Romane & Erzählungen
Tanzschule

TANZSCHULE

Eine Tanzstunde vor ca. 6o Jahren

 

 

Ein zweiwöchiger Tanzkurs war in der kleinen Stadt plakatiert. Vom Foxtrott über Tango  und Walzer bis zum Boogie sollte alles gelehrt werden. Austragungsort des Kurses war ein Gasthaussaal am Hauptplatz.

Die Eltern von Hans und Franz beschlossen, ihren Jünglingen den Abendkurs schmackhaft zu machen.  Um sie darauf vorzubereiten, tanzte die Mutter mit ihnen zu passender Radiomusik.

Hans und Franz, anfangs unwillig, meldeten sich erst an, als sie auch eine Anzahl ihrer Freunde zur Teilnahme überredet hatten.

 

Die erste Tanzstunde kam.

Klopfenden Herzens, jedoch mit burschikosem Gehaben betraten die Freunde den mit Öl eingelassenen Boden des Gasthaussaals. Ein ältliches Ehepaar notierte ihre Namen.

„Rechts die Burschen, links die Mädchen!“, kommandierte der Tanzlehrer.

Die Jugendlichen standen einander gegenüber, grinsten und gafften.

„Mit der tanze ich nicht!“, schoss es so manchem Burschen durch den Kopf.

„Und mit dem auch nicht!“, dachten einige Mädchen.

Doch so weit war es noch lange nicht.

Die Tanzlehrer wollten den Jugendlichen, frei nach Knigge, zuerst das nötige Benehmen vermitteln. Die Burschen wurden angewiesen, sich dem auserwählten Mädchen zu nähern, eine Verbeugung zu machen und vorgegebene Floskeln zu murmeln.

Den Burschen kamen diese Worte wie chinesische Vokabeln vor.

„Und morgen“, befahl der Tanzlehrer, „kommt ihr mit ordentlichen Schuhen, nicht mit Sandalen!“ Zudem wünschte er, dass alle weiße Handschuhe tragen sollten.

Auch der Kursbeitrag würde am kommenden Tag kassiert werden.

Nun  kurbelte die Ehefrau des Tanzlehrers an einem antiquiertem Grammophon und legte eine Platte mit Marschmusik auf.

Die Burschen und Mädchen mussten sich an den Händen fassen und wie im Kindergarten hinter dem Tanzlehrer-Ehepaar ein paar Saalrunden drehen.

 Hans und Franz, sowie ihre Freunde, verdross dieses Manöver bald.

In provokanter Absichtlichkeit machten sie Fehltritte, stolperten und klammerten sich mit gezielten  Griffen an die Mädchen. Um deren lautstarken Protest herauszufordern, gerieten die  Burschen immer häufiger aus dem Takt.

Im Nu ging es in dem Gasthaussaal recht turbulent zu. Jeder beschuldigte jeden des Fehlverhaltens. Einige Burschen gingen sogar mit drohenden Gebärden zu einer Rauferei über.

Das Grammophon plärrte weiter ...  das Tanzlehrerpaar hatte in seiner Ratlosigkeit vergessen, es abzustellen.

Der durch den Lärm aufgescheuchte Wirt kam aus der Gaststube herbei geeilt.

„Das ist kein Tanzkurs!“, brüllte er, „das ist ein Sauhaufen!“

Die weit aufgerissene Saaltür, sowie die zornigen Gebärden des Wirtes bewirkten eine unverzügliche Räumung des Lokals.

 

Am nächsten Abend  - Hans und Franz und ihre Freunde brauchten sich gar nicht abzusprechen – erschien keiner von ihnen mehr beim Tanzkurs.

 

Mit der Zeit, bei Kirtagen und anderen Geselligkeiten, lernten sie von ihren Freundinnen dann doch noch, das Tanzbein zu schwingen Рund das fanden sie wesentlich sch̦ner und interessanter.