Ryu

Nachricht aus dem

Regenbogenland

Ich erinnere mich an viele schöne Dinge , dir mir sehr gefallen haben. Da war zum Beispiel das Samurai – Fest in unserem Nachbarort. Mitten im Sommer – wir hatten damals 34 Grad. Das war selbst mir zu warm, und so kühlte mich meine Mama mit einem feuchten und kalten Tuch. Das legte sie über meinen Rücken und so ging es mir gleich besser. Aufregende Düfte stiegen in meine Nase und viele fremdartige Geräusche umgaben mich. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Pferde – und auf den Pferden sassen Menschen in komischer Kleidung. Dann bekam ich mit, dass es sich um Kleidung von ganz früher handelte. Die Reiter sahen aus wie die Samurai´s von damals. Und es gab sogar eine kleine Vorführung der alten Kampfkünste. Ich habe das alles fasziniert aus meiner Tasche heraus verfolgt. Jedoch, als plötzlich so ein Pfeil dicht an meiner Mama und mir vorbei sauste – ja, da habe ich mich sehr erschrocken. Der Schütze allerdings auch, denn das war nicht vorgesehen. Der Mensch kam zu uns, entschuldigte sich mehrfach und meinte, wir hätten wohl einen Schutzengel gehabt, da uns nichts passiert ist. Doch meine Mama war schon wieder gut drauf und ulkte mit dem fremden Mann herum.

Eine andere Sache, die mir immer sehr gefallen hat, waren die vielen Spazierfahrten mit dem Auto. Wenn das Brummen erklang und die Fahrt begann, da konnte ich so richtig entspannen. Und die Vorfreude auf viele neue Dinge und Gerüche folgten mir in meine Träume.

Es war wirklich ein herrliches Leben, und ich freute mich, dass ich so liebe Menschen gefunden hatte. Ja, und den Teddy natürlich auch. Ihn konnte man so richtig schön ärgern. Mit meiner Nase in seinem Fell – das kitzelte ihn immer. Oder ich stupste ihn mit meinen Kopfstacheln in die Pfoten, wenn er schlief. Wie hat er sich dann immer erschrocken. Naja, manchmal kniff ich ihm auch mal in die Seite – aber nicht so doll. Und dann spielte er endlich mit mir.

So verging die Zeit wie im Fluge, viel zu schnell - leider.

Nach dem Vorfall im Februar fühlte ich mich zwar zuerst wieder ganz in Ordnung, aber ab Ende März bekam ich auf einmal Probleme beim Essen. Ich konnte nicht mehr richtig kauen und schlucken. Schon nach dem ersten Bissen musste ich würgen, weil das Futter im Hals stecken blieb. Mama hat mir dann auf den Rücken geklopft, bis ich wieder Luft bekam. Und von da an gab es mein Futter in Breiform. So konnte ich wieder essen, doch manchmal war mir dennoch etwas übel. Hin und wieder musste ich mich auch übergeben. Mama war sehr besorgt, doch selbst ich wusste ja nicht, was mir fehlte.

Die meiste Zeit war ich wie gewöhnlich, faul und frech.

An meinem 2. Geburtstag fuhren wir zum Strand. Es war ein schöner und warmer Tag. So spielte ich lange mit Teddy im Sand. Wir alle hatten unsere Freude. 

Doch bald darauf ging es mir wieder schlecht. Ich fühlte mich schlapp und lustlos. Selbst Teddy konnte mich nicht zum spielen bewegen. So lag ich denn nur in Mama´s Bauchtausche und genoss es, ganz dicht bei ihr zu sein.

Leider wurde es aber immer schlimmer. Ich hatte einfach keine richtige Kraft mehr. Und Ende July verschlimmerten sich meine Schluckbeschwerden. Ich konnte einfach nicht mehr essen. In nur einer Woche reduzierte sich mein Gewicht von stolzen 800g auf nur noch 270g. Meine Mama war ratlos und voller Sorge. Ein Anruf beim Tierarzt brachte keine Hilfe. Ich wäre einfach ein zu kleines Tier, da könne er halt nichts machen.

Und so war Mama Tag und Nacht bei mir. Ich durfte neben ihr in ihrem Bett schlafen. Darüber war ich sehr glücklich. Denn ich spürte irgendwie, dass etwas Schlimmes geschehen würde mit mir. Deshalb wollte ich keine einzige Sekunde von Mama getrennt sein.

Am 1. August konnte ich nicht einmal mehr Wasser trinken, es war unmöglich. Meine Hinterbeinchen gehorchten mir auch nicht mehr. Auch konnte ich sie irgendwie gar nicht mehr fühlen. Meine Mama war so voller Sorge, doch sie konnte auch nichts tun. Wenn sie mich in ihrer Hand hielt und die Kälte meines hinteren Körper´s spürte, schaute sie mich traurig an und streichelte mein Gesicht.

Ich muss dazu sagen, dass ich um meinen 2. Geburtstag herum auf einem Auge blind geworden bin. Es war schlimm, doch fühlte ich mich bei Mama geborgen.

Und dann kam der verhängnisvolle 3. August. Am Morgen ging es mir schon sehr schlecht. Mittags war es noch schlimmer, ich spürte meinen Körper gar nicht mehr. Das einzige, was ich noch bewegen konnte, war mein Kopf. Mama hielt mich, in meine Decke gewickelt, in ihrem Arm. Sie sprach mit mir, streichelte mich. Doch ich verspürte auf einmal eine große Angst in mir – so schrie ich laut nach meiner Mama, immer wieder und immer wieder.

Mama´s Stimme war leise zu vernehmen, ich hatte ihren Geruch in meiner Nase und ich spürte ihren Finger in meinem Gesicht.

Ich schmiegte meine Nase in ihre Hand, schaute sie mit meinem gesunden Auge an – und wusste, dass ich zu gehen hatte. Ich atmete nur noch sehr schwer und unter großer Anstrengung.

Doch dann - plötzlich sah ich wieder ganz normal, ich konnte mich wieder bewegen und verspürte keine Schmerzen mehr. Auch die Angst war verschwunden. Vor mir war ein wunderschöner Regenbogen, eine hölzerne Brücke führte zu ihm. Auf der Brücke stand ein Engel, der meinen Namen rief. Dieser Engel sagte „Kelly, es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Ich werde dich in dein neues Leben begleiten und dir deine neue Heimat zeigen. Dort im Regenbogenland gibt es sehr viele Tiere. Und alle fühlen sich glücklich dort. Auch du Kelly, wirst dort glücklich sein. Und dort wirst du solange warten, bis deine Mama eines Tages auch diesen Weg über die Brücke geht. Von da an seit ihr für immer beisammen und braucht euch nie wieder zu trennen. Komm, Kleines. Es wird Zeit..............“ 

Bei diesen Worten des Engels blickte ich ein letztes Mal zurück. Ich sah meine Mama an, sah ihre Tränen und das sie wusste, ich habe zu gehen. Ein letzter Blick, ein letzter Nasenstupser, ein letzter Atemzug – dann war ich gegangen.....................

Für meine Mama war es eine sehr traurige Zeit. Gemeinsam mit ihrem Mann und mit Teddy gaben sie mir meine letzte Ruhestätte in ihrem Garten. Direkt unter dem Schlafzimmerfenster. Sie begruben meinen Körper dort, eingehüllt in meine Lieblingsdecke und bedeckten mich mit meinem kleinen Haus. Dann fiel die Erde über meinen Körper.

Am nächsten Tag zäunten sie den Platz ein, stellten ein kleines Holzkreuz mit meinem Namen darauf und – ein kleines Igelchen aus Ton.

Täglich kam Mama an mein Grab, auch Teddy besuchte mich oft. Beide sassen dann mit traurigem Gesicht schweigsam da, die Gedanken waren bei mir.

 Fortsetzung folgt.....................