar nicht mehr zu interessieren schien. Ich war außerdem mittlerweile an dem Zelt angekommen, in dem Marc verschwunden war. Es war nicht ganz so groß, wie das Zelt war, in dem Kai schlief und außerdem ziemlich abgelegen, aber es gab immerhin auch noch kleinere und abgelegenere Zelte. Mittlerweile war es schon ziemlich dunkel geworden und die meisten der Steppenreiter waren in ihren Zelten verschwunden, wo jetzt unzählige kleine Kerzenlichter aufflammten. Hier und dort sah man die eine oder andere schattenhafte Gestalt in ein anderes Zelt gehen, um mit seinen Kumpanen Skat zu spielen oder zu

 

 pokern und vor einigen Zelten saßen zwei oder drei der Krieger um ein paar Lagerfeuer und würfelten. Na ja, Krieger konnte man sie eigentlich nicht nennen, es waren viel mehr Jugendliche, die sich alle wie Krieger benahmen. Sogar einige Kinder hatte ich schon hier entdeckt. Mit immer größer werdendem Entsetzen hatte ich festgestellt, das hier kaum Einer älter war, als ich und Kai. Erwachsene bekam man hier überhaupt keine zu Gesicht. „Das liegt an dem Krieg, den sie gegen die Alten führen.“, klärte Twix mich auf. „Aber es würde mich mal interessieren, was du hier jetzt vor Marcs Zelt herumstehst und in der Weltgeschichte herum guckst und mir solche komischen Fragen stellst... “ Stimmte eigentlich! Da hatte sie Recht, ich hatte schließlich einen Grund, warum ich hier war. Ich wollte das mit Kai und mir bei Marc klar stellen. Schließlich lief da nichts und würde auch nie was laufen. Zumindest dachte ich das in diesem Moment. Ich schüttelte zu mir selbst

 

 

den Kopf. Okay, er war schon ganz niedlich, aber mehr war da wirklich nicht! Ich hatte ihn schließlich erst kennengelernt und wusste ja noch nicht einmal viel über ihn, geschweige denn, dass er mir einmal irgendetwas davon gesagt hatte, wie er mich findet... Wozu interessierte mich das überhaupt? Plötzlich kam

mir mein Vorhaben ziemlich absurd vor, denn ich hatte ja keine Ahnung, wie Marc reagieren würde. Immerhin kannte ich ihn noch weniger als ich Kai kannte. Twix flatterte jetzt vor mir her und sah mich fragend an. „Hey du! Lebst du überhaupt noch?“ Ich schreckte jetzt endgültig aus meinen Gedanken hoch. „Ja... Ja, ich lebe noch, wie du siehst!“ Marc musste uns gehört haben oder hatte mich vielleicht sowieso bemerkt, als ich ihm gefolgt war, jedenfalls stand er auf einmal vor mir. „Sieh mal einer an! Wen haben wir denn da?

 

 Die angeblich schwer Verletzte ohne Begleitung so spät am Abend an meinem Zelt?“ Sein Blick verfinsterte sich, als er Twix entdeckte. „Und noch dazu traut es sich diese Person mit einer Elfe vor meinem Zelt aufzutauchen, wo doch diese Viecher schon längst ausgerottet sein sollten...“ Ich wusste im ersten Augenblick wieder einmal nicht, was ich noch sagen sollte. Irgendwie war der Typ mir von Anfang an unsympathisch gewesen und wie er jetzt im Halbdunkel vor mir stand, war er fast ein wenig unheimlich. Twix flatterte erschrocken wieder auf meine Schulter. „Ich... ich wollte eigentlich mit dir reden, aber...“ Marc zuckte mit den Schultern. „Von mir aus, komm rein.“ Ich war über diese einladende Geste ziemlich überrascht, doch andererseits sollte es mir Recht sein, wenn er mich und Twix soweit in Ruhe ließ. Im Zelt war es ziemlich dunkel, doch ein paar Kerzen gaben gerade so viel Licht ab, wie man hier brauchte um wenigstens schemenhaft sehen zu können. Marc machte

 

 eine auffordernde Geste, dass ich mich ruhig setzen konnte. Konnte mir nur recht sein, denn langsam merkte ich, dass ich doch noch nicht so schwindelfrei war, wie es erst den Anschein gehabt hatte. „Soweit ich mich erinnern kann, wolltest du mit mir reden, oder?“ Marc blickte mich an. Ich nickte. „Ich nehme an, es geht um Kai, oder?“ Ich nickte erneut. Doch Marc schüttelte den Kopf. „Dann kannst du gleich wieder verschwinden! Da gibt es nichts zu reden!“ Doch so schnell würde ich mich nicht abschütteln lassen. Ich setzte mich auf das Bett. Twix hielt sich bei der plötzlichen Bewegung an meinen Haaren fest, doch ich ignorierte sie. „Zwischen Kai und mir läuft nichts, Marc!“ Marc zog eine Augenbraue hoch und sah mich missbilligend an. „Ach nein??? Vielleicht weißt du es ja auch nur noch nicht! Er hat dir erzählt, was passiert ist, nehme ich an...“ Ich nickte schon wieder. Was sollte ich auch anderes machen? Marc setzte sich neben mich. „Das war nicht beabsichtigt.

 

 Ich wollte das gar nicht, aber als Mike erwähnte, dass ihr zusammen in einem Zelt...“ Ich unterbrach ihn, darum bemüht, nicht irgendwie genervt zu klingen. Was durfte man hier eigentlich überhaupt, ohne sich sofort irgendwelchen Gerüchten auszusetzen? „Niemand, außer Kai logischerweise, macht dir einen Vorwurf. Und ich sage noch einmal, da läuft nichts!“ Marc stand wieder auf, stellte sich vor mich und funkelte mich plötzlich beinahe wütend an. Na der hatte vielleicht ein paar Stimmungswechsel! „Und was sagst du gerade mir das? Dir ist anscheinend noch gar nicht klar geworden, dass du nur ausgenutzt wirst! Kai braucht Verstärkung für sein Heer, ehe Wolf aufholt und da sind ihm jede Mittel recht! Ich find sowieso die ganze Organisation hier zum kotzen!“ Auch ich stand auf. „Wenn du so gegen den Aufbau dieses Heeres bist, warum bist du dann selbst noch hier drin?“ – „Wenn ich aussteige, dann gehöre ich zu den Neutralen! Jeder im Land hat den Befehl

 

 bekommen, sich entweder den Alten oder den Jungen anzuschließen, je nachdem, zu welcher Gruppe man gehört! Und wer sich weigert dem beizutreten, der wird wie alle anderen, die sich sträuben, umgebracht. Entweder von seinen Freunden und Geschwistern aus der eigenen Altersklasse oder vielleicht sogar von den eigenen Eltern! Außerdem bin ich nicht gegen das Heer an sich, sondern gegen den, der das Heer führt!“ Marc war immer lauter geworden und mittlerweile kam ich mir lächerlich vor, bei dem Versuch, mit Marc reden zu wollen. „Verdammt noch mal Marc, du bist da aber auch der einzige, der gegen Kai steht! Und wenn du dir sicher sein solltest, dass genau das Gegenteil der Fall ist, warum versuchst du nicht, einen Aufstand zu führen?!“ Marc lachte. „Ein Aufstand im eigenen Heer! Ha! Was glaubst du eigentlich, wie leicht das Leben ist?!“ – „Genauso leicht, wie man es sich nur selber macht!“ Marc packte mich unsanft an den

 

 

Schultern. „Kapiers doch endlich, Jessica! Kai hat die schwarze Garde hinter sich stehen und damit auch den Magier der zwei Berge! Glaubst du, da würde es sich jemand einfallen lassen, einen Aufstand zu führen?!“ – „Ganz Recht, Marc! Die schwarze Garde! Lass Jess los, oder du bekommst echte Probleme!“ Kai war im Zelt aufgetaucht und hinter ihm standen vier in schwarze Rüstungen gekleidete Gestalten. „Kai...“ Marc ließ mich erschrocken los, als zwei der Garde ihn festhielten. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Schnittwunde wieder aufgerissen war, als Marc mich festgehalten hatte. Jetzt machten sich auch die Schmerzen wieder breit. „Alles klar bei dir?“ Ich hörte Kais Stimme nur aus der Ferne, versuchte, tief durchzuatmen, um nicht wieder umzukippen und bewusstlos zu werden. Als die Schmerzen weniger wurden, nickte ich vorsichtig. Marc wurde gerade regelrecht abgeführt. Ich spürte eine

 

 

leichte Berührung an der Schulter, als Kai der Elfe bedeutete, sich wieder zu mir zu gesellen. „Wenn deine kleine Freundin hier nicht gewesen wäre, wärst du hier nicht heil rausgekommen...“

 

Irgendwie hatte Kai es an diesem Abend noch geschafft, mich wieder in sein Zelt zu schleppen. Allerdings wusste ich schon nicht mehr, wie. Genauso wenig wusste ich, was aus Marc geworden war. Jedenfalls war ich jetzt schon seit ein paar Wochen beim Heer und meine Wunde war auch ziemlich gut verheilt. Mit Kai kam ich besser zurecht, als bisher. Irgendwie fand ich wohl doch mehr an ihm, als ich bisher gedacht hatte. Aber irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. An diesem Morgen wachte ich eher als üblich auf. Die Sonne war

 

 gerade erst aufgegangen und Kai schlief noch. Twix kam aufgeregt ins Zelt geflattert. „Guten Morgen, ihr zwei Langschläfer! Ein neuer Tag hat schon lange begonnen, die Sonne lacht, und...“ – „Schhhhh!!!“ Ich deutete auf Kai, der sich gerade schimpfend auf die andere Seite drehte. Twix gab nur ein verächtliches Geräusch von sich und setzte sich herausfordernd auf sein Kopfkissen, wo sie ihn dann aus nächster Nähe betrachtete. „Twix, lass das! Er hat es sich verdient, auch einmal auszuschlafen!“ Doch Twix zeterte weiter. „Aber es gibt Neuigkeiten! Gute sowie schlechte und jetzt, da Marc erst mal aussetzen muss, haben die Leutz da draußen keinen mehr, dem sie diese Nachrichten überbringen können, damit der des an KAI weitertragen kann!“ Sie hatte das Wort Kai regelrecht geschrien und dieser öffnete jetzt langsam die Augen. Anscheinend schien er herzlich wenig von Twix’ Rede mitbekommen zu haben, denn ein erschrockener Schrei riss bestimmt an die

 

 Dutzend Nachbarn aus dem Schlaf. „Mein Gott!!! Kannst du nicht einmal auf deine blöde Elfe aufpassen?!“ Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Was hast du für einen Grund, so zu erschrecken???“ Kai setzte sich abrupt auf. „Wie würde es dir gefallen, wenn du deine Augen aufmachst und genau vor deinem Gesicht eine Elfe sitzt, sodass du die gleich zehn mal so groß siehst, als dass sie wirklich ist???!!!“ Auch Twix kicherte und flatterte auf meine Schulter. „Sir, Sie werden erwartet!“, zwitscherte sie in einem Ton, der Kai einen mordlüsternen Ausdruck auf das noch verschlafene Gesicht zauberte. Er streckte sich und ließ sich dann rückwärts wieder in sein Kissen fallen. „Jess? Könntest du das irgendwie mal in meinem Namen übernehmen???“ Ich nickte nur und Kai warf Twix einen triumphierenden Blick zu. Ich zog mich schnell um, wobei Kai mir anscheinend interessiert zusah und machte mich dann auf den Weg nach draußen..

Der Tag würde, so wie es bis jetzt aussah, wunderschön warm werden. Die Sonne schickte schon jetzt so viele warme Strahlen auf die Erde, wie sie nur entbehren konnte. Twix flatterte schimpfend hinter mir her, als ich mich auf den Weg zu den Lagertoren machte. „Lass dich von dem Kerl nur nicht rumkommandieren! Der glaubt sowieso, er sei etwas besseres, etwas höher gestelltes! Denkt, er kann alles machen, was er will...“ Wieder einmal musste ich Twix unterbrechen. „Na ja, eigentlich ist er ja auch etwas höher gestelltes, oder? Er ist schließlich nicht umsonst Heerführer!“ Twix erwiderte noch etwas, was ich nicht verstand und bestimmt auch nicht verstehen sollte, denn als ich nachfragte, gab sie mir keine Antwort mehr. Ich war mittlerweile bei Philipp und den anderen Leuten angekommen, welche die Gegend überwachten. „Geht’s unsrer Prinzessin besser?“, begrüßte mich Philipp, sichtlich froh, dass ich überhaupt noch lebte. Twix meldete sich. „Sie ist für Kai eingesprungen... Euer

 

 Heerführer ist zu faul, aufzustehen.“ Philipp sah die Elfe auf meiner Schulter verdutzt an. „Lass sie, Philipp! Ich weiß Bescheid über das Vieh.“ Kai war nun doch hinterhergekommen und das ohne, dass ich ihn bemerkt hatte. Twix anscheinend eben so wenig, denn sie begann wieder zu zetern, doch wir ignorierten sie einfach. „Was gibt es denn so wichtiges?“ Philipp deutete auf die Pferde, die in einiger Entfernung standen. „Am besten, ihr seht euch das selber mal an.“ Die Pferde waren gesattelt und mir wurde ein schwarzer Hengst zugeteilt, Kai nahm den Schimmel, während die anderen drei auf die normalen braunen Packpferde stiegen. Philipp führte uns auf einen kleinen Hügel, von wo aus man in alle Richtungen ziemlich weit sehen konnte. „Die gute Nachricht liegt da drüben!“ Philipp deutete auf die Silhouette einer ziemlich weitreichenden Stadt am Horizont. „Caivallon... Wenn wir durchreiten, dürften wir sie in reichlich zwei Tagen erreicht haben.“ Kai nickte kurz. „Und

 

 die schlechte?“ – „Um ehrlich zu sein, gibt es zwei schlechte Nachrichten...“ Er reichte Kai ein Fernglas, womit er hinüber in Richtung Caivallon sah. „Ach du sch...“ Kai reichte mir das Fernglas rüber und auch ich sah mir Caivallon etwas genauer an. Aus mehreren Stellen der Stadt quoll Rauch und hier und da sah man das Leuchten eines mächtig großen Brandes. „Anscheinend sind uns diese alten Dattelgreise doch zuvor gekommen, Kai...“ In Philipps Stimme lag die größte Verachtung, die ich je gehört hatte. „Sieht so aus... Wir bleiben die folgende Nacht noch hier, das kann ausgerichtet werden!“ Einer der anderen beiden Steppenreiter machte sich auf den Rückweg. „Bist du dir da auch sicher?“ Kai nickte bestimmt. „Was zu Teufel wollen wir in einer niedergebrannten Stadt, in der garantiert noch haufenweise Spione rumlauern?“ Philipp zuckte mit den Schultern. „Da ist allerdings noch etwas...“ Er deutete nach Westen, wo sich nur ödes Grasland mit ein paar Felsen

 

 ausstreckte. Ich überflog mit dem Fernglas die Landschaft bis zu dem Punkt, auf den Philipps Finger zeigte. In Mitten einiger Felsen befand sich ein ziemlich großes Loch. Ich wusste nichts so richtig damit anzufangen. „Ui toll! Und was ist das jetz bitte?“ Kai wollte das Fernglas haben. Ich gab es ihm. Auch er zog im ersten Moment nur die Augenbrauen hoch, doch dann verfinsterte sich sein Blick. „Eine Skullhöhle...“ Philipp nickte. „Bist du dir sicher, dass wir diese Nacht noch hier bleiben?“ Kai nickte. „Ich glaube, ein Skull kann uns noch lange nicht so viel anhaben, wie Wolfs Heer...“ Twix hatte sich inzwischen wieder beruhigt, doch jetzt fing sie erneut an mit zetern. „Ihr wisst doch gar nicht, von was ihr redet! Niemand, der einen Skull je gesehen hat, konnte davon berichten! Aber ich kann euch sagen, ihr wisst absolut nicht, auf was ihr euch da einlasst! Das Vieh hat ein gefundenes Fressen bei euch, wo ihr doch alle etwas gegen alles habt, was magisch ist! Die Skull waren vor

 

 euch hier, noch lange Zeit, bevor ihr überhaupt dieses Land betreten habt! Lange, bevor es uns Elfen und Einhörner und das ganze Zeug gab. Uns haben die Skull in Ruhe gelassen, weil sie regelrecht allergisch gegen alles magische sind. Doch euch wollten sie schon von Anfang an weg von diesem Ort hier haben! Ihr gehört nicht hierher! Und ihr solltet lieber weiterziehen, es sei denn, es ist euch lieber, in alle Stücke zerkleinert zu werden!“ Kai dachte eine Weile über Twix’ Worte nach und schüttelte dann den Kopf. „Wolfs Heer wird uns genauso niedermachen, wenn nicht sogar noch schlimmer! Außerdem haben wir ja ein magisches Wesen in unserer Nähe, welches wir dem Skull zum Fraß vorwerfen können, damit er verschwindet!“ Philipp grinste, während Twix weiterhin lauthals schimpfend davon flatterte und Kai sein Pferd langsam wieder den Hügel hinabführte. „Ich hab noch gar nicht gewusst, dass sich in so unmittelbarer

 

 

Nähe von Caivallon eine Skullhöhle befindet...“

An diesem Abend lag ich noch ziemlich lange wach und dachte über die Ereignisse des vergangenen Tages nach. Twix hatte es sich in meiner Hemdtasche gemütlich gemacht, nachdem sie erst sehr spät zurückgekehrt war und schnarchte jetzt lautstark. Kai war noch bei Philipp zum Karten spielen geblieben. Erst hatte ich auch mitgespielt, aber so langsam kam ich bei den Spielregeln, die wahrscheinlich auch nur ausgedacht waren, nicht mehr mit. Also hatte ich mich in unser Zelt verkrochen. Es war bereits ziemlich dunkel und der Vollmond leuchtete vom Himmel. Die Nacht war eine der klarsten, die ich überhaupt schon einmal gesehen hatte. Gerne wäre ich noch eine Weile an der Pferdekoppel geblieben, aber so wirklich hatte ich keine Lust allein in  einer Vollmondnacht da draußen herumzustehen. Sicher, ich hätte mich auch zu

 

 den Wachen gesellen können, aber wahrscheinlich hätte Kai mich dann gesucht, wenn er ins Zelt kam und irgendwie beunruhigte mich auch das Wissen, dass in unmittelbarer Nähe sich eine Skullhöhle befand. Ich hatte mit Twix noch einmal darüber geredet, doch es war auch nicht mehr dabei herausgekommen als bei dem Gespräch mit Kai und Philipp. Anscheinend hatte noch keiner wirklich herausfinden wollen, was ein Skull wirklich war und auch ich legte keinen großen Wert darauf, nachdem Twix mir erzählt hatte, dass sogar schon einige Menschen ums Leben gekommen waren, die hinterrücks von einem Skull angefallen worden waren. Also hatte ich mich lieber in mein Bett eingepackt und versuchte, zu schlafen. Doch der Gedanke daran, dass Kai noch nicht da war, hielt mich wach. Schließlich hörte ich, wie sich der Zelteingang öffnete und Kai kam. „Schläfst du schon?“ Ich drehte mich auf die andere Seite. „Noch nicht!“ Kai kam an mein Feldbett. „Gehst

 

 du noch einmal mit zur Pferdekoppel? Ein paar Pferde sind über den Zaun und grasen jetzt gemütlich außen herum alles ab.“ Ich stand auf. „Bin schon unterwegs!“ Das war wenigstens eine Gelegenheit, noch einmal an die frische Luft zu kommen. Nebeneinander gingen wir zur Koppel. Drei der Pferde standen wahrhaftig außerhalb der Koppel und eines davon war der schwarze Hengst, mit dem ich am Tage auf den Hügel geritten war. Freudig schnaubend kam er mir entgegen und machte Anstalten, seinen Kopf an meiner Schulter zu reiben. Diesen Gedanken verwarf er jedoch wieder, als er bemerkte, dass ich ein Bündel Karotten in der Hand hielt, die wir zum Einfangen der Pferde mitgebracht hatten. Ich lockte ihn damit wieder auf die Koppel. Kai trieb die anderen beiden Pferde ein. Wir saßen dann noch eine ganze Weile auf dem Zaun, der die Koppel eingrenzte und unterhielten uns. Schließlich machten wir uns wieder auf den Weg zum Zelt. „Warte mal!“ Kai hielt mich am

 

 Arm fest. „Komm mal mit, ich will dir was zeigen!“ Wir passierten die Lagerwachen, die uns einen fragenden Blick hinterher warfen, doch wegen Kais Anwesenheit es vorzogen, nichts zu sagen, und verließen somit das schützende Lager. Kai führte mich in die Richtung, die wir am Tag gegangen waren, als wir auf den Hügel geritten waren, machte dann jedoch einen scharfen Knick nach links und ging einen kleinen Bach entlang. „Kai, wo willst du hin? Du weißt genau, dass hier in der Nähe eine Skullhöhle ist!“ Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, einfach kehrt zu machen und ins schützende Lager zurück zu kehren, doch Kai gab keine Antwort. Er ging einfach nur weiter. Der Mond schob sich durch die Wolken und erhellte die Steppenlandschaft vor uns. Es ging jetzt immer steiler bergauf und schließlich waren wir an einem ziemlich großen Felsen angekommen. Kai half mir beim Hinaufklettern. „Jetz pass auf...“ Als ich

 

 ich letztendlich  oben stand, verschlug es mir fast die Sprache. Die Wolken hatten sich jetzt vollkommen verzogen und der Mond beschien die endlos vor uns liegende Steppe. Ich sah Graslandschaft, Hügel, unter uns der im Mondlicht glitzernde Bach und etwas weiter enternt die Lichter unseres Lagers. Ich setzte mich auf den Felsen. „Wow!“ Kai setzte sich neben mich. Der Stein war moosbewachsen und somit nicht einmal wirklich hart. Man hätte ohne Bedenken darauf ein bequemes Nickerchen halten können. „Schön, nicht?“ Kais Stimme war dicht neben mir. Ich nickte nur lautlos. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich direkt vor dem Felsen ein kleiner See angestaut hatte, in dem sich der Mond spiegelte. Irgendwie hatte ich Herzklopfen. „Warum zeigst du gerade mir das?!“ Kai zuckte mit den Schultern. „Ich war letzte Nacht hier, zufällig. Ich hab nachdenken müssen und diesen Felsen hier gefunden...Außerdem, wem soll ichs sonst zeigen? Ich glaub, Philipp

interessiert das hier herzlich wenig!“ Na das war mir ja eine Erklärung! Wir sahen uns an. Ich zuckte leicht zusammen, als ich die Berührung an meinem Arm spürte. Ich blickte Kai fragend an. Unsere Blicke begegneten sich. Diese blauen Augen... „Jess, ich... Ich wollte dir da mal etwas sagen und das schon seit ganzen Weile,  aber nachdem das mit Marc war...“ Ich weiß nicht mehr, wie es passieren konnte, nur eins weiß ich: Es hätte nie passieren dürfen! Kai kam näher und plötzlich spürte ich seine Lippen auf meinen. Ein unglaubliches Gefühl der Wärme und Geborgenheit überkam mich und ich schloss die Augen. Jetzt erst wurde mir alles Vergangene bewusst. Was war wohl aus Amely geworden? Hatte Kai nicht irgendwann einmal gesagt, dass sie auch einmal zum Heer gehört hatte? Wo war sie jetzt? Gehörte sie zu diesen Wölfen? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Eigentlich war ich ja hier, um Amely zu finden, was tat ich überhaupt noch in diesem verflixten Heer? Ich war doch jetzt

 

 

gesund, oder? All diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, während Kai mich küsste. Aber auch andere, schönere Gedanken. Die Gedanken daran, dass ich auf keinen Fall mehr dahin zurück musste, wo sich sowieso niemand mehr um mich kümmerte, weil alle ganz andere Probleme hatten. Sicher konnte ich ohne jegliche Probleme hier im Heer bleiben und bei Kai war ich sicher gut aufgehoben, darauf konnte ich mich verlassen. Aber war es überhaupt gut, mit ihm zusammen zu sein? Ich hatte doch gesehen, wie Marc reagiert hatte, oder? Schon wieder schlugen meine Gedanken ins Negative um, ohne, dass ich es überhaupt wollte. Außerdem fragte ich mich, ob dieser sinnlose Kampf gegen die Alten überhaupt sein musste, oder ob das alles nur Dinge waren, um sich selber zu behaupten... Vorsichtig schob ich Kai von mir. Er sah mich fragend an. „Kai... Ich glaube, es wird Zeit, ins Zelt zurück zu

 

 

gehen...“ Kai schüttelte den Kopf. „Dafür haben wir noch viel Zeit...“ Er wollte mich wieder küssen, aber ich wich aus. „Jess?“ Ich stand auf. „Ich geh jetzt jedenfalls zum Zelt zurück!” Doch Kai hielt mich zurück...

 

Als ich aufwachte, wusste ich nicht wirklich, wie spät es war. Ich schätzte, noch ziemlich früh, denn es war noch stockdunkel. Ich vermochte auch nicht zu sagen, wann ich dann doch ins Zelt zurück gegangen war. Kai war mir in einigem Abstand gefolgt. Insgesamt hoffte ich, dass er in Zukunft etwas mehr Abstand zu mir hielt, wenigstens so lange, bis ich in mein Denken wieder eine akzeptable Ordnung gebracht hatte. Meine Gedanken an das Vergangene wurden abgelenkt. Durch was war ich eigentlich wach geworden? Draußen herrschte absolute Ruhe, und der Vollmond

 

 schien ins offene Zelt herein. Offenes Zelt? Ich blickte zu Kais Bett. Seine Decke lag zerknüllt am Fußende seines Bettes. Kai selber war nicht da. Keinesfalls wollte ich irgendjemanden aus den Nachbarzelten wecken, nur weil ich nichts besseres zu tun hatte, als mitten in der Nacht draußen herum zu laufen, anstatt zu schlafen  Draußen war es trotz des Mondes noch ziemlich dunkel, ich sah kaum meine eigene Hand vor Augen, zumal ich noch an das fahle Licht der Zeltfackel gewöhnt war. Doch allmählich sah ich auch in der Dunkelheit etwas. Und erst jetzt gewährte ich in einiger Entfernung die mittelgroße Gruppe von Steppenreitern, die sich leise der Pferdekoppel näherten, wo schon andere standen. Es war zwar nur ein kleiner Teil, ein sehr kleiner im Vergleich zum restlichen Heer, vielleicht ein paar Dutzend Leute, jedoch beunruhigten sie mich. Dazu kam noch die Tatsache, dass Kai zu dieser Zeit nicht schlief. Außerdem war da in mir noch ein anderes Gefühl, was ich nicht

 

 wirklich beschreiben konnte, ganz einfach weil ich mich nicht daran erinnern konnte, dieses schon einmal gefühlt zu haben... Etwas weiter vorn entdeckte ich Kai, der ebenfalls an der Koppel stand. Zögernd aber doch bestimmt setzte ich mich in Bewegung. Philipp kam auf mich zu. Er machte ein besorgtes Gesicht. „Verdammt noch mal, was ist denn hier los?“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Irgendetwas stimmt hier draußen nicht, die Pferde sind total unruhig und unsere Lagerwachen sind auch weg! Ein paar Waffen liegen noch vor den Toren, aber die sind total zerstört. Kai hat Beratung angestellt, aber er wollte dich nicht wecken, falls du jetzt fragst, warum du nichts davon weißt!“ Ich seufzte, nickte nur und setzte meinen Weg in Richtung Kai fort. Er hatte mich bereits entdeckt, blieb aber stehen und sah mir nur entgegen. Er schien nicht sonderlich gut drauf zu sein. „Ich hatte gehofft, du schläfst weiter, aber ich war wohl doch etwas zu laut...“ Doch ich schüttelte nur den Kopf.

 

 „Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du das Zelt überhaupt verlassen hast. Ich bin eher aufgewacht durch... ein Gefühl...“ Kai nickte. „Das sind wir alle... Sieh dir die Reaktionen der Pferde an!“ Ich schaute auf die Koppel. Die Pferde hatten sich allesamt in einer Ecke zusammengedrängt, die mehr in der Mitte des Lagers lag und sogar mein schwarzer Hengst hatte sich der Gruppe beigefügt, obwohl er sonst lieber sein eigenes Ding machte. „Als ob sie sich im Schutze des Lagers sicherer fühlen würden, als weiter draußen...“ Kai nickte nur und ich folgte ihm vorsichtig zu den Pferden. Ich stellte fest, dass sich keines der Tiere anfassen ließ und alle nach draußen starrten. Artax, ich hatte mehr oder minder soeben beschlossen, den Hengst nach dem Heldenpferd in einer dieser Fantasygeschichten zu benennen, kam angstvoll wiehernd auf mich zu. Allein der Anblick des schwarzen Hengstes ließ mein Herz noch schneller schlagen und Kai musste

 

 es genauso ergehen, denn er zuckte regelrecht zusammen. Jeder Muskel des Tieres war angespannt. Seine Ohren waren angstvoll zurückgelegt und es hatte die Augen so weit aufgerissen, dass man fast nur noch das weiße sehen konnte. Ich setzte meinen Blick in die Ferne, wo fast alle hinsahen. Die Dunkelheit war so vollkommen, dass das schwarze Fell von Artax regelrecht damit zu verschmelzen schien. Und trotzdem bildete ich mir einen Moment ein, in der Ferne eine Bewegung zu erkennen. Ich spürte die Anwesenheit von etwas so unglaublich Altem und Anderem, dass mich schon seine bloße Nähe erschaudern ließ.          Ich blickte konzentriert in die Dunkelheit hinter dem Palisadenzaun und noch immer war mir, als bewege sich dort draußen etwas, was ich weder sehen noch hören, aber dafür umso deutlicher fühlen konnte. Es war, als würde die Dunkelheit näher kriechen. Und offensichtlich erging es nicht nur mir so. Auch die ganze Gruppe Steppenreiter und Kai

 

 blickten mit wachsender Nervosität in die Nacht hinaus. Ihre Bewegungen waren fahrig und es war nicht einer unter ihnen, der nicht angespannt oder verkrampft wirkte. „Verdammt, was zum...“ Kai riss die Augen auf. Ich spürte es eine Sekunde, bevor es wirklich geschah. Etwas kam. Schnell... Die Dunkelheit explodierte regelrecht. Etwas Riesiges, Bleiches tauchte lautlos aus der Nacht auf, zerschmetterte die Palisade und schleuderte die jugendlichen Verteidiger in alle Richtungen. Ein Chor gellender Schreie wurde laut, aber nur für weniger als eine halbe Sekunde, dann wurde es von einem ungeheuerlichen Brüllen und Kreischen verschluckt, das die gigantische Kreatur ausstieß. Fürchterliche Klauen schnappten. Riesige starre Augen glotzten auf der Suche nach Beute. Zähne wie Messer blitzten in der Nacht. Die Stämme der hastig errichteten Palisade zerbrachen wie Streichhölzer. Waren die Jungen und Mädchen des Kinderheeres im ersten Moment noch

 

 durch den bloßen Anblick des Ungeheuers vor Schreck wie erstarrt gewesen, so setzte nun eine allgemeine panische Flucht ein. Auch ich wurde in der Menge mitgerissen, ob ich wollte oder auch nicht. Ich brauchte plötzlich alle meine Kraft, um nicht zu Boden geschleudert und womöglich zu Tode getrampelt zu werden. Trotzdem versuchte ich, das tobende Ungeheuer weiterhin im Auge zu behalten. Obwohl die Kreatur nur wenige Schritte vor mir emporragte und zusätzlich vom Licht Dutzender Fackeln hell erleuchtet wurde, konnte ich sie trotzdem nicht richtig erkennen. Ich hatte nur einen vagen Eindruck von etwas Gewaltigem, Bleichem, das viel zu viele Glieder, Stacheln und Scheren, Panzerplatten, Klauen und Zähne hatte, aber etwas in mir schien sich immer noch zu weigern, es richtig zu erkennen. Ich hätte das Ungetüm nicht beschreiben können, nicht einmal jetzt, als ich es direkt ansah. Die Kreatur stampfte brüllend weiter in das Lager hinein. Sie hatte eine

 

 Bresche in die Palisade geschlagen, die breit genug war, ein halbes Dutzend Reiter nebeneinander hindurchzulassen. Unter ihren riesigen Füßen explodierten Lagerfeuer in Funkenschauern, Zelte wurden niedergetrampelt, von dem peitschenden Schwanz davon gewirbelt oder gerieten in Brand, wenn sie von fliegenden Funken oder brennendem Holz getroffen wurden. Eine riesige Klaue zerschmetterte einen Teil der Pferdekoppel, worauf die Tiere, die bei Anblick des Ungeheuers ohnehin schon in Panik geraten waren, ausbrachen und das allgemeine Chaos noch vergrößerten. Obwohl seit dem Auftauchen des Ungeheuers erst wenige Augenblicke vergangen waren, befand sich praktisch das gesamte Heer in Panik und die Bestie hatte bereits eine Spur der Verwüstung durch das Lager gezogen. Ich wagte es nicht, die Anzahl der Opfer auszumalen, die der Angriff bereits gekostet hatte. Nicht alle Jungen und Mädchen flohen

 

 allerdings vor dem Ungeheuer. Niemand wagte ihm zu nahe zu kommen, aber schon flogen die ersten Speere und Pfeile in seine Richtung. Ein gutes Dutzend älterer Jungen hatte sich in die Sättel geschwungen und sprengte mit angelegten Lanzen auf die Kreatur los. Nicht ein  Einziger vermochte die knochenweißen Panzerplatten zu durchdringen. Die Speerspitzen zerbrachen nutzlos an dem bleichen Bein, und die Reiter, die nicht schon durch den Anprall zu Boden gestürzt waren, wurden von einem wütendem Hieb aus den Satteln gefegt. Die meisten von ihnen richteten sich hastig auf und krochen oder humpelten davon, aber zwei oder drei blieben auch liegen und rührten sich nicht mehr. Ich erkannte entsetzt, dass auch Kai unter ihnen war. Der junge Steppenreiter war bei Bewusstsein, aber benommen. Er versuchte sich auf Hände und Knie hochzustemmen, fiel zurück und versuchte es erneut, aber er war viel zu langsam und schien

 

Schwierigkeiten zu haben, sich zu orientieren. Das Ungeheuer raste heran. Unter seinen Schritten bebte die Erde, die fürchterlichen Fänge blitzten. Kai hatte nicht die geringste Chance, ihm zu entkommen. Ich rannte los ohne zu überlegen, bemerkte eigentlich nur im Unterbewusstsein, wie Philipp hinter mir noch versuchte, mich zurück zu rufen, doch während alles um mich herum vor dem heranstürmenden Ungeheuer floh, setzte ich mich ohne zu zögern in Bewegung und rannte los, direkt auf Kai zu – und damit auch auf die Kreatur! Twix, die überraschenderweise auf einmal wieder auf meiner Schulter hockte, kreischte entsetzt und jagte auf schwingenden Flügeln senkrecht nach oben und ich fegte mit wahren Riesensätzen direkt auf Kai zu. Im buchstäblich allerletzten Moment erreichte ich ihn, griff im Rennen nach seiner Schulter und riss ihn einfach mit in die Höhe. Kai war noch immer benommen und begriff anscheinend gar nicht so recht, wie ihm geschah. Trotzdem

 

 reagierte er ganz instinktiv richtig: Er sprang in die Höhe, machte einen ungeschickten, stolpernden Schritt um sein Gleichgewicht wieder zu finden und fiel wie durch ein Wunder in einen immer schneller werdenden gleichmäßigen Trab. Ich drehte im Laufen den Kopf und wünschte mir augenblicklich, es nicht getan zu haben. Das Ungeheuer raste heran. So schnell wie ein Güterzug und auch nicht viel kleiner. Die gewaltigen Kieferzangen schnappten gierig und ich begriff allmählich voller Entsetzen, dass das Monster auf seinen zahlreichen Beinen schneller lief, als Kai und ich! Unser Vorsprung wuchs nicht, sondern er wurde kleiner!!! Ich versuchte noch schneller zu rennen, kam aber aus dem Tritt, als Kai hinter mir ins Stolpern kam. Verzweifelt kämpfte ich um mein Gleichgewicht, ruderte wild mit den Armen und kippte schließlich doch nach vorne. Als ich wieder halbwegs Herr meiner Sinne war, war das Ungeheuer über uns. Kai kreischte vor Entsetzen, als ein riesiges Maul

 

 nach ihm schnappte und sich wie eine stählerne Stange um seine Hüften schloss. Mühelos riss das Ungetüm Kai in die Höhe. Kais Schreie wurden zu einem Keuchen und verstummten schließlich ganz, als der Druck der Scheren so weit zunahm, dass er keine Luft mehr bekam. Ich sprang auf die Füße und griff nach meinem Schwert, was ich in letzter Zeit so gut wie immer an meinem Gürtel trug. Mit aller Gewalt schlug ich zu, Funken sprühten, als die Klinge gegen den stahlharten Panzer des Ungeheuers prallte. Ich taumelte zurück. Das Schwert vibrierte so heftig in meinen Händen, dass ich Mühe hatte, es fest zu halten. Ich hatte das Gefühl, gegen massives Eisen und nicht gegen etwas lebendiges geschlagen zu haben. Trotzdem schien das Ungeheuer den Hieb gespürt zu haben, denn es ließ Kai aus beachtlicher Höhe fallen und wirbelte mit einem zischenden Laut zu mir herum. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie es einen seiner krallenbewährten Füße auf Kais Brustkorb

 

 setzte und ihn mit gnadenloser Kraft zu Boden drückte. Aber mir blieb keine Zeit, Kai abermals zu Hilfe zu eilen, denn nun war ich selbst in Gefahr. Mit meinem Schwerthieb hatte ich es endgültig geschafft, die Aufmerksamkeit des Ungeheuers auf mich zu ziehen. Ich schwang meine Waffe zu einem weiteren Hieb, der sein Ziel jedoch nie traf. Der gewaltige Schädel des Ungeheuers stieß mit einer schlangengleichen Bewegung auf mich herab. Die Scheren schnappten zu, bissen die Schwertklinge ohne die geringste Mühe dicht über dm Griff ab und schleuderte mich gleichzeitig zu Boden. Ich versuchte, vor der Kreatur davon zu kriechen, aber der riesige Schädel zuckte weiter vor und dicht vor meinem Gesicht klafften Kiefer auseinander, die mit mehr als fingerdicken, nadelspitzen Zähnen besetzt waren. Ich fühlte mich plötzlich dem Blick gigantischer, gnadenloser Insektenaugen ausgesetzt, der mich zu lähmen schien. Ein Gefühl unwirklicher, eisiger Kälte

 

 breitete sich in mir aus, als reichte allein der Blick der Kreatur aus, alles Leben und jede Menschlichkeit in meiner Seele zum Erlöschen zu bringen. Langsam senkten sich die Kiefer weiter auf mich herab. Ich schlug und trat mit aller Kraft, die ich hatte, nach dem Unterkiefer der Bestie. Aus allen Richtungen senkten sich Pfeile und Speere auf den Koloss, die mit einem Geräusch wie harte Hagelkörner von seinem Panzer abprallten. Nichts von alledem vermochte die Bewegung der Bestie auch nur zu verlangsamen. Dann, plötzlich, erschien ein blasser goldener Schimmer in den Augen des Giganten. Das Ungeheuer erstarrte mitten in der Bewegung, schien zu zögern, als wäre es verwirrt, erschrocken. Der goldene Schimmer nahm weiter zu und wurde zum Wiederschein eins geflügelten, kaum handgroßen Wesens, das sich in engen Spiralen direkt auf mich zu bewegte! „Twix!!!“ Die Elfe piepste vor Angst und Panik, schoss aber trotzdem weiter auf mich zu und landete zielsicher auf meiner

 

 Hand. Zitternd vor Angst richtete sie sich auf, streckte dem Ungeheuer die winzigen Ärmchen entgegen und schlug wild mit den Flügeln. „Hau ab du Scheusal!“, piepste sie. „Mach bloß, dass du wegkommst! Verpiss dich!“ Der Gigant zögerte tatsächlich. Ich bezweifelte, dass die Kreatur Twix’ Worte überhaupt hörte, geschweige denn, sie verstand, aber mir fiel etwas anderes auf. Die Elfe schlug noch immer wie wild mit den Flügeln. Goldner Staub wirbelte hoch und die Berührung des Staubes schien der Kreatur sehr unangenehm zu sein. Sie zitterte, bewegte den Kopf unruhig hin und her – und nieste plötzlich laut und herzhaft! Und wieder reagierte ich ohne nachzudenken. Ich stemmte mich hoch, umschloss Twix behutsam mit der rechten Hand und reckte dem Ungeheuer den ausgestreckten Arm entgegen. Die Kreatur nieste jetzt noch heftiger, warf den Kopf zurück und fuhr sich mit hektischen Bewegungen mit den Vorderläufen durch das Gesicht. Sie nieste jetzt

 

 ununterbrochen. Ich sprang in die Höhe, stieß dem Geschöpf die Elfe beinahe ins Gesicht und registrierte befriedigt, wie sich die Geräusche des unheimlichen Wesens zu einer Mischung aus Niesen, Husten und qualvollem Würgen steigerten. Das Ungeheuer bäumte sich auf. Es bekam offensichtlich kaum noch Luft, und Twix, die wohl endlich auch begriffen hatte, was geschah, schlug immer heftiger mit den Flügeln und überschüttete das Wesen geradezu mit Elfenstaub. Die Laute, die das Ungeheuer ausstieß, klangen jetzt eindeutig qualvoll.  Plötzlich fuhr es herum, stieß ein ungeheuerliches Brüllen aus und ergriff mit wirbelnden Beinen die Flucht. Ich rannte ihm drei, vier Schritte hinterher und blieb dann wieder stehen. Ich zitterte am ganzen Leib. Mein Atem ging so schnell, dass es pfeifende Geräusche von sich gab und mein Herz hämmerte, als wollte es jeden Moment zerspringen. Auch Twix schien sich völlig verausgabt zu haben.

 

 Die Elfe brach auf meiner Handfläche zusammen und wäre zu Boden gestürzt, hätte ich nicht im letzten Moment mit der anderen Hand zugegriffen. Behutsam schob ich sie wieder in meine Hemdtasche, wo sie ja ohnehin die meiste Zeit verbrachte. Erst dann fiel mir die Stille auf. Das Ungeheuer war fort. Als ich den Blick hob, sah ich es gerade taumelnd in der riesigen Lücke de Palisadenzauns verschwinden. Das Prasseln zahlreicher Feuer war zu hören und das Wiehern und Schnauben verängstigter Pferde. Davon abgesehen jedoch war es fast unheimlich still. Ich blickte mich um. Viele der jungen Krieger hatten sich daran gemacht, den Platz nach Überlebenden abzusuchen und erste Hilfe zu leisten, aber der größere Teil des Heeres war mit etwas anderem beschäftigt. Kai und ich waren von jungen Kriegern und Kriegerinnen umringt. Sie hielten einen respektvollen Abstand ein, als wagten sie es selbst jetzt noch nicht auch nur den Platz zu

 

 betreten, an dem das Ungeheuer gestanden hatte, und alle starrten uns an. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern schwankte zwischen Unglaube, Faszination und Bewunderung. Allerdings sah ich auch eine kleinere Gruppe, die uns eher misstrauisch betrachteten. Das alles interessierte mich aber eigentlich herzlich wenig. Ich drehte mich halb um. „Kai?“ Der junge Steppenreiter saß auf dem Boden. Er war kreideblass. Seine Kleider waren zerrissen und Blut lief von der Schläfe aus über sein Gesicht. Ich kniete mich neben ihn. „Kai?“, wiederholte ich noch einmal. Er hob den Blick. In seinen Augen spiegelte sich immer noch die Angst, aber der Schmerz überwog. Irgendwo hinter uns klatschte jemand in die Hände. Ich drehte mich um und blickte in Marcs spöttische Augen. „Jetzt bist du eine richtige Heldin, wie? Besonders für deinen kleinen Freund da! Bist du auch gehörig stolz darauf?!“ Er machte ein paar Schritte auf mich zu. „Sieht aus, als hättest du uns allen das Leben gerettet, vor

 

 allem unserem General! Aber bilde dir nur nicht zu viel darauf ein, du Held! Vielleicht war das ganze ja ein abgekartetes Spiel. Noch niemandem ist es gelungen, einen Skull zu besiegen.“ Das war also ein Skull gewesen... Erst jetzt machte es klick bei mir. „Ein Skull...?“ Marc nickte. „Jetzt spiel nicht die Unwissende“, sagte er feindselig. „Wenn ich so richtig darüber nachdenke, dann wird mir so einiges klar...“ Mir erging es nicht anders. Mit einem Mal fiel es mir wie Schuppen vor den Augen. Plötzlich war alles so einfach. Die Skullhöhle, die wir am Tag zuvor gesehen hatten, war nicht sehr weit weg, und was hatte Twix gesagt? Diese Viecher verabscheuen Magie... „Ich habe ein solches Wesen noch nie zuvor gesehen. Ich weiß noch nicht einmal, was ein Skull überhaupt ist.“ – „Niemand weiß das.“, knurrte Marc. „Bis jetzt jedenfalls...“ Er musterte mich und Kai weiterhin mit unverhohlenem Misstrauen, nun aber auch mit einer Spur von Zweifel. Offensichtlich überlegte er

 

 angestrengt, ob er uns vertrauen konnte oder nicht. „Wo kommen sie her?“ Ich hatte schon einmal versucht, auf all diese Fragen Antwort zu finden, aber Twix hatte mir da kaum eine Auskunft geben können. „Auch das weiß niemand.“, antwortete Marc. „Sie tauchen manchmal auf. Und fast immer in Landstrichen, in denen es nur sehr wenige Menschen gibt. Sie zerstören alles Menschenwerk: Häuser, Straßen, ganze Städte. Sie verwüsten Felder, reißen Brücken und Wehre nieder und schleifen ganze Festungen. Ist das getan, dann verschwinden sie so spurlos wieder, wie sie aufgetaucht sind.“ Ich hatte mitbekommen, wie Kai hinter mir vorsichtig aufgestanden war. „Und das solltest du jetzt auch schleunigst tun, Marc! Du weißt genau, dass du in unserem Heer nichts mehr verloren hast!“ Doch Marc lachte nur. „Und was wirst du in deinem Zustand tun, wenn ich hier bleibe?“ Langsam kroch wieder die Angst in mir hoch, aber diesmal war es die Angst um Kai. Marc hatte

 

 

Recht. Kai würde in seinem Zustand nicht viel ausrichten können und die meisten der anderen Steppenreiter waren ebenfalls verletzt, oder mit erster Hilfe beschäftigt. Ich spürte die Bewegung mehr, als dass ich sie wirklich sah, wusste aber nicht, was Marc genau getan hatte. Das jedoch sollte ich in den folgenden Sekunden herausbekommen. Er machte einen Schritt auf mich zu und zog aus seinem Gürtel einen Dolch. Sofort stand Kai vor mir. „Verdammt, Marc! Lass sie in Ruhe, das hab ich dir schon einmal gesagt...“ Wieder lachte Marc nur. „Ich weiß schon lange, dass du gern mit ihr zusammen sein willst, aber wenn ich sie schon nicht bekomme, dann soll sie keiner haben...“ Marc machte wieder einen Schritt nach vorne und Kai baute sich vor mir auf. „Nur über meine Leiche...“ Marcs Grinsen auf dem Gesicht verschwand allmählich. „Kein Problem, Kai...“ Die nächste Bewegung kam für mich

 

 ebenso überraschend wie für Kai. Ich wollte ihn noch zurückreißen, doch die Klinge des Dolches hatte ihn vor mir erreicht. Einige der Steppenreiter versuchten, Marc zu schnappen, doch der verschwand in die Dunkelheit. Kai fiel...

Ich konnte ihn noch gerade so auffangen, damit er nicht mit dem Hinterkopf auch noch auf den harten Boden knallte. Philipp war ebenfalls sofort zur Stelle und zerrte mich von Kai weg. Ich wehrte mich gewaltig und schließlich gelang es mir, zu Kai zurückzukommen. Er hatte die Augen geöffnet, sein Blick war jedoch verschleiert und er starrte ins Leere. Sein Atem ging schnell und stockend und auf der dreckig weißen Kleidung des stolzen Steppenreiters bildete sich allmählich ein immer größer werdender roter Fleck. „Kai?!“ Ich ließ mich vor ihn fallen und lagerte seinen Kopf auf meinen Knien hoch. Einige der Steppenreiter liefen, um Verbandszeug zu holen.

 

 Ich merkte, wie Philipp sich neben mich kniete. Kai hatte mittlerweile seinen Blick auf mich gerichtet. In seinen Gesichtszügen war der Schmerz zu lesen. „Jess...“ Philipp wollte Kai bedeuten, dass er jetzt nicht so viel reden durfte, doch Kai schüttelte nur schwach den Kopf. „Jess... Es... Es tut mir leid...“ Philipp sah mich fragend an, als ob er dachte, Kai wäre verwirrt oder so, aber ich wusste sofort, dass er das meinte, was sich au dem Felsen abgespielt hatte. Tränen schossen mir in die Augen, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Das... Das muss es nicht, Kai, ich...“ Kai schüttelte wiederum nur den Kopf und fuhr mir mit einer Hand durch die Haare. „Hör auf mit weinen, Jess! Das... Das gehört sich für eine zukünftige Heerführerin nicht...“ Philipp sah mich triumphierend an und wechselte dann seinen Blick wieder zu Kai. „Pass auf sie auf, Philipp...“ Damit schloss Kai die Augen, seine Atemzüge entspannten sich, wurden ruhiger. Ich hörte

 

 Hufschlag, nahm aber alles um ich herum nur noch schemenhaft wahr. Philipp zog mich erneut weg und die Reiter nahmen Kai auf einer Trage hastig mit sich...

Als ich an diesem Morgen aufwachte, hoffte ich, dass das alles nur ein böser Traum gewesen war, doch ein Blick in das leere Feldbett mir gegenüber bestätigte diese Hoffnung nicht gerade. Sonne blendete mich, als der Zeltvorhang vorsichtig zur Seite geschoben wurde und Philipp leise ins Zelt kam. Irgendwie schienen die Leute hier immer mitzubekommen, wann der Zeitpunkt da war, an dem ich wach wurde...  „Alles in Ordnung bei dir?“ Ich nickte nur, war aber nicht einmal sicher, ob ich seine Frage richtig vernommen hatte. Die Erlebnisse der letzten Nacht kamen jetzt so langsam wieder in mir hoch und trotz, dass ich ziemlich tief geschlafen hatte, war ich immer noch nicht wirklich wach. Philipp setzte sich auf meine Bettkante. „Wo ist Kai...?“

 

 Philipp zuckte mit den Schultern. „Ein paar Neutrale aus Gorywynn waren auf Caivallon, nachdem der Angriff stattgefunden hatte, um den Verwundeten zu helfen. Sie haben letzte Nacht den Angriff des Skull mitbekommen und waren auf dem Weg zu uns, um uns zu helfen, aber sie kamen zu spät, haben Kai jedoch mit nach Gorywynn genommen, um ihn dort zu versorgen. Keine Sorge, er lebt noch, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie lange...“ Die Worte waren hart, aber ich sah ein, dass Philipp absolut Recht hatte. Er fuhr fort. „Wolf hat versucht, nach Caivallon auch Gorywynn anzugreifen, aber im Moment ist Wolfs Armee abgezogen, weil sie versucht haben, den Palast zu stürmen und von der Palastwache kurz und klein geschlagen wurden. Für einen Krieg sind die in den nächsten Tag jedenfalls nicht bereit. Und jetzt wartet das Heer auf deinen Befehl...“ Ich horchte auf. „Aber wieso auf meinen Befehl?“ Philipp lächelte. „Kai hat dir das Kommando übergeben, weißt du das

 

 noch?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Kann sein. Und was machst du, wenn ich es jetzt einfach an dich weitergebe?“ Philipp schüttelte jedoch den Kopf. „Die werden wohl oder übel kaum auf mich hören. Solange Kai noch lebt und du nur stellvertretend bist, hat eigentlich Kai noch das Kommando. Aber dich hat das Heer sowieso schon von Anfang an bevorzugt... Na ja, bis auf Marc und seine Clique, die übrigens noch immer auf freiem Fuß sind...“ Ich ließ mir Philipps Worte auf der Zunge zergehen und stellte fest, dass sie bei dem Gedanken daran, dass Kai vielleicht sterben würde, salzig schmeckten. „Das heißt, nur wenn ich voraussichtlich für längere Zeit ausfalle, dann kann ich erst dieses Kommando weitergeben?!“ Philipp nickte. „Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?“ – „Das ist wiederum dir überlassen. Entweder, du lässt das Heer auf offenem Gelände, damit sich die Verletzten richtig ausruhen können, oder du lässt sie bis nach Gorywynn ziehen, wo sie

 

 richtig versorgt werden können und am ehesten für den Kampf gegen Wolf und dergleichen wieder bereit sind. Allerdings hat beides seine Nachteile...“ Ich sah ihn fragend an. „Und was, wenn ich fragen darf, sind diese Nachteile?“ – „Wenn du hier bleibst, sind wir offenes Ziel für Wolf und den Skull, obwohl ich glaube, dass sich keiner von beiden so schnell hier wieder blicken lässt, und wenn du nach Gorywynn willst, kann es ein, dass die Palastwache ein Problem damit hat, geschweige denn, die neutralen Einwohner von Gorywynn uns überhaupt akzeptieren. Verständlich, wenn ein riesiges Heer die Stadt besetzen will.“ Das war mir einfach alles zu hoch, ich wusste nicht, ob ich wirklich Heerführer sein wollte, geschweige denn, ob ich das lange durchhalten würde. Ich überlegte eine Weile. „In der Mittagszeit brechen wir auf, seht also zu, dass ihr das Lager abgebaut bekommt...“ Philipp schien zufrieden zu sein. „Ich hätte genauso entschieden, obwohl die

 

 

Palastwache es uns nicht gerade einfach machen wird...“ Damit ging er aus dem Zelt, um die Nachricht weiter zu leiten. Ich musste grinsen. Wer sagte denn, dass wir in die Innenstadt wollten?

                                     .   .   .

 

Dieses Mal saß ich auf dem weißen Schimmel. Artax schien das nicht wirklich zu gefallen und ehrlich gesagt, war ich auch nicht besonders froh bei dem Gedanken, dass Philipp auf meinem Rappen reiten würde. Ich ritt mit Philipp an der Spitze. Er versuchte öfters, ein ordentliches Gespräch mit mir aufzunehmen, merkte dann aber schließlich, dass ich zu Gesprächen absolut nicht aufgelegt war. Mittlerweile fluchte Philipp immer mehr, weil Artax nur lustlos vor sich hin schlurfte und immer öfters aus dem Tritt kam, was zur Folge

 

 hatte, das auch Philipp mit der Zeit alle Knochen weh taten und er Mühe hatte sich überhaupt noch im Sattel zu halten.  Also tauschten wir Pferde. Artax taute unter mir regelrecht auf, aber auch dem weißen Schimmel schien es nicht wirklich zu gefallen, von Philipp geritten zu werden. „Halt die Zügel lockerer, Philipp! Die laufen von ganz alleine, wenn sie erst einmal merken, dass du ihnen vertraust...“ Philipp machte ein verächtliches Geräusch. „Vielleicht lasse ich mir von einem Mädchen noch vorschreiben, wie ich die Zügel zu halten habe... Mein Brauner macht auch keine Probleme...“ Ich musste lächeln, obwohl mir überhaupt nicht danach zu Mute war. „Du reitest ja auch nur auf einem Packpferd!“ Philipp sagte nichts, sondern versuchte, die Zügel wirklich lockerer zu halten, was ihm jedoch nur übertrieben gelang und das Pferd dazu veranlasste, stehen zu bleiben und Gras zu fressen. Ich schüttelte nur den Kopf, als er schließlich abstieg, um das Pferd nur am Zügel

 

 zu führen. Nach einer Stunde stieg er dann jedoch wieder auf, weil ihm die Füße wehtaten. Schließlich hatten wir die äußeren Schutzmauern Gorywynns erreicht. Ich hatte mich auf einen kleinen Hügel begeben, während Philipp verkündete, dass nur die, die denken, in den nächsten drei Tagen nicht wieder fit zu sein, mit reinkommen und die anderen im Schutz der Mauer und der Hügel das Lager aufrichten konnten. Ich überblickte das Heer. Mittlerweile waren alle zum Stehen gekommen und nur ungefähr ein Dutzend der jungen Krieger wurden auf Tragen an die Stadtmauer herangetragen. Der vordere Teil begann bereits, zwischen die innere und die äußere Stadtmauer umzusiedeln. Somit hatten wir Verteidigung drinnen und draußen einen ordentlichen Hinterhalt, falls Wolf und sein Heer doch eher als gedacht wieder kampfbereit sein sollte. Ich lenkte Artax von dem Hügel hinab und begab mich in den Trubel, mit dem das Lager wieder aufgebaut wurde. Einige der

 

 Zelte waren vom Angriff des Skull beschädigt. Doch das hielt sich die Waage mit den Steppenreitern, die bei dem Angriff umgekommen waren, und somit hatte jeder eine feste Bleibe. „Was machen wir jetzt?“ Philipp war neben mir aufgetaucht und blickte mich fragend an. Ich zuckte auch nur mit den Schultern. „Ich würde sagen, wir warten, bis alle wieder richtig kämpfen können. Was ihr hier draußen macht, ist mir eigentlich relativ egal, könnt ja auch später mal in die Stadt kommen und euch nach leerstehenden Häusern umsehen, wenn’s euch hier draußen zu kalt und ungemütlich wird. Ich jedenfalls werde mich jetzt erst einmal erkundigen, ob wir überhaupt in die Stadt herein dürfen und dann mal schauen, dass die Schwerverletzten ordentlich versorgt werden. Außerdem würde es mich wirklich interessieren, ob Kai noch lebt und wo sie ihn hingebracht haben, wenn du verstehst...“ Philipp nickte. „Sozusagen gibt’s jetzt ne längere Auszeit, oder?“ Mittlerweile

 

 hatte sich eine ganze Gruppe von Steppenreitern um uns angesammelt. Ich nickte. „Jedenfalls solange, bis Wolfs Heer wieder fit zum angreifen ist, oder bis Kai wieder da ist...“ Meine Stimme ging im allgemeinen Jubel unter und erst jetzt kam zum Ausdruck, dass das Heer diese kleine Auszeit unbedingt nötig hatte. Ich wollte nicht wirklich wissen, was Kai so alles mit den jungen Kriegern hatte anstellen wollen. Philipp nickte und begab sich in die jubelnde Menge um denen Platz zu machen, welche die Tragen trugen. Auch ich bahnte mir einen Weg durch die Massen und ging der inneren Stadtmauer entgegen, wo schon die Stadtwachen auf uns warteten und sichtlich verdutzt dreinblickten, was mich nicht verwunderte. Schließlich erlebt man es nicht alle Tage, dass ein Heer aus jugendlichen Steppenreitern Unterschlupf in einer neutralen Stadt sucht. Ein bewaffneter Mann trat mir entgegen. „Was wollt ihr?! Ihr wisst genau, dass wir nichts mit eurem Krieg zu tun haben

 

 wollen! Und wenn ihr hofft, euch mit Gewalt Eintritt in die Stadt zu verschaffen, dann hört euch nur mal um. Wolfs Heer hat nämlich genau das Gleiche versucht und wir haben...“ Ich schnitt ihm das Wort ab. „Wir sind in keiner bösen Absicht hier, das einzige, was wir suchen, ist Versorgung für unsere Verletzten. Außerdem ist unser Führer bei euch in Gorywynn...“ Ein zweiter mischte ich ein. „Lass gut sein, Harro. Sie werden erwartet. Auch wenn da vor unseren Mauern ein ganzes Heer wartet, weißt du genau, dass du ihnen die Bitte um Hilfe sowieso nicht abschlagen kannst. Sie sind in der Nacht von einem Skull überfallen worden, der hier in der Nähe eine Höhle hat...“ Harro sah mich prüfend an. „Und wie war das? Euer Führer ist bei uns? Wenn der bei uns ist, wer bist du dann bitte schön, dass du dich erdreistest, Einlass und Hilfe für ein ganzes Heer zu verlangen?“ Jetzt mischte sich auch Philipp ein, der hinter mir aufgetaucht war. „Spuck mal keine großen Töne, Alter, wenn du

 

 von Krieg und so sowieso nichts verstehst, weil du zu den Neutralen gehörst... Immerhin ist Jess von Kai als Nachfolgerin beauftragt worden und will nun lediglich an ihren Freund heran, um sich zu vergewissern, dass er bei euch Trotteln auch gut aufgehoben ist...“ Das wurde mir zu viel. „Verdammt Philipp! Kannst du nicht einmal deine Klappe halten? Wenn du denkst, das Heer auf Kais brutale Art und Weise weiterzuführen, warum übernimmst du nicht gleich das Kommando?“ – „Weil es gegen die Vorschriften verstoßen würde! Und wenn du denkst, du kannst als momentane Führerin erreichen, dass wir hier ohne Gewalt reinkommen, dann hast du dich gewaltig geschnitten!!! Diese Leute hier wollen mit uns keine Freundschaft und dergleichen, sie wollen ihre Ruhe...“ Auf Harros Gesicht hatte sich ein Grinsen breit gemacht, welches Philipp noch wütender machte. „Was zum Teufel grinst du so?!“ Harro grinste nur noch breiter und machte eine kurze bedeutende Handbewegung.

 

 „Weil deine Freundin genau das erreicht hat, was du dir nie zu träumen gewagt hast und dieser Kai bestimmt ebenfalls nicht!“ Philipp Augen wurden groß, als sich vor uns die Stadttore öffneten. Während wir die Wachen passierten, warf Philipp Harro noch einen unfreundlichen Blick zu. „Jess ist Kais Freundin und nicht meine!!!“ Doch das entlockte Harro wiederum nur ein Grinsen. „Kommt doch alles auf das selbe!“ Wir wurden schon erwartet, denn hinter den inneren Mauern standen zahlreiche Leute mit Verbandszeug und dergleichen. Einige stürmten jubelnd an uns vorbei nach draußen. Anscheinend waren zahlreiche Leute in unserem Heer, deren Eltern und Verwandte in Gorywynn wohnten. Ich sah mich um. Die Stadt wirkte leer, verlassen. Das sonst so glänzende Straßenpflaster der gläsernen Stadt war matt geworden und man hörte kaum einen Laut. Sonst hatte man immer aufpassen müssen, nicht von irgendwelchen spielenden Kindern umgerannt zu werden,

 

 aber jetzt... Philipp schien der Anblick der verlassenen Stadt nicht weiter zu berühren. Er half lieber, die Verletzten mit in die Häuser zu transportieren. Ein Mann kam mir entgegen. „Jessica? Sie werden im Palast erwartet.“ Ich nickte und betrachtete mir die Dächer des Palastes, der alle Häuser überragte. Anscheinend war der Verfall dort noch nicht so fortgeschritten, was darauf zurückzuführen war, dass der Palast noch bewohnt war.

 Einige Minuten später stand ich alleine vor den gewaltigen Schutzmauern des Palastes. Anscheinend hatte Wolfs Heer wirklich versucht, mit aller Gewalt hier einzudringen, denn die Mauern sahen beschädigt aus und das Tor schien nicht mehr richtig zu schließen. Ein goldener Schimmer schwebte mir entgegen und landete auf meiner Schulter. „Auf was wartest du noch?“, piepste Twix. „Auf schönes Wetter?“ Ich sparte mir den Kommentar, dass schon längst wieder schönes Wetter war und

 

 setzte mich in Bewegung. Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken herab, als ich das Tor durchschritt und daran dachte, dass Kai wahrscheinlich gar nicht mehr am Leben war, oder noch in Lebensgefahr schwebte. Twix sah mich besorgt von der Seite her an. „Alles in Ordnung mit dir, Jessy?“ Ich nickte nur, gab aber keine eindeutige Antwort, da in diesem Moment jemand vor mir über den Hof geschritten kam und genau auf mich zusteuerte. Für einen normalen Manschen war er ziemlich groß und ich stellte fest, dass das nur Gorg, der Riese sein konnte. Von ihm hatten viele Leute erzählt, unter anderem, dass er die Verteidigungsgruppe des Palastes anführte und der engste Vertraute von Themistokles, dem mächtigsten Zauberer Märchenmonds war. Auch, dass er keine Gnade gegenüber Eindringlingen zeigte und im Moment fühlte ich mich als ein solcher. Gorg schien das genauso zu sehen, denn er steuerte weiterhin mit großen Schritten auf mich zu.

 

 Vorsichtshalber blieb ich stehen. Schon von weitem fing er an, lautstark zu gestikulieren. „Mach bloß, dass du hier raus kommst! Wir haben euch schon so oft gesagt, dass wir mit eurem verdammten Krieg nichts zu tun haben wollen, und es reicht schon, wenn eure Leute ganz Gorywynn besetzen! Aber an den Palast kommt ihr nicht noch ran, das verspreche ich euch!!! Und wenn du denkst, du hast trotzdem ein Recht, bewaffnet hier reinzukommen, dann würde ich dieses Recht gerne mal erfahren!!!“ Mittlerweile hatte er sich drohend vor mir aufgebaut. Ich wusste erst überhaupt nicht, was ich sagen sollte. „Ich... ich möchte mit Themistokles reden...“ Doch Gorg unterbrach mich. „Der ist beschäftigt, hat besseres zu tun, als sich mit einer Möchtegernkriegerin zu unterhalten, verstanden? Und jetzt raus hier!!!“ Als ich mich nicht von der Stelle rührte, machte Gorg einen drohenden Schritt auf mich zu und versuchte, mich in seine großen Hände zu bekommen, wahrscheinlich, um mich unsanft

 

 aus dem Palasthof zu transportieren. Doch noch bevor er mich auch nur berühren konnte, erfasste ihn eine plötzliche Windböe und schleuderte ihn auf die Seite. Sofort war der Wind vorbei und noch während ich mich wunderte, dass ich stehen geblieben war, gab Gorg einen tiefen Seufzer von ich und blickte in Richtung Palast. Auch meine Augen folgten seinem Blick. Über den Hof kam ein Junge gesprintet. Ungefähr in meinem Alter, nur etwas kleiner als ich und so spindeldürr, dass ich glaubte, er würde bei noch so einer Windböe einfach in der Mitte durchbrechen... Na ja, vielleicht nicht ganz so, aber er sah schon fast aus, wie ein Magersüchtiger. Dazu hatte er knallrote Haare, die ihm in alle Richtungen vom Kopf abstanden. Je näher er uns kam, desto langsamer wurde sein Schritt, bis er schließlich bei uns angekommen war. Vorwurfsvoll sah er Gorg an. „Gorg! Was machst du da?!“ In Gorgs Gesicht stand noch immer die Wut. „Sag bloß, dir ist es auch noch

 

 recht, wenn immer mehr von diesen dummen Möchtegernkriegern in den Palast kommen?! Das ist jetzt schon die zweite, die hier rein darf, ohne dass ich überhaupt gefragt werde, und wenn das im Laufe der Zeit so weiter geht, dann...“ Der Junge unterbrach ihn mit einer abfälligen Handbewegung. „Ach, lass es einfach sein, ja? Wenn sie nicht hier reindürfte, hätte die Palastwache sie schon aufgehalten!!!“ Er wandte sich mir zu, während Gorg ein verdutztes Geicht machte. „Komm, Jessica, du wirst von mehreren Personen erwartet!!!“ Ich bin übrigen Sturm... und der Riesentölpel da ist Gorg...“ Sturm gab mir die Hand, und Gorg richtete sich langsam auf, um sich dann bei mir zu entschuldigen. „Ich erfahre immer alles zuletzt! Gestern hieß es noch, das Heer kommt zwar heute, aber Ihr trefft im Palast erst morgen ein...“ Sturm grinste. „Wenn du immer nur mit Essen und dergleichen beschäftigt bist, dann brauchst du dich nicht wundern, wenn du nichts mitbekommst! Außerdem war von

 

 morgigem Eintreffen noch nie die Rede!!!“ Gorg senkte den Kopf, um sich Sturm genauer zu betrachten. „Wenn du nicht kleiner wärst als ich, und mich danach dann keiner als Feigling bezeichnen würde, dann würde ich dich jetzt...“ Doch Sturm hörte schon gar nicht mehr hin, sondern hatte sich bereits wieder auf den Weg zum Palast gemacht und bedeutete mir, ihm zu folgen. Das tat ich demzufolge auch. Gorg zog in die andere Richtung von dannen, anscheinend um nachzusehen, ob das Heer auch die Stadt ganz ließ. Sturm führte mich in den Palast. Wir gingen durch zahlreiche Gänge, nahmen noch zahlreichere Treppen. Ich glaube, ich hätte dort ohne einen Führer nie herausgefunden. Schließlich hielt Sturm an einer engen Wendeltreppe und wartete auf mich. „Ich würde dir raten, jetzt leise zu sein, denn wenn Themistokles in einer seiner Arbeiten steckt, dann können wir ihn sowieso erst heute Abend noch einmal stören...“ Ich nickte. Als wäre ich bis jetzt laut gewesen!

 

 Sturm begann den Aufstieg die Wendeltreppe hinauf und hielt oben vor einer kleinen Tür, an der er vorsichtshalber anklopfte, jedoch nicht lange auf eine Antwort wartete, sondern sofort die Klinke hinunterdrückte. In dem Raum, der hoffnungslos mit allen möglichen Arten von Büchern zugestopft war, roch es leicht übertrieben nach Räucherstäbchen. „Themistokles?“ Sturm schaute sich suchend um. Hinter einem riesigen Stapel von Büchern kam ein alter, weißbärtiger Mann in einem langen Umhang hervor. Sein Blick war tadelnd auf Sturm gerichtet. „Wenn du schon einmal daran denkst, anzuklopfen, dann warte wenigstens auf eine Antwort von mir! Du kommst nämlich gerade wieder einmal im unpassendsten Augenblick...“ Sturm senkte einen Blick auf seine Zehenspitzen. „Tut mir leid, aber...“ Ihm fielen keine Worte zur Verteidigung ein, also deutete er auffordernd auf mich. Themistokles jedoch schien das nicht zu interessieren. „Was hat sie damit zu tun? Du

 

 kennst die Regeln im Palast, sie nicht, also kann sie ja nun wirklich nichts dafür!“ Eine Weile herrschte Ruhe, dann nickte Sturm still, sah mich noch einen Augenblick lang mit einem nicht zu deutenden Blick an und verschwand dann wieder nach draußen. Themistokles wartete, bis er die Tür leise hinter sich geschlossen hatte und wandte sich dann mir zu. „Jessica.. Wir haben auf dich gewartet... Ich hab da erst mal etwas für dich sozusagen als Geschenk dafür, dass du den Weg hierher gefunden hast.“ Er bedeutete mir, ihm zu folgen und wollte mich gerade hinter eines der vielen Bücherregale führen, als es erneut klopfte. Gorg kam herein und auch er hatte auf kein Herein gewartet. Themistokles sparte es sich diesmal, eine Predigt zu halten und verschwand nur kopfschüttelnd hinter dem Regal. Ich folgte ihm und auch Gorg kam uns hinterher. Themistokles nahm ein Einmachglas aus dem Regal, in dem sich ein kleines Wesen befand, was unaufhörlich gegen die

 

 Glaswände schlug und anscheinend aus dem Glas wollte. Gorg brummte unmissverständlich. „Schade... Sie hätte eine perfekte Lampe abgegeben...“ Themistokles hatte derweil den Schraubverschluss geöffnet und erst, als die Elfe auf schimpfend auf mich zugeflogen kam, wurde mir richtig bewusst, dass es Twix war, die ich vor den Toren das letzte Mal gesehen hatte. „Elfen leuchten nicht, du großer Tölpel!!!“ Twix’ Zeterein bei allem, was ihr nicht in die Tüte passte, hatten mir seit geraumer Zeit regelrecht gefehlt. Gorg grinste sie nur an. „Na ja... Wenn man sie anzündet, dann leuchten sie sogar sehr gut... Und Wärme geben sie auch noch ab...“ Twix verstummte sofort. Themistokles schüttelte nur den Kopf und ich zog es ebenfalls vor, am besten gar nichts mehr zu sagen. Allerdings wurde der Riese mir immer sympathischer. Twix verkroch sich nun beleidigt in meine Hemdtasche und als Themistokles ihr mit seinem Blick folgte, schien er erst meine Kleidung richtig zur Kenntnis zu

 

 nehmen und sich zu besinnen, was ich überhaupt hier wollte. Er wollte gerade etwas sagen, als es schon wieder klopfte. Derjenige wartete jedoch diesmal auf ein Herein, und auch dann schob Sturm nur vorsichtig die Tür auf und spähte in den Raum. Themistokles’ Gesicht umspielte ein amüsiertes Lächeln, als er Gorgs Geicht sah, der anscheinend noch gar nicht begriffen hatte, warum Sturm auf einmal anklopfte. Sturm betrat das Zimmer und trat leise hinter mich. Anscheinend wollte er nicht noch einmal in irgendeiner Weise stören. Es herrschte Stille. Irgendwie war auf einmal jeder mit den Gedanken an einem anderen Ort. Außer Twix, die schon wieder aus meiner Hemdtasche hervorlugte und das Geschehen beobachten wollte. Als jedoch niemand etwas sagte, verkroch sie sich wieder und eine Sekunde später kam sie dann ganz aus der Tasche. „Was ist denn nun? Wie ich mitbekommen habe, wollte hier ein jeder irgendetwas sagen?!“ Sturm senkte den Blick.

 

 „Ist ja okay... Ich hab ja schon verstanden... Ich geh ja schon...“ Doch Themistokles hielt ihn fest. „Warte. Du kannst Jess ihr Zimmer zeigen, falls sie vorhaben sollte, hier zubleiben. Wir werden alles beim Abendessen besprechen...“ Bei dem Wort Abendessen kam der Gedanke an das Heer vor den Toren in mir wieder hoch. Themistokles hatte meinen Blick aus dem Fenster gesehen und nickte. „Keine Sorge... die da draußen  sind gut versorgt!“ Sturm bedeutete mir, ihm zu folgen. Auch Themistokles und Gorg kamen mit uns, doch am Ende der Treppe, die zu Themistokles’ Kammer führte, trennten sich unsere Wege. Ich versuchte, mir den Weg so gut wie möglich zu merken, um später auch von meinem Zimmer aus wieder zurück zu finden, hatte aber wenig Hoffnungen. Sturm führte mich erneut eine Treppe hinauf, die der vorigen so ziemlich ähnlich sah. Allerdings war sie länger. Schließlich standen wir vor einer Holztür, die ebenfalls genauso aussah, wie die von

 

 Themistokles’ Arbeitszimmer. Allerdings war das Zimmer dahinter viel größer und es zweigten noch einige andere Türen ab. Sturm blieb in der Tür stehen und verabschiedete sich wenig später. „Zum Abendessen wirst du geholt... Nicht, dass du dich hier noch verläufst, die Gänge haben nämlich manchmal die Lust, sich zu verschieben...“ Und mit einem Grinsen auf dem Gesicht verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Twix lugte wieder aus meiner Hemdtasche hervor. „Wow! Na, wenigstens haben sie dir ein ordentlicheres Zimmer zugewiesen als mir vor ein paar Stunden...“ Ich lächelte nur und sah mich dann erst einmal gründlich um, während Twix bereits ein Kissen entdeckt hatte, welches auf dem Sofa lag und auf dem Elfen aufgestickt worden waren. Außer dem Sofa standen hier noch ein Flügel, der allerdings nicht so aussah, als wäre er in der letzten Zeit oft benutzt worden, ein Kamin und eine Schrankwand, die mit allen möglichen Figuren zugestellt war und in der

 

 sich außerdem zahlreiche Bücher befanden, die allesamt aussahen, als hätte noch so ziemlich niemand sie auch nur angefasst. Ich ging zur nächstgelegenen Tür, die zum Badezimmer führte, was zwar klein war, aber immerhin alles das beinhaltete, was eben in einem Badezimmer benötigt wurde. Besonders gefiel mir der riesige Spiegel, welcher fast die ganze rechte Wand einnahm. Die zweite Tür beherbergte hinter sich ein kleines Schlafzimmer mit einem Kleiderschrank mit frischen Kleidern und einem regelrechten Himmelbett... Wie schön würde es sein, wieder in einem richtigen Bett und nicht auf einem so harten Feldbett wie im Lager zu schlafen... Von Schlaf- und Wohnzimmer aus hatte ich durch einige Fenster einen ziemlich guten Blick in den Hof und über den größten Teil Gorywynns. Kurz gesagt, ich war mehr als zufrieden mit meiner vorrübergehenden Unterkunft. Twix schien der gleichen Ansichten zu sein, obwohl sie sich noch nicht einmal in den restlichen

 

 Zimmern umgesehen hatte. Sie lag auf dem Sofakissen, hatte sich es richtig gemütlich gemacht, und schlief schon wieder seelenruhig. Ich huschte zuerst einmal gründlich unter der Dusche hindurch und zog mir frische Sachen an, die auch noch wie angegossen passten. Dann saß ich die restliche Zeit ebenfalls auf dem Sofa und las eines der vielen Bücher, was zwar nicht gerade das interessanteste war, mich aber immerhin vor dem einschlafen bewahrte.

Eine geraume Weile später saß ich mit Sturm unten im großen Saal, wo eine ziemlich lange Tafel aufgebaut worden war und soeben das Abendessen aufgetischt wurde. Doch auf das eigentliche Abendessen will ich nicht so genau drauf eingehen. Die Dienerschaft räumte später den Tisch bis auf einen gewaltigen Obstteller ganz ab und wir blieben noch eine Weile sitzen, bis sich die anderen Palastbewohner und einige Wachen verzogen hatten und schließlich

 

 nur noch Sturm, Gorg, Themistokles, Twix, ich und eine riesige sprechende Spinne am Tisch zurückgeblieben waren. Diese Art von Spinnen war mir relativ bekannt, da sie am ganzen Land verbreitet waren, doch dass diese sprechen konnte... Sturm beugte sich zu mir herüber. „Diese Spinnen können alle sprechen, nur halten die meisten uns Menschen für dumm und ziehen es lieber vor, gar nichts zu sagen...“ Anscheinend hatte er meinen verwunderten Blick gesehen. Ich beobachtete das fußballgroße Insekt mit den acht langen Beinen eine Weile, doch allmählich wurde es mir langweilig, zumal dieses Vieh nur einige noch da stehende Speisen begrapschte und diese dann meist mit einem lauten Seufzer wieder auf den jeweiligen Teller fallen ließ. Mir war das egal, solange sie den Obstteller in Ruhe ließ, doch Gorg schien nicht so sehr davon begeistert zu sein, denn er schaute ebenfalls der Spinne bei ihrem Tun und Lassen zu. Auf seinem Gesicht lag ein angeekelter Ausdruck,

 

 über den auch Themistokles schmunzelte. Doch schließlich ergriff er das Wort. Weder die Spinne noch Gorg schien das zu beeindrucken und nach einem mahnenden Blick Themistokles’ auf Gorg, der diesen nicht einmal registrierte zuckte Themistokles dann doch nur mit den Schultern. „Jessica... Ich nehme an, du hast ziemlich viele Fragen nach all dem, was passiert ist und ich nehme an, wir können dir nicht auf alle eine erfreuliche Antwort geben...“ Meine Gedanken waren bei diesem Satz sofort wieder bei Kai, doch ich zügelte mich noch ein wenig, denn Themistokles sprach weiter. „Ich würde vorschlagen, damit nicht alles so durcheinander geht, erzählst du uns am besten all deine Erlebnisse und stellst die Fragen dann an der jeweiligen Stelle, wo der Grund für diese Fragen auftaucht...“ Ich zuckte die Schultern und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Ich fürchte, das wird mir im Moment so spontan nicht möglich sein... Ich habe sehr viele

 

 Fragen, das stimmt, doch im Moment habe ich nur zwei davon im Kopf und diese sind mir ziemlich wichtig...“ Themistokles blickte zu Sturm und der nickte. „Ich würde sagen, sie erzählt trotzdem erst einmal alles, was sie erlebt hat...“ Jetzt nickte auch Themistokles und obwohl mir das zwar nicht so wirklich in den Kram passte, da ich unbedingt wissen wollte, was mit Kai und Amely passiert war, begann ich eben zu erzählen. Während der ganzen Zeit, in der ich erzählte, herrschte absolute Ruhe und sogar die Spinne und Gorg hatten Ruhe gegeben. Themistokles stellte nur hin und wieder ein paar Zwischenfragen, die sich auf das Geschehene zurückbezogen, aber auch das kam ziemlich selten vor. Ich genoss diese Aufmerksamkeit. „Und jetzt würde ich bitte gerne wissen, was mit Amely und Kai passiert ist...“, schloss ich. Themistokles nickte bedächtig. „Ich hatte insgeheim gehofft, dass du gerade diese beiden Fragen nicht stellen würdest, denn gerade diese beiden sind es,

 

 auf die du keine besonders erfreulichen Antworten bekommen kannst, aber dennoch muss ich sie dir ja beantworten.“ Ich musste jetzt schon schwer schlucken, denn ich ahnte nach dieser Anrede absolut nichts Gutes. Themistokles schwieg und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, auf dem jetzt schon Trauer und Mitleid standen. Sturm übernahm die Antworten... „Um ehrlich zu sein gibt es eine schlechte und eine sehr schlechte Nachricht...“ Auch er schluckte und die Spinne vergoss ein paar Tränen, worauf sie von Gorg eine sanfte Ohrfeige bekam, weil diese Tränen spöttischer Herkunft waren. „Am besten, ich fange mit der sehr schlechten Nachricht an... Amely ist von einer der kleinen Gruppen der Steppenreiter tot im Wald aufgefunden worden, sie wollten es dir nur nicht sagen...“ Ich schluckte, enthielt mich aber jeden Kommentars, zumal ich sowieso nicht wirklich wusste, was ich sagen sollte. „Und was Kai betrifft... Er ist ziemlich schwer verletzt und... na ja... er liegt oben in

 

 einem der etwas abgelegenen Zimmer...“  Er stoppte. „Und???“ Diese Geheimnistuerei ging mir gegen den Strich. Themistokles ergriff wieder das Wort. „Er lebt, um eben diese Nachricht noch einmal in gut und schlecht unterteilen zu können, allerdings ist er nicht ansprechbar, was wohl demnächst auch so bleiben wird...“ Ich blickte den alten Mann fragend an. „Was soll das jetzt wieder heißen?“ Sturm wich meinem Blick aus und sogar Themistokles blickte kurz nach unten. „Wenn man es so will schläft er einfach nur, aber er kann nicht geweckt werden... Er schläft einfach weiter.“ Sturm blickte mich an. „Wenn er nicht bald wieder soweit ist, dass er wach wird und irgendetwas essen und trinken kann, dann keine Ahnung, wie lange er noch durchhält...“

An diesem Abend bin ich unter Tränen auf meinem Stuhl zusammengebrochen... Mittlerweile war nun schon ein Monat vergangen und Kai lag immer noch im Koma.

 

 Sein Zustand war unverändert geblieben, weder besser, noch schlechter. Mit der Spinne hatte ich mich mittlerweile ganz gut angefreundet, obwohl sie immer darauf aus war, eines Tages Twix als Mittagessen verspeisen zu können, doch Twix ließ sich von der Spinne nicht mehr provozieren. Der Einzige, der mit der Spinne noch immer nicht auf gut Kirschen essen war, war Gorg. Wir saßen gerade am Mittagstisch, als die Spinne sich genau über Gorgs Kopf von der Decke abseilte. Gorg schleuderte sie erschrocken mit der Hühnerkeule, die er eben in der Hand hatte, zur Seite, sodass sie in der großen Schüssel mit Pudding landete, aus der ich mir soeben etwas holen wollte. Ich konnte gerade noch zur Seite springen, ehe ich den ganzen Vanillepudding abbekam. Die Spinne tauchte zeternd wieder auf. „Mein schönes weißes Fell... Bekleckert... Auch noch mit solchem ekligen Vanillepudding... konntest du mich nicht wenigstens mal in was leckeres werfen???“

 

 Gorg starrte sie nur an. „Nichts gegen Vanillepudding, bitte!“, protestierte ich. Die Spinne registrierte das jedoch gar nicht, sondern fauchte Gorg beleidigt an, der grinsend wieder an seiner Keule knabberte. „Pfff... Vanillepudding... Was ich brauche, ist Fleisch!“ Gorg hielt ihr die Keule hin, doch die Spinne ging zurück, wobei sie den Pudding über den Tisch verteilte. „Bäh! Doch kein totes Hühnerfleisch...“ Die beiden stritten sich weiter über das, was am besten schmeckte, und was am besten auf den Kompost gehörte, wobei beide nun der unterschiedlichsten Meinungen waren. Ich setzte mich wieder neben Sturm. „Man kann sich nicht einmal in Ruhe Vanillepudding holen...“ Sturm blickte mich komisch an und grinste. „Kann es sein, dass du in letzter Zeit so ziemlich alles durcheinander futterst?“, fragte er scheinheilig. Themistokles nickte. „Sturm hat Recht, weißt du... Fisch und Vanillepudding... Gestern früh waren es Müsli mit Gurke und dann noch Ketchup... Irgendwie

 

 ist das nicht normal, oder?“ Ich schaute die beiden fragend an. „Worauf wollt ihr hinaus???“ Sturm grinste nur noch breiter, aber in seinen Augen stand längst nicht mehr diese Fröhlichkeit, die er gehabt hatte, sobald er mich auch nur sah... „Zwischendurch ist dir dann mal wieder ziemlich schlecht...“ Ich hätte gerne noch eine Antwort darauf gehabt, worauf die Beiden hinaus wollten, doch wir wurden durch Gorg und die Spinne abgelenkt. Gorg beugte sich gerade vor und langte nach einer Schale, in der ein halbes Dutzend gesalzener Fische lagen. Er war jedoch nicht schnell genug. Die Spinne hatte den Fisch im selben Moment entdeckt wie er, schoss in einem Satz vor und griff mit vier Beinen gleichzeitig danach. Gorg grunzte ärgerlich und nahm die zweite Hand zu Hilfe um sich den Fisch zu angeln, aber offensichtlich hatte er die Kräfte der Spinne unterschätzt. Sie stemmte sich mit den beiden hinteren Beinpaaren gegen den Tisch und zerrte und zog mit den beiden anderen. Keiner

 

 der Beiden war jedoch stark genug um sich seine Beute zu sichern. „Wie geht es eigentlich Kai?“, fragte Sturm, anscheinend nur, um von dem vorigen Thema abzulenken. „Genauso wie immer...“ Gorg stand nun auf und spannte seine Muskeln an um der Spinne den Fisch zu entreißen, schaffte es aber nicht. „Wie ist er überhaupt hierher gekommen?“, fragte ich. Sturm zuckte mit den Schultern. „So genau weiß ich das eigentlich auch nicht...“ Themistokles horchte jetzt auf. „Was soll das heißen, du weißt es nicht wirklich? Du hast ihn doch in Empfang genommen, oder???“ – „Schon, aber schließlich war es dunkel, und alles was ich gesehen habe, waren die Reiter, die ihn auf einer Trage transportierten und dann einfach im Hof ablegten, um sofort wieder zu verschwinden...“ Langsam ging mir ein Licht auf und Themistokles wollte anscheinend auch gerade etwas sagen, als Sturm grinsend auf Gorg deutete, der nun mittlerweile nur noch mit einer Hand an dem Fisch zerrte. Die andere

 

 benutzte er um sich an der Tischkante abzustützen und auf diese Weise mehr Kraft zu entwickeln. Die Spinne ihrerseits hatte ein paar Dutzend Fäden um die Tischkante gewickelt, mit denen sie sich sicherte. „Wenn das Wolfs Männer gewesen sein sollten, die Kai hierher gebracht haben, dann könnte das bedeuten, dass das alles schon von Anfang an geplant war, um uns aus der Reserve zu locken...“ Themistokles nickte bedächtig. „Das habe ich mir auch gerade gedacht.“ Sturm schüttelte nur den Kopf. „Ich verstehe jetzt so langsam gar nichts mehr, wisst ihr das?“ – „Wenn Wolfs Leute uns die ganze Zeit aus dem Hinterhalt beobachten könnten, dann hätte er gesehen, wie wir die Skullhöhle entdeckt haben, um den Skull uns auf den Hals zu hetzen, damit Kai ums Leben kommt und jemand nicht erfahrenes, der Kai am Nächsten steht, das Heer anführt. Jemand wie ich. Somit würden sie einen näher kommenden Krieg leicht gewinnen können. Nur eins passt da nicht

 

 rein... Marcs Auftritt, nachdem uns der Skull überfallen hat...“

„Lass endlich los, du achtbeiniges Scheusal!“, keuchte Gorg. „Der Fisch gehört mir!!!“ – „Wieso?“, keifte die Spinne. „Steht denn dein Name drauf???“

Themistokles blickte mich an. „Wer hat denn gesagt, dass Wolf es sich mit einem unerfahrenen Heerführer einfach machen will? Viel einfacher für ihn wäre es doch, wenn es da jemanden gäbe, der Kai auch ziemlich nahe steht, aber ein Verräter ist und das Heer davon abbringt, sich zu verteidigen, wie auch immer? Wenn du diejenige warst, durch die der Plan nun doch fehlgeschlagen ist? Wenn du eingeplant gewesen wärst, dann hätte Marc diesen Aufstand lassen können, denn durchdenk mal die ganze Geschichte ohne dich!!!“ Jetzt begriff auch Sturm, aber ich war ganz durcheinander. „Der Skull hätte euch angegriffen. Ohne dich wäre Twix nicht da

 

 gewesen und der Skull hätte hemmungslos das Lager vollends zerstören können. Somit wären sicherlich fast alle umgekommen und Marc hätte dann die Führung über den Rest des Heeres übernommen. Da er aber der Verräter ist, der eigentlich auf Wolfs Seite steht, wäre es Wolf ein leichtes gewesen, das restliche Heer zu vernichten, indem Marc die Leute in einen Hinterhalt lockt... Wenn du nicht dazwischengekommen wärest, dann hätte Marc nicht vorerst aufgegeben und außerdem hätte Wolfs Heer schon lange zugeschlagen...“ Das leuchtete jetzt auch mir ein. „Aber wer gibt uns Garantie, dass Marc wirklich aufgegeben hat?“

Ich hatte mir nicht mehr die Mühe gemacht, abzuwarten, wer den Kampf um den Fisch gewann, sondern war in mein Zimmer gegangen. Nicht um zu schlafen. Ich war viel zu aufgewühlt um auch nur ein Auge zuzubekommen und darüber hinaus auch noch

 

 nicht im geringsten müde. Aber ich brauchte einfach nur ein wenig Zeit für mich um zur Ruhe zu kommen und erst einmal meine Gedanken zu ordnen. Weder die Spinne noch Sturm oder sonst wer folgten mir, aber Twix saß wieder auf meiner Schulter. Sie war jedoch ungewohnt still. Sie sagte nichts. Selbst das goldene Leuchten ihrer Flügel schien blasser geworden zu sein.

Es musste lange nach Mitternacht sein, als ich wieder ans Fenster trat und auf die Stadt hinabsah. Viele der Lichter, die ich vor wenigen Stunden noch gesehen hatte, waren nun erloschen. Gorywynn lag fast vollkommen unter dunkel unter mir. Nirgendwo rührte sich etwas und man hörte so gut wie gar keinen Laut.

Aber das bedeutete nicht: gar keinen...

Ich hörte ein sachtes, metallisches Scharren und dazu ein Geräusch, als glitte Metall über etwas Hartes. Ich stützte mich auf der

 

 Fensterbank ab und beugte mich vor, um einen Blick in den Hof zu werfen. Irgendwo, sehr tief unter mir, schien sich etwas zu bewegen, aber ich konnte es nicht genau erkennen. Ich bat Twix loszufliegen, und nach dem Rechten zu schauen. Twix summte gehorsam davon und kam nach wenigen Augenblicken zurück, behauptete aber, nichts Außergewöhnliches entdeckt zu haben. Sie wirkte jedoch etwas ängstlich. Ich hakte nicht erst noch einmal nach, sondern verließ das Zimmer und lief die lange Treppe zum Erdgeschoss hinunter. Auf halber Strecke traf ich Gorg. Der Riese sah müde aus und ein wenig benommen, als wäre er jäh aus dem tiefsten Schlaf gerissen worden. „Du hast es auch gehört.“, begrüßte er mich. „Ja. Aber ich weiß nicht, was.“ – „Ich auch nicht.“, sagte Gorg. „Sehen wir nach! Bleib immer dicht hinter mir.“ Wir legten rasch die restliche Strecke zurück und erreichten die große, vollkommen leere Halle, wo wir wieder stehen blieben. Hier

 

 waren die Geräusche deutlicher zu hören. Es war ein unheimliches Schleifen und Scharren, nicht sehr laut, aber auf eine schwer in Worte zu fassende Art und Weise mächtig. Und es machte mir Angst. Ich konnte nicht genau sagen, warum, aber das Gefühl wurde mit jeder Sekunde stärker. „Was... ist das?“, fragte Gorg. Er hatte die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. Ich zuckte mit den Schultern, aber diese Bewegung war nicht ganz echt. Ich wusste die Antwort auf Gorgs Frage nicht, aber dieses unheimliche Gefühl, das mich beschlichen hatte, war mir auch nicht vollkommen fremd. Ich hatte schon einmal die Anwesenheit von etwas Fremden, etwas so unglaublich Altem und Anderem, dass einen schon seine bloße Nähe erschaudern ließ, gespürt. Ich wusste nur nicht mehr, wo ich es gespürt hatte. Noch langsamer gingen wir weiter. Das Geräusch kam von draußen und es wurde deutlicher mit jedem Scritt, den wir uns der Tür näherten. Mittlerweile war ein neuer, noch unheimlicherer

 

 Laut hinzugekommen, ein dumpfes Knirschen und Mahlen, das ich zwar nicht richtig einordnen konnte, aus dem meine Fantasie aber das Geräusch machte, mit dem gewaltige Zähne Felsen und Glas zermalmen mochten. Nur mit Mühe konnte ich diese Vorstellung abschütteln. „Unsinn“, murmelte ich. Gorg blieb stehen und sah mich fragend an, aber ich schüttelte nur rasch den Kopf. „Nichts“, sagte ich. „Ich hatte nur einen verrückten Gedanken.“ – „Das sind manchmal sogar die besten...“, entgegnete mir Gorg. Wir traten aus der Tür. Drinnen in der Halle hatten noch einige wenige Fackeln für Licht gesorgt; hier draußen schlug die Dunkelheit wie eine erstickende Woge über uns zusammen. Im ersten Moment hatte ich das Gefühl, kaum noch atmen zu können. Außerdem war ich so gut wie blind. Dann merkte ich eine Bewegung, irgendwo links von und auf der anderen Seite des Hofes. „Was zum Teufel-?“, keuchte Gorg. Ich bekam nun tatsächlich keine Luft mehr.

 

 Angst griff wie eine lähmende Klaue nach mir, und obwohl ich Gorg nicht genau sehen konnte, spürte ich doch, dass es dem Riesen ganz genauso erging. Es war keine Furcht vor irgendeiner körperlichen Bedrohung, nicht das eisige Frösteln, das pure Todesangst oder der Anblick eines überlegenen Gegners auslöst, sondern etwas viel schlimmeres: Angst. Nackte, reine Angst, die unsere Seelen erfüllte und die unsere Gedanken und Glieder lähmte; ein Gefühl, das keinen Grund und keine Erklärung nötig hatte, sondern einfach nur da war, mächtig und allumfassend. Dann sah ich, was Gorg so erschreckt hatte. Auf der anderen Seite des Hofes war ein Loch entstanden. Die pastellfarbenen Glasfliesen, mit denen der Hof gepflastert war, waren aufgebrochen. In der Mitte des an einen riesigen Maulwurfshügel erinnernden Loches schimmerte etwas Helles, Großes, fast ohne erkennbare Konturen. Die Angst, die mich gepackt hielt, steigerte sich durch den bloßen Anblick des fahlen Schattens

 

 nahezu zur Panik. Trotzdem bewegten sich Gorg und ich weiter auf das Loch im Boden zu, mit klopfendem Herzen und kleinen abgehackten Schritten, welche die Angst uns diktierte. Der Schemen bewegte sich weiter, schien für einen winzigen Moment beinahe zu einem Körper zu werden und verschwand dann eben so plötzlich, wie er aufgetaucht war. Im selben Moment verschwand auch der erstickende Druck, der sich auf unsere Seelen gelegt hatte. Ich atmete hörbar auf und beschleunigte dann, ebenso wie der Riese, meine Schritte. Nur einen Augenblick später standen Gorg und ich am Rande eines gut fünf Meter messendes, bodenlosen Lochs, aus dem eine Mischung aus Moder und dem Geruch frischem Erdreichs zu uns heraufdrang. Sicherlich eine Minute lang standen wir einfach nur da und starrten schweigend in die Tiefe. Dann murmelte Gorg: „Was um alles in der Welt war das?!“ Ich konnte nur mit den Schultern zucken. Wieder und wieder

 

 versuchte ich, den Schatten mir ins Gedächtnis zurück zu rufen, aber es gelang nicht, so oft ich es auch versuchte. Dabei hatte ich das... Etwas eigentlich ganz deutlich gesehen. Es war, als hätte irgendetwas in mir sich geweigert, mehr als ein helles Aufblitzen von Knochenweiß und den flüchtigen Eindruck gewaltiger Klauen und furchteinflößender Zähne wahrzunehmen. „Sieh mal da...“ Gorg ließ sich in die Hocke sinken und deutete mit der ausgestreckten Hand auf den Rand des Loches. Es dauerte einen Moment, bis auch mir auffiel, was der Riese bemerkt hatte, doch dann lief mir ein eisiges Frösteln über den Rücken. Die meisten Fliesen waren einfach, beinahe wie bei einem überdimensionalen Maulwurfshügel, nach oben und beiseite gedrückt worden, als hätte sich etwas mit unvorstellbarer Kraft geradewegs aus dem Erdinnern nach oben gearbeitet. Etliche der Glasfliesen waren auch zerbrochen- und in mehr als einer waren unverkennbare Spuren

 

 zu sehen. „Mein Gott... Das sind...“ – „Zähne...“, führte Gorg meinen angefangenen Satz zu Ende. Er streckte die Hand weiter aus, löste mit einiger Mühe einer der zerborstenen Fliesen aus dem Boden und hielt sie ins vorhandene Licht. Ich sah die Spuren gewaltiger, stumpfer Zähne jetzt ganz deutlich. Trotzdem weigerte mein Verstand sich für einen Moment einfach zu glauben, was ich sah. Wie die gesamte Festung bestand auch die Fliese aus pastellfarbenem Glas. Sie wirkte in Gorgs Hand klein, war aber gute zehn Zentimeter dick und maß mehr als einen Meter im Quadrat. Ich bezweifelte, dass irgendetwas auch nur in der Lage gewesen wäre, sie auch nur aus dem Boden anzuheben. „Kein Geschöpf, das ich kenne ist dazu in der Lage, dieses Glas zu zermalmen... Nicht einmal ein Drache wäre dazu im Stande.“ Gorg stand auf, drehte die zerbrochene Fliese nachdenklich in der Hand und drehte sich dann um. „Wir müssen Themistokles wecken...“ – „Glaubst du

 

 denn, er weiß, was für ein Geschöpf das war?“ – „Ich glaube, dass wir dieses Loch verschließen müssen.“, antwortete Gorg. Der Ernst in seiner Stimme erschreckte mich weit mehr als das, was er sagte. „Was immer diesen Tunnel gegraben hat... Es könnte auf jeden Fall wiederkommen und für uns zu einem ernsthaften Problem werden... Wir brauchen einen mächtigen Zauberspruch, um dieses Loch zu schließen.“

Wir mussten nicht lange nach dem Zauberer suchen. Sowohl Themistokles als auch Sturm kamen uns auf halben Wege entgegen, Sturm in seiner schon vertrauten Fetzenkleidung, Themistokles in einem rosafarbenen Nachthemd mit grünen Blümchen. Dazu trug er eine Schlafmütze mit einer rosa Bommel und Filzpantoffeln, die mindestens fünf Nummern zu groß waren. In der linken Hand trug er einen Kerzenständer aus Kupfer. Unter allen anderen Umständen hätte der Anblick mich vor Lachen

 

 laut herausplatzen lassen. Jetzt erschreckte er mich zutiefst. „Was ist los?“, begann Themistokles. „Irgendetwas hat mich geweckt. Ein Gefühl,“ – „Angst...“, sagte Sturm geradeheraus. „Ich bin wach geworden und hatte furchtbare Angst. Und ich weiß nicht einmal, wovor.“ Gorg tauschte mit mir einen bezeichneten Blick. Sie hatten es also auch gemerkt. Gorg erklärte Themistokles und Sturm mit wenigen, sachlichen Worten, was geschehen war. Der Zauberer hörte schweigend zu, während Sturm neugierig nach der Fliese griff. Gorg reichte sie ihm. „Das ist unheimlich.“, sagte Themistokles kopfschüttelnd. Er musste lauter als gewohnt reden, um Sturms Gebrüll zu übertönen. Der Junge hüpfte abwechselnd auf dem einen und dann auf dem anderen Bein herum und massierte fluchend und brüllend seine Zehen. Gorg bückte sich und hob die Fliese wieder auf. „Das ist es.“, bestätigte er. „Aber wir sollten uns später den Kopf darüber zerbrechen, was das

 

 für ein Wesen war. Ich habe Angst, dass es zurückkommen könnte. Wir sollten den Tunnel versiegeln.“ – „Ja, da hast du wohl Recht.“, sagte Themistokles. Er schloss die Augen, murmelte einen Zauberspruch und unmittelbar vor Sturms Füßen materialisierten sich eine Schaufel und eine Spitzhacke. Sturm, der noch immer wild fluchend herumsprang, trat prompt auf die Schaufel, woraufhin der Stiel hochklappte und ihm auch noch gegen das Schienbein schlug. „Das... wird vielleicht nicht reichen.“, sagte Gorg vorsichtig. „Ich dachte eher an einen Zauberspruch...“ – „Ein Zauberspruch...“ Themistokles wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. „Ja, das klingt nach einer guten Idee. Zeigt mir doch, wo-“ Er brach ab, sah auf seine rechte Hand hinab und machte ein bestürztes Gesicht. „Ich muss mir die Hände waschen! Ich sehe ja aus, wie ein Ferkel mit all diesen Tintenflecken an den Fingern...“ Gorg betrachtete sich Themistokles’ Hände. „Also, ich sehe nichts.“ –

 

 „Es ist ja auch unsichtbare Tinte.“, belehrte ihn Themistokles. „Das Loch...“, erinnerte ich. „Ach richtig... Ja, das Loch.“ Themistokles nickte heftig. „Zeigt es mir.“ Wir gingen, Sturm folgte in einigem Abstand, aber er ging nicht, sondern er hüpfte noch immer leise fluchend von einem Bein auf das andere. Mir fiel auf, dass weder die Spinne noch Twix zu sehen waren, obwohl die beiden in letzter Zeit mir nie von der Seite wichen. Offensichtlich hatten auch die beiden den Odem des Fremden und Unheimlichen gespürt, der das Auftauchen des unbekannten Wesens begleitet hatte. Aber so unbekannt war es ja vielleicht gar nicht. Wieder hatte ich das Gefühl, dass ich solch ein unheimliches Erlebnis schon hinter mir hatte. Aber auch diesmal entglitt mir der Gedanke, noch bevor ich ihn richtig festhalten konnte. Wir traten wieder auf den Hof hinaus und Gorg führte Themistokles zu dem Loch, welches das Ungeheuer in den Boden gerissen hatte. Themistokles beugte sich neugierig darüber

 

 und stellte sich dabei so ungeschickt an, dass er vermutlich kopfüber hineingestürzt wäre, hätte nicht Gorg blitzschnell zugegriffen und ihn festgehalten. „Danke, Gorg... Das ist wirklich tief! Erstaunlich! Wer mag es wohl gegraben haben und wozu?“ – „Warum versiegelst du es nicht einfach?“, fragte Gorg geduldig. „Wir können später darüber nachdenken.“ – „Vielleicht.“, sagte Themistokles. „Andererseits: Jemand hat sich sicher viel Mühe gemacht es zu graben. Er hatte bestimmt einen guten Grund dazu. Er könnte verärgert sein, wenn wir seine Arbeit einfach so zunichte machen.“ Ich wollte etwas sagen, doch Gorg warf mir einen beinahe beschwörenden Blick zu und so schwieg ich lieber. „Das geht schon in Ordnung, Themistokles. Tu es einfach - bitte!“ Themistokles sah den Riesen zweifelnd an, zuckte dann aber mit den Schultern und trat schließlich gehorsam an den Rand des Loches heran. Umständlich stellte er den Kerzenständer zu Boden, hob die Arme und

 

 begann, leise vor sich her zu murmeln. Zaubersprüche. Wenigstens hoffte ich, dass es welche waren. Ich trat ein paar Schritte zurück und sah mich nach Sturm um. Der sommersprossige Junge kam langsam näher. Er hüpfte jetzt nicht mehr von einem Fuß auf dem anderen, humpelte aber sichtbar und hatte die Lippen schmerzhaft verzogen. „Wenn du jetzt lachst, dann bricht hier ein mittlerer Wirbelsturm los!“ – „Ich lache ja gar nicht!“, grinste ich. Sturms Miene wurde noch finsterer und ich drehte mich lieber hastig wieder zu Themistokles und Gorg herum. Der Zauberer hatte die Arme weiterhin erhoben und seine Stimme war zu einem monotonen Singsang geworden. Meine Sorge nahm ein wenig ab. Während der letzten Minuten hatte ich ernsthaft daran zu zweifeln begonnen, dass Themistokles überhaupt noch in der Lage war, zu zaubern, aber offensichtlich hatte ich mich getäuscht. Vielleicht musste man Themistokles einfach nur ein wenig fordern. Themistokles’

 

 Fingerspitzen begannen in einem sanften, bläulichen Licht zu glühen. Das Leuchten breitete sich rasch über seine Hände aus und kroch in die weiten Ärmel seines Nachthemds und plötzlich lag ein Knistern wie von elektrischen Spannungen in der Luft. Über dem Loch entstand ein Glühen. Eine sonderbar geformte, leuchtende Wolke bildete sich, aus der erste, vereinzelte Tropfen fielen und in der Tiefe des Loches verschwanden. Das Tröpfeln nahm rasch zu und wurde zu einem prasselnden Regen. Gorg beugte sich vor, hielt die Hand in die Regentropfen und zog die Finger stirnrunzelnd zurück. Auf seiner Hand war ein brauner, klebriger Belag zurückgeblieben. Zögernd führte er die Hand zum Mund, berührte den zähflüssigen Belag mit der Zungenspitze und leckte dann zu meiner maßlosen Überraschung genüsslich die Finger ab. „Gut.“, sagte er. „Wirklich ganz ausgezeichnet. Die beste Karamellschokolade, die ich je gegessen habe.“ – „Schokolade?“ Mir

 

 versagte fast die Stimme. „Was zum Teufel hat Schokolade an so einem Ort zu suchen?“ – „Hast du schon einmal ein richtig hartes Karamellbonbon gegessen?“, fragte Themistokles. „An dem Zeug kann man sich die Zähne ausbeißen, so hart wird es!“ Ich starrte den Zauberer fassungslos an. Einen Moment lang konnte ich mir noch selbst einreden, dass Themistokles vielleicht nur einen Scherz machte, aber ein einziger Blick in Gorgs besorgtes Gesicht machte mir klar, dass es nicht so war. Gorg bedeutete mir mit einer verstohlenen Geste zu schweigen, dann trat er neben Themistokles, legte ihm die Hand auf die Schulter und begann mit leiser Stimme auf ihn einzureden. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, aber nach einigen Augenblicken wurde der Schokoladenregen schwächer und hörte schließlich ganz auf. Ich ging zu Sturm zurück. „Wie lange ist er schon so?“, murmelte ich schockiert. „Themistokles?“ Sturm zuckte mit den Schultern. „Ich kenne ihn nicht anders.

 

 Er ist manchmal etwas seltsam.“ – „Etwas seltsam? Großer Gott, Sturm! Themistokles ist eine regelrechte Witzfigur geworden!“ – „Lass ihn das bloß nicht hören.“, sagte Sturm. „Sonst verwandelt er dich noch in eine hübsche Grashüpferdame...“ – „Ich meine es ernst, Sturm!!! Du kennst Themistokles aus den Geschichten und aus sonstigen anderen Erzählungen. Er wird stets als beeindruckender Zauberer beschrieben, als eine königliche Gestalt! Jetzt ist er...“ – „Ein alter Mann.“, unterbrach mich Sturm. „Wir alle werden einmal alt, auch du!“ – „Aber nicht so...“, beharrte ich. „Und nicht so schnell...“ Sturm sagte nichts mehr und ich drehte mich wieder herum und sah zu Themistokles und dem Riesen hin. Das Bild hatte sich geändert: Themistokles stand noch immer am Rand des Loches mit erhobenen Armen, aber er ließ nun keine Schokolade mehr in das Loch hineinregnen. Vielmehr zuckten aus seinen Fingerspitzen blauweiße, grelle Funken, die

 

 sich zu dünnen Blitzen verästelten und mit einem hellen Zischen in der Grube in der Erde verschwand. Nach einer Weile wandte Gorg sich um und kam mit schnellen Schritten auf uns zu. „Anscheinend hat er wieder zu sich gefunden.“, sagte er. „Für einen Moment war ich wirklich in Sorge.“ - „Was war denn los?“, fragte ich. Gorg seufzte. „Themistokles wird alt. Und vergesslich.“ – „Themistokles doch nicht... Er ist ein Zauberer...“, protestierte Sturm, obwohl er mir gerade eben dasselbe gesagt hatte. „Ja... ein Zauberer, dessen Zauberkraft erlischt. Irgendwann musste es einmal passieren. Niemand ist unsterblich. Auch Zauberer nicht. Nur ist der Zeitpunkt denkbar ungünstig.“ Er seufzte wieder tief und sah dann erneut zu Themistokles hin. Der Zauberer schleuderte noch immer blaues Feuer in die Tiefe des Lochs. Die Luft roch scharf, wie nach einem heftigen Gewitter, und ich hatte das Gefühl, dass der Boden unter uns ganz sacht zu zittern begonnen hatte. Offensichtlich

 

 bildete ich mir das auch nicht nur ein, denn nach einer Weile sagte Gorg: „Übertreib es nicht, Themistokles.“ – „Ich bin das nicht.“, erwiderte Themistokles. „Aber ich bin auch gleich so weit. Noch eine kleine Weile und nichts kommt mehr durch diesen Tunnel hindurch.“ Seine Stimme war wieder ganz klar und so kräftig und selbstbewusst, wie ich es gewohnt war. Vielleicht war unsere Sorge doch übertrieben gewesen. Das Zittern des Bodens nahm jedoch nicht ab, sondern nahm ganz im Gegenteil noch zu. Aus dem sanften Vibrieren wurde ein Beben, das sich rasch zu einer Folge gleichmäßiger, fast rhythmischer Stöße steigerte, so als würde... „Da stimmt was nicht...“, murmelte Gorg. Und plötzlich schrie er: „Themistokles! Hör auf! Du lockst es damit an!“ Es war zu spät. Etwas Blasses, ungeheuer Großes tauchte, beinahe lautlos, aus dem Loch im Boden auf, stieß dann jedoch ein mächtiges Brüllen aus und griff mit fürchterlichen Klauen nach Themistokles. Der Magier taumelte

 

zurück, hatte die Arme aber noch immer erhoben und schleuderte Blitz um Blitz auf die Kreatur, die hoch aufgerichtet und in blaues Feuer gebadet da stand und vor Schmerz und Wut brüllte, sonderbarerweise aber immer noch nicht wirklich zu erkennen war. Ich sah nur gewaltige Klauen, schimmernde Panzerplatten und riesige, mitleidlose Insektenaugen. Und auch die Angst war wieder da, das Gefühl, einem... Ding gegenüber zu stehen, das nicht Teil der Schöpfung, sondern eine Kreatur aus einem vollkommen anderen, feindseligen und unverständlichen Universum war. In meinem Kopf machte es endlich Klick. Ich wusste, wo ich diesem Wesen schon einmal gegenübergestanden hatte... Und zwar in der selben Nacht, in der Kai fast getötet worden war. Ich hatte diesen Gedanken bisher immer verdrängt, um nicht wieder an den jungen Heerführer denken zu müssen, der oben im höchsten Turm lag, und sich seit über einem Monat nicht bewegt hatte, geschweige denn,

 

 irgendwelche anderen Lebenszeichen von sich gegeben hatte. „Verdammt... Leute, das ist ein Skull!!!“ Die letzten Worte hatte ich geschrien. Sturm und Gorg rissen schreiend die Arme vor das Gesicht und taumelten zurück, als Themistokles zu Boden stürzte. Seine Finger schleuderten noch immer blauweißes Feuer auf die Kreatur und selbst ich konnte über die größere Entfernung hinweg die unvorstellbare Hitze fühlen, die in den Energieblitzen des Zauberers steckten. Das Toben des Skull nahm jedoch keineswegs ab. Es schien, als würde Themistokles’ Angriff die Kreatur noch stärken, anstatt sie zu schwächen. Gorg schrie verzweifelt auf und rannte los. Themistokles lag hilflos auf dem Rücken. Die Kreatur beugte sich über ihn, streckte die schrecklichen Klauen aus, und hatte ihn fast erreicht, als Gorg heran war und den Zauberer einfach in die Höhe riss. Themistokles’ Hände sprühten noch immer blaues Feuer. Ein Teil davon streifte Gorg und

 

 setzte sein Haar und einen Teil des Bartes in Brand. Gorg schlug die Flammen mit der Hand aus, riss Themistokles mit der anderen in die Höhe und zerrte ihn rücksichtslos mit sich. Der Skull brüllte vor Enttäuschung und bäumte sich noch weiter auf, groß, ungeheuer groß und unvorstellbar hässlich, dass sich mein Verstand einfach nur weigerte, seine genaue Gestalt zu erkennen. Endlich erwachte auch ich aus meiner Erstarrung. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich tun sollte, aber ich rannte trotz meiner panischen Angst einfach los, um Gorg und Themistokles irgendwie zu helfen. Ich schaffte nicht einmal die halbe Strecke. Ein plötzlicher, unvorstellbar heftiger Windstoß traf mich und ließ mich nach vorne fallen. Ich stürzte, schlug instinktiv die Arme über den Kopf und presste mich flach auf den Boden um dem Sturm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Zwischen den Fingern hindurch sah ich zu Gorg und Themistokles hin. Selbst der Riese war von der plötzlichen Sturmböe von

 

 den Füßen gerissen worden. Themistokles und er schlitterten hilflos über den Hof. Die allergrößte Wucht aber traf den Skull. Der Sturm wuchs in Sekundenschnelle zu solcher Gewalt an, dass ich kaum noch etwas sehen konnte. Der Skull schrie und tobte vor Wut, aber das Heulen des Orkans verschluckte jeden anderen Laut. Eine Windhose bildete sich, begann sich schneller und schneller und immer schneller zu drehen und raste plötzlich im Zickzack auf das Ungeheuer zu. Die Kreatur wurde regelrecht in den Boden gestampft. Die Windböe ergriff sie, wirbelte sie immer schneller herum und presste sie dabei mit unwiderstehlicher Gewalt in das Loch zurück, aus dem der Skull gekommen war. Nach nur wenigen Sekunden war alles vorbei. Der rasende Minitornado verschwand in dem Tunnel, riss den Skull mit sich und entwickelte trotz allem noch genug Kraft, um die Ränder der Grube zum Einstürzen zu bringen. Selbst als wieder Ruhe eingekehrt war, blieb ich noch

 

 eine Weile am Boden mit angehaltenem Atem liegen. Erst später wagte ich es, die Arme herunter zu nehmen und aufzustehen. Sofort lief ich zu Gorg und dem Zauberer hin. Gorg hatte sich auf die Knie erhoben und wirkte benommen. Sein Haupthaar hatte sich gekräuselt und die Flammen hatten auch auf seiner Haut Spuren hinterlassen. Trotzdem kümmerte er sich als erstes um Themistokles. Der Zauberer setzte sich umständlich auf und schüttelte benommen den Kopf, machte aber eine abwehrende Geste, als Gorg nach ihm greifen wollte. „Bist du verletzt?“ – „Ich... Ich glaube, nicht.“, murmelte Themistokles. „Nein... Mir fehlt nichts.“ – „Was um alles in der Welt war das?“ Gorg wusste die Antwort genau, doch auch Themistokles sah mich fragend an. „Was hat ein Skull in der Stadt zu suchen, wo es mittlerweile sowieso nichts zu holen gibt?“, fragte Gorg, doch auch Themistokles zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich habe so etwas noch nie gesehen... Ich glaube,

 

 dass im Moment Jess die einzige in der inneren Stadt ist, die so etwas schon am eigenen Leibe erfahren hat... Diese unvorstellbare Wut! Ich war vollkommen hilflos! Wenn Sturm nicht den Tornado geschickt hätte...“ Ich sah mit einem Ruck auf. „Sturm!!!“ Auch Gorg und Themistokles fuhren erschrocken herum. In unserer Erleichterung, dem Ungeheuer entkommen zu sein und vor allem Themistokles lebend und unverletzt zu sehen, hatten wir Sturm für den Moment einfach vergessen. Der Junge lag auf der anderen Seite des Hofes, dort, wo ich ihn zuletzt auch gesehen hatte. Er war auf die Seite gefallen und regte sich nicht mehr. Sofort sprang ich auf und eilte zu ihm. Sturm hatte das Bewusstsein verloren. Sein Atem ging so flach, dass ich im ersten Moment nicht einmal sicher war, ob er überhaupt noch lebte. Nachdem Themistokles ihn jedoch flüchtig untersucht hatte, schüttelte er erleichtert den Kopf und sagte: „Er ist nicht verletzt. Ich glaube er ist

 

 nur vollkommen erschöpft.“ Er warf einen raschen, unsicheren Blick zu der Stelle zurück, an der das Loch gewesen war. „Ich wusste bisher noch nicht einmal, dass er zu so etwas überhaupt fähig ist...“ – „Ich bringe ihn in sein Zimmer.“, erbot sich Gorg und nahm Sturm auf die Arme, ohne Themistokles Antwort abzuwarten, um ihn ins Haus zurückzutragen. Ich sah den beiden besorgt nach. „Bist du sicher, dass ihm nichts passieren wird?“ – „Ja.“, antwortete Themistokles. „Er hat sich überanstrengt, das ist alles. Ein paar Stunden Schlaf und eine kräftige Mahlzeit und er ist wieder ganz der Alte.“ Er seufzte. „Ich mache mir trotzdem Vorwürfe. Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen.“ – „Du konntest nicht wissen, dass der Skull ganz wild auf Schokolade ist.“ Es sollte ein Scherz sein, ein schwacher Versuch, die Situation zu entspannen, aber Themistokles’ Ausdruck von Schmerz in seinen Augen wurde nur noch stärker. „Ich wollte es gerade nicht sagen, weil

 

 Gorg sich so große Sorgen um mich machte. Aber die Wahrheit ist, dass dieses Geschöpf nicht immun gegen meine Kräfte war.“ – „Es hat sie aufgesaugt.“, vermutete ich. „Du hast es gespürt.“, sagte Themistokles düster. „Ja. Mit jedem magischen Hieb, den ich ihm versetzte, habe ich es nur stärker gemacht.“ – „Aber das konntest du doch nicht wissen!“ – „Es ist noch viel schlimmer, Jess. Es hat mir nicht nur meine Kräfte entzogen! Ich habe es durch meine Zaubersprüche überhaupt erst angelockt! Ich hätte es spüren müssen. Vielleicht habe ich es sogar gespürt, aber ich war unfähig, etwas zu tun.“ – „Und was hättest du deiner Meinung nach tun sollen?“ Darauf antwortete der Zauberer nicht mehr. Er sah mich nur noch einen Moment lang betrübt an. Dann drehte er sich herum und ging langsam und mit hängenden Schultern zum Palast zurück. Ich folgte Gorg in Sturms Zimmer um mich um den Jungen zu kümmern, aber es gab nichts, was ich für ihn tun konnte. Es war wohl so, wie

 

Themistokles gesagt hatte: Sturm war nicht verletzt, sondern nur am Ende seiner Kräfte. Ich blieb mehr als eine Stunde an seinem Bett sitzen, dann verließ ich leise das Zimmer und begab mich in mein Zimmer, in der Hoffnung, wenigstens auf Twix oder die Spinne zu treffen. Von der Elfe zeigte sich jedoch keine Spur und die Spinne hatte sich hoch unter der Decke ein Netz gewoben und schlief. Zumindest tat sie so, als ob. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es bereits vier Uhr morgens war. Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen, und versuchte, noch einmal zu schlafen, aber es gelang mir nicht. Meine Gedanken glitten immer wieder zu Kai und Sturm. Im Moment hatte ich keinen, der mir bei meinen Problemen wirklich helfen konnte, wenn ich welche hatte. Gorg vertraute ich sowieso lieber nicht allzu viel an und Themistokles hatte besseres zu tun. Blieben nur noch Twix und die Spinne, aber was sollten die beiden mit den Problemen einer Jugendlichen anfangen? Schließlich

 

 schlief ich doch ein, hatte aber nur einen leichten Schlaf und wurde gegen sechs Uhr morgens schon wieder wach. Irgendwie war mir übel. Nein, sogar richtig schlecht... Ich hatte mich in den letzten Tagen schon ein paar mal erbrochen, aber das auf die Stresssituation geschoben, in der ich im Moment steckte. Die Spinne folgte mir ins Bad, aber ich schickte sie wieder hinaus. Anscheinend machte auch sie sich Sorgen um mich. Wenig später lag ich wieder auf meinem Bett. Wenn ich lag, ging es mir immer ein bisschen besser. Wo die Spinne hin war, wusste ich nicht. Anscheinend war ich dann doch noch einmal eingeschlafen. Auf einmal stand Sturm vor mir. Die Spinne kam hinterher getrippelt und schloss die Tür wieder umständlich und mit einem ihrer langen Spinnenbeine. „Sturm!“ Ich setzte mich abrupt auf, was ich vielleicht nicht hätte tun sollen, denn jetzt drehte sich das ganze Zimmer und ich ließ mich lieber wieder in mein Kissen fallen. „Was willst du denn schon wieder auf

 

 den Beinen?! Du weißt selbst am besten, dass dir für Spaziergänge im Palast noch die Kraft fehlt...“ Sturm jedoch schüttelte den Kopf und setzte sich an die Bettkante. „Mach du dir mal lieber Sorgen um dich selbst. Außerdem sollte dir Kai viel wichtiger sein, als ich.“ Ich senkte meinen Blick. „Kai liegt im Koma, und ehrlich gesagt, habe ich nicht viel Hoffnungen, dass er noch aufwacht...“ Sturm grinste. „Dafür werde ich schon sorgen!!! Schließlich wird er noch gebraucht... Und frag mich jetzt bitte nicht wozu, ich glaube, das weißt du selbst am besten!“ Ich wusste nicht wirklich um was es geht, und den verdutzten Ausdruck auf meinem Gesicht musste Sturm wohl sehr gut zur Kenntnis genommen haben, denn er grinste nur noch breiter. „Mein Gott Jess! Übelkeit, deine Fressattacken, Stimmungsschwankungen... Zieh das alles mal zu einem Ganzen zusammen!!! Du bist schwanger! Und ich brauch nicht lange zu überlegen, um zu wissen, wer wohl der Vater

 

 sein könnte... Außerdem sollst du mal bitte in die Halle kommen...“ Damit stand er auf. Ich war völlig perplex. Eigentlich war es mir die ganze Zeit über klar gewesen... Die Anspielungen Sturms und der anderen auf mein Befinden, wie Sturm gesagt hatte, meine Stimmungsschwankungen... Ich setzte mich auf. Diesmal aber langsam. „Woher willst du denn als männliches Wesen wissen, dass ich schwanger bin?!“ Sturms Grinsen wurde noch breiter. „Ich bitte dich Jess, du kannst mir nicht erzählen, dass du es nicht bist. Wir haben dich die ganze Zeit über beobachtet, oder beobachten lassen...“ Mein Blick fiel auf die Spinne, die sich vor sich hin pfeifend in eine Ecke verkrümelte. „Was ist, kommst du nun mit oder nicht???“

Wenige Sekunden später waren wir auf dem Weg hinunter in die große Halle. Mir ging es inzwischen relativ gut, auch wenn ich immer noch etwas verwirrt war, über die Tatsache,

 

 dass ich schwanger sein sollte. Vor der Tür zur Halle stand Gorg. Sturm ging an ihm vorbei, öffnete die Tür aber nur einen Spalt breit, gerade so, dass er hindurchschlüpfen konnte. Gorg hielt mich jedoch zurück, als ich ihm nach wollte. Er grinste, sagte aber nichts. Wahrscheinlich hatte die Spinne ihre Klappe mal wieder nicht halten können und es schien, als wüssten so ziemlich alle bereits Bescheid, während ich das ganze noch immer nicht wirklich wahr haben wollte. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut. Es gefiel mir absolut nicht, von jedem nur dumm angegrinst zu werden. Wobei, was war eigentlich so schlimm daran, jetzt vielleicht etwas mehr Respekt einzufangen? Allerdings schien ich davon schon genug zu bekommen... Kurz... Ich hatte wieder eine meiner Stimmungsschwankungen. Ich blickte Gorg erwartungsvoll an, in der Hoffnung, dass er seine große Klappe hielt. Das tat er auch, band mir aber aus irgendeinem Grund die Augen zu. Ich wusste

 

 überhaupt nicht, was hier lief. Am liebsten wäre ich wieder in mein Zimmer verschwunden. Ich hatte es schon immer gehasst, im Mittelpunkt zu stehen, aus welchem Grund auch immer. Gorg führte mich jetzt auch noch zu allem Überfluss in die große Halle, wo ich dem Stimmenklang entnahm, dass nicht gerade wenige anwesend waren. „Jess? Alles in Ordnung mit dir?“ Sturms Stimme erklang dicht neben mir und klang leicht spöttisch. Das war zu viel! Ich riss mir die Augenbinde vom Kopf. „Das fragst du noch??? Ich bekomme oben im Zimmer ausgerechnet von dir an den Kopf geworfen, dass ich schwanger bin, und dann werde ich noch nicht einmal mit meinen Gedanken alleine gelassen, sondern mir werden wie bei einem Kleinkind, das gerade Topfschlagen spielen will, die Augen verbunden und ich werde in eine riesige Halle mit unzähligen Menschen geschoben, trotz, dass ich noch nicht einmal wirklich gecheckt habe, was überhaupt abgeht?! Und

 

 jetzt fragst du auch noch, ob es mir gut geht?!“ Sturm blickte mich verblüfft an, und obwohl man ihm ansah, dass er die ganze Zeit schon Angst gehabt hatte, ich würde bei einem solchen Trubel ausrasten, so schien er doch in diesem Moment nicht damit gerechnet zu haben. Gorg anscheinend schon, denn er stellte sich vor mir auf wie ein Bodyguard, doch ich kam trotzdem an ihm vorbei. Allerdings nahm ich nicht den Weg zurück in mein Zimmer, sondern bahnte mir einen Weg durch die Menschenmassen, von denen ich mittlerweile mitbekommen hatte, dass es ein kleiner Teil des Heeres waren, und verschwand in den Palastgarten. Niemand schien mir zu folgen. Ich nahm keine Rücksicht darauf, wo ich hintrat, wo Wege waren und wo nicht, sondern stürmte einfach quer durch die Blumenbeete bis hinunter an den See. Am Geländer machte ich erstmals Halt, um nach Luft zu schnappen. Es hatte begonnen zu regnen und mittlerweile wusste ich nicht mehr,

 

 ob es Regentropfen waren, oder Tränen, die mein Gesicht hinunter liefen. Ich ging langsamer weiter, umrundete den See und ging dann auf der anderen Seite die Treppen hinab, bis zu der kleinen Wiese, auf der im Sommer sicherlich immer alle die lagen, denen es zu warm wurde und die baden gingen. Kurz vor dem Wasser ließ ich mich einfach ins Gras fallen. Die Kälte und Nässe nahm ich nur im Unterbewusstsein wahr. Irgendwie machte ich mir Vorwürfe, Sturm vor allen Leuten so runtergemacht zu haben, aber eigentlich hätte er wissen müssen, dass ich niemand war, der sich auf den silbernen Präsentierteller legte. Gorg und Themistokles genauso. An dieser Stelle fehlte mir eindeutig Kai. Er hätte mich verstanden, mich aber sicher auch in diesem Moment erst einmal in Ruhe gelassen. Nicht so wie Sturm, dessen Schritte ich soeben vernahm, als er ebenfalls durch die Beete auf mich zugestürmt kam. „Jess!! Du kannst doch nicht einfach...“ – „Doch, sie kann!“ Ich hörte

 

 nur die beiden Stimmen, hatte mein Gesicht in das nasse Gras gedrückt, wollte einfach nur allein sein. „Verdammt, Sturm, lass sie! In den nächsten zwei Stunden bekommt sie sowieso keiner in die Halle! Überhaupt weiß ich nicht, was das soll! Wenn das die ganze Zeit so ging, während ich abwesend war... na dann gute Nacht! Dann wundert mich überhaupt nichts mehr!“ – „Kai! Halt doch endlich mal deine Klappe! Du hast ja keine Ahnung!“ – „Dann will ich endlich mal eine Erklärung haben, damit ich wieder eine Ahnung habe!!!“ Ich lauschte. Bestimmt war ich in meiner Verzweiflung eingeschlafen und träumte jetzt nur, dass Kai hier war... Oder vielleicht doch nicht? Ich hörte durch das Brausen des Regens, wenn die Wassertropfen in den See fielen, Schritte, die eindeutig auf mich zukamen. Ich schaute hoch, aber es war nur Sturm, der sich neben mich kauerte. „Jess, hör mal, es tut mir leid... Aber Themistokles und Gorg haben darauf bestanden, dass ich dich in die Halle bringe

 

 und...“ – „Sturm verdammt noch mal! Ich habe dir gesagt, du sollst sie erst einmal in Ruhe lassen!!!“ Nein! Das war alles zu real für einen Traum. Sturm ging einen Schritt zurück und über mir tauchte das Gesicht eines anderen Jungen auf. Ein Junge mit schulterlangem, blondem Haar und durchdringend blauen Augen... „Kai!!!“ Ich sprang auf und fiel ihm in die Arme. Jetzt waren es eindeutig Tränen, die mir über das Gesicht liefen. „Schhhhh... Mach mal halblang, Süße!“ – „Jess?“ Sturm sah mich fragend an. Ich blickte über Kais Schulter zu ihm. „Er weiß es noch nicht...“ Ich nickte nur. Kai hatte diesen Satz gar nicht registriert. Ich blickte Sturm hinterher, als er langsam durch dass nasse Gras wieder in Richtung Palast ging. „Verdammt... Wie konntest du mir nur die Führung über ein ganzes Heer übergeben, ohne, dass wir uns richtig vertragen haben...“ Kai sah mich an. „Ich weiß... das auf dem Felsen hätte nie passieren dürfen, aber...

 

 irgendwie...“ Ich schüttelte den Kopf und unterbrach ihn damit. „Kai...“ – „Alles in Ordnung mit dir?“ Mir kamen schon wieder die Tränen. Ich konnte es nicht sagen... Andererseits musste ich es doch, oder? Früher oder später würde er es sowieso mitbekommen... Spätestens dann, wenn er die Spinne kennen lernte. „Kai... Ich  muss dir unbedingt was sagen, ich weiß im Moment nur noch nicht, wie ich es sagen soll...“ Er blickte mir erwartungsvoll in die Augen. „Ich... Ich trage da etwas mit mir in meinem Bauch herum und... na ja...“ Seine Augen begannen zu glänzen. „Du bist der Vater davon...“

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Kai hatte sich vorerst etwas von mir und den anderen abgesondert, und sich wieder dem Heer zugewandt, um seine Gedanken zu ordnen, was ich auch verstand. Ich saß momentan in meinem Zimmer und zeichnete, als die Tür aufging, und er hereinkam. Ich

 

 brauchte eine Weile, um seine Begrüßung zu verstehen: „Na ihr zwei?!“ Ich sah ihm erwartungsvoll entgegen. In letzter Zeit war es nicht seine Art, in diesen Teil des Palastes zu kommen und gerade deshalb wunderte mich sein Auftauchen ein wenig. Hinter ihm kam etwas verspätet noch Sturm ins Zimmer. Er war in der letzten Zeit ziemlich geknickt gewesen, seit es Kai wieder so einigermaßen gut ging. Die Spinne und Twix meinten, er habe sich zu viele Hoffnungen gemacht, als Kai noch im Koma lag... Kai schien nicht darauf gefasst gewesen zu sein, dass auch Sturm hier noch auftauchte und funkelte ihn nur böse an. Doch Sturm ignorierte das. „Kommt ihr beide bitte mal schnell in die Halle? Wir müssen Beratung abhalten und das können wir ohne euch schlecht machen...“

 Wenig später saßen wir um die große Tafel in der Halle und warteten noch auf Philipp, der irgendetwas zu berichten hatte, was das Heer

 

 Heer anbelangte, oder zumindest das, was davon noch übrig war. Die meisten hatten sich nämlich entweder zu ihren Verwandten in der Stadt begeben, oder sich leerstehende Häuser gesucht, und sich dort eingenistet. Die großen Türen der Halle gingen auf und Philipp kam in Begleitung einiger anderer Steppenreiter herein. Themistokles fuhr hoch. „Philipp! Was soll das?! Du weiß genau, dass es euch untersagt ist, mit Waffen in den Palast zu kommen...!!!“ Die jungen Krieger waren ziemlich außer Atem und auch Philipp musste erst einmal tief Luft holen, ehe er antworten konnte. Kai war ebenso aufgesprungen und an ihn wendete sich Philipp. „Wir müssen sofort unsere Leute alle wieder zusammenrufen, sonst haben wir vor den Mauern ein riesiges Problem... Wolf hat irgendwie mitbekommen, dass wir nur noch ziemlich wenige sind und nun seinerseits sein Heer zum Kampf gerüstet... Allerdings haben wir noch ein anderes Problem... Und das nennt sich

 

 Zwerge!“ Kais Gesicht verdüsterte sich immer mehr. „Was hat Wolfs Heer mit den Zwergen zu tun, oder anders gefragt, was gehen uns diese verdammten kleinen Viecher an?“ – „Marc ist in die Finger der Zwerge geraten... Wollte wohl an die Runensteine ran oder was weiß ich... Wolfs Männer brauchten ihn aber noch, weil er als Spion nun mal noch immer am besten geeignet ist, und noch nicht alle aus unserem Heer wissen, was in der einen Nacht vorgefallen ist. Somit würde Marc in unseren Reihen nur bedingt auffallen, also haben Wolfs Männer versucht, ihn sich wieder zurück zu holen... Dabei haben sie die Zwerge ganz schön aufgemischt, ohne dass sie es merkten. Die haben jetzt ebenfalls ein Heer aufgestellt, damit sie Wolf angreifen können und damit ihre Ruhe haben, weil Wolf nich glauben will, dass Marc schon lange nicht mehr existiert..." Philipp holte jetzt erst wieder einmal richtig Luft und fuhr fort. "Allerdings muss Marc uns wohl bei den

 

 Zwergen ebenfalls schlecht gemacht haben, also haben sie ihr Heer noch einmal vergrößert, um auch an uns heranzukommen... Das war eigentlich das Wesentliche.“ Kai sah sich um. Auch am Tisch saßen noch einige der Steppenreiter, die ihre Freunde oder Verwandte eben im Palast hatten. „Na super! Ihr habt gehört, was abgeht!“ Kai sprang nun vollends auf und ging in Richtung Tür. „Ab geht’s!“ Die, die noch mit am Tisch saßen, sprangen unter regelrechtem Jubelgeschrei auf und stürmten hinaus. „Kai!!!“ Der junge Steppenreiter drehte sich zu mir um und kam schließlich noch einmal ganz zu mir. „Verdammt... Dir geht’s gerade wieder gut und schon willst du wieder in die Schlacht! Und mich lässt du einfach sitzen...“ Kai schüttelte den Kopf. „Wenn du nicht schwanger wärst, und das nicht ein zu großes Risiko für dich wäre, dann würde ich sagen, du stehst mir zur Seite, aber...“ Ich ließ ihn gar nicht erst ausreden. „Ist okay! Ich bin schon unterwegs!“

 

 Damit folgte ich den anderen und ließ Kai stehen, der noch immer protestierte, dann aber mit den Schultern zuckte und ebenfalls in die Stadt ging, um unsere Leute zusammen zu trommeln. Sturm hielt mich noch für einen Moment auf. „Bist du sicher, dass du bei dieser Schlacht mitmachen wirst? Ich meine... Du wirst Kai fehlen, wenn dir irgendetwas passiert... Und mir auch...“ In Sturms Gesicht standen Tränen, was absolut nicht zu dem Jungen passte. „Hör mal Sturm... Mir wird schon nichts passieren... Und außerdem, wer hat denn gesagt, dass hier irgendjemand ums Leben kommen wird?“ Sturm zuckte missmutig mit den Schultern. „Niemand, aber ich kann mir vorstellen, dass dir es ebenfalls nicht gefallen wird, wenn Kai noch mal irgendetwas passieren sollte... Und irgendwie hab ich jetzt schon das Gefühl, dich auch schon als gute Freundin verloren zu haben...“ Eine Hand schlug auf Sturms Schulter. „Ich werde schon aufpassen, dass ihr nichts passiert! Verlass

 

 dich drauf!“ Sturm war zusammengezuckt, als Kai plötzlich wieder hinter ihm aufgetaucht war und drehte sich jetzt langsam um. „Versprichst du mir das?“ – „Hand drauf... Ach und Sturm... Sie ist meine Freundin, merk dir das ein für alle Mal!“ Sturm grinste nur verlegen. Kai nahm meine Hand und zog mich von ihm weg und aus der Halle hinaus.

Kai und ich waren dann doch noch eine Weile im Palast geblieben, während Philipp den Rest unseres Heeres bereits ins Gelände führte. Unser „Botschafter“ hatte berichtet, dass Wolfs Heer, sowie das Heer der Zwerge aus verschiedenen Richtungen kam und beide wohl noch eine Weile brauchen würden, bis sie auf die Steppenreiter oder sich gegenseitig trafen. Wir saßen in meinem Zimmer und redeten, als die Tür aufgestoßen wurde und einer der Steppenreiter völlig außer Atem hereingestürmt kam. „Verdammt! Leute, ihr werdet gebraucht! Philipp steckte so wies aussieht mit Marc unter

 

 einer Decke!!! Allerdings hat er noch immer etwas gegen die Alten..“ Kai sprang auf, ohne auch nur im geringsten darauf Rücksicht zu nehmen, dass ich mich gegen ihn gelehnt hatte. „Philipp?!“ Der Junge nickte hastig. „Er führt dein Heer gerade in den Kampf gegen Wolf und seine Reiter!!!“ Mir verschlug es die Sprache. „Aber... Er hat doch bis jetzt immer das getan, was wir ihm gesagt haben, oder zumindest das, was uns zu Gute kam...“ – „Das ist ja auch schließlich das, was einen guten Spion ausmacht, oder?!“ Kai schnitt dem jungen Krieger das Wort ab. „Ich schlage vor, dass wir uns darüber besser später streiten!“ Der Junge nickte verlegen. „Wolf und seine Reiter sind außerdem noch nicht angekommen...“ Kai nickte ebenfalls. „Umso besser! Wenn Philipp auch nur halb so gut ist wie ich, dann ist er jetzt wohl gerade schon dabei, eine kleine Falle für Gorgs Freund Wolf aufzustellen...“ – „Gorgs Freund?“ Kai nickte. „Wenn du bisher geglaubt hast, dass er und

 

 Themistokles wirklich neutral sind, dann hast du dich aber gewaltig geschnitten. Hast du dich noch nicht gefragt, warum wir heute noch keinen von beiden zu Gesicht bekommen haben? Und ich nehme an, dass Sturm ebenso wenig neutral ist, stellt sich nur die Frage, ob er auf der Seite seiner Freunde steht, oder lieber wegen dir zu uns wechselt...“ Erst jetzt gingen bei mir so langsam alle Lampen an. Anscheinend hatte Sturm gewusst, was in dem bevorstehenden Kampf abgehen würde, und mich deshalb gewarnt...! „Würdest du denn Wolf eine Falle stellen???“, fragte der Junge an Kai gewandt, während wir bereits auf dem Weg die Treppen hinab waren. Kai grinste nur. „Ich sagte: Wenn er nur halb so gut ist, wie ich! Ich würde in aller Ruhe warten, bis Wolf auf die Zwerge stößt und mir dann die Überlebenden vorknöpfen...“ Ohne weitere Worte machten wir uns auf den Weg nach draußen. In diesen Momenten kam mir Kai nicht mehr wie mein Freund vor, sondern wie der stolze

 

 Heeresführer, der nichts und niemanden an sich herankommen ließ und alles im bereits Voraus plante. Eben so, wie ich ihn kennen gelernt hatte... Wir waren ziemlich schnell schon an den inneren Stadtmauern angelangt, wo die Pferde standen. Artax begrüßte mich freudig, hatte er mich doch schon ewig nicht mehr gesehen. Es hatte bereits begonnen zu dämmern und ein funkelndes Etwas kam auf mich zu geflogen und ließ sich auf meiner Schulter nieder. Außerdem kam quer über die Straße noch ein fußballgroßer flauschiger Ball mit acht Beinen. Auch die Spinne und Twix hatte ich lange nicht mehr gesehen. Kai beäugte beide misstrauisch. Besonders blieb sein Blick immer wieder an der Spinne hängen, die ihn sich nun von oben bis unten betrachtete. Twix begann mal wieder einfach drauf los zu reden, was Kai noch unsicherer machte, uns aber in diesem Falle zugute kam. „Wolf, dieser Narr, hat doch tatsächlich seine Drohungen wahr gemacht und die Zwerge

 

 angegriffen...“ – „Und?“, fragte ich. „Nichts und. Es war wohl doch nicht so ganz einfach, wie er es sich vorgestellt hat. Als ich vor einer halben Stunde noch mal nachsehen war, war die Schlacht noch in vollem Gange. Keine Seite schien die Oberhand gewinnen zu können.“ – „Die Zwerge haben Wolfs Lanzenreitern standgehalten?“ Mir kamen Zweifel. Kai hingegen schien wenig überrascht. „Das wundert mich kein bisschen. Die meisten unterschätzen die Zwerge. Mit dem Schwert in der Hand sind sie nicht einmal für ein Kind eine Gefahr, aber sie sind verschlagene kleine Teufel. Sie beherrschen eine Menge Tricks und sie haben mächtige Kriegsmaschinen. Ich würde es mir zweimal überlegen, sie anzugreifen.“ – „Das hat sich dein Doppelgänger wohl auch gedacht.“, sagte Twix. „Er hat seine Truppen zurückgezogen...“ – „Und wartet in aller Ruhe ab, um die später siegreiche Partei anzugreifen.“, führte Kai ihren Satz zu Ende. „Nichts anderes würde ich an

 

 seiner Stelle tun.“ In seinem Gesicht stand Beunruhigung und Wut. „Er war viel zu lange fast an der Spitze des Heeres...“ Kai schwang sich mit einem Ausdruck der Verbittertheit in den Sattel seines Schimmels und bedeutete mir und dem Jungen, ebenfalls auf die Pferde aufzusteigen. „Ich frage mich nur, wie er es geschafft hat, ein ganzes Heer davon zu überzeugen, ihm zu gehorchen ohne auf mein Einverständnis zu warten...“ Der Junge zuckte jedoch ebenfalls nur mit den Schultern. „Ich war nur auf Erkundung, und als ich zum Heer zurückkehrte, waren alle wie umgewandelt...“ Kai runzelte die Stirn. „Da stimmt irgendwas nicht. Ich weiß noch nicht, was, aber irgendetwas passt nicht in dieses Bild...“ Der Junge nickte. „Magie?“ Kai zuckte mit den Schultern. „So etwas existiert kaum noch...“ Er warf einen schrägen Blick auf Twix und die Spinne, die nun mittlerweile auch hinter uns hergekommen war. Mir wurde das alles zu viel. Wenn Kai Lust hatte, seine Wut an magischen

 

 Wesen auszulassen, dann sollte er es tun, aber nicht unbedingt in diesem Augenblick. „Worauf warten wir eigentlich noch???“ Kai hatte meinen Blick aufgefasst und zuckte nochmals mit den Schultern. „Also los...“ – „Und wohin, wenn ich fragen darf?”, fragte Twix. Ich überlegte einen kurzen Moment. „Wir machen uns auf die Suche nach Themistokles. Vielleicht kann er diesen sinnlosen Krieg beenden...“ Kai fiel mir ins Wort. „Er ist nicht sinnlos!“ – „Ach nein? Er nutzt doch aber auch keinem, oder? Alles war wir mit diesem Krieg erreichen, sind Tod und Verderben.“ Kai blickte mich an, doch der Junge mischte sich ebenfalls ein. „Wir waren nicht die, die angefangen haben! Die Alten waren es schließlich, die uns ihre Lebensweise aufzwingen wollten. Das haben wir uns nur nicht bieten lassen!“ Ich war es Leid mich mit den beiden oder überhaupt mit irgendjemandem zu streiten und sagte vorsichtshalber gar nichts mehr.  Wir ritten los.

 

 Eine geraume Weile bewegten wir uns ziemlich schnell nach Westen. Dann änderten wir die Richtung ein wenig um dorthin zu gelangen, wo Twix’ Worten nach die Schlacht zwischen den Zwergen und Wolfs Lanzenreitern tobte. Wir hörten den Lärm schon von weitem. Vor uns am Horizont wetterleuchtete es. Manchmal zuckten Flammen über die Baumwipfel und in fast gleichmäßigen Abständen loderten grelle, bläuliche Blitze hinter dem Wald, auf den wir uns zu bewegten. Jedes Mal, wenn das geschah, glaubte ich, einen Chor gellender Schreie zu hören; Schreie, die eindeutig nicht aus Zwergenkehlen stammten. Ich musste plötzlich wieder daran denken, was Kai über die Kriegsmaschinen der Zwerge erzählt hatte... Twix, die ein paar Erkundungsflüge unternommen hatte, tauchte vor uns aus der Dämmerung auf, schrie aus Leibeskräften und schwenkte hektisch beide Arme. „Zur Seite!!!“, brüllte sie. „Nach rechts!! Sie kommen!!!“

 

 Ganz egal, wer kam, wir rissen unsere Pferde nach rechts und auch die Spinne, die hastig hinter uns herflitzte, schwenkte in die entsprechende Richtung. Twix’ Stimme überschlug sich fast. „Seid ihr verrückt?!“, kreischte sie. „Ihr lauft ihnen ja direkt in die Arme! In die andere Richtung!!!“ Kai zügelte sein Pferd und blickte die Elfe an. „Das ist rechts!“, sagte er betont. „Von euch aus gesehen, vielleicht.“, antwortete Twix. „Von mir aus betrachtet ist es links...“ Kai wollte antworten, doch in diesem Moment drang das dumpfe Hämmern zahlloser, eisenbeschlagener Hufe zu uns durch das Dickicht. Die Spinne ließ sich erschrocken ins Gras sinken und auch wir glitten hastig aus den Sätteln und duckten uns hinter die Pferde. Eine geradezu lächerliche Deckung - vor allem hinter einem Schimmel- aber sie tat ihren Dienst. Vor uns brach ein Tross von etwa drei- oder vierhundert Reitern durch den Wald. Das gewaltige Reiterheer stampfte alles nieder, was

 

 in seinen Weg geriet: Büsche, Sträucher, Unterholz, ja, selbst kleine Bäume. Nicht einer der Reiter nahm auch nur Notiz von uns. Dafür sog Kai hörbar die Luft ein, als er den Reiter erkannte, der das Heer anführte. Es war Marc. „Dieser verdammte...!“ Kais Hand fuhr zum Schwert, aber ich drückte seinen Arm wieder nach unten. „Nicht jetzt! Bitte, Kai. Ich kann dich verstehen, aber wir haben nur diese eine Chance!“ Kai starrte Marc hasserfüllt an und für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Kais Augen schienen Flammen zu sprühen und ich spürte den maßlosen Zorn, der in ihm kochte, während er demjenigen hinterher starrte, wegen dem er über zwei Monate im Koma gelegen hatte und der die Unverschämtheit besaß, sich an Kais Stelle an die Spitze des Heeres zu setzen. Dann aber entspannte er sich. „Du hast Recht. Aber ich kriege den Kerl, das verspreche ich dir! Von wegen, er ist bei den Zwergen ums Leben gekommen...“ Er deutete nach links.

 

 „Hinterher!“ Der Junge zögerte. „Was glaubst du, was er vor hat?“, fragte er. „Ich weiß, was er vor hat! Er hat das Heer geteilt. Sie werden die Zwerge umgehen und sie von zwei Seiten gleichzeitig angreifen, gerade lange genug, um Wolfs Vertrauen zu erringen.“ – „Und dann wechseln sie die Seiten, und greifen Wolfs Heer an?“, fragte der Junge. „Nein.“ Kai schüttelte den Kopf. „Sie löschen sein Heer aus. Mit einem einzigen Schlag. Glaub mir: Wolf und seine Reiter haben keine Chance!“ – „Da wäre ich mir nicht so sicher...“, sagte ich, aber Kai schüttelte den Kopf. „Wolf und seine Männer mögen tapfer sein, aber sie sind nur einfache Bauern und Handwerksleute, die sich bewaffnet haben. Unsere Leute sind ausgebildete Krieger, die ihr Handwerk verstehen, auch wenn das keiner so wirklich wahr haben will. Sie werden Wolfs Armee auslöschen und danach, wenn sie sich in eine gute Position gebracht haben und die Zwerge noch im Siegestaumel sind, werden sie die

 

 Kriegsmaschinen der Zwerge zerstören. Der Rest ist dann nur noch...“ Er zuckte mit den Schultern. „... Fleißarbeit.“ Mir schauderte vor der Kälte, die plötzlich aus Kais Stimme sprach. „Lasst uns weiterreiten.“, schlug der junge Steppenreiter vor. Kai hob beruhigend die Hand. „Wir haben Zeit. Er wird mindestens eine Stunde brauchen, um das Heer in Position zu bringen. Und ich glaube nicht, dass er es damit sehr eilig hat...“ Wie auf Kommando verstummten alle, keiner sagte mehr etwas und mir kam es vor, als wäre auch Kai für kurze Zeit zusammen gezuckt. „Was zum Teufel ist das...??“ Ich konnte nicht einmal mehr mit den Schultern zucken, denn in genau diesem Augenblick explodierte das Gebüsch hinter ihm regelrecht. Erdreich, Steine und zerfetztes Geäst und Blätter regneten auf uns herab. Kai wurde mit einem erschrockenen Laut zu Boden geschleudert und hinter ihm richtete sich etwas kolossales, Bleiches mit gewaltigen Zangen und riesigen starrenden Augen auf. „Der

 

 Skull!!!“, brüllte ich. Nur zu gut konnte ich mich an die Begegnung mit diesem Wesen im Heer erinnern, und wieder war diese Angst um Kai da, wenn ich daran dachte, was danach geschehen war. „Fleisch!!!“, kreische die Spinne fröhlich. Sie wollte unverzüglich losrennen, aber ich grub gedankenschnell die Hand in ihrem Nacken und riss sie zurück. Einen Augenblick später landete ich reichlich unsanft auf dem Boden, als Artax sich erschrocken aufbäumte und mit den Vorderhufen nach mir ausschlug. Auch das Pferd des jungen Steppenreiters ging durch und riss seinen Besitzer zu Boden, während Kai sich hastig aufrichtete und auf Händen und Knien vor der grotesken Kreatur davon kroch. Twix stieß ein kampfeslustiges Pfeifen aus und machte Anstalten, sich unverzüglich auf den Skull zu stürzen. Ich richtete mich umständlich auf, hielt mit der linken Hand die Spinne fest und fischte mit der anderen die Elfe aus der Luft. „Lass mich los!“, kreischte Twix. „Den Kerl

 

 kauf ich mir! Den mach ich fertig! Fix und alle mach ich den!!! Der geht mir so langsam auf die Ketten!!!“ – „Nichts da!“, keifte ihrerseits die Spinne. „Du lässt die Pfoten von ihm! Er gehört mir! Hunger!!! Fleisch!!!“ Nur aus den Augenwinkeln sah ich die Bewegung, die der Skull machte und ich hörte auch Kais erschrockenen Aufschrei, als der Skull mich mit seinen Kieferzangen meterweit davon schleuderte. Wie durch ein Wunder landete ich in einem Gebüsch, so dass mir nichts weiter passierte, aber als ich die Augen wider öffnete, war der Skull bereits über mir. Seine gewaltigen Kieferzangen blitzten. Ich konnte seinen eisigen, nach Alter und unwirklicher Kälte riechenden Atem spüren. Dann traf ein goldener Funkenschauer die Augen des Skull und Twix stürzte sich mit einem lauthals ausgestoßenen „Bonsaiiiii!“ auf die unheimliche Kreatur. Der Skull bäumte sich in lautloser Agonie auf und schlug mit allen Gliedmaßen um sich, die er überhaupt besaß. Eines davon

 

 musste wohl die Elfe getroffen haben, denn Twix segelte kreischend und Funken sprühend über mich hinweg und verschwand irgendwo hinter mir in der Dämmerung. Die winzige Ablenkung hatte mir jedoch gereicht. Ich war zwei, drei Meter von dem Ungeheuer davon gekrochen, hatte mich aufgerichtet und sprintete auf mein Pferd zu. Unterwegs las ich noch mit einer Hand wieder die Spinne auf, die tatsächlich schon wieder Anstalten machte, sich auf den Skull zu stürzen. Ohne auf ihr protestierendes Geschrei zu achten, warf ich sie in den Sattel, sprang selbst hinterher und griff gleichzeitig nach den Zügeln. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie auch der Junge in den Sattel des Schimmels sprang, da sein Packpferd nirgends mehr zu sehen war, und selbst Kai lief auf das Pferd zu und flankte hinter dem Jungen auf dem Rücken des Tieres. Aber auch der Skull hatte sich bereits wieder in Bewegung gesetzt. Er raste mit einer Schnelligkeit heran, die seiner scheinbaren

 

 Größe und Schwerfälligkeit Hohn sprach. Die Elfe hatte sich wieder aufgerappelt und umkreiste den Skull wie ein Miniatur-Kampfflugzeug, wobei sie ununterbrochen goldenen Staub auf die Kreatur herunterregnen ließ; diesmal allerdings aus sichtbarer Entfernung. Ihr Bombardement zeigte allerdings trotzdem Wirkung. Der Skull bewegte sich immer noch schnell, taumelte nun aber sichtbar hin und her und unser Abstand zu diesem hässlichen Vieh wuchs langsam aber sicher. „Twix!!!“, schrie ich. „Hör auf mit dem Vieh zu spielen und komm her!“ Twix bedachte den Skull zum Abschied noch einmal mit einer extra großen Ladung an Elfenstaub, schraubte sich dann jedoch in die Höhe und kam rasch herunter geflogen. Ich musterte den Skull noch einen Moment lang misstrauisch, ehe ich mich im Sattel herumdrehte. Der letzte Angriff schien den Skull ernsthaft geschwächt zu haben. Er war noch immer schnell, torkelte nun aber immer deutlicher. Twix' Elfenstaub setzte ihm

 

 sichtbar zu. Trotz dieses sichtbaren Erfolges wurden wir jedoch nicht langsamer, sondern legten im Gegenteil noch einmal kräftig an Tempo zu, als wir auf die Spur gerieten, die Marcs Reiter durch das Unterholz gebrochen hatten. „Es kann jetzt nicht mehr weit sein!“, schrie der junge Steppenreiter. „Ich kann den Lärm der Schlacht schon hören!“ Tatsächlich drang immer lauter werdendes Schlachtgetöse durch den Wald zu uns und man sah es jetzt fast unmittelbar hinter den Bäumen aufblitzen. Ich drehte mich noch einmal im Sattel herum, stellte befriedigt fest, dass von dem Skull mittlerweile überhaupt nichts mehr zu sehen war, und deutete dann nach vorne. „Weiter! Wir müssen Wolf warnen!“ Wir folgten weiterhin der Bresche, welche die Reiter in den Wald geschlagen hatten, bis zur Kuppe des Hügels und auf der anderen Seite wieder hinab. Dann war der Wald plötzlich zu Ende und das Schlachtfeld lag unter uns. Die Spur der Reiter knickte plötzlich nach rechts ab, aber wir

 

 sprengten geradewegs weiter den Hügel hinab, und auf die beiden ineinander verbissenen Heere zu. Kai stülpte sich vorsichtshalber die Kapuze seines Steppenreiterumhangs über, um nicht vorzeitig erkannt zu werden.

Selbst im blassen Licht des Morgens war der Angriff furchteinflößend. Ich schätzte, dass Wolf mindestens fünf- bis sechshundert Krieger um sich geschart hatte, eine gewaltige Streitmacht. Aber sie standen auch einer mindestens zehnfachen Übermacht gegenüber. Genauer gesagt, sie waren nahezu von ihr eingeschlossen. „Dieser Narr!“, schrie Kai. „Er ist auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen! Die Zwerge haben ihm Platz gemacht, bis er genau da war, wo sie ihn haben wollten! Und dann haben sie die Falle zuschnappen lassen!!“ – „Dann wird es Zeit, dass wir Wolf ein paar Tipps geben!“, schrie ich zurück. Zugleich fragte ich mich aber, was an

 

 Wolfs Lage eigentlich so fatal war. Es stimmte zwar, dass sie von allen Seiten eingekreist waren, aber selbst über die große Entfernung und bei dem schwachen Licht konnte ich erkennen, dass es sich mit den Zwergen genauso verhielt, wie Kai vorher gesagt hatte: Im Freien und bei einem fairen Kampf Mann gegen Mann hatten sie keine Chance gegen Wolfs Reiter! Die Krieger bildeten mit ihren Speeren einen nahezu undurchdringlichen Wall, den weder eine zehn- noch eine fünfzigfache Übermacht überwinden konnte. Die wenigen Zwerge, die dumm genug waren, es trotzdem zu versuchen, spießten sich einfach an der Barriere auf. Trotzdem fiel mir die ziemlich große Anzahl reiterloser Pferde auf, die sich zwischen Wolfs Truppen bewegten; und auf den zweiten Blick eine fast ebenso große Anzahl regloser Gestalten, die zwischen ihnen am Boden lagen. Nur einen Moment später erhielt ich auch eine Erklärung dafür. Auf dem Hügel auf der anderen Seite

 

 des Schlachtfeldes erklang ein dumpfer, sonderbar weicher Knall. Eine gewaltige Dampfwolke erhob sich zischend in die Luft und plötzlich erklang ein schrilles, immer lauter und lauter werdendes Heulen, das eben so jäh wieder abbrach. Zwischen Wolfs Reitern stob ein riesiger Pilz aus Staub, aufgewirbeltem Erdreich und Steinsplittern in die Höhe und fast zwei Dutzend Reiter stürzten schreiend aus den Sätteln oder brachen einfach mit ihren Tieren zusammen. Die Zwerge hatten eine Kanone abgefeuert. Als sich der Dampf auf der gegenüberliegenden Seite verzog, konnte ich sie auch sehen. Es war eine fast groteske Konstruktion. Der Lauf war kurz, dafür aber übermäßig dick, wie eine jener alberner Kanonen, die man manchmal in Comicheftchen sieht, und mit zahlreichen Runen und Reliefarbeiten übersät. Und wenn ich mich nicht täuschte, dann brannte unter ihrem hinteren Ende ein Feuer!

 

 Drei weitere dieser sonderbaren Konstruktionen standen neben dieser ersten Kanone, und bevor ich auch nur ein Wort herausbringen konnte, stob eine weitere, zischende Dampfwolke auf und im nächsten Moment schlug eine zweite Kanonenkugel zwischen Wolfs Reitern ein! „Dieser Dummkopf!!!“ Kai heulte fast, so als hätte ihn das Geschoss ebenfalls getroffen. „Wenn er seine Männer nicht verteilt, dann schießen sie sie in aller Ruhe aus den Sätteln!!!“ Ich erkannte bestürzt, dass das stimmte. Zwar hatten mittlerweile auch Wolfs Reiter die Gefahr erkannt, die ihnen von den Dampfkanonen der Zwerge drohten, und versuchten sich in ihre Richtung durch das Zwergenheer zu kämpfen, aber das konnten sie unmöglich schaffen. Sie hätten das gesamte Tal dazu durchqueren müssen - und so nebenbei die gesamte Zwergenarmee. Wir galoppierten weiter. Auf halben Wege kamen uns ein paar reiterlose Pferde entgegen. Kai

 

 stieß einen trällernden Laut aus, worauf sich eines der Pferde zu uns gesellte und in gestrecktem Galopp neben uns hersprengte. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, schwang sich Kai in vollem Galopp auf seinen Rücken und griff nach den Zügeln. Ich konnte sehen, wie Kai regelrecht aufblühte, als er nicht mehr auf seinen Vordermann angewiesen war und endlich wieder einen Sattel unter sich spürte. Ich betrachtete mir das Pferd nebenbei etwas genauer und erkannte, dass sogar noch ein schwarzer Bogen und ein Köcher mit Pfeilen an dem Sattel befestigt waren, doch Kai hatte das anscheinend schon bemerkt.

Einen Augenblick später hatten wir das Schlachtfeld erreicht. Die Zwerge, die nicht mit einem Angriff aus unserer Richtung gerechnet hatten, waren vollkommen überrascht und versuchten nicht einmal, Widerstand zu leisten. Die, die uns nicht schnell genug ausweichen konnten, wurden einfach niedergetrampelt,

 

 aber ein Großteil der kleinen, in schwarze Mäntel gehüllten Gestalten wich einfach vor uns zur Seite. Und warum sollten sie uns auch aufhalten? Wir ritten ja schließlich genau dorthin, wo sie uns haben wollten...

Ohne langsamer zu werden und ohne auch nur ein einziges Mal ernsthaft angegriffen zuwerden, erreichten wir Wolfs Heer. Allein in dieser Zeit schlugen drei weitere Geschosse der Zwergenkanonen inmitten von Wolfs Reiterschar ein. Die letzten Zwerge sprangen vor uns zur Seite und dann hatten wir es geschafft. Auch der Wald aus Lanzen teilte sich, um uns passieren zu lassen und ich entdeckte einen Ausdruck von Verblüffung, und Misstrauen auf den Gesichtern der Reiter unmittelbar vor mir und Kai duckte sich instinktiv im Sattel, um nicht sofort erkannt zu werden. Ich war erleichtert, dass er das tat. Jetzt näherten wir uns dem Zentrum des Heeres. Es war nicht zu übersehen: Gorg ragte

 

 wie ein Felsen aus der Brandung über den anderen empor und dicht bei ihm entdeckte ich einen bärtigen, ziemlich kräftig gebauten Mann, der wohl Wolf sein musste und schließlich auch Themistokles’ in weiß gekleideter Gestalt. Jedoch machte Gorg ganz gegen seine Art keine besonderen Anstalten, an dem Kampf Teil zu nehmen, sondern schien sich fest an seinem Vorsatz zu halten, das Leben des alten Magiers zu schützen. „Wolf! Themistokles!!!“ Die beiden Angesprochenen, aber auch Gorg und ein Dutzend anderer Reiter, wandten sich überrascht in den Sätteln um. Gorg wirkte erleichtert, mich lebend hier zu sehen, während Themistokles nur flüchtig lächelte, als hätte er nichts anderes erwartet. Wolf hingegen riss ungläubig die Augen auf und begann dann regelrecht zu strahlen. „Jessica!“, rief er. „Themistokles hat mir von dir erzählt und du bist...“ Sein Lächeln gefror, als er Kai und den anderen jungen Steppenreiter erblickte. Er wurde blass. „Kai...“, murmelte er.

 

 Ein zischender Knall kam von den Hügeln zu uns herab und einen Augenblick später schlug eine weitere Kanonenkugel ein, diesmal so nahe, dass ich mich erschrocken duckte. Gorg riss gedankenschnell seinen riesigen Schild in die Höhe und hielt ihn schützend über uns und im selben Moment prasselte ein Hagelschauer aus Erdreich, Steinen und Splittern auf den hölzernen Schild herab. Fünf oder sechs Männer in unserer unmittelbaren Nähe stürzten aus den Sätteln, Pferde bäumten sich auf und warfen ihre Reiter ab. Der Lärm war unbeschreiblich. „Ganz genau, Wolf!!!“, hörte ich Kais vertraute Stimme. „Verteile deine Männer, du Narr!“, schrie er. „Sie sollen kleine Gruppen zu zehn oder zu zwölf bilden!“ – „Damit sie uns aufreiben können und dann dein Heer uns dort hat, wo du uns haben willst???“, schrie Wolf zurück. „Im Moment führt ein anderer das Heer der Steppenreiter!!! Ist es dir außerdem lieber, sie schießen euch in aller Gemütlichkeit aus den Sätteln???“ Wie

 

 um Kais Worte noch zu unterstreichen schlug wieder eine Kanonenkugel ein, diesmal weiter entfernt, aber begleitet von einem Chor gellender Schreie. Wolf überlegte noch einen Moment, dann nickte er. Anscheinend hatte auch er schon lange begriffen, dass Kai eher wusste, was er tat, als er. „Also gut, wir...“ – „Warte!“, unterbrach ich ihn. Ich löste den Bogen und den Pfeilköcher von Kais Pferd und Kai starrte mich aus großen Augen an. Anscheinend hatte er noch nicht einmal registriert, dass dieser Bogen einer von den Zwergen war, und diese Bögen sind nicht normal. Wenn man ein guter Bogenschütze ist, dann treffen sie immer ihr Ziel... Ich legte einen Pfeil auf die Sehne. „Verdammt, was hast du vor?“ – „Die Kanonen!“, antwortete ich. „Es sind Dampfkanonen, stimmts?“ Kai nickte. „Erklär mir, wie sie funktionieren! Wie sind sie konstruiert? Schnell!!“ – „Es ist ein großer Kessel, in dem Wasser erhitzt wird. Wenn der Druck hoch genug ist, löst er ein

 

 Überdruckventil aus und die Kugel wird abgeschossen.“ – „Ein Ventil?“ Ich spürte, wie der Pfeil in meiner Hand unruhig zu vibrieren begann. „Ja, zum Teufel! Aber was hast du vor?“, antwortete Kai aufgebracht. „Du willst doch nicht auf sie schießen? Kein Bogen auf der Welt trägt so weit!“ – „Dieser schon!“, antwortete ich. Insgeheim hoffte ich, auch Recht zu behalten. Eine weitere Kanonenkugel schlug in unserer Nähe ein. Ich duckte mich, wartete mit zusammen gebissenen Zähne, dass der Hagel aus Steinbrocken und Schrapnellsplittern aufhörte, richtete mich dann auf und ließ den Pfeil fliegen, praktisch ohne zu zielen. „Was tust du da?!“, schrie Kai noch einmal. Ich antwortete gar nicht erst, sondern legte rasch einen weiteren Pfeil auf die Sehne und ließ ihn fliegen. Als ich den dritten Pfeil abschoss, schlug eine Kanonenkugel so dicht bei uns ein, dass Artax sich aufbäumte und sicherlich durchgegangen wäre, hätte er nur genug Platz dazu gehabt. Ich wurde nach

 

 hinten und gleich darauf wieder mit solcher Wucht nach vorne geschleudert, dass ich mich nur noch mit Mühe im Sattel halten konnte und den Bogen fallen lassen musste, um mich irgendwie festzuhalten. „Jessica! Was soll das?! Wir verlieren nur Zeit!!!“ Kai hatte einen Splitter abbekommen und blutete aus einer Schnittwunde an der Stirn. Ein gewaltiger Knall schnitt ihm das Wort ab. Wir alle fuhren in den Sätteln herum und sahen gerade noch, wie eine der Zwergenkanonen auf dem Hügel in einer gewaltigen Explosion auseinander flog. Kais Augen quollen vor Unglauben fast aus den Höhlen. Ich grinste nur. „Dampfmaschinen sind eine praktische Sache. Aber nicht ungefährlich. Vor allem, wenn das Ventil verklemmt ist...“

Ich beugte mich im Sattel zur Seite, angelte nach dem Bogen und legte einen weiteren Pfeil auf. Kai starrte den schwarzen Bogen in meiner Hand an. Oben auf dem Hügel explodierte eine zweite Kanone und ich grinste noch breiter.

 

 „Habe ich schon erwähnt, dass Magie manchmal ganz nützlich sein kann?“ Die dritte Kanone explodierte und ich spannte den Bogen und wollte mich auf das Bild des Überdruckventils konzentrieren, als ich einen mahnenden Blick aus Themistokles’ Augen auffing. Der Magier schüttelte fast unmerklich den Kopf. Verwirrt ließ ich den Bogen wieder sinken. „Worauf wartest du?“, fragte Kai unruhig. „Da ist immer noch eine Kanone!“ Bevor ich antworten konnte, kam hinter uns ein gewaltiger Lärm auf. Ein Trupp von gut hundert Reitern sprengte den gleichen Hügel hinab, den auch wir vor gut zehn Minuten gekommen waren. Die meisten von ihnen waren weiß gekleidet und nicht gerade besonders groß. Eine weiße Fahne mit zwei schlichten grünen Dreiecken flatterte über uns im Wind. Angeführt wurde die Truppe von einem Jungen mit blondem, schulterlangem Haar, der seinerseits von vier in zerbeultes schwarzes Eisen gehüllten Gestalten flankiert wurde.

 

 Kai???  Der Kai neben mir gab einen überraschten Laut von sich. „Was ist das für ein komisches Zeichen auf der Flagge?“ Gorg hatte das gefragt und Themistokles wollte antworten, aber Kai kam ihm zuvor. „Der Magier der Zwei Berge... Verdammt Leute!!! Jetzt haben wir ein echtes Problem...“ Themistokles nickte. „Er hat Recht! Das ist das Zeichen des Magiers der zwei Berge... Seit Ewigkeiten hat er sich nicht mehr hier blicken lassen und jetzt, da er seine Streitmacht im Heer der Steppenreiter gefunden hat... Außerdem hat er sich wieder seine schwarze Garde gesucht, wies aussieht...“ – „Soll das heißen, du hast das alles schon vorher gewusst, oder wie darf man das verstehen???“ Mein Blick glitt von Themistokles zu dem einem Kai und dann zu dem anderen. Ich verstand gar nichts mehr. „Soll das heißen, dass dieser Kerl sich gerade für Kai ausgibt?!“ Themistokles nickte. „Und wahrscheinlich hat er sich ebenso für Marc ausgegeben, ohne dass es jemand

 

 gemerkt hat.“ Kai schüttelte ungläubig den Kopf. „Jetzt verstehe ich erst, wie dieser Typ es geschafft hat, das Heer ohne meinen Befehl zum Aufbruch zu zwingen...  Den Kerl schnapp ich mir!!!“ Wir folgten mit den Blicken weiterhin der heransprengenden Truppe. Sollte Kais Doppelgänger erkannt haben, dass sein Plan nicht aufgehen würde, und versuchte die Situation nun in einem Verzweiflungsangriff zu retten? Eine Sekunde später beantwortete ich meine eigene Frage mit einem klaren Nein. Kais Reiter kamen nicht freiwillig den Hügel hinab. Sie griffen auch nicht an. Sie wurden gejagt! Ein gewaltiger bleicher Schatten war hinter ihnen aus dem Unterholz gebrochen und raste wie ein zum Leben erwachter Alptraum hinter den Reitern her. Der Skull... Der Anblick war so Grauem erregend, dass die gesamte Schlacht für einen Moment ins Stocken geriet. Dann erhob sich ein erschrockener Aufschrei aus Tausenden von Kehlen und aus der Schlacht wurde endgültig eine panische Flucht.

 

 Der Anblick der gigantischen, fahlen Bestie reichte aus, die Furcht selbst in die Herzen der tapfersten Krieger zu tragen. Die Reiter und das fahle Ungeheuer rasten weiter heran. Die Zwerge versuchten zur Seite zu weichen, um nicht einfach über den Haufen geritten zu werden, hatten aber auch dafür nicht den nötigen Raum. Kais Reiter krachten wie eine einzige, kompakte Masse in das Zwergenheer und verkeilten sich regelrecht darin. Nur einen Moment später war der Skull heran. Das Ungeheuer machte keine Anstalten, sein Tempo zu mindern, sondern raste einfach in das Heer aus Reitern und Zwergen hinein, wobei es weit mehr als ein Dutzend von Kais jungen Kriegern und zahlreichen Zwergen zu Boden riss oder kurzerhand unter sich begrub. Dann brach am Fuße des Hügels ein verzweifelter, wenn auch hoffnungsloser Kampf aus. Zwerge und Reiter, die keine Möglichkeit zur Flucht hatten, wandten sich um und griffen den Skull an. Dutzende von Speeren und

 

 Pfeilspitzen zerbrachen an den gepanzerten Flanken des Skull. Schwerter zersplitterten wie Glas, Keulen prallten wirkungslos von der blassen Haut des Monsters ab. Die Zwerge warfen sich mit dem Mut der Verzweiflung auf den Koloss und strömten wie kleine, schwarze Ameisen über seinen gewaltigen Körper, versuchten mit Schwertern, Messerspitzen und Speeren eine Lücke in seiner Panzerung zu finden und wurden abgeworfen, als sich das Ungeheuer zischend aufbäumte. Oben auf dem Hügel feuerte die letzte Zwergenkanone und ich begriff, dass der Skull der Grund für den mahnenden Blick Themistokles’ gewesen war, aber auch die Kugel prallte wirkungslos von dem Ungeheuer ab, riss aber noch einige weitere Zwerge und zwei von Kais Reitern zu Boden. Auch ich hob meinen Bogen und schoss. Ich hatte auf das linke Auge des Skull gezielt und der Pfeil traf auch, prallte aber zu meiner Überraschung ebenso hoffnungslos ab wie alles andere. Der Skull arbeitete sich

 

 wütend und beharrlich durch das Heer, wobei er eine Spur der Vernichtung hinter sich herzog. Er wurde jetzt ununterbrochen angegriffen. Tausende von Pfeilen regneten auf ihn herab und die Zwergenkanone schoss, so schnell es ihre Konstruktion zuließ. Nichts von alledem vermochte das Ungeheuer aufzuhalten. Und endlich begriff ich. „Er kommt hierher... Er... er will mich!“ Einen Moment lang fragte ich mich verblüfft, wieso es mir nicht gleich aufgefallen war. Der Skull war bisher stets nur dann aufgetaucht, wenn ich in der Nähe war. Aber warum?

„Nur über meine Leiche!“, grollte Kai und kam noch ein Stück zu mir heran. „Ich werde...“ – „Gar nichts wirst du!“, unterbrach ihn Themistokles. Ich sah überrascht auf, als ich seine Stimme hörte. Jegliche Spur von Schwäche war daraus verschwunden, und als ich mich zu Themistokles umdrehte, blickte ich auch wieder in das Gesicht des alten weisen

 

 Magiers, in dessen Händen das Schicksal der ganzen Welt lag. „Du wirst dich zurückhalten, Kai.“, fuhr er ruhig fort. „Ein Schwert mehr oder weniger macht keinen Unterschied, aber du bist der einzige, der den Betrüger entlarven kann. Wir kümmern uns um das Ungeheuer.“ – „Du verlangst von mit, dass ich tatenlos zusehe, wie ihr in den Kampf zieht und dabei vielleicht Jess noch ums Leben kommt?“ Kai klang empört. „Ich bin kein Feigling, alter Mann!“ – „Manchmal gehört eine Menge Mut dazu, feige zu sein. Außerdem weißt du genau, dass Jessica demnächst die einzige sein wird, die Magie in sich aufnehmen kann, wenn ich nicht mehr da sein sollte... Wir passen auf sie auf.“ Themistokles lächelte kurz über der verbitterten Ausdruck auf Kais Gesicht. „Warte hier auf uns. Und... du solltest dich tarnen. Viele unserer Krieger sind ein wenig irritiert dich zweimal zu sehen.“ Ich hatte nur halb zugehört, und hatte auch keine Lust, über den ersten Satz Themistokles’ nachzudenken,

 

 sondern blickte mich um. Themistokles hatte Recht. Kais Doppelgänger war mittlerweile nahe genug herangekommen um wirklich von jedermann in Wolfs Heer erkannt zu werden. Mochten die Krieger bisher noch geglaubt zu haben, dass sich Kai – warum auch immer – im letzten Moment doch noch auf ihre Seite geschlagen hatte, so musste sie der Anblick eines gleich zweimal vorhandenen Kais vollkommen verwirren. Gorg beugte sich im Sattel vor, angelte mit seinen langen Armen am Boden und hob einen Zwergenumhang auf. Sein Besitzer hing allerdings noch darin. Gorg schüttelte ihn heraus und der Zwerg fiel zu Boden und rannte keifend davon. Noch bevor Kai recht wusste, wie ihm geschah, stülpte Gorg ihm den Umhang über und zog die Kapuze weit in sein Gesicht. „Das... Das ist entwürdigend!!!“, beschwerte sich Kai lautstark. „Stimmt“, grinste ich. Kai hatte Recht – es war entwürdigend und es sah auch durch und durch lächerlich aus. Der Mantel bedeckte

 

 kaum seine Schultern. „Ich finde, es steht dir!“ Kai blickte mich von oben herab an. „Es ist peinlich!“, grollte er. Ich zwang mein Pferd herum. „Warte hier, wir sind bald zurück. Kai blickte mich regelrecht traurig an. „Pass auf euch auf...“ Ich nickte nur und wieder brauchte ich eine Weile, ehe ich begriff, was er gemeint hatte. Wir sprengten los. Wolfs Reiter machten uns Platz, so gut es ging, und der Skull verkürzte den Weg noch, indem er uns entgegenkam, noch immer attackiert von Zwergen, Steppenreitern und mittlerweile auch von Wolfs Kriegern. Auch wenn alle diese Angriffe wenig bewirkten, so ließ allein der Anblick doch mein Herz höher schlagen. Es war gleich, ob es etwas nutzte oder nicht – die drei unterschiedlichen Heere hatten ihre Feindschaft vergessen und sich zusammen getan, um die gemeinsame Gefahr zu bekämpfen, die sie alle drei bedrohte. Ich sah mich verstohlen um. Die Spinne war irgendwann auf dem Weg zu Wolf von meinem

 

 Sattel gesprungen und verschwunden und auch Twix hatte ich schon eine geraume Weile nicht mehr gesehen. Vielleicht würden wenigstens diese beiden überleben, falls es uns nicht gelingen sollte, den Skull zu besiegen. Der Gedanke hatte etwas tröstliches. Ich ließ den Blick wieder über die gewaltige Menge aus Kriegern und Zwergen um uns herum wandern und plötzlich wurde mir klar, dass sie eben nicht nur eine riesige Masse gesichtsloser, Schwert schwingender Gestalten waren, sondern viel, viel mehr. Jeder einzelne von ihnen war ein fühlendes, denkendes Wesen, hatte ein Leben wie ich, voll von Träumen und Wünschen, von Tränen und Enttäuschungen, aber auch von Lachen, von Momenten des Glücks und der Zufriedenheit, von Erinnerungen. Sie waren nicht einfach nur Krieger, Soldaten, die zum Sterben da waren und zu sonst nichts. Jeder einzelne von ihnen hatte ein Leben, das so einzigartig war, wie mein eigenes. Wenn es mein Leben kosten

 

 mochte, all diese anderen zu retten, dann war das ein geringer Preis. Und trotzdem hatte ich unvorstellbare Angst vor dem Moment, an dem ich ihn vielleicht würde zahlen müssen...

Ich spürte etwas und als ich mich im Sattel umdrehte, da wurde mir klar, dass es nichts anderes als Themistokles’ Blick gewesen war. Der alte Zauberer ritt unmittelbar neben mir, auf der anderen Seite flankiert von Gorg, dem Riesen. Das Gesicht des Magiers war wie Stein. Wenn er ebenfalls Angst hatte, dann zeigte er sie nicht. Aber in seinem Blick lag etwas, was mich beunruhigte.

Wir hatten den Skull erreicht. Vor uns wichen die letzten Krieger zur Seite und dann standen wir dem Titanen Auge in Auge gegenüber. Erst jetzt bekam ich mit, dass anstatt des jungen Steppenreiters Sturm sich zu uns gesellt hatte. Der Junge grinste mich an, aber auch ihm schien die Situation nicht egal zu sein. Es gab kein Zögern, kein letztes Anstarren und Sich -

 

 Abschätzen. Der Kampf brach sofort und mit gnadenloser Kompromisslosigkeit los. Wie ich bereits erwartet hatte, stürzte sich der Skull sofort auf mich. Seine riesigen Scheren schnappten zu und hätten mich vermutlich mit einer einzigen Bewegung zweigeteilt, wäre ich nicht gedankenschnell aus dem Sattel gesprungen und ein paar Schritte fortgerannt. Artax ging mit einem schrillen Kreischen durch und galoppierte davon und neben mir sprangen auch Sturm und Themistokles aus den Sätteln, einen Moment später gefolgt von Gorg, der sein Schwert nun gegen eine gewaltige Stachelkeule getauscht hatte, die er mit aller Wucht gegen die gepanzerte Schnauze des Skull krachen ließ. Das Wesen reagierte mit einem wütenden Zischen und schleuderte den Riesen zu Boden, aber in diesem Moment war auch Themistokles heran. Mit hoch erhobenen Händen trat er dem Koloss entgegen. Seine Lippen formten lautlose Worte und plötzlich sprühte blaues Feuer aus seinen

 

 Fingerspitzen, das den Kopf und die vorderen Gliedmaßen des Skull einhüllte. Die bleiche Kreatur richtete sich mit einem lauten Brüllen auf. Einer ihrer langen, mit scharfen Widerhaken und Dornen bewehrten Gliedmaßen traf den Magier vor die Brust und schleuderte ihn meterweit davon, aber noch während er fiel, sprühten Themistokles’ Fingerspitzen weiter blaue, knisternde Flämmchen, die in einem irrsinnigen hin und her über die Panzerplatten des Skull sprangen und dem Wesen grausame Qual zu bereiten schienen, denn es bäumte sich immer weiter und weiter auf und schrie mit einer Stimme, die wie das Dröhnen eines Gewitters in einem schmalen Bergtal war. Ich stemmte mich endlich auf die Füße, riss den Bogen von der Schulter und schoss ohne auch nur zu zielen. Ich wusste, dass es sinnlos war. Der Pfeil musste einfach von den Panzerplatten abprallen, wie alles andere zuvor. Stattdessen zerschlug er sie und drang fast bis zu dem

 

 gefiederten Schaft in den Hals des Ungeheuers ein. Ich riss ungläubig die Augen auf und es dauerte noch eine geraume Weile, bis ich zu begreifen begann, was wirklich geschehen war: Themistokles’ Finger hatten aufgehört, Feuer zu sprühen, aber die blauen Funken liefen noch immer über den Panzer des Skull. Themistokles’ Magie nahm dem Monster seine Unverwundbarkeit. Oben auf dem Hügel krachte wieder die Zwergenkanone. Das Geschoss kam pfeifend herangeflogen und traf die Flanke des Skull. Diesmal prallte es nicht davon ab, sondern zerschmetterte ein gewaltiges Stück der weißen Panzerplatten und der Skull bäumte sich noch weiter auf und schrie, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, vor wirklichem Schmerz. Im nächsten Augenblick ging das Gebrüll des Skull schon im Triumphgeschrei zahlloser Kehlen unter. Jedermann hatte gesehen, was mein Pfeil und die Kanonenkugel dem Skull angetan hatten und der Anblick gab jedem noch einmal neuen

 

 Mut. Gorg schwang mit einem gewaltigen Brüllen seine Keule, ich schoss Pfeil um Pfeil auf den tobenden Giganten ab. Dutzende von Kriegern und Zwergen attackierten den Skull Schulter an Schulter. Die Dampfkanone feuerte wieder und schlug einen weiteren, gewaltigen Krater in die Panzerplatten und ein wahrer Hagel von Pfeilen und geschleuderten Speeren senkte sich auf das Ungeheuer hinab. Aber obwohl nun verwundbar, stellte der Skull noch immer eine schreckliche Gefahr dar. Er war so groß wie ein Drache und ungleich gefährlicher. Mehr als einer der Angreifer bezahlte mit einem fürchterlichen Hieb oder einem blitzartigen Zuschnappen der Kiefer und Zähne dafür, dem Ungeheuer zu nahe gekommen zu sein. Und der Koloss kroch immer noch näher!

Ich feuerte einen weiteren Pfeil auf ihn ab, fuhr herum und war mit zwei, drei großen Sätzen bei Themistokles. Der alte Magier lag reglos im niedergetrampelten Gras. Ich konnte auf den

 

 ersten Blick keine Verletzung erkennen und Themistokles war auch bei Bewusstsein. Aber seine Augen waren trüb, und nachdem ich ihn halbwegs aufgesetzt hatte, musste ich ein paar Mal an seiner Schulter rütteln, damit er überhaupt reagierte. „Themistokles! Du musst uns helfen! Er ist zu stark für uns!!!“ Themistokles stöhnte. Er wäre wieder gestürzt, hätte ich ihn nicht gehalten. „Ich... ich kann nicht.“, murmelte er. „Meine Kräfte... sind erschöpft.“ Ich warf einen hastigen Blick über die Schulter zurück. Der Skull kam näher. Er war langsamer geworden und trotzdem schien er noch immer unaufhaltsam. Seine Panzerplatten waren zerschlagen und er blutete aus zahlreichen, schrecklichen Wunden – und doch schien all das, was wir ihm anhaben konnten, nur ein paar oberflächliche Kratzer zu sein. Das Ungeheuer war einfach zu groß, als dass wir ihm ernsthafte Schäden zufügen konnten, geschweige denn, es aufzuhalten. Wir befanden uns in der Lage von

 

 Kindern, die versuchten, mit Kuchengabeln und Taschenmessern einen wütenden Elefantenbullen aufzuhalten. „Wenn ich irgendetwas tun kann, damit deine Kräfte zurückkehren, dann sag es mir!!!“ Themistokles schüttelte müde den Kopf. „Ich schätze, gar nichts. Aber eins kann ich dir sagen...“ Seine Stimme wurde immer leiser und ich hatte Mühe, ihn über den Lärm des Skull hinweg zu hören. „Du bist diejenige, die später all meine Energie und Magie erben wird. Auch wenn es Kai nicht unbedingt gefällt. Er ist sowieso nicht der wirkliche Beziehungstyp, weißt du?“ Ich verstand nicht wirklich, was Themistokles damit meinte, aber es war auch nicht der richtige Moment, um darüber nachzudenken. Ein gewaltiger Schatten senkte sich über uns. Ich hob erschrocken den Kopf und sah, wie sich zwei gewaltige, weit geöffnete Kiefernzangen auf uns herabsenkten. Ich schrie auf, stieß Themistokles aus der Gefahrenzone und warf mich selbst zur Seite.

 

 Aber ich spürte auch selbst, dass diese Bewegung viel zu langsam war. Eine halbe Sekunde, bevor die Zangen zuschnappen konnten, schoss ein silberweißes Gespinst heran und klebte sie zusammen. Es bereitete dem Skull keine große Mühe, die Fäden zu zerreißen, aber ich gewann dadurch die eine kostbare Sekunde, um mich zur Seite zu werfen und den zuschnappenden Zangen zu entgehen. Ich kam mit einer Rolle wieder auf die Füße, stolperte noch ein paar Schritte weiter und fuhr dann wieder zu dem Skull herum. Die Kreatur war für einen Moment erstarrt. Sie wirkte fast irritiert, als verstünde sie nicht, wie ihr ein so sicher geglaubtes Opfer doch noch hatte entkommen können. Dann senkte sich sein gewaltiger Schädel langsam auf Themistokles hinab. Die schrecklichen Kiefernzangen öffneten sich. Themistokles riss schützend die Hände vor das Gesicht, aber alles, was noch aus seinen Fingerspitzen kam, waren ein paar jämmerliche Funken.

 

 Seine Kräfte waren endgültig aufgebraucht. „Nein! Verdammt! Hier bin ich! Nimm mich!!!“ Der Skull wandte mit einem zischenden Knurren den Kopf. Sein Blick bohrte sich in meinen und seine kräftigen Kiefernzangen öffneten sich. Ein tiefes, drohendes Knurren drang aus seiner Brust. Es verlor schlagartig das Interesse an Themistokles und begann, sich auf mich zu zu bewegen. Ich riss den Bogen in die Höhe und schoss. Auf dem Hügel stieß die Zwergenkanone eine weitere zischende Dampfwolke aus und die Kugel traf den Schädel der Bestie und zerschmetterte einen weiteren großen Teil der noch vorhandenen Panzerplatten. Wolfs Krieger und Kais Steppenreiter attackierten die Bestie. Schulter an Schulter krochen Hunderte von Zwergen über den Leib des Skull und hackten und schlugen auf ihn ein. Twix tauchte wie aus dem Nichts auf und bombardierte den Skull mit goldenem Elfenstaub und die Spinne gesellte sich zu mir und schoss dünne, klebrige Fäden

 

 ab, um seine Zangen zu fesseln oder ihn zum Stürzen zu bringen. Nur ein Stück entfernt von Themistokles schwang Gorg seine Keule. Jeder einzelne seiner gewaltigen Hiebe ließ Panzerplatten zerbersten und fügte dem Skull neue, fürchterliche Wunden zu, aber nichts, nichts von alledem vermochte das Ungeheuer aufzuhalten. Unerbittlich rückte es näher. Ich wich Schritt für Schritt zurück und verschoss Pfeil für Pfeil auf den Koloss, bis meine Hand plötzlich ins Leere griff. Mein Köcher war leer. Mir blieb keine Zeit mich nach einem neuen Pfeil zu bücken. Ich ließ den Bogen fallen und zog stattdessen mein Schwert. Eine Gestalt in einem lächerlichen kleinen Cape, dafür aber mit einem umso gewaltigeren Schwert, erschien neben mir. „Ich bin hier! Nimm mich!“, äffte Kai meine Worte nach. „Wie edelmütig! Der alte Mann ist es eigentlich doch gar nicht wert...“ In solchen Situationen hatte Themistokles wohl Recht. Kai war wirklich nicht der beste Beziehungstyp... Allerdings wäre er

 

 kaum da gewesen, wenn ich ihm ebenfalls egal wäre. „Was tust du hier?! Willst du, dass er dich umbringt?“ – „Wenn wir dieses Biest nicht besiegen, dann spielt das ja wohl kaum eine Rolle!“, knurrte Kai. „Also los! Versuch seine Augen zutreffen und nimm dich vor den Scheren in Acht!“ Der Skull raste heran. Kai und ich hoben unsere Schwerter und eine Sturmböe fauchte zwischen uns hindurch und riss uns beinahe von den Füßen, gefolgt von einem so kalten, gleißenden Blitz, dass Kai vor Schmerz aufschrie, die Hände vor das Gesicht schlug und ein paar Schritte in entgegengesetzte Richtung zurücktaumelte. Als ich wieder sehen konnte, bot sich mir ein erstaunlicher Anblick. Dort, wo Kai und ich gerade eben noch gestanden hatten, brodelte eine schwarzgraue Wolke aus der es ununterbrochen loderte und wetterleuchtete. Sie sah tatsächlich wie eine Gewitterwolke aus, nur dass sie nicht am Himmel schwebte und höchstens zwei Meter maß. Und aus dieser

 

 Wolke fuhr Blitz für Blitz in den Skull. Wo sie die Panzerplatten des Skull trafen, ließen sie sie regelrecht verdampfen. Das Ungeheuer schrie. Die Blitze brannten schwarze, gezackte Rußspuren in den Panzer, blendeten seine Augen und schmolzen seine Scheren zusammen. Eine ununterbrochene Folge rollender Donnerschläge mischte sich in das Zischen der Blitze und übertönte das Brüllen des Skull. „Anscheinend ist dem alten Mann doch noch etwas sinnvolles eingefallen!“, schrie Kai über das Brüllen des Sturmes und das Rollen der Donnerschläge hinweg. Ich sah zu Themistokles hin. Der alte Magier hatte sich aufgerichtet, aber als sich unsere Blicke begegneten, hob er nur hilflos die Schultern. Themistokles war nicht für das verantwortlich, was in diesem Moment mit dem Skull geschah. Ich drehte mich suchend in die andere Richtung und erkannte Sturm, der nur wenige Schritte hinter der brodelnden Wolke stand und so breit grinste, dass er sich wahrscheinlich

 

 mit Leichtigkeit in die eigenen Ohrläppchen hätte beißen können. Ich lief geduckt und schräg gegen den Sturm gelehnt zu ihm. „Was ist das?!“, schrie ich über das Krachen der Donnerschläge und das unablässige Zischen der Blitze hinweg, doch Sturm winkte ab. Anscheinend brauchte er mal wieder alle seine Kräfte und Konzentration. Ich wusste bisher noch nicht einmal, dass der schlanke Junge zu so etwas überhaupt im Stande war. Noch immer fuhren Blitze in rascher Folge in den Skull, so grell, dass ich die Augen zukniff und mich abwandte. Es waren jetzt nicht mehr so viele und ihre Intensität nahm immer deutlicher ab, aber der Kampf war bereits entschieden. Nachdem der letzte Blitz verblasst war, wandte sich der Skull und begann mühsam davon zu kriechen, wobei er leise, wimmernde Seufzer hören ließ. Er hatte jedoch von seinen Gegnern nicht mehr Gnade zu erwarten, als er selbst hatte walten lassen. Unter gellendem Kriegs- und Hurragebrüll stürzten sich Hunderte

 

 von Zwergen auf den Skull, unterstützt von zahlreichen Steppenreitern und nicht weniger von Wolfs Kriegern. Auch meine Begleiter wollten hinter dem Skull herstürzen, aber ich hielt Twix mit einer raschen Bewegung zurück, während die Spinne mir mit einer geschickten Bewegung auswich und auf wirbelnden Beinen hinter dem Skull herflitzte.

Langsam kamen Themistokles und Gorg auf mich zu, wobei Gorg den alten Magier noch stützen musste, damit dieser nicht zusammenbrach. Twix landete nach dem gewöhnlichen Gezeter letztendlich taumelnd auf meiner Schulter. Sie sah abgekämpft und reichlich mitgenommen aus. Ihre Flügel waren angesengt und ihr Gesicht war schwarz vor Ruß. Trotzdem strahlte sie geradezu. „Dem haben wir es gegeben, wie?“, piepste sie. „Dem Kerl haben wir richtig eingeheizt!“ Sie blinzelte Sturm zu, der erschöpft, aber ebenfalls glücklich auf dem Boden kniete, um erst einmal

 

 tief durch zu atmen. „Gar nicht schlecht, Pickelgesicht...“ – „Das war nicht allein mein Verdienst.“, antwortete Sturm mit schlecht gespielter falscher Bescheidenheit. „Wir haben es alle gemeinsam geschafft.“, sagte nun auch Themistokles, der langsam herankam. „Keiner von uns wäre allein dazu in der Lage gewesen, mit dem Skull fertig zu werden. Weder ihr noch ich oder Wolfs oder Kais Krieger. Nur wir alle gemeinsam konnten es.“ Und plötzlich geschah etwas fast unheimliches. Themistokles hob weder die Stimme noch sprach er auch nur im Geringsten lauter. Und trotzdem war seine Stimme überall auf dem Schlachtfeld zu hören und in allen Sprachen, welche die unterschiedlichen hier versammelten Völker auch sprechen mochten. „Es ist genug!“, erlang die Stimme des Magiers. „Haltet mit dem sinnlosen Blutvergießen inne.“ Soweit ich sehen konnte, vergoss im Moment hier keiner Blut. Die Schlacht war zum Erliegen gekommen oder legte zumindest eine kurze

 

 ein. „Dieser Kampf ist sinnlos!“, fuhr Themistokles fort. „Es ist nicht nötig, dass wir uns gegenseitig töten! Diese Welt ist groß genug für uns alle! Und wir brauchen uns gegenseitig. Zu dringend, als dass wir uns bekämpfen dürfen! Seht, was gerade geschehen ist! Wir haben einer gewaltigen Gefahr gemeinsam ins Auge geblickt, vielleicht der größten, die den Völkern Märchenmonds je gedroht hat! Noch dazu ist es ebenfalls sinnlos, gegen seine eigenen Eltern oder gar gegen seine Brüder zu kämpfen. Außerdem gibt es einige unter uns, die sowieso eigentlich auf der falschen Seite stehen, oder nicht genau einzuordnen sind.“ Er deutete auf mich und trotz, dass mich nicht alle sehen konnten, waren es doch genügend Augenpaare, die mir Unbehagen bereiteten. „Seht euch Jessica zum Beispiel an. Sie kämpft eigentlich auf der Seite der Kinder, wo sie ihres Alters nach auch eigentlich hingehört. Aber wenn man es von der Seite betrachtet, dass sie schwanger ist,

 

 und somit fast selbst eine Mutter...“

Toll... Dass der gerade das als Beispiel nehmen musste, war ja eigentlich wieder einmal logisch gewesen...Themistokles ließ den Satz offen. Sollte sich jeder seine eigenen Gedanken darüber machen. Ich konnte spüren, wie sich die Aufmerksamkeit einiger Krieger von dem weiß gekleideten Magier abwandten und hier und da mit einem Blick auf mich ein zustimmendes Nicken auftauchte. Und dann spürte ich... noch etwas. Nicht das Vorhandensein, sondern die Abwesenheit von etwas, das die ganze Zeit über unsichtbar über dem Schlachtfeld gehangen hatte. Die Feindseligkeit war nicht mehr da – als wäre zusammen mit dem Skull auch jene unsichtbare böse Macht verschwunden, die jedermann auf dem Schlachtfeld gezwungen hatte das Schwert gegen seine eigenen Eltern und Brüder zu erheben. Nachdem Themistokles geendet hatte, kehrte für einen

 

 Augenblick fast unheimliches Schweigen ein. Dann ertönte hinter uns ein leises, regelmäßiges Klatschen. Ich drehte mich herum. Kai – der falsche Kai – war zusammen mit seiner Schwarzen Garde und einem guten Dutzend weiterer Krieger hinter uns erschienen. Er lächelte Themistokles aus der Höhe seines Sattels herab zu und klatschte dabei spöttisch in die Hände. „Eine wirklich beeindruckende Rede, alter Mann.“, sagte er hämisch, wobei in mir eine unzähmbare Wut heraufkroch. „Hättest du auch nur noch zwei Minuten weiter geredet, dann wären mir die Tränen gekommen. Nur war sie leider völlig umsonst, fürchte ich. Was für eine Verschwendung.“ Ich sah aus den Augenwinkeln, wie sich der richtige Kai neben mir spannte und die Hand hob, um seine Kapuze zurückzuschlagen. Hastig drückte ich ihm die Hand wieder hinunter. „Noch nicht!“ Kai ließ den Arm wieder sinken. „Gib auf, Kai.“, sagte Themistokles. „Es ist vorbei. Es gibt für

 

 keinen von uns mehr einen Grund, gegen den anderen zu kämpfen. Noch dazu müsstest du eigentlich gerade Rücksicht auf jene, wie Jessica nehmen...“ Kai blickte den Zauberer verständnislos an und einige der Krieger neben ihm begannen, aufgeregt zu tuscheln. „Es hat schon zu viele Tote gegeben, Kai.“, sagte Themistokles. Kai lachte. „Auf unserer Seite – sicherlich. Auf eurer...?“ Er hob die Schultern und lachte noch lauter. Ich spürte, wie der echte Kai neben mir am ganzen Leib zu zittern begann. Ich fragte mich, wie lange er sich noch beherrschen würde. „Es ist vorbei, Kai!“, sagte Themistokles noch einmal, wobei er den Namen auf so sonderbare Weise betonte, dass der Doppelgänger eigentlich hätte gewarnt sein müssen. „Sieh das endlich ein! Auch deine jungen Krieger sind des Kämpfens müde!“ Ich ließ meinen Blick über die Gesichter der Reiter rechts und links des vermeintlichen Kai schweifen. Was ich sah, bestätigte Themistokles’ Worte nur zu sehr.

 

 Viele von ihnen waren verletzt und wirkten müde und auf eine Art erschöpft, die sich nicht nur auf ihre Körper bezog. Und in fast allen Gesichtern hatte sich eine Mischung aus Furcht und Grauen eingegraben, die vielleicht nie wieder daraus verschwinden würde. Für viele – wenn nicht alle – dieser jungen Krieger war es die erste wirkliche Schlacht, an der sie teilgenommen hatten, und viele standen wohl noch immer unter dem Schock des Erlebten. Es mochte eine geraume Weile dauern, bis sie wirklich begriffen, was Krieg bedeutete: nämlich Furcht, Schreie, Blut und Schmerzen, Tränen und vor allem Tod. Und er hatte nichts, aber auch rein gar nichts mit heroischen Schlachten und ritterlichen Kämpfen zu tun. „Vielleicht hast du sogar Recht.“, sagte der falsche Kai. „Wie gut, dass ich nicht auf sie angewiesen bin, nicht wahr?“ Er hob seine Fahne und schwenkte sie zweimal und wie hingezaubert erschienen auf den Hügeln, die das Tal umgaben, die Silhouetten zahlloser

 

 Reiter. Ihre aufgestellten Lanzen waren wie ein dichter Zaun, der das gesamte Tal umgab. Es mussten Tausende sein. Der angebliche Kai hatte tatsächlich seine gesamte Armee mitgebracht. Er war wohl entschlossen, hier und jetzt eine Entscheidung - für was auch immer - zu erzwingen. Mir schauderte vor Furcht. Neben mir begann Kai immer heftiger zu zittern. Gorg stellte sich mit erhobenem Schild und fest ergriffener Keule neben Themistokles. Themistokles hob die Stimme, sodass sie nun wieder überall zu hören war; auch und vor allem auf den Hügeln. „Der Krieg ist vorbei!“, rief er. „Senkt die Waffen!“ Der angebliche Kai lachte leise. „Gib dir keine Mühe, alter Mann.“, sagte er. „Sie werden nicht auf dich hören!“ – „Das glaube ich auch.“, sagte der echte Kai links neben mir. „Aber vielleicht auf mich.“ Und damit schlug er die Kapuze zurück. Drei Sekunden herrschte vollkommenes Schweigen. Ich konnte sehen, wie sich auf den Gesichtern der jungen Krieger

 

 Schreck, Verwirrung und hier und da auch Zorn breit machte. Das überhebliche Lächeln blieb noch einen Moment auf dem Gesicht des falschen Kai, aber es gefror und wurde dann zu etwas anderem, das ich nicht richtig beschreiben konnte. Schließlich nickte der falsche Kai. „Mein Kompliment, Themistokles. Ich gestehe es nicht gerne, aber ich habe euch unterschätzt... Und das, obwohl ich euch nun wirklich lange genug kenne.“ – „Ich muss dir ein Kompliment machen.“, sagte der echte Kai eisig. „Du hast meine Rolle wirklich perfekt gespielt. Selbst meine eigenen Leute sind auf dich hereingefallen. Du warst eine würdige Vertretung!“ – „Das war wirklich nicht schwer.“ sagte der falsche Kai abfällig. Kais Gesicht verfinsterte sich noch weiter. „Warum steigst du dann nicht vom Pferd und wir finden heraus, ob du auch in anderen Beziehungen so gut bist wie ich?“ Er zog sein Schwert. Augenblicklich zogen auch die vier schwarzen Ritter neben dem falschen Kai ihre Waffen, aber sie führten

 

 die Bewegung nicht zu Ende. Schwerter wurden gezogen, Lanzen kampfbereit gesenkt – und alle Waffen deuteten ausnahmslos auf die vier in schwarzes Eisen gehüllten Ritter und ihren Herrn. „Aufhören!“, donnerte Themistokles. „Ich sagte, der Kampf ist vorbei! Und das gilt auch für euch!“ Er wandte sich an Kai. „Steck dein Schwert ein!“ – „Aber ich...“ – „Du solltest froh sein, dass er deine Herausforderung nicht angenommen hat, Jungchen!“, grollte Gorg. „Er hätte dich in Stücke gehauen!“ Kai senkte sein Schwert, steckte es jedoch nicht ein, sondern behielt es in der Hand und starrte den Riesen trotzig an und sein Ebenbild sagte: „Wenigstens einer, der meine Fähigkeiten noch zu schätzen weiß. Ich überlege, ob ich dich am Leben lasse und dich zu meinem Leibwächter mache, wenn das alles hier vorbei ist. Würde dir das gefallen, mein großer tölpelhafter Freund?“ Gorg knurrte vor Zorn und machte einen Schritt auf ihn zu, bevor Themistokles ihn mit einer

 

 raschen Handbewegung zum Stehen brachte. Ich war beunruhigt. Die Überheblichkeit des Doppelgängers war nicht gespielt. Er fühlte sich vollkommen sicher – obwohl seine Lage so aussichtslos schien, wie sie nur irgendwie sein konnte. „Lass es gut sein.“, sagte Themistokles leise. Kais Doppelgänger sah ihn noch einen Moment lang durchdringend an, dann seufzte er, hob langsam sein Schild und senkte ihn einen Moment später wieder. Als ich das nächste Mal wieder in sein Gesicht blickte, war es nicht mehr das von Kai. Es war Marcs Gesicht. Und zugleich wieder auch nicht. Es hatte sich verändert, auf eine unheimliche, schaudernd machende Art. Zum einem war er nicht mehr jung. Er war auch nicht alt, doch es war ganz und gar nicht das Gesicht des jungen, stürmischen Steppenreiters, als den ich ihn im Heer kennen gelernt hatte. Es wirkte auf eine fast unmöglich in Worte zu kleidende Weise... zeitlos. Aber es war noch etwas darin und das

 

 machte mir wirklich Angst: Ich hatte Bosheit in diesem Gesicht erwartet, vielleicht auch eine verschlagene Tücke, wie sie in den Augen der Zwerge funkelte – aber alles was ich sah, war ein tief eingegrabener Schmerz und eine uralte, quälende Verbitterung. „Ahhh.“, seufzte Marc. „Was für eine Wohltat, nach so langer Zeit wieder das eigene Gesicht tragen zu können. Manchmal läuft man Gefahr zu vergessen, wie es eigentlich aussieht.“ Ein ungläubiges Raunen und Murmeln ging durch die Reihen der jungen Steppenreiter, aber ich sah auch schiere Wut in mehr als einem Augenpaar aufblitzen, als den jungen Kriegern klar wurde, wie sehr sie getäuscht worden waren. Wolf, der sich mittlerweile ebenfalls zu uns gesellt hatte, fasste es in Worte: „Ihr dummen Kinder! Ihr führt einen Krieg gegen uns, weil wir alt sind! Und euer Anführer ist der Älteste von allen!“ – „Älter, als ihr alle zusammen, um genau zu sein.“, sagte Marc mit ruhiger Stimme. „Steigt von eurem Pferd, Zauberer der zwei Berge!",

 

 sagte Wolf kalt, „Damit wir Euch in Ketten legen können.“ – „Es sei denn, Ihr legt Wert darauf, dass wir euch aus dem Sattel schießen!“, fügte Kai grimmig hinzu. Marc lachte leise. „Nicht so hastig, meine Freunde“, sagte er. „Und um der Wahrheit die Ehre zu geben – ich bin kein Zauberer. Kein richtiger jedenfalls.“ Plötzlich wurden seine Augen hart. „Noch nicht...“ – „Und das werdet ihr auch nie!“, sagte Themistokles. Seine Stimme klang traurig. „Zauberer zu sein, bedeutet mehr, als nur ein paar Beschwörungsformeln aufsagen zu können, oder seine Gestalt zu verändern. Manchmal ist es eine schwere Last... Ich glaube nicht, dass Ihr sie tragen möchtet.“ Marc zuckte mit den Schultern. „Das kommt auf einen Versuch an, nicht wahr?“ Und damit riss er den Arm in die Höhe und deutete mit der ausgestreckten Hand auf mich. „Gib sie mir!!!“ Kai stellte sich hinter mich und schlang schützend seine Arme um meine Hüften. „Tut uns ja wirklich leid, aber sie hat sie nicht...“ Ich

 

 wusste absolut nicht, um was es ging. „Wer hat sie dann?!“, donnerte Marc. Themistokles tauschte einen bezeichnenden Blick mit Sturm und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Doch diese Bewegung schien Marc gesehen zu haben. „Du!“ Er deutete auf Sturm. „Du hast sie… Gib sie her!!!“ Sturm setzte einen ziemlich gut gespielten, verwunderten Ausdruck auf.  „Ich weiß nicht, was...“ Weiter kam er nicht. Einer der schwarzen Reiter hatte einen Pfeil auf ihn abgefeuert. Sturm brach zusammen und eine Kugel rollte ins Gras. Sie schimmerte in den verschiedensten Farben und ein Drache aus einem nicht zu beschreibenden Stoff saß darauf und hatte seinen Schweif um die Kugel gelegt. Als ich genauer hinsah entdeckte ich, dass in der Kugel eine Miniaturstadt aufgebaut war, die ganz nach Gorywynn aussah. „Verdammtes Monster!“, flüsterte Kai. „Ich weiß nicht, wer schlimmer ist – Ihr oder der Skull...“ – „Ich!“, antwortete Marc. „Verlass dich drauf.“ Er

 

 schnitt Kai mit einer wütenden Geste das Wort ab. „Genug jetzt! Ich habe nicht alle Zeit der Welt!“ Einer der schwarzen Reiter stieg aus dem Sattel und hob die Kugel auf, drehte sie vorsichtig in den Händen und brachte sie dann zu seinem Herrn. „Ihr könnt euch jetzt entscheiden, wer von euch in meine Dienste treten will oder wer es vorzieht, hier und jetzt zu sterben, zusammen mit dem Zwergenvolk!“ Kai ächzte. „Seid Ihr... verrückt? Nicht einer von meinen Kriegern wird euch folgen, ganz egal, was Ihr ihnen androht!“ – „Das ist auch nicht nötig, jetzt wo ich das habe!“ Marc hob triumphierend die Kugel in die Höhe. „Du hast das alles die ganze Zeit über geplant...“, vermutete ich. „Vom ersten Moment an, allerdings kam mir dann so eine naive kleine Göre dazwischen und ich musste mir etwas neues einfallen lassen...“ Er wandte sich an Themistokles. „Es war kein besonders guter Schachzug, all deine Macht in eine Kugel zu stecken und sie an einen Ort zu bringen, den

 

 Wesen von dieser Welt betreten kann. Leider hat es nicht funktioniert, denn da gab es doch jemanden, der dorthin konnte...“ Sein Blick fiel auf Sturm. „Jetzt besitze ich die Macht! Die absolute Macht!“ Themistokles blieb ganz ruhig. Er sah Marc nur an und in seinen Augen stand noch immer dieser Ausdruck sonderbarer Trauer. Er sagte nichts. „Und Ihr werdet der Erste sein, der sie zu spüren bekommt, alter Narr!“, brüllte Marc. Er riss den Arm in die Höhe und deutete mit der Zauberkugel wie mit einer Waffe auf Themistokles. Nichts geschah. Marc blinzelte, betrachtete die Zauberkugel eine halbe Sekunde lang verwirrt und stieß sie dann noch einmal und mit größerer Wucht vor. Mit dem selben Ergebnis. Weder tat sich die Erde auf um Themistokles zu verschlingen noch stürzte der Himmel auf den Magier herab oder fuhr ein sengender Blitz aus der Zauberkugel. „Ihr habt immer noch nicht begriffen.“, sagte Themistokles bedauernd, Er schüttelte traurig

 

 den Kopf, ging zu Marc hin und nahm ihm ruhig die Zauberkugel aus der Hand. Dann kam er zurück und reichte sie mir. „Bindet ihn, aber tut ihm nichts zu leide. Er ist nur ein bedauernswerter alter Mann.“ Ich drehte die Zauberkugel fassungslos in den Händen. Der stilisierte Drache, der sie hielt, glitzerte im Licht der langsam aufgehenden Sonne, als wolle er mir zublinzeln. Kai legte mir einen Arm um die Schulter und ich genoss das Gefühl. Irgendjemand hinter Marc schubste ihn unsanft aus dem Sattel und einige von Wolfs Kriegern begannen ihn zu fesseln. Einige andere kümmerten sich um Sturm, der noch immer am Boden lag, aber langsam wieder zu sich kam, da der Pfeil nur seine Schulter durchbohrt hatte. Themistokles blickte mir in die Augen und endlich sah ich ein freudiges Aufblitzen darin. „Pass gut auf sie auf. Wenn ich einmal nicht mehr sein werde, dann hast du in deinen Händen diese Kugel...“

 

 Spät am Nachmittag zogen die Zwerge ab. Das kleine Volk hatte seine Toten begraben und die Verwundeten versorgt, so gut es ging, und anschließend die Überreste der zerstörten Dampfkanonen auf große, von Ochsen gezogenen Karren verladen, um ihrer Wege zu gehen. Ich hatte ein halbes Dutzend Mal versucht, mit den Zwergen zu reden, aber wo immer ich auch hingegangen war, ich war überall auf das selbe gestoßen: Ablehnung und Hass. Der Gedanke tat weh, aber ich musste mich wohl damit abfinden: Für die Zwerge Märchenmonds würde ich wohl nie in meinem Leben die strahlende Heldin sein, die mittlerweile alle anderen Völker diese Welt in mir sahen, sondern das Gegenteil: Die, deren Namen sie von allen am meisten hassten. Der für Furcht und Untergang stand. Ich verstand immer weniger, wie Männer wie Marc – aber auch andere Herrscher, die ihr Reich auf Furcht und Terror gründeten – mit diesem Gefühl leben konnten. Während ich dem

 

 abziehenden Zwergenvolk hinterher sah, füllten brennende Tränen meine Augen. Ich schämte mich ihrer nicht. „Sei nicht traurig, Jess!“, sagte eine tiefe Stimme hinter mir. „Man kann nicht immer nur gewinnen, weißt du?“ Ich drehte mich herum und erkannte durch den Schleier von Tränen eine riesige, breitschultrige Gestalt hinter mir, die wie ein Berg gegen das Sonnenlicht aufragte. Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Augen und aus dem kolossalen Schatten wurde die vertraute Gestalt des Riesen Gorg. „Aber es wäre schön...“ – „Ja.“, erwiderte Gorg. „Doch so ist das Leben nun einmal nicht. Du kannst nicht gewinnen, ohne dass ein anderer verliert... Davon abgesehen: Wenn ich mich nicht täusche, haben wir gewonnen.“ – „Aber um welchen Preis!“ Gorg hob die Schultern. Es war, als bewege sich ein Berg am Horizont. Er antwortete nicht direkt, sondern wechselte das Thema. „Themistokles möchte dich sehen. Er ist in seinem Zelt.“ Ich folgte ihm ohne ein

 

 weiteres Wort. Während wir durch die kleine Zeltstadt gingen, welche die Krieger der beiden nunmehr wieder vereinten Heere aufgebaut hatten, ließ ich meinen Blick in die Runde schweifen. Wohin ich auch blickte, ich sah überall das selbe: müde, verhärmte Gesichter, Augen, von denen der Schrecken Besitz ergriffen hatte, Hände, die vielleicht nie wieder aufhören würden, zu zittern. Die Schlacht war vorbei. Wir hatten gesiegt, ganz egal von welchem Standpunkt aus man es betrachtete, und unsere eigenen Verluste waren geradezu lächerlich, wenn man sie mit denen des Zwergenheeres verglich. Aber war ein Toter wirklich weniger schlimm, als hundert? Ich war regelrecht froh, als wir Themistokles’ Zelt erreichten und eintraten. Der Magier war nicht allein. Meine Augen, an das helle Sonnenlicht gewöhnt, nahmen im ersten Moment nichts anderes wahr, als Schatten, aber nachdem sie sich erst einmal an die veränderten Verhältnisse gewöhnt hatten, erkannte ich

 

 mehrere verschwommene Umrisse.

„... bedeutet noch lange nicht, dass wir jetzt unsere Sachen packen und nach Hause gehen, als wäre nichts geschehen!“, sagte Kai gerade. „Was für ein nach Hause?“, fragt Wolf böse. „Ihr habt kein zu Hause mehr, du dummer Bengel, wenn ich dich daran erinnern darf! Ihr habt es eigenhändig niedergebrannt!“ Kai wollte auffahren, aber Themistokles hob besänftigend die Hand. „Genug! Der Krieg ist vorbei. Niemand von uns wird ihn fortführen – auch nicht mit Worten.“ – „Ihr habt gut Reden, Themistokles!“, sagte Kai zornig. Wenigstens nannte er ihn nicht mehr verächtlich alter Mann. „Ihr kehrt zurück in euren Palast, wo ihr der Herr seid und wo Ihr leben könnt, wie es Euch gefällt! Ich hingegen habe eine schwangere Freundin und wir müssen zurück und leben wie es die Alten wol...“ – „Wie es richtig ist!“, fiel Wolf ihm ins Wort. „Du und deine Freunde, ihr wollt leben, wie es euch gefällt? Nur zu! Seht

 

 euch um! Tritt einen Schritt aus dem Zelt und wirf einen Blick in die Runde und du wirst sehen, was das Ergebnis ist! Chaos, Tränen und Tote!“ – „Und du...“ – „Hört auf, verdammt!“, sagte ich. Ich hatte scharf, befehlend sprechen wollen, aber selbst in meinen Ohren klang ich einfach nur müde. Trotzdem verstummten sowohl Kai als auch Wolf mitten in ihrem Streit und sahen mich fragend an. Ich trat langsam näher. Meine Augen hatten sich nun besser an die Dunkelheit her drinnen gewöhnt und ich sah, dass außer Themistokles, Kai und Wolf auch noch Marc anwesend war. Der Magier der zwei Berge hockte mit angezogenen Knien und gefesselten Händen am Boden und sah mit steinernem Gesicht zu mir hoch. „Bitte hört auf!“, sagte ich noch einmal. „Habt ihr denn gar nichts gelernt? Dieser Krieg hätte euch allen um ein Haar den Untergang gebracht!“ – „Und du meinst, irgendetwas würde besser, wenn er vollkommen umsonst war?“, fragte Kai zornig.

 

 Ihm gefiel es selbst nicht, gerade mit mir auch noch Streit anzufangen. „Kriege sind niemals umsonst. Sie zerstören Träume. Und sie verschwenden Leben!“ Wolf runzelte die Stirn, aber Kai verzog verächtlich das Gesicht. Marc lachte. „Weise gesprochen, Jessica!“, sagte er. „Aber leider völlig umsonst, fürchte ich. Wenn Kai mit einem Philosophen reden wollte, dann würde er nach Gorywynn gehen und das Orakel befragen...“ – „Schweigt!“, sagte Themistokles streng. Marc zog eine Grimasse. „Und was, wenn nicht? Sperrt ihr mich dann für weitere tausend Jahre ein?“ Ich sah erschrocken auf. „Ist das wahr?“ – „Es ist... nicht das erste Mal, dass Marc nach der Macht über Märchenmond greift.“, antwortete Themistokles ausweichend. „Wir mussten uns schützen...“ – „Indem ihr ihn für tausend Jahre eingesperrt habt?“, hauchte ich entsetzt. „Sieh dich um!“, sagte Themistokles mit einer für ihn vollkommen untypischen Heftigkeit. „Dort draußen sind in der vergangenen Nacht mehr

 

 als tausend Jahre Leben ausgelöscht worden! Was hätten wir tun sollen? Ihn töten???“ – „Glaubt mir, Themistokles.“, sagte Marc düster. „Ich hätte den Tod tausend Jahren der Einsamkeit vorgezogen! Aber nicht einmal diesen Ausweg habt ihr mir gelassen! Ihr habt mich zu ewigem Leben verdammt, eingesperrt mit nichts als mir selbst und der Einsamkeit!“ – „Und Ihr werdet weitere tausend Jahre dort verbringen!“, sagte Themistokles hart. „Und noch einmal tausend Jahre und noch einmal. Tausend mal tausend Jahre, wenn es sein muss – so lange, bis Ihr begreift, dass Ihr nicht der ganzen Welt Euren Willen aufzwingen könnt!“

„Nein!“ Nicht nur der Magier der zwei Berge, sondern auch alle anderen sahen mich erstaunt oder ungläubig an. Themistokles fuhr mit einer zornigen Bewegung herum. Für einen Moment loderte in seinen Augen ein Ausdruck, den ich bisher nicht nur noch nie darin

 

 gesehen, sondern noch nicht einmal für möglich gehalten hätte: Wut. Aber wirklich nur für einen Moment. Dann machte er Bestürzung und Scham Platz. „Du darfst das nicht tun.“, fuhr ich fort. Ich deutete auf Kai und Wolf. „Du verlangst, dass sie aus ihren Fehlern lernen? Dann solltest auch du dasselbe tun! Lass ihn frei!“ – „Frei?“, vergewisserte sich Themistokles. „Ist dir klar, was du da verlangst? Er ist der Meister der Lüge!“ – „Ich bin sicher, auch er hat gelernt!“, antwortete ich, während ich mich wieder zu Marc herumdrehte. „Du magst ein Lügner sein, Marc. Du kannst die Menschen betrügen. Du kannst den Menschen Dinge vorgaukeln, die nicht da sind. Du kannst sie glauben lassen, was du willst – aber für wie lange? Irgendwann wird immer jemand kommen, der deine Lügen nicht mehr glaubt und dann wird das Kämpfen und Morden von neuem beginnen. Wie oft, Marc? Wie viele Male, bis niemand mehr da ist? Was nutzt es dir, König oder sonstiges zu sein, wenn du

 

 kein Volk mehr hast, über das du herrschen kannst?“ Marc starrte mich an. Er sagte nichts. Und nach einer Weile drehte ich mich wieder zu Themistokles herum. „Lass ihn gehen!“ Für einen endlosen, quälenden Augenblick schwieg auch Themistokles und starrte mich auf eine Art an, die mir beinahe Angst machte. Doch dann nickte er. „So sei es. Geht, Magier. Die Welt ist groß genug für Euch und uns. Aber kehrt nicht zurück, bevor Ihr nicht gelernt habt, dass man Freundschaft und Vertrauen nur mit der Wahrheit erringen kann.“ Er nahm ihm die Fesseln ab. Marc blickte mich und Themistokles noch eine Weile eindringlich an, aber er sagte nichts mehr. Nach zwei oder drei Sekunden drehte er sich auf dem Absatz herum und verließ das Zelt. Kai starrte ihm mit finsterem Gesicht hinterher. „Das war ein schwerer Fehler...“, murmelte er. Ich schüttelte den Kopf. „Man kann nicht jedes Problem mit Gewalt lösen. So wenig, wie wir unser Problem mit Gewalt lösen können.“ – „Das ist...“, begann

 

 Kai, aber ich sprach rasch und mit leicht erhobener Stimme weiter. „Denkt nicht etwa, dass diese Probleme früher nicht auch bekannt waren. Alt und Jung streiten miteinander, solange die Welt besteht! Ihr solltet jedoch einsehen, dass ihr nur gemeinsam überleben könnt!“ Ich deutete auf Wolf, fuhr aber an Kai gewandt fort. „Du glaubst, er wäre starrsinnig und unbelehrbar, nur weil er alt ist? Auch er war einmal jung. Denkst du, er hätte sich so geändert, nur weil er älter geworden ist? Und du Wolf! Denkst du, Kai wäre dumm und alles was er sagt, falsch, nur weil er jünger ist, als du?“ Ich schüttelte heftig den Kopf. „Ihr braucht euch gegenseitig, ihr Narren! Die einen die Erfahrung und die Weisheit der Alten und die anderen die Kraft und die Neugier der Jungen!“ Kai wusste erst nicht, was er sagen sollte, schüttelte dann nur stumm den Kopf. Ich musste grinsen. „Denk ja nicht, dass du alles besser weißt und dass du immer so jung bleibst, wie du bist! Lange dauert es nicht

 

 mehr, dann bist du schließlich auch schon Vater! Was würdest du sagen, wenn jemand deinen Sohn oder deine Tochter gegen dich aufhetzen würde???“ – „Worte!“, sagte Kai verächtlich. Das hieß – er wollte verächtlich klingen, aber eigentlich hörte er sich nur ziemlich verunsichert an. Auch Wolf sah sehr nachdenklich drein, fast verwirrt. „Es ist gut für jetzt.“, sagte Themistokles. „Wir sind alle müde. Es war ein anstrengender Tag. Lasst uns ruhen und unser Gespräch, wenn nötig, morgen fortsetzen! Jess und ich haben noch etwas zu erledigen.“ Ich hatte erwartet, dass Kai und Wolf nun gingen, doch stattdessen wandte sich Themistokles zum Ausgang und verließ das Zelt, sodass ich ihm folgen musste. Nach einer Weile kam Twix herbeigeflogen und landete unsicher auf meiner Schulter. Sie war vollkommen erschöpft und zitterte am ganzen Leib. Ich hatte sie während des gesamten Tages nur ein oder zweimal gesehen. Die Elfe hatte mit ihrem heilenden Staub geholfen, wo

 

 sie nur konnte, aber auch ihre Kräfte waren begrenzt. Sie hatte sich kaum auf meiner Schulter niedergelassen und sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt, da sank sie auch schon gegen meinen Hals und war eingeschlafen. „Wohin gehen wir?“, fragte ich, nachdem ich Themistokles eingeholt hatte. „Nur ein Stück.“ Themistokles deutete zum Ende des Zeltlagers und den Hügel hinauf, auf dem noch am Morgen die Dampfkanonen der Zwerge gestanden hatten. „Es wird Zeit, einen guten Freund zu verabschieden. Ich dachte mir, dass du dabei sein möchtest.“ – „Sturm?“ – „Seine Eltern sind gekommen.“, nickte Themistokles. „Sie wollen ihn nach Hause holen.“ – „Geht es ihm denn wieder gut???“ Themistokles sah nur gedankenverloren meine Schulter an und mir war klar, dass Twix ihr bestes gegeben hatte. „Hey Leute, wartet doch mal!“ Kai kam hinter uns her. Eine Weile gingen wir schweigend neben einander her, dann nahm Kai meine Hand und Hand in Hand

 

 gingen wir weiter. Themistokles konnte ein Grinsen nicht verbergen. „Ja... ich glaube, die Kugel ist bei euch ganz gut aufgehoben...“ – „Dann... habt Ihr Eure Zauberkraft wirklich aufgegeben?“, fragte Kai fassungslos. „Oh, nicht alles. Einen kleinen Rest habe ich behalten. Für den Hausgebrauch sozusagen.“  Themistokles streckte die Hand aus und plötzlich erschien eine schimmernde Lichtkugel über seiner Handfläche, die gleich darauf zu einem wunderschönen Schmetterling wurde, der zweimal mit den Flügeln schlug und dann davon flatterte. Kai blickte ihm nicht einmal nach. „Aber warum nur?“ Plötzlich wurde Themistokles sehr ernst. Auch die geringste Spur eines Lächelns war aus seinen Augen verschwunden. „Damit sich so etwas wie heute nie wieder wiederholt.“, sagte er. „Magie bedeutet eine große Macht, Kai. Aber auch große Verantwortung. Sie ist ein Segen für die Menschen, aber in den falschen Händen vermag sie auch unermesslichen Schaden

 

 anzurichten. Nie wieder soll jemand in die Versuchung geraten, diese Macht an sich zu reißen. Deshalb hatte ich entschieden, dass die Macht der Fantasie nicht mehr an diesem Ort aufbewahrt werden sollte und eigentlich hatte ich sie auch an einen anderen Ort gebracht, bis mir einfiel, dass eine andere Person auch ausreichen würde. Eine Person, die es verstehen wird, diese Magie auch zu verteidigen und später auch weiter zu geben. Und diese Person habe ich gefunden... Sturm hat die Kugel dann wieder zurückgeholt...“ Ich hätte gerne gefragt, warum diese Person gerade ich sein sollte, aber schon allein die Art, wie Themistokles diesen letzten Satz sagte, machte mir klar, dass ich keine genauere Auskunft von ihm bekommen würde, ganz egal, wie nachhaltig ich es auch versuchte. Nebeneinander gingen wir weiter den Hügel hinauf. Das Zeltlager und das Schlachtfeld des vergangenen Morgens fielen langsam hinter uns zurück. Sturm und seine sonderbaren

 

 Eltern warteten schon auf dem Hügel auf uns. Es bedurfte nur eines Blickes, um mich davon zu überzeugen, dass es auch Sturms Eltern waren. Sturms Vater war ein Riese, mindestens so groß wie Gorg, wenn nicht größer, und mit silbernem Haar, in dessen Spitzen winzige, elektrische Funken tanzten. Seine ganze Kleidung bestand aus geflochtenen Silberfäden, in denen es ebenfalls ununterbrochen knisterte und blitzte, und er hatte ein schmales, eben geschnittenes Gesicht mit intensiv blau leuchtenden Augen. Seine Frau schien das ganze Gegenteil zu sein. Sie war eher klein, hatte ein gutmütiges, rundes Gesicht und eisgraues Haar und gleichfarbige Kleidung. Sie war über und über mit Eiskristallen und Schnee bedeckt. Dampfende graue Kälte stieg von ihrer Gestalt auf. Beide begrüßten uns, wobei sich sowohl Kai als auch Sturm seinerseits im Hintergrund hielten. Ich blickte Sturm fragend an und lächelte. Um seine Schulter war ein Verband

 

 gewickelt. Sturm lächelte knapp zurück. Er wollte etwas sagen, doch bevor er dies tun konnte, raschelte es neben uns im Gebüsch und die Spinne kam herbeigelaufen. Genauer gesagt: Sie schleppte sich heran. Ihre Bewegungen hatten das meiste von ihrer natürlichen Eleganz und den Großteil ihrer Schnelligkeit eingebüßt und sie wirkte reichlich mitgenommen. Ich erinnerte mich mit plötzlichem Schrecken daran, dass sie dem flüchtenden Skull am Morgen gefolgt war und ich sie seither nicht mehr gesehen hatte. „Bist du verletzt?", fragte Sturm besorgt. „Verletzt?“ Die Spinne schüttelte sich. „Wie kommst du denn darauf? Ich bin nicht verletzt – nur vollkommen außer Puste. O je, o je, o je, jetzt hätte ich doch beinahe das beste verpasst. Ihr wisst doch, wie sehr ich Abschiedsszenen liebe!“ Sie humpelte noch ein Stück weiter und ließ sich dann mit einem halb unterdrückten Rülpser ins Gras sinken. Ein kühler Wind wehte auf und Sturm schien sich aufs Gehen

 

 vorzubereiten. Er ließ sich in die Hocke sinken, strich der Spinne zum Abschied über den Kopf und verabschiedete sich auch von der Elfe. Twix erhob sich in die Höhe und landete nach zwei, drei taumelnden Runden um Sturm im Nacken der Spinne. Schließlich stand er vor mir. „Tja, dann... wünsch ich dir viel Glück...“ Sturm nickte traurig. Ich umarmte ihn. Sturm schien richtig aufzutauen, am liebsten hätte er mich bestimmt gar nicht mehr losgelassen. Die Spinne gab einen seufzenden Laut von sich und Kai schob sich zwischen uns. „Egal, was hier abgeht, aber sie ist immer noch meine Freundin, okay?!“ Er gab Sturm die Hand. „Pass auf sie auf, versprochen???“ Kai nickte. „Kannst ja mal wieder vorbei kommen und dich davon überzeugen, dass sie noch lebt...“ Über Sturms Gesicht huschte ein Lächeln. „Okay...“ Als er sich zu seinen Eltern umdrehte, war hinter ihm ein grauer Nebel entstanden. Der Wind nahm zu und würde sich in wenigen Minuten zum Sturm steigern. Es wurde Zeit.

 

 Doch bevor Sturm in das graue Wirbeln hineintrat, drehte er sich noch einmal zu Themistokles herum. „Noch eine Frage, Themistokles. Der Skull...“ – „Er war meine Schöpfung...“, gestand Themistokles. Es klang fast fröhlich. Kai gab einen überraschten Laut von sich und auch für mich kam diese Erkenntnis ziemlich überraschend. „Du hast es selbst erlebt: Manchmal bedarf es einer gemeinsamen Gefahr, um aus Feinden Verbündete zu machen...“ – „Aber er war stärker, als du dachtest.“, vermutete Sturm. „Ich hätte ihn nicht allein besiegen können.“, sagte Themistokles, wobei er sich geschickt um eine direkte Antwort herum mogelte. „Nur die vereinten Kräfte aller haben dazu gereicht.“ – „Und was ist aus ihm geworden?“, fragte Sturm. Themistokles antwortete nicht, aber die Spinne rülpste, dass der ganze Hügel zu wackeln schien. „Fleisch...“, flüsterte sie selig. Sturm war in das graue Wirbeln hineingetreten und machte jetzt ein verblüfftes Gesicht.

 

 „Fleisch???“ Dann war er verschwunden und auch das graue Wirbeln wurde immer kleiner. Ich zog es vor, zu dem Vorfall mit dem Skull gar nichts zu sagen, und auch Kai hielt sich zurück. „Und jetzt?“ Die Spinne blickte uns drei fragend an. Kai zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung...“ Themistokles stand immer noch da und schaute gedankenverloren auf die Stelle, wo Sturm gerade noch gestanden hatte. Dann drehte er sich langsam zu uns herum. „So langsam sollten sich alle auf den Heimweg machen, meint ihr nicht auch?“ Kai lachte leise. „Wie stellt ihr euch das vor, Themistokles?“ Der Zauberer deutete ein Schulterzucken an. „Viele von euch haben ihre Verwandten in Wolfs Heer gefunden und von Wolfs Heer haben wiederum viele noch ihren Wohnsitz in Gorywynn... Außerdem steht ein Großteil Caivallons noch... Für die Meisten ist es also kein Problem, sich wieder irgendwo nieder zu lassen...“ Kai wollte etwas sagen, aber Twix kam ihm zuvor. „Was wollt Ihr aber mit Jess und Kai machen???

 

 Beide sind Waisen...“ – „Und wir beide sind schließlich auch noch da...“, fügte die Spinne hinzu. Themistokles zuckte erneut mit den Schultern und wandte sich wieder an Kai. „Eigentlich seid ihr ja alle selbst dafür verantwortlich, wenn euer zu Hause nicht mehr steht und ebenso solltet ihr selber sehen, wie ihr einen neuen Wohnsitz für euch ausfindig macht... Aber jetzt da Sturms Etage völlig leer ist, könnte mir und Gorg ein bisschen Gesellschaft gut tun, es sei denn, es ist euch zu fein, in einem Palast zu leben...“

Ich hatte dieses Angebot nicht abgelehnt und Kai schien es ganz recht zu sein, wenn ich diese Entscheidung traf. Jetzt sitze ich hier am Fenster und schaue auf die Stadt hinunter. Es ist nicht so, wie vor fast zwei Jahren, als hier der Skull aufgetaucht war. Die Stadt wirkt nicht mehr verlassen und es brennen unzählige Lichter, trotz, dass es schon weit nach Mitternacht ist. Wolken machen dem Mond

 

Platz und silbernes Licht erfüllt den Hof unter mir. Ich lege den Schreibblock beiseite, auf dem jetzt auf 83 Seiten die ganze Geschichte steht, und stehe auf. Eigentlich bin ich noch gar nicht wirklich müde... Trotzdem begebe ich mich auf den Weg in Richtung Schlafzimmer. Der anklagende Schrei eines Kindes schallt mir entgegen. Ich lächle. Vivien ist jetzt ungefähr ein Jahr alt. Ich bleibe stehen und lausche. Ich höre Kais Stimme, dann geht die Tür auf. Kai sieht ziemlich verschlafen aus und scheint mich in der Dunkelheit gar nicht zu bemerken. Er geht in die Küche und kommt wenig später wieder mit einer Flasche in der Hand. „Willst du nicht auch so langsam mal ins Bett kommen?! Es ist fast um eins...“ Ich folge ihm. Vivien ist inzwischen wieder eingeschlafen. Kai stellt mit einem entnervten Seufzer die Flasche auf den kleinen Schrank und legt sich wieder hin. Wenig später liegen wir nebeneinander. Kai hat einen Arm um mich gelegt und scheint schon wieder zu schlafen. Langsam fallen auch

 

 

mir die Augen zu. Mal sehen, was ich träume...

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252 S.

Hörbuch

Über den Autor

Crazy89
Linda's Spitzname ist Lündsch. Lündsch ist extremer Wrestling-Freak. Lündsch war in der vergangenen Woche gelangweilt. Lündsch ist überzeugter Atheist. Lündsch hält nicht immer ihre Termine ein. Lündsch findet Mücken störend. Lündsch verschwendet keine Zeit mit Betten machen. Lündsch wird ständig unterschätzt. Lündsch schummelt gelegentlich beim Billard. Lündsch liebt es etwas umsonst zu bekommen. Lündsch hat noch ihren Blinddarm. Lündsch hat noch nie ihr Handy verloren. Lündsch hasst Winter. Lündsch ist bi-sexuell. Lündsch gibt auf dumme Fragen immer dumme Antworten. Lündsch schläft auf der Seite. Lündsch hasst es im Stau zu stehen. Lündsch liebt ihren Eric über alles. Lündsch mag Salz lieber als Pfeffer. Lündsch kennt die Hauptstadt Deutschlands. Lündsch raucht Mango und Pina Colada Zigaretten. Lündsch nimmt sich beim essen Zeit um zu genießen. Lündsch ist sehr bescheiden. Lündsch trinkt ihren Kaffe schwarz. Lündsch liebt Dunkelheit. Lündsch geht offiziell um 2.30Uhr morgens ins Bett. Lündsch könnte hier noch ewig so weiter schreiben, hört jetzt aber lieber damit auf!

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RomanRose ich - habe es noch nicht ganz gelesen..58 Seiten.....den Rest hohle ich nach

versprochen

LG.......Roman
Vor langer Zeit - Antworten
Crazy89 Re: Moinsen Lünch - selber moinsen! :)
erstmal danke fürn kommentar, kann kritik eigentlich ziemlich guddi vertragen, zumal ich selber weiß, dass des hier und da alles bissl durcheinander is. so isses eben, wenn ich einfach drauf los schreib, dann irgendwas anderes anfang und irgendwann wieder auf erste stoß und da weiter mach. ^^ momentan fehlt mir die lust und auch die ideen, großartige veränderugen dran vorzunehmen, is auch schon paar jahre her, dass ich steppenreiter überhaupt geschrieben hab und jetz sin schon wieder ganz andere dinge in arbeit. aber ich halt mich ran! :)
Zitat: (Original von Lordkotz am 11.02.2010 - 14:05 Uhr) ich hab mich gerade mal durch die Geschichte gewühlt bzw heute den Rest gelesen.
...
Lg
Olli

Vor langer Zeit - Antworten
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