Fantasy & Horror
Asgorn - Buch I - Schatten der Vergangenheit

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"Asgorn - Buch I - Schatten der Vergangenheit"
Veröffentlicht am 10. Juni 2007, 158 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Asgorn - Buch I - Schatten der Vergangenheit

Asgorn - Buch I - Schatten der Vergangenheit

I

Als die Sonne sich behäbig über den Horizont zu erheben begann, erklomm er gerade die Hügelkuppe. Er war ein hoch gewachsener Mann von breiter Statur und grimmigem Blick. Der morgendliche Wind spielte mit seiner schwarzen Mähne, die er mit einem Lederband zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Regungslos stand er da; seine behandschuhte Hand ruhte auf dem Griff seines Breitschwerts. Als die ersten Sonnenstrahlen glitzernd über seine goldverzierte Schuppenrüstung tanzten, wirkte er wie das stählerne Abbild des Krieges. Es war Asgorn, ein Barbar aus den eisigen Bergen von Torlonia. Seine dunklen Augen blickten finster hinunter ins Tal. Vor ihm erstreckte sich eine flache Graslandschaft, durch die sich ein ruhiger Fluss bedächtig seinen Weg bahnte. Vereinzelte Bäume schmückten das Tal und verdichteten sich an dessen Ende zu einem Wald. Dieser schmiegte sich an die Berge von Sendan, die mit ihren schroffen Klippen und steilen Hängen selbst dem in den Bergen aufgewachsenen Barbaren einen fast unmöglichen Aufstieg bereitet hätten. Dann fixierten seine Augen mit einem wildem Funkeln etwas, dass er einige hundert Meter vor dem dichten Wald erblickte. Dort lag Gurpa, die Hauptstadt von Pondagur. Sie wirkte völlig unbefestigt, er konnte nicht einmal viele Wachen auf den Mauern und Türmen ausmachen - genau wie seine Späher berichteten. Er wandte den Blick hinter sich. Am Fuße des Hügels wartete in einem provisorischen Lager seine kleine Armee begierig auf den Angriffsbefehl. Waffen wurden geschliffen, Rüstungen festgeschnürt und Köcher gefüllt. Schon seit Jahren lagen Pondagur und Andaria im Krieg. Die Andarier üben sich zwar in der Kunst des Krieges und sind berühmt für ihre hervorragende Reiterei, jedoch nutzen sie ihre Kampfkünste nur zur Verteidigung oder um Verbündeten beizustehen - zumindest beteuert der König dies immer. Völlig unerwartet wurden sie von Pondagur und dessen Verbündeten As-Hemis angegriffen. Selbst mit vereinten Kräften wären diese Länder nie im Stande gewesen gegen das jahrzehnte alte "Bündnis der 3 Kriegskünste" zu bestehen. Dies Bündnis bestand aus Andaria, Kemno und Fukandu; jedes Land in ganz Handera unerreicht in einer der vielen Kampfkünste. Andaria mit seiner ungeschlagenen Reiterei; Kemno war der unbestrittene Meister der Schwertkunst und aus Fukandu kamen die besten Bogenschützen. In Anbetracht dieser vereinten Kräfte hatte niemand mit einem Angriff gerechnet. Und doch kam er. Was noch schlimmer war: Die Feinde konnten aus irgendeinem Grund die Fronten halten. Bis jetzt schien keiner zu gewinnen oder zu verlieren; auch wenn die Angreifer in den letzten Wochen einige Niederlagen einstecken mussten. Doch dies versprach nun der entscheidende Schlag zu werden, auf den das Bündnis so lange gewartet hatte. Und er würde diesen Schlag anführen.
Trotz seines noch recht jungen Alters - er hatte weniger als 30 Winter gesehen - hatte Asgorn sich schon bis zu einem der wichtigsten Hauptmänner der königlichen Truppen von Andaria hochgekämpft. Er verdankte dies vor allem seinem starken Geist. Er war so stark, wild und ungezähmt, wie das Land aus dem er stammt - Torlonia. Ein barbarisches Land; von ewigen Clankriegen zerrüttet. Es heißt, dass Torlonier mit grimmigem Blick und geballten Fäusten auf die Welt kommen und sie genauso verlassen. Ihr Leben ist ein endloser Kampf den sie nur gewinnen können, wenn sie unbeirrt ihren eigenen Weg gehen und nie aufgeben. Torlonia ist ein raues, bergiges Land in dem sich finstere Wälder an hügelige Grassteppen reihen, um dann in majestätische Gebirge überzugehen. Neben den eisigen Bergen Torlonias wirken alle übrigen Gebirge Handeras wie verstreute Kieselsteine auf einem Tisch. Und auf dem höchsten Gipfel, dem schneeumwehten Bag Mrok, sitzt auf seinem stählernen Thron der große Mako, der kriegerische Gott dieses grimmigen Volkes. Mit seinem blutigen Eisschwert herrscht und richtet er über sie. Denen, die sich mutig in das Chaos der Schlacht stürzen, sichert er einen Platz an seiner Festtafel im Jenseits. Die Feiglinge aber, die sich wie Ratten in ihren Löchern verkriechen, verdammt er auf ewig und ihre Namen werden vergessen werden. Die Mutigen jedoch bleiben in unzähligen Liedern und Geschichten unvergessen. Mako schenkt ihnen bei ihrer Geburt einen unbeugsamen Geist; mehr braucht ein Krieger nicht. Sie huldigen ihrem Gott nicht und beten ihn auch nicht an, da sie wissen, dass sie von ihm nichts weiter zu erwarten haben. Sie können sich nur durch Mut und Ehre ihren Platz in der Ewigkeit der Geschichte sichern.
Der Blick des jungen Hauptmanns wanderte nachdenklich über das Tal und weiter zu den Bergen dahinter. Auch er scherte sich nicht um die Götter und auch ebenso wenig um die irdischen Herrscher. Für ihn zählte nur die Ehre; sie führte seinen Geist und sein Schwert. -Ein starker Geist, in Ehre geführt, kann alles überwinden; ist unbeugsam!- Diese Weisheit hatte ihn sein Vater gelehrt. Und er behielt Recht. Asgorn begann sein Leben als Barbar inmitten der Wirren der ewigen Clankriege; seine ersten Schlachten waren blutige Gemetzel. Den Zorn und die Wildheit, welche dort jeden einzelnen Hieb, jeden einzelnen Atemzug beherrschte, werden die sogenannten “zivilisierten“ Völker nie begreifen können. Unerfahrene Krieger verfallen dann nur allzu schnell in Blutrausch; so auch er. Seine Erinnerungen an diese Zeiten sind daher nur schemenhaft. Doch den Zorn wird er nie vergessen. Jahre später zog er als heimatloser Söldner durchs Land und wurde nach einigen Abenteuern schließlich ein königlicher Hauptmann. Ein vielsagendes Lächeln überflog sein raues Gesicht. Wenn die Zeit gekommen ist, wird er nach Torlonia zurückkehren, die Clans einen und sie als großer Kriegsherr mit Mut und Ehre in die Schlacht führen.
Er atmete tief ein und genoss die Frische der kalten Luft, als einer der Offiziere an ihn herantrat.
»Wir warten nur auf euren Befehl, Hauptmann Asgorn.« sagte er mit einer unterwürfigen Verbeugung.
Asgorn musterte misstrauisch die auffällig ruhige Stadt. »Sag mir eines, Baruk. Warum sollte König Achmelen mitten im Krieg seine Hauptstadt unbewacht lassen?«
»Er hat seine Truppen wahrscheinlich in die Steppen von Eskadun abgezogen.«, warf er schnell ein, »Schließlich setzen wir ihm dort schon seit Tagen heftig zu. Macht euch keine unnötigen Sorgen, mein Herr. Heute werden wir seine wichtigste Stadt einnehmen und seine Truppen so zwischen zwei Fronten einschließen. Der endgültige Sieg ist dann nur eine Frage der Zeit.« Er klang nervös, auch wenn er es zu verstecken versuchte.
»Trotzdem, dieser Anblick überzeugt mich nicht.«, entgegnete er.
»Außerdem traue ich Omaran, dem Anführer unserer zweiten Reiterdivision nicht. Er war einst ein Edelmann dieses Landes; was ist wenn er sich ihnen mehr verbunden fühlt als uns? Sollte er uns verraten hätten wir 150 Reiter gegen uns.« fügte er missmutig hinzu.
»Er hat Recht!« ertönte eine Stimme hinter ihnen »Asgorn wäre ein Narr in diese offensichtliche Falle zu laufen.«
Die Schuppenrüstung des Neuankömmlings klirrte leise bei jedem Schritt. Er war in Asgorns Alter und hatte seine blonden Haare ebenso wie er zu einem Zopf gebunden. Obwohl schmaler gebaut war er dennoch ein ebenso gefährlicher Gegner wie der Hauptmann. Asgorns Laune verbesserte sich auf einen Schlag. Sein treuer Freund und Waffenbruder, der ihn schon seit Kindheitstagen auf seinem Weg begleitete, war endlich gekommen. Gemeinsam fochten sie ihre erste Schlacht im eisigen Torlonia und sie würden auch ihre Letzte gemeinsam bestreiten.
»Rann! Endlich bist du hier.«, begrüßte er ihn fröhlich, »Und du bringst die Verstärkung. Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.«
Mit einem festen Handschlag begrüßten sie sich.
»Ich freue mich wieder an deiner Seite kämpfen zu können. Du hast mir richtig gefehlt bei den letzten Schlachten!«, sagte Rann mit zufriedener Miene.
»Zwei wilde Schwerter wieder vereint! Gemeinsam sind wir unbesiegbar!« lachte Asgorn. Der blonde Nordmann deutete auf die mitgebrachte Streitmacht. »Mit mir kommen 500 Schwertkämpfer aus Kemno unter Sakomos Befehl und 300 Bogenschützen aus Fukandu; befehligt von Makoto. Dazu noch meine Einheit: 500 Reiter; eine gemischter Haufen von Söldnern, aber gute Kämpfer.« sagte er stolz.
»Wie ich sehe kommen wir gerade recht. Deine Armee ist nicht mehr als ein Stoßtrupp!« lachte er.
»Da hast du verdammt recht!« entgegnete Asgorn auch lachend. »Als mir meine Späher berichteten, dass Gurpa praktisch unbewacht war, musste ich die Chance natürlich ergreifen. Die Nachricht klang allerdings so fantastisch, das ich sie für eine List des Feindes hielt, um mich und meine Truppen von der Front weg in eine Falle zu locken. Ich wollte mich deshalb nur mit einem kleinen und damit auch unauffälligen Trupp selbst vergewissern. Dieser Trupp zählte ursprünglich nur 150 von Omarans Reitern und 250 meiner eigenen. Aber wie du siehst habe ich unterwegs noch etwa genauso viele Speerträger und Bogenschützen aufgetrieben.«
»2100 Mann gegen eine wehrlose Stadt!« rief Baruk aufgeregt »Der Sieg ist uns sicher; Ihr müsst die Chance ergreifen und jetzt zuschlagen, bevor ...«
»Nein! Noch bin ich nicht überzeugt.« unterbrach ihn Asgorn entschieden.
»Geh und sag den Männern, dass wir noch abwarten werden. Ich muss mich erst mit Rann beraten.« Baruk verbeugte sich schnell und marschierte mürrisch zurück ins Lager. Rann wartete, bis er das Lager am Fuße des Hügels erreicht hatte, ehe er sich an den dunkelhaarigen Barbaren wandte.
»Ziemlich vorlaut und angriffslustig für einen einfachen Offizier.« bemerkte er beiläufig.
»Baruk ist noch unerfahren. Es ist eine seiner ersten großen Schlachten. Wir waren da nicht anders.« entgegnete er ihm.
»Baruk?« wunderte sich Rann »Welchen Rang nimmt er ein?«
»Er ist ein Offizier in einer der Söldner Kompanien. Wieso interessiert dich das?«
»Ha, ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn hier treffe.«
»Wovon redest du, verdammt?«
»Nun lass es mich so sagen: Ohne es zuvor zu wissen, habe ich etwas Interessantes über ihn herausgefunden.« Asgorn horchte aufmerksam auf »Auf unserem Weg hierher haben wir in einer kleinen Stadt Rast gemacht« fuhr er ruhig fort »In der Taverne traf ich auf einen Händler aus As-Hemis. Er war noch vor dem Krieg nach Andaria gekommen und hatte hier ein Geschäft eröffnet. Durch den Krieg lief das Geschäft so mies, das er nichts anderes zu tun hatte als sich den ganzen Tag zu besaufen. Jedenfalls erzählte er einen Haufen Mist, aber eines klang dann doch interessant. Es waren Gerüchte von einem verschollenen Sohn eines as-hemitischen Edelmanns. Seine Familie verarmte vor einigen Jahren und alle, bis auf den Sohn, hat dann plötzlich die Sense erwischt. Wie das passieren konnte weiß natürlich niemand. Es gibt allerdings Gerüchte, dass ein einflussreicher Mann in As-Hemis dafür verantwortlich sei, weil das Familienoberhaupt zu viel über ihn wusste und dazu noch mit Andaria sympathisierte. Wer das ist weiß natürlich auch niemand. Der Sohn blieb von diesem Schicksal nur verschont, da er angeblich im Verborgenen immer gegen Andaria arbeitete und wahrscheinlich auch mitverantwortlich für das Schicksal seiner Familie ist. Nach der ganzen Sache verdiente er sein Geld als Söldner und sammelte so Freunde und Erfahrung; ohne jedoch irgendwem seine wahre Herkunft zu verraten, denn außerhalb seiner Heimat kannte ihn niemand und dies war ihm von Vorteil. Irgendwann wurde er dann Offizier. Jetzt rate mal wie sein Name war.«
»Baruk.«
»Ganz genau. Die Zeit passt auch und ich habe erfahren, dass seine Einheit hat als Letzte bei uns angeheuert hat. Ich hätte nur nicht gedacht, dass ich ihn hier bei dir finden würde. Er ist ein Risiko Asgorn.« damit beendete Rann seine Ausführungen.
»Du hast Recht,« räumte Asgorn ein »Er könnte uns verraten. Falls er tatsächlich dieser Baruk ist.«
»Vielleicht« warf Rann ein »verspricht er sich davon eine fette Belohnung und Ländereien von Pondagurs oder As-Hemis' König. Du darfst nicht vergessen, dass diese Länder nicht erst seit diesem Krieg Verbündete sind.« Er blickte zum Lager hinunter, dann wieder auf den Barbaren.
»Wer kann sich seiner Treue wohl sicherer sein - wir oder sein Vaterland?«
»Das weiß ich. Und ich weiß auch, dass Omarans genauso gut ein Verräter sein könnte.« Asgorn atmete schwer aus. Er steckte in einem Dilemma. Sollte er den Angriffsbefehl geben oder nicht?
»Und glaub nicht ich sei dumm genug ihnen doch zu trauen. Ich habe im Laufe der Zeit zu viel Verrat und das damit verbundene Leid gesehen um diesen Fehler zu begehen.«
»Aber warum hast du sie dann mitgenommen?« wunderte sich Rann.
»Die meisten einfachen Soldaten wissen nichts von Omarans Herkunft.« antwortete der Nordmann ihm mürrisch »Sie halten ihn für einen treuen Offizier Andaria. Ich fürchtete, dass er uns während meiner Abwesenheit verrät und die ahnungslosen Männer in den Tod führt. Hier habe ich ihn unter Kontrolle und sollte er es wagen uns zu verraten, dann werde ich ihm den Kopf abreißen und auf unsere Standarte spießen.«
»Und Baruk?«
»Von ihm wusste ich nichts. Ich habe ihn unterwegs vor etwa 4 Tagen zusammen mit den Speerträgern aufgelesen.«
Rann beobachtete die ruhige Stadt vor ihnen. »Was wirst du nun tun?«
Die Antwort auf diese Frage war schwer zu finden und würde - wie auch immer sie lautete - bedeutende Auswirkungen auf den Verlauf des Krieges haben. Er beobachtete die Stadt nun sehr genau. Auf der Brustwehr und den hohen Türmen waren kaum Wachen auszumachen und auch innerhalb der Stadtmauern konnte er kein Anzeichen für eine größere Armee erkennen. Es war auch fast ausgeschlossen, dass sich im Wald eine Streitmacht verbarg, da sie mit den Bergen im Rücken keine Rückzugsmöglichkeit hätten. Er konzentrierte sich wieder auf die Verteidigung der Stadt. Die Mauern waren außergewöhnlich massiv und die Tore waren dick mit Eisen beschlagen. Allerdings hatte Asgorn noch keine Tore gesehen die nicht nach ein paar kräftigen Rammbockstößen den Weg freigaben. Die wahre Gefahr bei der Erstürmung einer Stadt waren die Verteidiger auf den Mauern. Und die waren hier praktisch nicht vorhanden. Sogar mit einem unbesonnenen Frontalangriff würde er seine Männer ohne größere Verluste zum Sieg führen - falls der Schein der Wirklichkeit entsprach.
Und eben diese Unsicherheit machte ihm Sorgen. Aber er musste sich entscheiden; schließlich war er der Hauptmann. Seine Augen verengten sich und fixierten angespannt die Stadt.
»Ich habe mich entschieden!« sagte er plötzlich und riss seinen Freund damit aus dessen eigenen Überlegungen. Der blonde Krieger betrachtete ihn in gespannter Erwartung. Asgorns Gesicht war zu einer steinernen Maske erstarrt. Er wurde zu einem Richter, der mit strengem Blick das Urteil über Gurpa verkündete. »Wir werden angreifen!«
»Das kannst du nicht machen! Du weißt, dass dies eine Falle ist! Du schickst deine Männer in den sicheren Tod!« entgegnete Rann aufgebracht. Auch er hatte natürlich diese Möglichkeit in Betracht gezogen. Aufgrund seiner wilden Wurzeln war er immer für einen wagemutigen Angriff bereit. Aber er war jetzt nicht nur für sein eigenes Leben verantwortlich. Von seinen Entscheidungen hingen die Leben vieler guter Männer ab. Doch kannte er Asgorn schon zu lange um nicht zu wissen, dass er genauso dachte.
»Wieso, Asgorn? Wir werden Pondagur und As-Hemis früher oder später besiegen. Warum willst du jetzt dein Leben - und das deiner Männer - so leichtfertig aufs Spiel setzen?« fragte er ruhiger.
Der stämmige Barbar seufzte. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah man ihn besorgt. »Wir wollten niemals diesen Krieg.« begann er. Sorge und Mitleid lagen in seiner Stimme. »Die Andarier wollen nur in Frieden ihr Leben genießen. Und nun sind so viele tot. So viele gute Männer werden nie wieder lachen oder weinen können. So viele Kinder müssen ohne ihre Väter aufwachsen.« Unwillkürlich musste er daran denken, wie er noch als Kind seine eigene Familie in den torlonischen Clankriegen verloren hatte. »Ich will diesen Krieg beenden, Rann. Für uns finden sich auch in Friedenszeiten genügend Kämpfe und Abenteuer. Aber das sind Männer der sogenannten zivilisierten Welt und sie verstehen nicht, was für uns der Kampf bedeutet.
Ich weiß, dass es riskant ist ...« er hielt einen Moment inne und fuhr dann energisch fort. »Aber bei Mako, Rann. Das dort unten ist nicht bloß irgendein Dorf oder Vorposten! Dass ist die verdammte Hauptstadt! Wenn es uns gelingt, könnte das wirklich das Ende des Krieges bedeuten!«
Asgorn sah ihn erwartungsvoll an. Der blonde Krieger hatte zwar immer noch Bedenken, doch am Ende siegte das Vertrauen zu seinem alten Freund.
»Verdammt Asgorn! Wenn wir untergehen sollen, dann gemeinsam und im Kampf. Unser ganzes Leben vertrauten wir aufeinander und kämpften Rücken an Rücken; ich werde ganz sicher nicht jetzt mit dir brechen.« er hielt ihm die Hand hin.
»MUT UND EHRE, Asgorn!« Der Barbar ergriff die hingehaltene Hand
»MUT UND EHRE, Rann! Komm, wir haben einen Krieg zu beenden!«

II

Währenddessen war Baruk damit beschäftigt, die Kampfeslust der Männer noch zurückzuhalten. Kaum fühlte er sich von Asgorn und Rann unbeobachtet, eilte er zum Zentrum des Lagers. Sein Ziel war ein etwa 10 Meter langes und 5 Meter breites Zelt. Als er näher kam war schallendes Lachen und klirrendes Geschirr zu vernehmen.
Im Innern saß Omaran mit seinen Offizieren an einer langen zusammenlegbaren Holztafel und genoss den Wein und die köstlichen Speisen mit denen sie beladen war. Plötzlich wurde der Vorhang zur Seite gerissen und Baruk trat ins Halbdunkel des Zeltes. Mit einem Mal wurden alle totenstill - als wäre ihr Scharfrichter eingetreten. Alle Blicke ruhten erwartungsvoll auf dem neuen Gast, denn sie wussten dass er von einer Unterredung mit dem Hauptmann zurückkam; nur seine Herkunft - so glaubten sie - war Asgorn nicht bekannt, weshalb er sich als einziger von ihnen seines Vertrauens weitgehend sicher sein konnte.
Nur Omaran schenkte ihm keine Beachtung, als Baruk sich ihm gegenüber ans andere Ende der Tafel setzte. Der As-Hemit war nicht mehr als eine Marionette in seinen Plänen, aber dies sah der junge Offizier in seiner selbstherrlichen Arroganz nicht.
Schließlich beendete Omarans Stimme abrupt das beklemmende Schweigen. »Nun, was gedenkt unser hochgeschätzter Hauptmann hinsichtlich dieser völlig wehrlosen Stadt zu unternehmen?» sagte er mit unverhohlenem Sarkasmus, wobei er einem Diener mit einer Geste deutete Baruks Weinkelch zu füllen. Der As-Hemit nahm einen tiefen Schluck süßen Weins ehe er zögernd antwortete.
»Er will noch abwarten.« Daraufhin erhob sich ein allgemeines Murmeln, welches Baruk zögerlich unterbrach. »Was ist wenn er nicht darauf hereinfällt und wieder abzieht? So eine Gelegenheit den besten Truppenführer Andarias festzunageln bekommen wir nie wieder!«
»Das wird er nicht. Keine Sorge.« entgegnete ihm der Pondagure gelassen.
»Außerdem sagte er mir, dass er euch nicht traut, weil ihr und eure Männer Pondaguren seid.«
Ein spöttisches Lächeln breitete sich auf Omarans Gesicht aus
»Hast du etwas Anderes erwartet?« lachte er verächtlich »Offiziell bin ich mit meinen Männern von Pondagur übergelaufen. Würdest du einem Verräter trauen? Nein, Baruk.« er spuckte den Namen förmlich aus.
»Dies ist weder etwas Neues, noch beunruhigt es mich. Viel mehr interessiert mich jedoch, wie es um sein Vertrauen zu dir steht. Weiß er etwas über deine wahre Abstammung?«
»Ich glaube nicht.« antwortete Baruk hastig »Ansonsten hätte er mir sein Misstrauen euch gegenüber nicht so offen ausgesprochen.«
»Gut, und so soll es auch bleiben. Jetzt sollten wir Ruhe bewahren und abwarten; sein Wagemut und seine Kampfeslust werden diesen Barbaren schließlich zum Angriff bewegen. Wenn es soweit ist, müssen wir nur dafür sorgen, dass alles nach Plan läuft und wir werden alle bald unsere Ziele erreicht haben.« Er bedachte seine Männer mit einem konspirativen Blick.
Abermals wurde das düstere Zeltinnere unerwartet vom Tageslicht durchbrochen und ein Bote stand heftig atmend im Eingang.
»Was soll die Störung! Was denkst du dir, einfach so unsere Beratungen zu unterbrechen.« fuhr ihn einer der Offiziere an.
»Eine eilige Botschaft von Hauptmann Asgorn, mein Herr!« erklärte er mit einer tiefen Verbeugung.
»Nur die Ruhe. Komm erst mal wieder zu Atem.« er ließ dem Boten einen Moment Ruhe ehe er mit seinem sarkastischen Tonfall fragte »Wie lautet denn nun die Botschaft unseres weisen Anführers? Ich hoffe du bringst erfreuliche Kunde.«
Freude spiegelte sich im Gesicht des Neuankömmlings als er die Botschaft mit unhaltbarem Enthusiasmus verkündete.
»Wir greifen Gurpa an! Alle Offiziere sollen sich in Hauptmann Asgorns Kommandozelt einfinden.«
Des Pondaguren Antlitz zeigte keine Regung; innerlich jedoch jubelte er schon siegessicher. Die Zeit war gekommen, den entscheidenden Schlag zu führen. »Richte ihm aus, dass wir sofort kommen werden, Du kannst gehen.«
Er wartete bis der Bote außer Hörweite war, ehe er sich wieder mit einem vielsagenden Blick an seine Männer wandte.
»Ihr seht, am Ende kann man immer auf den Ehrgeiz und vor allem Leichtsinn eines jungen Anführers zählen. Noch ehe die Sonne untergeht werden wir gewonnen haben!«
Daraufhin wurden Kelche erhoben und Jubelrufe ausgestoßen. Die Freude angesichts des so nahen Sieges kehrte in ihre Herzen ein.

III

Wenige Stunden später rollte die Armee wie eine glitzernde Flutwelle aus Stahl über die Hügelkette. Unaufhaltsam näherte sie sich der Stadt. Vorneweg zogen Pferde und Soldaten einen relativ kleinen Rammbock, der mitsamt dem Schutzdach mehr schlecht als recht aus den wenigen umstehenden Bäumen gefertigt wurde.
Dann ertönten die Hörner und der Vormarsch kam noch außer Reichweite der pondagurischen Bögen zum erliegen. Ranns Streitross scharrte ungeduldig mit den Hufen, als er es neben Asgorn zum stehen brachte; ohne jedoch den Blick von den Toren zu lassen.
»Du hast uns vorhin nicht deinen kompletten Angriffsplan verraten. Ich hoffe, dass zumindest du weißt wie es nun weitergeht.« sein Tonfall war von scherzhafter Ironie durchzogen.
»Komm, schon jetzt kannst du uns doch verraten was du vor hast.«
Asgorns Blick ruhte ebenfalls interessiert auf den Stadttoren. Lächelnd blickte er nun auf seinen Freund. »Nun gut, pass auf. Wir schicken den Rammbock vor – zusammen mit Omarans Einheit als "Rückendeckung". Wir sind hier zwar außerhalb ihrer Reichweite, nichtsdestotrotz ist auch diese Entfernung kein Problem für unsere Bogenschützen. Sollte es nötig sein können wir ihnen also von hier aus helfen.«
Ranns Miene verdunkelte sich. »Warum schickst du Omaran mitsamt dem Rammbock vor? Die wenigen loyalen Männer haben dort vorne keine Chance allein gegen seine Reiter - er wird sie niedermetzeln.«
»Darum geht es, Rann! Darum geht es.«
»Was?« er starrte ihn ungläubig an.
»Hör zu. Diese Entscheidung fiel mir sehr schwer, aber mir ist es lieber, wir verlieren jetzt die Wenigen dort vorne, als dass wir uns später im Nahkampf mit ihm rumschlagen müssen. Verrät er uns, wird er mitsamt seinen verräterischen Gefolgsleuten mit Pfeilen durchsiebt.«
»Wird er diesem Befehl denn auch gehorchen? Er ist schon misstrauisch, weil du ihn, statt wie gewohnt zu den Flanken, nach vorne geschickt hast. Jetzt kann er uns zwar nicht mehr zwischen sich und der Stadt in die Zange nehmen, aber wie gesagt, diesem neuen Befehl wird er sich sicher widersetzen.«
»Er wird gehorchen müssen, sonst würde er wiederum mich misstrauisch machen, oder?« Asgorns Pläne waren zwar erschütternd, aber einleuchtend und so blieb Rann nichts anderes übrig als zuzustimmen.
»Immerhin können wir den Rammbock ja neu besetzen, sobald Omaran tot ist.« fügte er noch hinzu.
»Vielleicht wird das auch gar nicht nötig sein.« meinte Asgorn. Rann sah ihn überrascht an. Obwohl er Asgorn länger kannte als jeder Andere, konnte er in seinem Gesicht nicht erkennen, was er damit andeuten wollte.
»Wieso?« fragte er scherzhaft »Lässt du dir vielleicht Flügel wachsen und fliegst über die Mauer? Oder sendest du lieber einfach ein paar Blitze vom Himmel?«
Asgorn musste lachen. »Nein, leider nicht; obwohl das natürlich überaus nützlich und beeindruckend wäre.« Er wurde wieder ernst als er hinzufügte »Ich werde dir sagen was ich meine. Wenn Omaran wirklich für uns einen Hinterhalt bereithält, warum sollte er dies ohne jegliche Rückendeckung machen? Nur mit seinen 150 Männern wäre er uns niemals gewachsen und das weiß er. Ich vermute - und du sicherlich auch - eine verborgene Streitmacht innerhalb der Stadtmauern.« Rann hatte diese Möglichkeit nicht im Geringsten bedacht, ließ sich dies aber nicht anmerken. Er war nur ein Offizier der Söldnertruppen Andarias und als solcher führte er Befehle aus anstatt sie zu geben. Mit der Zeit stumpfte dies leider das taktische Geschick ab. »Sobald sie ihm zu Hilfe kommen, werden sie keine andere Wahl haben als die Tore zu öffnen. In diesem Moment müssen wir zuschlagen. Wir dürfen unter keinen Umständen zulassen, dass sie sie wieder schließen. Und nebenbei gesagt, finde ich, dass wir Baruk gleich mitschicken können.«
»Nun gut,« man sah Rann deutlich seine Unlust an »Ich werde die Beiden und Danko herschicken lassen.«
Er schickte einen Boten los, der in Windeseile zwischen den Reihen der dicht gedrängten Krieger verschwand, um kurz darauf direkt neben der vorgezogenen Reiterei aufzutauchen. Mit den Offizieren im Schlepptau stand er wenig später wieder vor den Barbaren.

Omaran war ganz und gar nicht erfreut über die neuen Befehle und diesmal schien es nicht so, als würde er so schnell nachgeben wollen.
»Das ist viel zu riskant mein Herr; meine Männer wären dort vorne den Verteidigern schutzlos ausgeliefert.«
»Keine Sorge,« entgegnete Asgorn gelassen »Die fukandischen Bogenschützen sind die Besten von ganz Handera; sie können euch von hier aus decken.«
Nach einem kurzen Moment fügte Rann hinzu »Außerdem ist die Stadt doch völlig unbewacht. Ihr dürftet also kaum auf Widerstand stoßen.«
»Sie haben Recht, mein Herr!« warf Danko hastig ein. »Auf der Brustwehr patrouillieren nur eine Hand voll Wachen; und die sind bestimmt sowieso schon eingeschüchtert. Das wird die leichteste Erstürmung einer Stadt, die ich je erlebt habe.«
Omaran warf dem Offizier einen abfälligen Blick zu. Seine Ignoranz würde ihn bald das Leben kosten. Schier rasend vor Wut jedoch machte ihn der Hauptmann. Ein weiteres Mal hatte Asgorn unerwartet seine Pläne durchkreuzt. Nie hätte der Pondagure ihn für so listenreich gehalten, denn für ihn war der Barbar nur eine hirnlose, mordende Bestie. Und damit hatte er den größten Fehler der Kriegskunst begangen: Er hatte ihn unterschätzt. Doch durfte er sich seinen Missmut nicht anmerken lassen - noch nicht. Vorerst musste er dabei verbleiben, den ergebenen Diener des Reiches zu mimen.
»Ich gehorche eurem Befehl, Hauptmann.« würgte er mit gezwungener Unterwürfigkeit hervor. Zusammen mit Danko ritt er zurück an die Spitze der Streitmacht und brüllte mürrisch die neuen Befehle. Abermals erklangen die Hörner. Die Reiter bildeten eine Schutzformation um den Rammbock und nahmen den gestoppten Vormarsch wieder auf.
Schweigend und mit Grimm im Herzen beobachtete Asgorn das Geschehen. Rann erkannte in seinen Augen die Schuldgefühle und Gewissenskonflikte.
»Es ist nicht deine Schuld.« sagte er »Manchmal hat man keine andere Wahl; vor allem nicht im Krieg.«
Asgorn antwortete nicht. Er wusste nur allzu gut, dass er keine Wahl hatte. Schon oft hatte er Männer in der Schlacht verloren und schon oft hatte er sie in einen fast aussichtslosen Kampf geführt. Aber jedes Mal aufs Neue war es eine schwere Entscheidung; und jedes Mal hatte er mitgekämpft. Der Kampf bestimmte sein Leben und er wusste, dass jeder Atemzug sein letzter sein konnte. Aber nun opferte er nicht sein eigenes, sondern das Leben seiner Männer. Und das lastete schwer auf ihm.
Der Trupp hatte schon fast die Tore erreicht. Die Soldaten kauerten aufgeregt unter dem Schutzdach der Ramme. Omaran war verunsichert. sollte er nun zuschlagen oder nicht? Als er den Blick über seine Männer wandern ließ, sah er in ihren Gesichtern die Unruhe und Ratlosigkeit, die er nun selbst so schmerzlich wahrnahm. Asgorn hatte ihm seinen letzten Trumpf, die Überraschung, aus der Hand gespielt. Allerdings ging ihm nun noch eine letzte, wenn auch riskante Möglichkeit auf, wie er das Geschick noch zu seinen Gunsten wenden konnte.
Sie erreichten die Stadt und sofort bemühten die Andarier sich mit aller Kraft das Tor zu zerstören. Jeder Aufschlag des Rammbocks war ein Donnerschlag; ein Vorbote des Sturmes der Gurpa bevorstand. Die Wachen auf der Brustwehr blickten verwirrt auf die Angreifer herab. Während sie die rhythmischen Vibrationen der Mauer spürten, fragten sie sich, auf welcher Seite Omaran nun endgültig steht. Hatte er jetzt wiederum sie verraten - oder gehörte dies etwa auch zu seinem Plan? Schließlich verloren einige von ihnen die Nerven - die ersten Pfeile durchschnitten die Luft und zwangen Omarans Männer dazu die Schilde hochzureißen.
Jetzt blickten wiederum sie verdutzt noch oben.
- Ihr verdammten Schwachköpfe! Wartet doch ab! - dachte Omaran wütend. Er rief Baruk zu sich.
»Steckt die Schwerter weg und schießt diese Hunde von der Brustwehr!« brüllte er ihm zu.
Baruk antwortete ihm mit fassungsloser Miene und leise genug, damit ihn die Männer an der Ramme nicht hören konnten. »Mein Herr, ich bitte euch, nehmt den Befehl zurück. Zwingt eure Männer nicht auf ihre Landsleute zu schießen.«
»Hast du den Verstand verloren?« war die erboste Antwort »Wenn ich dass tue sind wir verloren! Noch vermutet Asgorn lediglich eine Falle. Kämpfen wir nicht, so weiß er es mit Sicherheit und wird uns abschlachten und die Truppen abziehen, um mit einer noch größeren Armee zurückzukehren. Also schießt endlich, ihr Narren!«
Schweren Herzens gehorchten sie und legten die Pfeile an. Widerwillig zogen sie die Sehnen an und schickten mit geschlossen Augen die todbringenden Geschosse zu ihren Landsleuten. Erleichtert stellten sie fest, dass auf diese Weise der Großteil der Salve wirkungslos an der Mauer abprallte; jedoch zeichnete sich auf einigen Gesichtern auch Entsetzen ab, denn ihre Pfeile fanden ihr Ziel. Währenddessen nutzte Omaran das allgemeine Chaos um eine Botschaft um einen Pfeil zu wickeln und diesen zielsicher in hohem Bogen über die Mauer zu schicken. Ein zum Tor eilender Soldat konnte ihn nur knapp mit seinem Schild abwehren. Er wollte ihn gerade herausziehen und seinen Weg fortsetzen, da bemerkte er das Stück Papier. Als er den Inhalt der Nachricht gelesen hatte, machte er ohne zu zögern kehrt und rannte zurück in die Stadt.
Die Schützen mussten noch einige schmerzliche Salven abgeben, dann endlich gaben die Tore krachend den Weg frei. Mit euphorischen Kampfschreien griffen die Andarier nach ihren Waffen; die Reiter hingegen senkten erleichtert ihre Bögen. Doch als sich der aufgewirbelte Staub im Torweg legte, war zur allgemeinen Verwunderung keine Menschenseele zu sehen. Nur über Omarans Gesicht huschte ein Grinsen. Diesmal würde ihm der Barbar nicht die Pläne vereiteln. Hier und jetzt wird er seine letzte Schlacht ausfechten. Sofort schickte er einen seiner Reiter zu Asgorn, um ihn über die Lage zu informieren. Ein kleiner Funke der Unsicherheit glimmte noch in Omaran; denn schließlich konnte der Hauptmann immer noch anordnen abzuziehen. Doch auch dieser erlosch, als er sah, wie sich ein Teil der Streitmacht auf Gurpa zu bewegte.
Asgorn näherte sich mit seiner kompletten Einheit; ihm folgten nochmal 250 Kemnoer und Rann mit 200 Mann aus seiner Einheit. Ein Großteil der Straßen war breit und übersichtlich genug um selbst mit der Reiterei noch eine geordnete Formation zu halten. Asgorn wäre am liebsten gleich mit der vollständigen Armee einmarschiert, aber mit so zahlreichen Kräften konnte er nicht wie geplant einen kontrollierten Sturm auf den Palast führen, ohne ein heilloses Chaos anzurichten. Zudem würden ihn ja noch Omarans Soldaten verstärken. Als der Sturmtrupp schließlich bei den Wartenden ankam, ritt Omaran ihm schon entgegen.
»Seht, mein Herr! Wie schon unsere Späher berichteten, ist die Stadt unverteidigt. Wir sind zum Angriff bereit; zögert nicht länger, auf das wir noch heute den Sieg feiern können.«
Der junge Torlonier war verblüfft - kein Hinterhalt; keine lauernde Streitmacht. Nur der Wind fegte durch die Straßen. Hatte er sich etwa doch in Omaran getäuscht?
»Gute Arbeit, Offizier.« gab er unwillig zu. Er zog an den Zügel und lenkte sein gepanzertes Streitross sicher bis zum Torweg, wo er zwischen den Trümmern verharrte. Sein Blick überflog stolz die Reihen der mutigen Krieger. Nur allzu deutlich erkannte er in ihren Augen das kampflüsterne Feuer, welches er jetzt selbst verspürte.
»Männer!« donnerte er über sie hinweg. »Lang habt ihr gekämpft und ebenso lang den Tag ersehnt, an dem ihr eurem Feind, diesem Hundesohn Achmelen, euer Schwert ins Fleisch rammen könnt. Heute ist es soweit. Gurpa wartet darauf von uns erstürmt zu werden. Stürzt euch mit mir in die Schlacht und tränkt eure Schwerter im Blut dieser Bastarde!«
Wie aus einem Munde brachen sie alle gemeinsam in wilde Jubelrufe aus.
Die Luft vibrierte vor Anspannung; der Barbar genoss sichtlich ihre ungebändigte Kampflust. Er spürte in den wogenden Wellen des Jubels, in dessen Brandung er als Anführer stand, den Hass auf Achmelen, die Freude am bevorstehenden Sieg und damit die Rückkehr zu ihren Familien. Der Krieg hatte sie noch fester zusammengeschweißt; ob Kemnoer, Andarier oder Fukander. Diese Männer würden ihm bis zum letzten verzweifelten Atemzug in dieser Schlacht beistehen. In diesem Moment, in dem das Kampfgebrüll die Erde erbeben ließ, glaubte er noch fester an den Sieg, als je zuvor.
Schließlich brachte Asgorn sie mit einer raschen Geste zum Schweigen.
»Also los, Männer! Meine Reiter folgen mir direkt zum Palast. Ihr!« er wandte sich nun an die Kemnoer »Ihr macht zunächst das Torgitter unbrauchbar. Blockiert oder zerstört alle Ketten und Zahnräder. Dann können sie uns hier nicht einsperren. Durchkämmt danach die Straßen und beseitigt jeglichen Widerstand. Verstärkt uns dann beim Palast. Omaran, ihr bleibt hier und bewacht den Rammbock.« nun führte er sein Ross zu Danko. »Ist jemand gefallen?«
»Nein, mein Herr. Und auch keine Verletzten. Wir sind bereit mit euch auch die Palasttore zu zerschlagen!« Stolz trug jedes seiner Worte.
»Ich weiß. Ihr und eure Männer habt ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ruht euch erst einmal hier aus und alarmiert die restlichen Truppen, sollte dies nötig sein. Ich habe Sakomo; Hauptmann der Kemnoer und Makoto, Hauptmann der Fukander die Befehlsgewalt während meiner Abwesenheit erteilt. Sobald der Weg zu den Toren für den Rammbock sicher ist, geben wir euch das Zeichen und ihr könnt dann zu uns stoßen.« er ruckte an den Zügeln seines Streitrosses »Und nun wollen wir sehen wer als erster vor dem Palast steht.« Mit diesen Worten donnerte er an der Spitze der Streitmacht die Hauptstraße hinunter; unaufhaltsam dem Palast entgegen. Die restlichen Truppen schwärmten wie befohlen aus; fest entschlossen jeden einzelnen, den sie finden, für das geschehene Leid büßen zu lassen. Nur Omarans Einheit blieb alleine mit der Rammbockbesatzung zurück.
Diese gönnte sich auf dem Innenhof ihre wohlverdiente Ruhe. In der Mitte stand ein großer Springbrunnen aus weißem Marmor, hier und da mit kunstvollen Gravuren und wertvollen Edelsteinen verziert. Auf seiner Spitze streckte sich eine Schlange mit nach unten geneigtem Kopf anmutig in die Höhe. Zwei blutrote Rubine bildeten die Augen. Aus ihrem Maul sprudelte das klare Wasser in ein kleines Auffangbecken und von dort über drei weitere größer werdende Becken in den Hauptteil. Das offensichtliche Geschick des Architekten ließ die Schlange fast lebendig wirken.
Um die Fontäne und an den Rändern des Hofes wurden große Blumenkästen und Holzbänke platziert.
Die Soldaten löschten ihren Durst beim Springbrunnen und wärmten sich in der Sonne, während sie auf den Bänken oder auch auf dem Rand des Beckens lagen. Manche unterhielten sich über den Fortgang der Schlacht, manche über die Rückkehr nach Hause, die ihnen versprochen wurde. Widerrum andere sahen den Sieg wohl schon als erlangt an und machten sich keine weiteren Gedanken.
Als sie vollends ihre Wachsamkeit verloren, gab Omaran Baruk ein Zeichen. Ein kurzes Kopfnicken seitens des Offiziers antwortete ihm. »Jetzt!« Innerhalb weniger Augenblicke wurden die Andarier eingekreist.
»Was habt ihr vor?« rief Danko und ließ das Schwert aus der Scheide schnellen. Seine Männer folgten seinem Beispiel, während sie grimmig die scheinbar undurchdringlichen Reihen der Reiter anstarrten. Diese legten ihrerseits die Pfeile an. In lautloser Anspannung standen sie sich gegenüber; nur die leiser werdenden Hufschläge von Asgorns Reitern begleiteten die Stille, bis selbst sie verstummten.
»Oh, hört ihr das auch Kameraden?« warf Omaran unvermittelt in die Stille.
»Ha! Nichts! Wie ihr zweifellos wisst, Danko, heißt das, dass euch auch nichts und niemand helfen wird. Seid klug und ergebt euch.«
»Wir werden uns niemals ergeben!« entgegnete Danko; seine Männer quittierten dies mit einem zustimmenden Brummen.
»Seid doch nicht närrisch. Ehe auch nur eines eurer Schwerter meine Soldaten berühren kann, ist die Hälfte von euch schon tot. Ergebt ihr euch, bleibt ihr am Leben; als Sklaven zwar, aber am Leben. Oder ihr schließt euch uns an und wir können gemeinsam ...«
»Niemals, du verräterischer Hund!« unterbrach er ihn achtlos.
»Wie ihr wollt!« Omaran machte sich daran den Kreis zu verlassen.
»Tötet sie.«
Blitzschnell hob einer von Dankos Kriegern das Signalhorn an die Lippen, um das Warnsignal für die zurückgebliebenen Truppen zu blasen. Da sang auch schon die erste Sehne ihr tödliches Lied und der Pfeil durchbohrte erst das Horn und dann die Kehle des Andariers. Dieser brach gurgelnd zusammen, auf grausige Weise mit dem Instrument verbunden. Sofort spannten sich die restlichen Bögen, bereit die Männer zu durchbohren.
»Für Asgorn!« Brüllend stürzte sich Danko auf den nächststehenden Pondaguren - seine Kameraden folgten ihm mit demselben Aufschrei mutig in den sicheren Tod. Verzweifelt versuchten sie der ersten Welle von Pfeilen auszuweichen. Wer ein Schild hatte hielt es schützend vor sich, in der Hoffnung so lange am Leben zu bleiben, um zumindest ein paar Gegner mit in die Finsternis zu reißen. Doch trotz allem ließen viele schon zu Beginn des Kampfes ihr Leben. Als sie dann die Reiter erreichten, hatten sie einen klaren Vorteil, da diese erst ihre Bögen gegen Schwerter austauschen mussten. Sie schlugen gleichermaßen auf Mensch und Tier ein, rissen Reiter aus den Satteln und einige bestiegen sogar selbst die freien Pferde.
Danko kämpfte mit einer verzweifelten Entschlossenheit, die einem nur der gewisse Tod verlieh. Er hackte auf die Beine seiner Gegner ein und holte sie auf diese Weise vom Pferd. Schließlich stieg er selbst, aus mehreren kleinen Wunden blutend, auf eines der Tiere und fegte nun durch die gegnerischen Reihen, einen Verräter nach dem anderen fällend. Plötzlich tauchte aus dem Gewirr aus Stahl, Blut und abgetrennten Gliedmaßen ein blutüberströmter Pondagure auf und hackte mit seinem langen Schwert das Bein des rasenden Tieres ab. Sofort darauf erschien hinter ihm einer von Dankos Getreuen und köpfte ihn seinerseits, aber der Schaden war schon angerichtet. Dankos Ross stürzte und begrub ihn unter seinem massigen Leib. Während das Tier langsam verblutete, vernahm er das Klirren von Stahl und die Todesschreie wie aus weiter Ferne.
Und nach einem letzten kurzen Aufschrei wurde es still. Benommen nahm Danko noch eine Unterhaltung zwischen Omaran und Baruk war.
»Der Kampf ist gewonnen, mein Herr!«
»Verluste?« fragte Omaran fast teilnahmslos.
»27 Tote und etwa ein Dutzend schwer Verletzte. Der Rest hat nur leichte Schnitte oder Kratzer abbekommen und kann noch kämpfen.« berichtete Baruk.
»Dann haben wir also noch gut 110 kampfbereite Männer. Ich muss zugeben, sie haben uns wirklich mehr Schwierigkeiten bereitet, als ich gedacht hätte.«
»Sollen wir die Leichen schon verbrennen, mein Herr?«
»Nein, auf keinen Fall. Das Feuer könnte auf die Stadt übergreifen und der Rauch würde Asgorn oder die Truppen vor der Stadt alarmieren. Lasst sie einfach so liegen; soll sich doch die Stadtwache die Hände schmutzig machen. Wir reiten nun direkt zum Palast.«
Dann verlor Danko das Bewusstsein.

Einige Hundert Meter entfernt blieben die Kampflaute nicht unbemerkt. Rann sah zu Asgorn hinüber »Woher kam das?« er musste schreien, um das Getöse der Hufe zu übertönen.
»Keine Ahnung, aber anscheinend gibt es doch noch Soldaten in der Stadt!« antwortete er ebenfalls brüllend.
»Vielleicht nur die Stadtwache!« meinte Rann.
»Möglich. Wir sollten uns nichtsdestotrotz beeilen!«
Der blonde Barbar antwortete mit einem Kopfnicken und spornte sein Ross noch ein wenig mehr an.
Schon sahen sie in einiger Entfernung die Palasttürme über die Dächer hinaus gen Himmel ragen. Nach ein paar weiteren Minuten gnadenlosen Galopps strömten sie aus dem verwinkelten Straßennetz auf den riesigen, offenen Palastvorplatz. Der mit weißen Marmorplatten ausgelegte Vorplatz war menschenleer; nicht ein Soldat erwartete sie.
»Irgendetwas stimmt nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sogar der Palast unbewacht ist.« Rann sah sich stirnrunzelnd um.
»Wir sollten zusehen, dass wir schnellstmöglich dort hineingelangen. Gebt Danko sofort das Zeichen. Und seid wachsam.«
Einer der Reiter zog ein Horn hervor und blies die verabredete Tonfolge. Derweil blickten die Anderen misstrauisch um sich und beachteten jedes noch so kleine Detail der Umgebung. Die Anspannung stieg ins unerträgliche, als das Antwortsignal ausblieb.
»Versucht es noch mal!« rief Asgorn ungeduldig. Abermals hob der Soldat das Horn an die Lippen, doch ihnen antwortete nur dieselbe Stille wie zuvor. Unruhe machte sich unter den Kriegern breit.
»Was ist los? Warum antworten sie nicht?« Ein hörbares Gemurmel durchwanderte sie.
»Ich kann euch sagen warum!« hallte es von den Palastmauern herab.
Der Redner war ein großer Mann von bronzener Hautfarbe und rundlicher, fast fassförmiger Statur. Er trug ein aufwendig gearbeitetes Hemd mit goldbesticktem Kragen. Das Wappen von Pondagur prangte stolz auf seiner Brust. Die breiten Pumphosen steckten in hohen Lederstiefeln. An seinem nietenbeschlagenen Gürtel hing ein breiter Säbel und bei jeder Bewegung klirrte sein Kettenhemd leise unter den Kleidern. Seine kantigen Gesichtszüge wurden nun von einem überheblichen Lächeln aufgelockert.
»Ich präsentiere euch die Antwort auf eure Frage!«
In diesem Moment strömten unzählige Soldaten mit Schwertern, Speeren und Lanzen aus allen Häusern und Straßen und umzingelten die Andarier.
»Bildet einen Kreis!« brüllte Asgorn. Von wilder Entschlossenheit gepackt stellten sie sich den Pondaguren.
»Es ist sinnlos. Ihr seid hoffnungslos unterlegen. Macht es schnell und ergebt euch.« ertönte es von den Mauern.
»Achmelen, du Hund! Wir werfen unser Leben nicht kampflos weg! Wir reißen so viele von euch Feiglingen mit in den Abgrund wie unsere Schwerter vermögen!« brüllte Asgorn mit feurigem Blick.
Schallendes Gelächter war die Antwort auf seinen heroischen Ausruf.
»Wie ihr wollt. Ich habe ohnehin erreicht, was ich wollte. Oh, und ehe ich es vergesse, ich habe noch eine Überraschung für euch.«
Aus einer kleinen Straße direkt neben dem Tor erschien Omaran mitsamt dem Großteil seiner Reiter.
»Omaran, du Bastard! Ich hätte dir gleich den Wanst aufschlitzen sollen!«
Ohne ein Wort warf ihm der Pondagure Dankos Helm vor die Füße. Die Offiziersabzeichen machten ihn unverkennbar.
»Ich nehme an, du hast dich gewundert, als das Horn nicht ertönte.«
Als Antwort erhielt er nur das wilde Knurren des Barbaren.
»Ihr glaubt wir wären unterlegen?« hakte Rann ein »250 kemnoische Schwertmeister sind in diesem Augenblick auf dem Weg hierher. Wenn wir euch nicht abschlachten können, dann werden sie es tun!«
Auf einmal erreichte sie aus allen Teilen der Stadt der stählerne Gesang von tanzenden Schwertern. Eine bizarre Symphonie aus Schlachtgebrüll und Waffengeklirr. Den entsetzlichen Schlussakkord bildeten zahllose Todesschreie.
Die nachfolgende Stille schürte nur noch mehr den Grimm in den Herzen von Asgorn und seinen Getreuen. Alle edlen Ziele verschwanden aus seinen Gedanken. Das Ende des Kriegs war ihm nun gleichgültig. Nur noch ein Gedanke brannte lichterloh in seinem Geist - Rache!
Wieder hörte er das Lachen von der Mauer, es war das Lachen eines Siegers. Mit unmenschlicher Wildheit starrte er ihn an. Jede weitere Sekunde dieser Schweinelache brachte ihn dem Wahnsinn einen Schritt näher; und so ließ Asgorn seinem Zorn freien Lauf.
»MUT & EHRE!« Mit blitzender, nach Blut gierender Klinge stürmte er in die Reihen der Verräter; gefolgt von 450 treuen Schwertern, um gemeinsam mit ihm den 2. Akt der Todessymphonie anzustimmen.
Sofort zu Beginn ritt er zwei Gegner nieder und köpfte einen Dritten.
Nun wütete er inmitten einer stürmischen See aus tanzenden Klingen, die unablässig zu ihm hinaufschnellten. Immer wieder lehnte er sich mal auf der einen, mal auf der anderen Seite aus dem Sattel um Hiebe zu parieren und Schädel zu spalten. Zu Beginn konnten sie noch die Kreisformation halten, aber nach und nach verwandelte sich der Kampf in ein undurchschaubares Gemetzel. Asgorn wollte wissen, wie es um seine Kameraden steht und riskierte einen schnellen Blick über die Schulter. Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte ein Lanzenträger um seine Waffe gekonnt in den Hals des Pferdes zu rammen. Die Spitze trat auf der anderen Seite wieder heraus und verfehlte Asgorn nur um haaresbreite. Ebenso knapp konnte er sich davor retten, beim Sturz unter dem Kadaver begraben zu werden. Das Chaos um ihn herum war jetzt nur noch unüberschaubarer; dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, mit ungehemmter Wildheit sein Schwert zu schwingen.
»Kommt doch her! Kostet meinen Stahl, ihr Bastarde!« unablässig fluchend und herausfordernd hackte er sich durch die Feindesreihen; sein Kampf artete zunehmend in ein Schlachtfest aus. Er parierte den nächsten Schlag und schlitzte seinem Opponenten aus der Drehung heraus den Bauch auf. Als dieser mit entsetzten Schreien zu Boden sank und verzweifelt seine Eingeweide in den Händen hielt, wurde die Sicht auf Omaran frei.
Asgorn sah nun, wie er, geschützt von drei Leibwächtern, das Gemetzel mit zufriedener Miene verfolgte.
In blinder Wut stürmte er auf den Verräter zu. Unterwegs sprang er auf ein herrenloses Pferd und trampelte nun alles nieder, was ihm in den Weg kam.
»Omaran, verrecke!« stieß er hervor, als er aus vollem Galopp absprang und geradewegs, einem lebenden Geschoss gleich, auf ihn zu stürzte.
Mit einer unbeschreiblichen Wucht riss er ihn aus dem Sattel und schmetterte ihn auf den Marmorboden. Durch den Sturz lag sein Schwert nun einige Schritte von ihm entfernt; dies störte ihn jedoch nicht. Er wollte dieser Ratte ohnehin keinen schnellen Tod gewähren. Die mächtigen Fäuste des Torloniers fielen unablässig auf Omaran herab. Der Pondagure versuchte vergebens die vernichtenden Schläge abzuwehren.
Aus den Augenwinkeln bemerkte Asgorn plötzlich, dass die Leibwächter auf ihn zuhielten. Blitzschnell sprang er auf und war mit einem Satz bei seinem Breitschwert, bereit gegen die neuen Gegner zu kämpfen. Ächzend kam Omaran wieder auf die Beine und langte selbst nun auch nach seinem Schwert; mit der Linken wischte er sich das Blut aus dem ramponierten Gesicht.
Asgorn hatte im Laufe der Schlacht schon einige leichte Schnitte und Prellungen davongetragen. Nun stand er ihnen blutend und mit dem Rücken zur Wand gegenüber. Aber ein Wolf ist am gefährlichsten, wenn er den eisigen Hauch des Todes im Nacken spürt. Und so war auch Asgorn fest entschlossen sein Leben teuer zu verkaufen.
»Ich hoffe ihr hebt noch genug Blut übrig, um diesen Kampf zu überstehen!« rief er ihnen herausfordernd zu.
Die drei Leibwächter ritten langsam auf ihn zu, da deutete Omaran ihnen mit einer Geste anzuhalten.
»Er gehört mir! Dein Kopf wird eine großartige Trophäe abgeben.«
Er umfasste sein Langschwert noch fester und schritt auf ihn zu. Langsam umkreisten sie sich; angespannt auf den Angriff wartend. Plötzlich sprang Asgorn nach vorn und führte einen mächtigen vertikalen Hieb aus, den Omaran nur mit Mühe parieren konnte. Der Pondagure duckte sich unter dem nächsten Hieb und begann seinerseits anzugreifen. Als Asgorn seinen ersten Schlag parierte versuchte sein Gegner gleichzeitig mit einem im Ärmel versteckten Dolch zuzustechen. Der Barbar konnte gerade noch ausweichen und die Klinge glitt an seiner Rüstung ab. Ohne Unterbrechung wechselten sie kraftvolle Schläge und gefährliche Ausfälle. Beide suchten vergeblich eine Blöße in der gegnerischen Verteidigung; sie waren ebenbürtige Meister ihrer Kunst.
Da trat Omaran zu und stieß so seinen wilden Gegner von sich. Er hob sein Schwert hoch über den Kopf um Asgorn mit einem vernichtenden Hieb den Schädel zu spalten. Als Asgorn sah wie weit sein Gegner ausholte spannten sich seine mächtigen Muskeln, doch er blieb regungslos stehen. Erst als die Klinge surrend auf ihn herabschnellte machte er einen schnellen Satz zur Seite und schlug noch in derselben Bewegung zu.
Auf Omarans Gesicht spiegelte sich blankes Entsetzen. Seine Hände umklammerten noch immer verzweifelt den Schwertgriff; sein Schrecken rührte jedoch von den blutigen Stümpfen, wo sie eigentlich hingehörten.
Mit einem großen Schritt befand Asgorn sich vor ihm und rammte ihm mit funkelnden Augen die breite Klinge durch den Leib. Eine Woge der Genugtuung erfasste ihn, als Omaran gurgelnd an seinem eigenen Blut erstickte; unfähig seine letzten, derben Flüche und Verwünschungen verständlich zu machen. Mit einer Drehung seines muskulösen Körpers riss Asgorn das Schwert hinaus und schlug ihm den Kopf ab.
Der blutige Schädel wirbelte in die Höhe und landete dann in seinen Händen. Brüllend warf der Barbar ihn zu Achmelens verschreckter Gestalt, ehe er sich daran machte die fassungslosen Leibwachen niederzumetzeln. Obwohl der König hoch oben auf der Brustwehr und mit einem mächtigen Heer von Soldaten zu seinen Füßen völlig in Sicherheit war, war er doch auf eine gewisse Weise schockiert und beeindruckt zu gleich über die wilde Blutrünstigkeit des Barbaren.

Auch Rann kämpfte verbissen und hatte Mühe die wenigen verbliebenen Mitstreiter zusammenzuhalten. Er hatte einen tieferen Schnitt im Oberarm, den er nun notdürftig mit Fetzen seines Hemdes verband, während ihn die anderen Soldaten schützten. Als er sich dem Kampfgeschehen wieder anschloss, war ihm längst klar, dass sie diese Schlacht nicht für sich entscheiden würden, egal wie tapfer sie auch kämpfen mochten. Doch sein letzter Tropfen Blut sollte nicht auf dem Schafott, sondern im Kampf vergossen werden. Und so focht er weiter, ungeachtet aller Unterlegenheit und Schmerzen. Gerade wollte er einen weiteren der unzähligen Angreifer niederstrecken, als dieser plötzlich wie von selbst umfiel. Hinter dem Leichnam tauchte Asgorn auf und zog sein Schwert aus dem pondagurischen Rücken.
»Ich bin zurück.« gab er trocken von sich und gesellte sich zu seinem Waffenbruder. Der Weg durch die gegnerischen Reihen bis zu seinen Freunden ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Seine Schulterpanzer waren stark verbeult und es fehlten sogar Glieder in der Schuppenrüstung. Zudem hatte er viel Blut durch eine Wunde im Oberschenkel verloren, die er einer Lanze zu verdanken hatte. Aber er hatte nun keine Zeit, um sich um solche Nebensächlichkeiten zu kümmern. Gemeinsam mit Rann schlug er wie im Blutrausch um sich. Immer wenn sie sich auf der einen Seite etwas Luft verschafft hatten, wurden sie im Gegenzug von der anderen Seite doppelt so stark bedrängt. Um sie herum stapelten sich Leichen und abgetrennte Gliedmaßen; der Marmor war rutschig vom vielen Blut. Schlagartig stellten die beiden Barbaren fest, dass fast alle ihre Mitstreiter gefallen waren. Nur noch eine Hand voll mutiger Kämpfer wehrte sich noch mit der Kraft der Verzweiflung gegen die unzähligen Feinde.
Doch dann, wie auf ein von ihnen unbemerkbares Zeichen hin, kamen die ständigen Angriffe allmählich zum erliegen. Sie standen nun erschöpft und blutend inmitten einer Übermacht.
Abermals ertönte Achmelens arrogantes Lachen über ihnen; mit jedem Mal wurde es unausstehlicher. Mit finsterer Miene fixierten sie den König, allzeit bereit den Kampf wieder aufzunehmen.
»Vielleicht irre ich mich, aber von hier oben aus hat es den Anschein, als ob ihr verloren hättet!« stieß er hervor.
»Dann komm doch hier runter zu mir und vergewissere dich!« rief Rann erbost.
»Danke, aber ich finde es hier doch überaus bequem. Erspart mir weitere Schwierigkeiten und ergebt euch endlich.« seine Stimme war durchdrungen von einer unerträglichen Überheblichkeit.
»Ihr ehrlosen Hunde!« Asgorn spuckte auf die umliegenden Leichen »Nicht jeder ergibt sich sofort im Angesicht des Todes! Wir sterben ehrenvoll!«
»Du bist ein närrischer Dickkopf, aber bitte; wenn du unbedingt sterben willst. Toji Nab, deine Dienste werden gebraucht!«
Vor den Füßen der sie umzingelnden Soldaten entstand ein schleierhafter Nebel, der die Pondaguren zurückschrecken ließ. Die beiden Barbaren umklammerten noch fester ihre Schwerter, sodass die Knöchel weiß wurden. Langsam expandierte der Nebel und kroch über die Leichen hinweg auf sie zu. Er hatte sie fast erreicht, da begann er auch in die Höhe zu wachsen und sie vollständig zu umhüllen. Asgorn stieg nun der faulige Verwesungsgestank in die Nase, den der Dunst absonderte. Seine Kräfte schwanden rapide, sein Griff um das Schwert lockerte sich. Er erblickte noch eine dürre, schemenhafte Gestalt neben dem König, dann erfasste ihn eine undurchdringliche Finsternis.

IV

Asgorn trat aus dem Haus hinaus ins Licht. Er sah seinen Vater, der vor dem Tor stand und nochmal die Gurte der Gepäckstücke auf dem Lastpferd festzog, wonach er sich daran machte sein Pferd zu besteigen. Er ließ jedoch davon ab, als er seinen Sohn auf sich zulaufen sah.
»Vater! Warte auf mich!« der Schnee knirschte unter den Schuhen des Jungen. Sein Vater fing ihn im Lauf ab und hob ihn lachend hoch.
»Du willst also immer noch mitkommen, mein Junge?« er setzte ihn behutsam in den Sattel seines Pferdes.
»Ich passe auf dich auf und beschütze dich vor den bösen Clans!« sagte er in kindlichem Übermut »Und ich will nicht so lange ohne dich hier sein.«
»Keine Sorge, in zwei Wochen, zu deinem 10. Geburtstag, bin ich wieder zurück. Und von den anderen Clans haben wir nichts mehr zu befürchten. Ich treffe mich mit ihnen, weil wir endlich Frieden schließen wollen. Von jedem Clan fährt jeweils der höchste Kriegsherr zu der Versammlung.«
»Ich will auch einmal ein großer Krieger werden und Frieden schließen, so wie du!«
Vologanor sah ihn mit väterlichem Stolz an. »Auch wenn du noch nicht ganz verstehst, was um dich herum geschieht, so weiß ich, dass du mich eines Tages sehr stolz machen wirst.« er stellte ihn wieder auf den Boden und fügte lachend hinzu »Obwohl ich nicht weiß, wie du mich noch stolzer machen könntest, als ich ohnehin schon bin! Nun müssen wir uns leider verabschieden. Ich werde bald zurück sein und euch alles von der Reise erzählen. Pass solange gut auf deine Mutter auf.«
Kaum hatte er dies ausgesprochen, kam sie auch schon auf die Beiden zu. Wortlos umarmte Vologanor seine Familie. Dann stieg er auf sein Pferd und ritt mit seinen vier Begleitern davon.
Asgorn lief eilig auf die hohen Schutzmauern des Außenrings und blickte ihnen noch eine Weile hinterher, während sie in den verschneiten Wald hineinritten. Als sie zwischen kahlen Ästen und immergrünen Nadelbäumen verschwanden, wandte er sich der Wehrstadt zu.
Die meisten Gebäude waren aus zusammengepassten Granitblöcken und dicken Holzbalken gefertigt; nur wenige bestanden gänzlich aus Holz. Schon seit Tagen schneite es unaufhörlich und so ächzten nun die hölzernen Dächer unter der weißen Last. Die Zahl der Häuser war gering; schließlich war dieser Ort vorrangig das kriegerische Zentrum des Clans. In dieser verschneiten Bastion lebte der Clanhäuptling, umgeben von seinen besten Kriegern. Die massiven Wehrmauern und die Häuserreihen waren im Halbkreis um die schier unüberwindbare Clanfeste angeordnet. Die Festung selbst schmiegte sich schutzsuchend an die rauen Berge Torlonias, aus deren Fels sie gehauen war. Jedes Mal aufs Neue war der Junge vom Anblick der Clanfeste tief beeindruckt.
Asgorn wollte gerade die Treppe wieder hinuntersteigen, da erreichten ihn merkwürdige Geräusche vom Wald her. Sofort erkannte er sie als das aufgeregte Klirren von Stahl, welches er schon so oft bei den Übungsplätzen gehört hatte. Er wollte den Wachen Bescheid sagen und so rannte er auf der Brustwehr entlang auf das Torhaus zu, wo sich auch der Ausguck befand. Der Wächter an der Tür stoppte ihn.
»Ich habe es auch gehört. Bleib hier; ich schlage Alarm.« erklärte er.
Kurz darauf erschienen einige leicht gerüstete Reiter bei den Toren. Sie wechselten ein paar rasche Worte mit den Wachen und ritten dann in wildem Galopp in den Wald hinein.
Asgorn konnte zwar nichts erkennen, aber für einen kurzen Moment wurden die Kampfgeräusche noch lauter, noch intensiver - bis sie schließlich abrupt verstummten. Alle starrten angespannt auf das undurchschaubare Astgewirr, doch nur eisige Stille drang zu ihnen aus dem Wald hervor.
Sie wollten schon einen großen Kampftrupp zusammenstellen, als ein einzelnes Pferd aus dem Dickicht auftauchte und auf das Tor zutrottete. Der schwer verwundete Reiter hielt sich kaum noch im Sattel.
Ein paar Männer liefen los und brachten ihn in die Sicherheit der Stadt.
Asgorn kam zu ihnen, als sie den Verwundeten auf eine am Boden liegende Trage legten und eiligst versuchten seine Wunden zu verarzten. Währenddessen befragte ein Anderer ihn über die Geschehnisse im Wald.
»Der Wulfgar-Clan... Es waren zu viele... Die Anderen...« brachte er mit schwacher Stimme hervor.
»Was ist mit den Anderen?« fragte eine Stimme nach.
»Tot... alle tot...«
»Wo ist mein Vater?« drängte sich Asgorn aufgeregt dazwischen.
Der sterbende Barbar sah ihn mitleiderfüllt an »Vologanor ist... Es tut mir Leid, Junge. Es tut mir Leid...« er wollte noch etwas sagen, doch sein Blick wurde glasig und er sank kraftlos zusammen. Jemand schloss seine Augen.
»Nein, Vater!« Asgorn wurde von Wut und Trauer zerrissen.
Der Clanhäuptling trat an den Jungen heran und legte ihm die breite Hand auf die Schulter. »Ich bedaure deines Vaters Tod ebenso wie du, junger Asgorn. Er war nicht nur mein Kriegsherr sondern auch ein treuer Freund. Ich schwöre bei Makos Eisschwert, dass wir Vologanor und seine Kameraden rächen werden! Wir werden den Wulfgar-Clan abschlachten!« verkündete er.
»Dann wird der Frieden scheitern!« warf einer ein.
»Der Frieden scheiterte in dem Moment, als diese Hunde ihre Schwerter gegen uns erhoben!« entgegnete ein anderer.
Ein hitziger Streit entflammte, doch Asgorn nahm dies kaum wahr. Die Trauer übermannte ihn und grenzte ihn von der Welt um ihn herum ab. Die Worte der Männer nahm er nur als entferntes Rauschen war. Doch durch das Stimmengewirr schlich sich allmählich ein einzelner durchdringender Ruf zu dem Jungen durch. Es war sein Vater. Plötzlich sah er ihn vor sich, wie er blutverschmiert im Schnee lag und ihn unaufhörlich zu sich rief.
»Asgorn! Asgorn! ASGORN!« Der Junge wollte seinem Vater helfen, doch er konnte sich nicht bewegen. Der Ruf bohrte sich in seinen Kopf; füllte ihn aus; brachte ihn fast zum bersten. Er konnte es nicht länger ertragen und brüllte seinen Schmerz hinaus: »VATER!«
Asgorn riss die Augen auf und sah … nichts.
Um ihn herum herrschte tiefste Finsternis bis ein geisterhaftes, blaues Licht einen hageren Mann in teueren Gewändern offenbarte.
»Sieh an, bist du also endlich aufgewacht.«
In Asgorns Schädel hämmerte es und die zahlreichen, kleineren Wunden, welche er in der Schlacht davongetragen hatte verursachten stechende Schmerzen. Seinen ausgetrockneten Mund erfüllte ein unangenehmer Eisengeschmack. Er versuchte den Schleier des ihm immer noch präsenten Albtraums zu vertreiben und sah sich in dem nun erhellten Raum um.
Man hatte ihn, von Rüstung und Waffen beraubt, nur mit seiner zerrissenen Hose und den Stiefeln bekleidet, in einer modrigen Zelle mit massiven Eisenketten an die Wand gekettet. Zudem wurden auch noch die Wunden unbehandelt gelassen. Als er den Blick auf der dürren Gestalt vor ihm fixierte, erkannte er darin den Magier, den Achmelen am Ende der Schlacht zu sich gerufen hatte.
Jeder Muskel brannte, doch er war fest entschlossen ihn zu töten und warf sich ohne zu zögern auf sein Opfer. Kurz vor seinem Ziel jedoch bremsten ihn die wuchtigen Eisenketten und leuchteten blau auf. In demselben Moment durchfuhr seine Glieder ein feuriger Schmerz. Asgorn schrie auf und zerrte nun noch verzweifelter an seinen Fesseln. Doch umso mehr Kraft er aufwand, umso stärker wurde auch der Schmerz und so sank er schließlich kraftlos auf die Knie. Toji Nab lächelte verächtlich auf ihn herab, als der Barbar sich mühsam wieder aufrichtete.
»Spar deine Kräfte, Barbar. Omaran mag dich unterschätzt haben - ich werde dies nicht tun. Wie du eben schmerzlich feststellen musstest habe ich die Ketten für die Dauer meines kleinen Besuchs magisch verstärkt.«
Asgorn lehnte sich gegen die raue Kerkerwand
»Feiger Magier. Du kannst mich nicht ewig gefangen halten!« brummte er.
»Dass habe ich auch gar nicht vor. Deine öffentliche Hinrichtung wird die Moral eurer Truppen in weitaus bedeutererem Maße schwächen, als deine bloße Gefangenschaft.« der Magier hielt einen Moment inne, als würde er die nächsten Worte sorgsam wählen »Ich muss zugeben du überraschst mich. Du hast einen durchaus beeindruckenden Weg hinter dir. Es ist fast schon bedauerlich, dass er hier so erbärmlich endet.« spotte der Magus.
»Was redest du da?« protestierte Asgorn »Ich sehe dich zum ersten Mal. Was weißt du schon von meinen Weg?«
»Nur weil du mich noch nie gesehen hast, heißt das nicht, dass ich nichts von dir weiß. Ich weiß mehr über dich als du glaubst. Vielleicht sogar mehr als du selbst.«
»Warum müsst ihr verdammten Magier immer so geschwollen reden? Dieser Mist ist wirklich ermüdend.«
Toji Nab fuhr fort, ohne seine Worte zur Kenntnis zu nehmen. »Ich kenne die Antwort auf eine Frage, welche dich seit deiner Kindheit quält. Ich kann deiner Suche ein Ende bereiten und dir verraten, wer deinen Vater ermordete.«
»Diese Frage gibt es nicht, es war der Wulfgar-Clan!«
»Bist du dir da so sicher? Hast du es mit eigenen Augen gesehen?«
Asgorn schwieg.
»Nein hast du nicht. Ein Sterbender hat es dir gesagt. Aber woher weißt du, dass es wirklich der Wulfgar-Clan war? Soviel will ich dir verraten: Sie waren es nicht. Ich kann dir den Namen verraten.«
Der Barbar starrte ihn verblüfft an und wartete sehnsüchtig auf den Namen des Mörders. Aber er wurde enttäuscht.
»Für dich jedoch soll dies Rätsel auch weiterhin ungelöst bleiben. Du sollst hier unten einsam und in Ungewissheit verrotten. Ha, du weißt nicht einmal, wie nahe du deinem Ziel schon warst!«
»Und du weißt nicht wie nahe du deinem Tod bist, Hexer!« brüllte Asgorn und wollte sich abermals auf seinen Peiniger werfen. Doch wie zuvor zwang
ihn der Zauber schließlich zu Boden.
»Das sieht euch Barbaren ähnlich – zu stur um die Niederlage einzusehen.
Nun denn, ich überlasse dich wieder der Dunkelheit und dem Vergessen; ich habe schließlich noch einen Krieg zu beenden.«
Bei diesen Worten starrte Asgorn den Magier mit verwundertem Gesichtsaudruck an. Toji Nab grinste lediglich.
»Wie ich schon sagte, ich weiß mehr als du glaubst. Um deine verbliebenen Truppen brauchst du dir auch keine Gedanken mehr zu machen. Bald sind sie von allen Sorgen befreit.«
Einmal mehr stieg in dem jungen Krieger das Verlangen auf, den Magier in Stücke zu reißen, aber er sah nun ein, dass jeder Versuch ihm letztlich nur weitere Schmerzen einbrachte. Es gelang ihm sich zu beherrschen – vorerst jedenfalls. Toji Nab wandte sich von dem bis aufs Äußerste gereizten Nordmann ab und verließ die Zelle. Ein Wärter schloss diese ab, ehe er den Magier aus dem Kerker geleitete. Das sich entfernende Klopfen des Zaubererstabs auf dem Steinboden begleitete sie. Und dies war auch alles was der Barbar außer dem modrigen Kerkergestank wahrnahm, denn mit dem Magier verschwand auch das Licht. Asgorn zerrte nun mit neuem Antrieb an seinen Fesseln, wobei er erleichtert feststellte, dass jegliche Magie aus ihnen gewichen war. Seine Muskeln brannten noch stärker als zuvor und schienen jeden Moment zu zerreißen, doch die Ketten hielten auch dieser Kraft mühelos stand. Auf diese Weise würde er nicht fliehen können. Aber er würde sich befreien, daran bestand für ihn kein Zweifel. Dieser Schwächling Toji Nab unterschätzte ihn und würde dies ebenso teuer bezahlen wie Omaran.
-Ich werde mich befreien und sie alle töten!- dachte er –Ich weiß zwar noch
nicht wie, aber ich werde es schon noch irgendwie schaffen!-.
Während er in seine mordlüsternen Gedanken vertieft war, näherten sich
kaum hörbare Schritte seiner Zelle. Plötzlich drang ein Gurgeln an sein
Ohr, gefolgt von dem dumpfen Geräusch eines fallenden Körpers. Kurz
darauf vernahm er, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte und jemand
seine Zelle betrat. Asgorn konnte nicht erkennen, wer es war. Zwar flackerte auf dem Gang eine schwache Fackel in ihrer Wandhalterung, jedoch reichte ihr Schein nicht bis ins Innere der Zelle.
»Zeig dich; wer auch immer du bist!« rief der Barbar in die Dunkelheit hinein. »Lasst mich nur schnell die Fackel holen und ihr werdet mich erkennen, mein Herr.« Die Stimme des Mannes kam ihm bekannt vor, doch er hatte sich von der Schlacht und den magischen Ketten noch nicht völlig erholt und konnte sie deswegen nicht klar einordnen. Als dann das Licht der Flammen das Gesicht seines Besuchers preisgab starrte der Barbar ihn ungläubig an. »Danko? Wie ist das möglich?«

Die untergehende Sonne färbte die weißen Mauern Gurpas blutrot und damit auch die unscheinbare Gestalt, die aus dem Schatten des Tores heraustrat. Sein Helm reflektierte das schwindende Licht als er auf das Lager des Bündnisses zuging. Das machte ihn so zu einem idealen Ziel für die fukandischen Bogenschützen, welche sich auf den umliegenden Hügeln im dichten Gras versteckt hielten. Doch anstatt den Pondaguren aufzuhalten, nahm einer von ihnen ein Stück Kohle und Papier zur Hand, schrieb eilig eine Nachricht und befestigte diese an einem Pfeil. Am Rand des Lagers wurden in regelmäßigen Abständen breite Holzpfähle in den Boden getrieben; für jeden Spähposten einen. Das Geschoss schnellte mitsamt dessen Ladung gen Lager, wo sich die Spitze mit einem dumpfen Ton tief in das Holz bohrte. Daraufhin nahm ein eigens dafür abkommandierter Wächter die Botschaft an sich und eilte damit zum Kommandozelt.
Dort angekommen unterbrach er Sakomo und Makoto bei der Planung der Routen für die Heimkehr. »Eine Nachricht von den Spähern.« erklärte er.
Sakomo warf einen schnellen Blick auf die Botschaft und legte sie mit Missfallen beiseite. »Ein pondagurischer Soldat nähert sich unserem Lager; er trägt die Botschafterflagge.« sagte er. »Dass erklärt zumindest, warum wir noch immer keine Nachricht von Asgorn und den Rann erhalten haben. Verdammt! was ist da drin nur passiert?«
Makoto wandte sich von dem Kartentisch ab, setzte sich seinen Helm auf und trat hinaus in die Abendkühle. »Kommt, lasst ihn uns lieber vor dem Lager abfangen. So kann er zumindest nicht unsere Truppenstärke in Erfahrung bringen.« rief er ihnen zu.
Die beiden Hauptmänner empfingen den Pondaguren am Fuße des Hügels, sodass er keine Sicht auf das Lager hatte. Den nötigen Schutz gewährleisteten die verborgenen Schützen.
»Halt!« rief Sakomo »Was ist euer Begehr!« Er hatte wirklich nichts übrig für das Benutzen solch hochtrabender Formulierungen für eine einfache Frage. Ein einfaches “Sag was du willst und verschwinde wieder!“ wäre ihm zehnmal lieber gewesen, aber seine Stellung als Hauptmann der kemnoischen Truppen – und jetzt sogar als Asgorns einstweiliger Stellvertreter - ließen ihm leider keine andere Wahl, als über die Maßen höflich zu sein.
Der Bote blieb einige Meter vor ihnen stehen und brachte einen langen, eingewickelten Gegenstand hinter seinem Rücken hervor und warf ihn den beiden Hauptmännern vor die Füße. »Ich soll euch dies überbringen.«
»Was ist das?« fragte Makoto misstrauisch »Was geht in der Stadt vor?«
Der Bote grinste sie unverschämt an »Das werdet ihr alles wissen, wenn ihr das Bündel öffnet. Ich habe nichts weiter zu sagen.«Mit diesen Worten wandte er ihnen den Rücken zu und lief zurück in den Schutz der Mauern.
Sakomo hob das Bündel auf und streifte mit bösen Vorahnungen den Stoff ab. Als sie sahen was darunter zum Vorschein kam, verschlug es ihnen den Atem. Es war Asgorns Schwert.

»Ich dachte du wärst tot.« wunderte sich Asgorn.
»Das dachte Omaran ebenfalls und fast wäre ich das auch.« entgegnete Danko, während er seines Hauptmanns Fesseln mit dem vom Wachmann erbeuteten Schlüssel löste. »Aber ich war bloß ohnmächtig. Als wir gegen die Verräter kämpften, konnte ich ein Pferd erbeuten, aber jemand hackte dem armen Tier die Beine weg und nach dem Sturz lag es auf mir. Als ich wieder aufwachte durchsuchten zwei Pondaguren die Leichen nach allem brauchbaren; ich glaube sie gehörten zur Stadtwache. Irgendwie schaffte ich es unter dem Pferd hervorzukriechen und die Beiden zu töten.«
»Wir alle waren davon überzeugt, dass du und alle deine Kameraden tot wärt, weil Omaran deinen Helm hatte. Ein Glück dass er sich nicht noch einmal vergewissert hat, ob ihr wirklich alle tot seid.«
»Was den Helm betrifft: Den habe ich wohl bei meinem Sturz verloren.
Später zog ich mir dann diese pondagurische Rüstung an und schlich mich damit durch die Stadt. Schließlich fand ich durch Zufall einen geheimen Eingang zum Kerker.« schloss Danko seine Ausführungen.
»Einen geheimen Zugang? Durch Zufall? Wie das?« wunderte sich Asgorn.
»Nun...« Danko zögerte »Ehrlich gesagt war es nicht schwer... auch ein Kerker braucht eine Kanalisation.«
»Ha! Bei Makos Eiskrone, du bist tatsächlich durch die Scheiße gekrochen, um mir das Leben zu retten.« Asgorn lockerte die Muskeln, um so den Schmerz, der ihm noch immer in den Gliedern steckte, abzuschütteln.
»Sag mir, hast du schon Rann und die Anderen gesehen?«
»Noch nicht; ich hatte allein schon damit Schwierigkeiten mich hier unten nicht zu verlaufen. Diese ganzen Tunnel hier sind das reinste Chaos; das alles wirkt eher wie eine Grabanlage als wie ein Kerker.«
»Wir müssen sie finden! Alleine werden wir es nicht schaffen.«
»Stimmt, nur zu zweit wird es schwer sein aus der Stadt zu fliehen, vorbei an den ganzen Wachen und...«
»Ich rede hier nicht von Flucht!« fiel der Barbar ihm harsch ins Wort
»Ich rede von Angriff! Sobald wir die Anderen gefunden haben, werden wir uns bis zu Achmelen durchschlagen und ihn aufschlitzen!«.
Danko sah ihn verwundert an »Mein Herr, das kann nicht euer Ernst sein. Wir müssen zusammen mit den Anderen fliehen!« beschwörte er ihn.
»Nein! Das ist unsere einzige Gelegenheit diesen Hund endlich zu erledigen! So nah kommen wir ihm nie wieder. Außerdem erwartet er uns nicht.«
Der Offizier zögerte einen Augenblick, doch zwang ihn seine Treue dem Hauptmann gegenüber nachzugeben. »Ihr seid der Hauptmann. Ich gehorche eurem Befehl.« gab er emotionslos von sich.
Als er dies hörte, besann Asgorn sich wieder, denn aufs Neue wurde ihm die große Verantwortung bewusst, die auf seinen Schultern lastete. Die Verantwortung für das Leben seiner Männer und ihr Vertrauen, dass er ihre Treue niemals ausnutzen würde.
»Nein, Danko. Vergib mir, denn ich habe einen Fehler gemacht. Ich darf meine Macht nicht ausnutzen, um euch in den Tod zu schicken. Ich werde trotz allem versuchen bis zu Achmelen durchzukommen, koste es was es wolle. Dir und den Anderen aber steht es frei zu entscheiden, ob ihr mich begleitet oder nicht. Vergiss jetzt einmal, dass ich dein Hauptmann bin und entscheide dich; entscheide dich frei von Rang und Verpflichtung.«
Ratlosigkeit spiegelte sich in Dankos Gesicht. Noch nie hatte er es erlebt, dass sein Vorgesetzter ihm die Entscheidung überlässt. Er stand nun im flackernden Fackelschein seinem Hauptmann gegenüber; dem Mann, dem er in diesem Krieg Tag für Tag sein Leben anvertraut hatte. Teils dachte er nicht darüber nach, teils hatte er auch keine andere Wahl. Doch nun hatte er die Wahl und er sollte sie selbst treffen; was im Militär ausgesprochen selten der Fall ist. So standen sie sich gegenüber und sahen sich lange an – nicht als Hauptmann und Untergebener, sondern als befreundete Krieger.
Schließlich beendete Dankos Antwort das Schweigen.
»Ich vertraute euch, Asgorn. Jeden Tag in diesem Krieg vertraute ich euch mein Leben an und folgte euch. Auch diesmal werde ich euch vertrauen und folgen; bis in den Tod. Ich tue dies nicht nur als Soldat, sondern vielmehr als Freund. Lass uns dies gemeinsam zu Ende bringen.«
»Ich danke dir. Komm, wir haben schon genug Zeit vergeudet.«
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, ihre Freunde zu finden. Die Zelle schlossen sie wieder ab und auch die Fackel kehrte an ihren ursprünglichen Platz zurück; schließlich wollten sie in ihrer gegenwärtigen Lage nicht unnötig Aufmerksamkeit erregen.
Die Gänge waren recht breit und das spärliche Licht der Fackeln bot ihnen viele Schatten als Versteck an. Andererseits konnten sie sich dadurch nur noch auf ihr Gehör verlassen um herannahende Wachen früh genug zu orten. Tief unter der Erde schwand jegliches Zeitgefühl und so schienen sie schon eine Ewigkeit durch die Dunkelheit zu irren, ohne auch nur die kleinste Spur ihrer Freunde gefunden zu haben. Schon schien ihnen die Suche sinnlos zu werden, da hörten sie ganz in ihrer Nähe eine bekannte Stimme fürchterlich fluchen. »War das nicht...?«
»Ja! Los, wir müssen uns beeilen.«
Der Stimme folgend erreichten sie eine nach Blut und Schmerz stinkende Folterkammer. Durch ein in der Tür eingelassenes Guckfenster konnten sie sich unbemerkt ein Bild vom Inneren des Raumes machen. Die Wände und Tische schmückten allerlei schmerzvoll wirkende Peitschen, Riemen, Ketten, Haken, Klingen und andere sonderbare, teils unbeschreibare Instrumente. Hier fand sich auch der zur Stimme gehörende Mensch. Ein schadenfroh grinsender Wärter bearbeitete einen mit dem Gesicht zur Wand angeketteten Gefangenen.
Sofort erkannte Asgorn in ihm seinen Waffenbruder und wollte schon mit bloßen Händen auf den Folterknecht losgehen, als Danko ihn zurückhielt.
»Wartet, mein Herr.« flüsterte er »Wir sollten da nicht einfach so reinstürmen. Das wäre viel zu laut und würde bloß noch mehr Wachen auf den Plan rufen. Außerdem haben wir keine Waffen.«
»Verdammt, da hast du Recht.« Asgorn atmete einmal tief durch und bedeutete Danko mit einer Geste vor der Tür zu warten. Der Barbar öffnete so leise er nur konnte die schwere Tür, schlüpfte hindurch und versuchte sich an den Wärter anzuschleichen. Zwar gehörte das nicht zu den Fertigkeiten, in denen er sich über Jahre hinweg stetig geübt hatte, aber das wiederholte Knallen der Peitsche und Ranns derbe Flüche als dessen Antwort kompensierten seine Unzulänglichkeiten.
So bewerkstelligte er es unbemerkt an sein Opfer heran zu pirschen. In dem Moment jedoch, da er die Hände nach dem Kopf des Folterknechts ausstreckte, drehte dieser sich um und glotzte ihn verblüfft an. Das war auch alles was er noch tun konnte, denn als nächstes sah er schon Asgorns dicke Faust auf ihn zuschnellen. Als er dann benommen zurücktaumelte, bekam der Barbar seinen Kopf zu fassen und brach ihm mit einem Ruck den Hals.
Danach löste er zusammen mit Danko seinen Freund von der Wand und setzte ihn auf den Boden. Während Asgorn damit begann mit den wenigen Mitteln, die er finden konnte, Ranns Wunden zu verarzten, brachte der Andarier dem blonden Krieger die Wasserflasche des Wärters. Rann war zwar lädiert, aber nichtsdestotrotz dankbar und nach ein paar hastigen Schlücken spürte er auch schon wie seine Kräfte allmählich wiederkehrten.
»Ohne euch hätte mich dieser Bastard noch irgendwann umgebracht.« brachte er hervor.
»So wie du geflucht hast würde dass bestimmt noch ein paar Tage dauern!« lachte Asgorn. »Was wollten sie überhaupt wissen?«
»Das wüsste ich auch gerne. Dieser Hund hat mir nicht eine Frage gestellt. antwortete er mit Mühe. »Als hätte er mich nur zum Spaß gefoltert.«
»Wer sich gegen meine Freunde stellt, der stirbt! Dass werden sie noch bereuen!« knurrte der Barbar.
»Aber mein Herr, ihr habt ihn doch schon getötet.« gab Danko zu bedenken.
»Dann werde ich eben auch den Rest von ihnen töten. Ich werde sie alle vernichten.« seine Stimme war beunruhigend ruhig als er dies sagte.
»Beruhige dich. Auf diese Weise werden wir nicht weit kommen.« belehrte ihn Rann »Zuerst müssen wir die Anderen befreien, dann sehen wir weiter.«
»Und wo sind sie?«
»In einer Zelle direkt nebenan. Es haben leider nicht viele überlebt, aber sie können noch alle kämpfen.«
Als sie die besagte Zelle betraten, blickten sie in ein gutes Dutzend müder Gesichter. Asgorn betrat mit einer Fackel in der Hand den dunklen Raum, womit auch sofort Bewegung in die düstere Stille der Gefangenschaft kam. Die Andarier erhoben sich und begrüßten mit neuer Kraft und Hoffnung ihren Hauptmann. »Es ist Asgorn! Der Hauptmann ist gekommen, um uns zu befreien!« Nur allzu deutlich hörte er die Hoffnung in ihren Stimmen, doch bereitete er sich nichtsdestotrotz mit Bedauern darauf vor, sie sogleich zu zerschlagen. Seine erhobene Hand brachte sie zum Schweigen, worauf noch eine lange Pause folgte, ehe er ihnen mit fester Stimme sein Vorhaben darbot. »Es tut mir Leid, Männer, aber wir können diese Stadt noch nicht verlassen.« Verwirrung machte sich unter den Männern breit und auch Rann war sich noch nicht ganz im Klaren darüber, was sein Waffenbruder vorhatte. »Hört mich an! Wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen, muss der König sterben! Wir sind ihm nun so nah wie noch nie; er spürt schon meinen mordlüsternen Atem im Nacken. Er hat Angst vor uns! Warum hätte er uns sonst in so weit voneinander entfernte Zellen gesperrt – euch von eurem Hauptmann getrennt? Zudem glauben sowohl er, als auch sein Magier noch immer, dass wir ihre Gefangenen sind. Wir wären Narren diese Gelegenheit nicht zu nutzen!« Er ließ seine Worte einen Moment auf die Krieger wirken, dann fuhr er ruhiger fort: »Aber ich sehe auch die andere Seite. Wir alle haben einen harten Kampf hinter uns und sind nun verwundet und erschöpft in einem stinkenden Kerker gefangen. Daher habe ich entschieden, dass ihr frei entscheiden könnt, ob ihr mich begleitet oder flieht.« Er ließ seinen Blick bedächtig über sie schweifen.
»Wie auch immer ihr entscheidet, es wird meine Achtung euch gegenüber in keinster Weise mindern.«
Einer von ihnen trat hervor. Es war Grenbo, ein Mann, der sich den Ruf eines herausragenden Kämpfers verdient hatte. Gleichzeitig genoss er auch die Freundschaft und Annerkennung der anderen Soldaten. Zweifellos könnte er eines Tages ein guter Anführer werden, falls er so lange überlebt.
Er verbeugte sich energisch vor Asgorn und sprach mit Entschlossenheit in der Stimme: »Ihr lehrtet uns Mut und Ehre und ihr führtet uns in diesem Geiste in die Schlacht. Ich folge euch bis zum letzten Atemzug,
mein Hauptmann.«
Alle folgten seinem Beispiel, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Der Barbar war bewegt von ihrem grenzenlosen Vertrauen. Im Gegenzug dafür beschloss er diesmal mehr als je zuvor im Kampf auf sie zu achten – er würde sie alle gesund nach Hause bringen.
»Ich danke euch für euer Vertrauen. Sollten wir das hier lebendig überstehen, gebe ich euch erstmal einen aus. Und zwar aus Achmelens eigenem Weinkeller!« Sie lachten gemeinsam – ungeachtet der Gefahren, denen sie noch gegenübertreten mussten.

Einst erstreckte sich ein dichter Wald über das flache Stück Land am Fuße der Sendan-Berge, welches nun Gurpa beherbergte. Zu diesen Zeiten war Pondagur nicht viel mehr, als nur ein loser Städtebund auf der nördlichen Seite der Berge. Es bestanden keine reellen Bündnisse zwischen den Städten; sie respektierten sich lediglich gegenseitig.
Mit der Zeit jedoch verstärkten sich diese Bande, was den kleinen Städten ermöglichte gemeinsam zu prächtigen Metropolen heranzuwachsen. Für die vielen Menschen war bald kein Platz mehr vorhanden und so gründeten sie neue Siedlungen, welche selbst auch sehr schnell wuchsen. Dörfer schlossen sich zu Großstädten zusammen; Städte zu Fürstentümern. Alle lebten sie in gegenseitigem Einvernehmen. Viele Jahre bestand dort eine zersplitterte Ordnung aus einzelnen Fürstentümern und Großländereien. Obwohl verbündet waren sie doch schwach und so beschlossen die 4 mächtigsten Fürsten, dass es an der Zeit war, alle unter einem Banner zu vereinen. Sie wollten dies Land gemeinsam regieren und so ihre Macht sowie ihren Reichtum noch weiter ausweiten. Dies neu geschaffene Land sollte Pondagur heißen. Allerdings wollten sich einige kleinere Fürstentümer diesem Beschluss nicht unterwerfen und missachteten die pondagurische Regierung mitsamt ihren Gesetzen. Dies wiederum duldeten die vier Großfürsten nicht und versuchten mit allen Mitteln die Spalter zum Einlenken zu bewegen. Im Laufe der Jahre eskalierte der Streit immer mehr, bis er schließlich in einen offenen Krieg mündete. Schon bald mussten die Rebellen feststellen, dass sie hoffnungslos unterlegen waren. So wandelte sich der Krieg zu einer erbitterten Menschenjagd. Schon innerhalb eines Jahres wurden sie fast gänzlich ausgelöscht und ihre Ländereien wurden von Pondagur annektiert. Die wenigen Überlebenden sahen keinen Sinn in einem Fortführen des Widerstandes und flohen über verborgene Bergpässe in das fruchtbare Land hinter den Bergen von Sendan. In dem dichten Wald, welcher das gesamte Tal füllte, ließen sie sich nieder. Das land bot ihnen fast alles, was sie zum Leben brauchten und auch schien es, als hätten Pondagurs Herrscher die Verfolgung aufgegeben. Hier glaubten sie ein friedliches Leben führen zu können; fernab von den Schrecken der Vergangenheit.
Doch schon einige Jahre später begann Pondagur das Land südlich der Sendan-Berge für sich einzunehmen. Am Rand des Waldes wurden viele Siedlungen errichtet. Die wachsende Zahl an Versorgungs- und Handelskonvois schaffte sich neue Wege, welche auch durch das Dickicht führten. Das Rebellenvolk lebte weiterhin tief im Wald verborgen, aus Angst, die alten Feindschaften könnten wieder aufleben. Allerdings fehlte es ihnen in ihrer isolierten Heimat oft an diversen Rohstoffen und Gütern. Nur die Bäume allein boten ihnen nicht alles was sie brauchten und auch Handel war für sie ausgeschlossen, wollten sie ihr Versteck nicht preisgeben. Obwohl sie daran nicht teilnahmen, fanden sie in dem regen Handelsverkehr ihre Quelle für alles was sie nur benötigten. Fortan führten sie ein räuberisches Dasein und stahlen sich ihr Leben zusammen. Doch mit der Zeit wurden solche Raubzüge immer gefährlicher. Wachen eskortierten die Karawanen und patrouillierten sogar auf den Waldwegen. Die Räuber hingegen führten ihren unverschämten Lebensstil fort. Schließlich veranstalteten die Siedlungen regelrechte Hetzjagden und stellten Kopfgelder aus. Einmal mehr waren sie die Gejagten, doch diesmal würde es keine Überlebenden geben; dafür war ihre Zahl zu gering. Sie waren gezwungen ein besseres Versteck zu finden, wollten sie ihr neues “Rohstofflager“ nicht aufgeben.
Und so begannen sie ein ausgedehntes Netz aus unterirdischen Gewölben und Tunneln anzulegen. Einige Jahre später war von dem Waldversteck jede Spur verschwunden. Durch ein ausgeklügeltes Lüftungs- und Filtersystem, konnten sie sogar größere Feuer unter Tage brennen lassen, ohne vom Rauch verraten zu werden. Nur zu ihren gelegentlichen Raubzügen oder um Holz zu fällen verließen sie ihre unterirdische Heimat. So verborgen vor den Augen Pondagurs führten sie ihr Räuberdasein. Doch eines hatten sie nicht bedacht: Für das nötige Licht und die Wärme brauchten sie Unmengen an Holz. Das einstmals üppige Grün über ihren Köpfen nahm stetig ab. Doch nicht die Rohstoffknappheit wurde ihnen zum Verhängniss, sonder vielmehr die stetig wachsenden Lichtungen, welche sie in den Wald fällten und die Aufmerksamkeit, die sie damit schließlich bei den pondagurischen Patroullien erregten. So also wurden sie entdeckt und letztendlich vernichtet.
Für die Pondaguren jedoch war nun die Zeit gekommen, da sie endlich ein festes Reich mit einem starken König etablieren konnten, anstatt wie bisher ein instabiles von vier zerstrittenen Herrschern tyrannisiertes Land zu sein.
Die Hauptstadt Gurpa errichteten sie direkt über dem Tunnelsystem und nutzten dieses als Lager, Transportweg oder als Kerker. Mit der Zeit aber erwies sich das Nutzen von unterirdischen Anlagen aufgrund des immensen Brennholzverbrauchs als unwirtschaftlich. Große Teile davon lagen nun brach und verfielen bald in Vergessenheit. Nur die Gewölbe, welche direkt unter dem Palast lagen werden noch heute bewohnt – von den Schmerzen und Schreien der Gefangenen.

Aufgrund seiner Geschichte war der Kerker natürlich nicht so übersichtlich aufgebaut wie sonst üblich. Das Chaos aus Gängen und Räumen war für Asgorns Stimmung nicht gerade zuträglich.
»Welcher schwachsinnige Bautrottel baut so ein Gefängnis? Hier verlaufen sich doch sogar die Wachen; was sollen da erst die Gefangenen machen, wenn sie fliehen?« beschwerte er sich.
»Aber trotzdem müssen zumindest die Wachen sich hier unten auskennen.« warf Rann ein »Vielleicht könnten wir einen von ihnen... Warte, ich weiß! Wir müssen rüber zur Folterkammer. Der Folterknecht...«
»Hat bestimmt die Orientierung verloren, jetzt wo sein hässlicher Kopf falschrum von den Schultern baumelt.« zeterte Asgorn »Oder willst du ihm den Schädel aufbrechen und aus seinem Gehirn lesen ; oh größter aller Totenbeschwörer!«
»Nein will ich nicht, du stures Rindvieh!« zeterte Rann zurück.
»Der Bastard da schien neu zu sein – zumindest konnte ich das aus einem Gespräch raushören.«
»Tot ist er so oder so!« unterbrach er ihn.
»Jetzt halt endlich mal dein Maul und hör zu!« brüllte ihn Rann an.
»Bitte, bitte, wie du willst! Dann zeig mal, wie du uns mit Hilfe einer hässlichen Leiche hier rausbringen willst!«
»Das würde ich ja gerne, aber irgendein Großmaul muss ja immer irgendwelchen Mist daherreden und mich unterbrechen!«
»Gut, dann erklär es mir jetzt, Papa!«
»Werd ich auch, Kindskopf!«
Danko starrte die beiden zankenden Sturrköpfe verwirrt an. Er konnte einfach nicht glauben, dass sie sich in solch einer Situation wegen so einer Lappalie streiten. Dann beging er einen dummen Fehler.
»Vielleicht solltet ihr euch beide beruhigen, damit wir hier weiterkommen?«
»Vielleicht solltest du dich hier raushalten?« brüllten ihn beide Barbaren gleichzeitig an. Danko schrumpfte auf die Hälfte seiner Größe zusammen und verließ ohne weitere Kommentare das Schlachtfeld.
Asgorn und Rann konzentrierten sich wieder darauf, sich gegenseitig alle Beleidigungen an den Kopf zu werfen, die sie nur kannten. Und das waren eine ganze Menge. Den damit verbundenen Krach bemerkte ein vorbeigehender Wächter. Er trat in die Zelle. »Was ist denn hier los?« fragte er sichtlich verwirrt über das Fehlen jeglicher Beachtung seiner Person.
»Was, glaubst du wohl, heißen die Worte: “Halt dich hier raus“?« fuhren sie ihn an, wonach sie weiterzankten. Dem Pondaguren fiel die Kinnlade herunter. Soweit er sich erinnern konnte, war er der Wärter und sie die Gefangenen - nicht umgekehrt. Mittlerweile war ein zweiter Wärter angekommen und beging nochmal den Fehler seines Vorgängers.
»Was zum Teufel ist hier los?«
Aller guten Dinge sind drei, spricht der Volksmund, weshalb den beiden verdutzten Wärtern jetzt auch die ungeteilte Aufmerksamkeit der Barbaren zuteil wurde. Asgorn und Rann brachen ihre Streitereien ab und blickten nun zornig zu den Wärtern. Die Barbaren wechselten noch einen schnellen Blick miteinander; Worte waren nicht nötig, sie verstanden sich instinktiv. Einen Atemzug später warfen sie sich auf die Störenfriede, ungeachtet ihrer fehlenden Waffen. Ihr hitziger Streit war vergessen und ihre Wut entlud sich nun an den mittlerweile völlig verwirrten Pondaguren. Noch ehe sie ihre Schwerter ziehen konnten, wurden sie von den tobenden Nordmännern fürchterlich verprügelt. Wenige Augenblicke später lagen die Wärter bewusstlos am Boden.
»Wie sieht es bei dir aus?« erkundigte sich Asgorn.
»Alles wieder bestens!« erwiderte Rann ein wenig außer Atem.
»Es tut mir Leid, dass ich dich vorhin so angefahren habe.«
»Schon vergessen.« winkte Rann ab »Hier unten sind wir alle ein wenig gereizt.« Er durchsuchte die Bewusstlosen und wurde auch schnell fündig.
»Ich glaube, wir können uns den weg zur Folterkammer sparen. Hiervon habe ich die ganze Zeit über geredet.« er hielt ein faltiges Stück Papier hoch. »Was ist das?« fragte Asgorn.
»Das, mein Freund, ist eine Karte des Kerkers.« verkündete Rann
»Sieh nur: Eingänge, Treppen, Notizen, Wachrouten, alles ist hier genauestens verzeichnet. Damit kommen wir problemlos hier raus.«
»Zeig mal her... tatsächlich! Da hattest du wohl doch Recht.«
»Sag ich doch. Dann lasst uns mal sehen... hier, dieser Weg führt uns direkt zum Palast, aber wir müssen am Wachraum vorbei.«
»Gibt es denn keinen sichereren Weg?« wollte Asgorn wissen.
»Zumindest finde ich keinen Anderen auf der Karte.«
»Dann bleibt uns keine andere Wahl als uns dort irgendwie vorbeizuschleichen.« Asgorn musterte noch ein mal die Kare »Bevor wir losgehen; was bedeutet dieses rote Kreuz hier bei diesem Nebentunnel.« der Nordmann zeigte auf eine Kammer auf der Karte. »Steht darüber irgendetwas in den Notizen?«
»Hmmm...« Rann untersuchte die Karte »Nein hier steht nichts, aber es sieht wichtig aus. Wir könnten uns das selbst ansehen; es wäre nur ein kurzer Umweg. Vielleicht haben wir ja Glück und es ist die Waffenkammer. Wir könnten dort sogar unsere eigenen Waffen und Rüstungen wiederfinden. Die könnten wir gut gebrauchen.«
»Einverstanden. Wir beide nehmen uns die Uniformen der Pondaguren, so haben wir Schwerter und sind verkleidet.«
»Und was machen wir mit den Wärtern?« wollte Rann wissen.
Asgorn runzelte die Stirn »Tötet sie. Es ist zwar ehrlos, jetzt wo sie bewusstlos sind, aber ansonsten werden sie die Wachen alarmieren, sobald sie aufwachen.«

Und so machten sie sich also auf den Weg durch das finstere Gängelabyrinth; stets auf der Hut vor den Wachen. Sie kamen an zahllosen Abzweigungen und Kammern vorbei, doch die spärlich gesäten und zudem auch noch schwachen Fackeln boten ihnen keine Sicht auf das, was sich darin verbarg. Damit bestand jeden Moment die Gefahr, dass sie schnurstracks einer Patrouille in die Arme laufen oder sogar direkt in einen Raum voller Wachen marschieren. Angesichts der fehlenden Alternativen setzten sie jedoch ihren Weg in die finstere Ungewissheit fort. Immerhin verhinderte die Karte, dass sie sich zu alledem auch noch verliefen. Ihre Gruppe war schon aufgrund ihrer Größe recht auffällig und dementsprechend groß war auch die Anspannung ihrer Gemüter während des gesamten Weges. Ein wenig ruhiger wurden sie erst, als sie vor der gesuchten Kammer standen. Die Tür war nicht wie die Anderen mit einem Guckfenster versehen, weshalb ihnen nichts anderes übrig blieb, als einfach hineinzugehen.
Danko schickte sich an die Tür zu öffnen. Die Uniform würde ihn wieder heil rausbringen, sollten dort mehr Wachen sein als er und die Barbaren besiegen konnten. Der Rest blieb im Gang zurück; Asgorn und Rann sollten herannahende Wachen mit ihrer Verkleidung täuschen und ihre Freunde als ihre eigenen Gefangenen tarnen; auch wenn das wenig Aussicht auf Erfolg hatte, falls tatsächlich eine Wache vorbeikommen sollte, so war dies das einzige was sie tun konnten. Nicht ohne Nervosität griff Danko endlich nach dem Türgriff, wobei er zu seiner Verwunderung feststellte, dass die Tür nicht verschlossen war. Wie die Anderen auch starrte Asgorn angespannt auf den Eingang, welchen er nur als dunkles Loch in einer nur unerheblich weniger dunklen Wand wahrnahm. Als er dann Schritte hörte, spannte sich sein ganzer Körper; bereit alles anzugreifen, was nicht den Raum verlassen durfte. Aber das einzige, was durch die Tür trat, war ein enttäuschter Danko. »Keine Waffen, keine Rüstungen, nur ein alter Gefangener.« murrte er »Ich weiß nicht, was hier so besonders sein soll.«
Dies fragte sich auch der Barbar und betrat sogleich die Zelle, dicht gefolgt von Rann und Danko. Bis auf einen Mann mit langem, ergrauendem Bart war sie völlig leer. Die Ketten, welche ihn an die Wand banden, wirkten auf Asgorn ungewöhnlich, auch wenn er sich nicht erklären konnte weshalb.
»Seid ihr wieder gekommen, eure Wut an mir auszulassen, Thronräuber?« fragte der Alte, ohne den Blick oder sich selbst vom Boden zu heben.
»Ich bin nicht der, den du erwartest. Wir sind geflohene Gefangene, die ihren Weg aus dem Kerker suchen. Unsere Uniformen und Waffen konnten wir auf der Flucht stehlen.«
»Nun, wenn das so ist, dann verzeiht meine Unhöflichkeit.« er erhob sich, um die Flüchtlinge zu begrüßen »Achmelen ist der einzige Besucher, der von Zeit zu Zeit in meinem bescheidenen Heim einkehrt.« Verbittertheit lag in seiner Stimme. Er sprach sehr langsam, als würde er unter einer lang zurückgehaltenen Müdigkeit leiden.
»Danko, such schnell den Schlüssel für seine Ketten raus.«
»Es ist sinnlos. Diesen Schlüssel besitzt nur Achmelen selbst.«
»Wer bist du, alter Mann?« wollte Asgorn wissen; die Bemerkung des Alten hatte ihn nun neugierig gemacht.
»Ich bin Khemaron, Sohn des Kortankron. Ich bin der rechtmäßige König von Pondagur.« verkündete er stolz.
»Das wird ja immer besser! Wir suchen nach Waffen und das einzige was wir finden ist ein alter Spinner, der sich für den König hält.«
»Und woher hat dieser “Spinner“ dann dies?« der Alte hielt ihnen seine knochige Hand entgegen. Der Ring daran hatte zwar einen Teil seines alten Glanzes eingebüßt, das Königssiegel aber war nach wie vor deutlich zu erkennen. Dies ließ keine Zweifel an der Wahrhaftigkeit von Khemarons Worten bestehen.
»Verzeiht, ich wusste nicht, dass ihr noch lebt.« entschuldigte sich der Nordmann eilig.
»Konntet ihr auch nicht.« entgegnete er wieder mit der selben erschöpften Stimme wie zuvor »Vor langer Zeit schon beraubte Achmelen mich mit Hilfe seines Magiers des Thrones und ließ dann die Nachricht von meinem Tod verkünden. Alle Zeugen wurden getötet; auch meine Familie.« er stockte. »Ich weiß nicht was unter dem freien Himmel geschieht. Könnt ihr mir vielleicht sagen, wie lang Achmelens Verrat zurückliegt?«
»Er bestieg den Thron vor etwa 10 Jahren.« antworte ihm Rann.
»10 Jahre! Schon so lang also hält mich diese Dunkelheit. Das Volk glaubt sicher immer noch, sein Tyrann säße rechtmäßig auf dem Thron.«
»Aber wieso verschonte er euer Leben?« wunderte sich Asgorn.
»“Verschont“ ist wohl kaum das richtige Wort. Achmelen ist ein sadistischer Hund. Anstatt mich zu töten lässt er mich hier verrotten. Diesem Magier, Toji Nab war sein Name, befahl er mich mit einem seiner Flüche zu belegen.«
»Toji Nab, sagt ihr?« unterbrach ihn Asgorn »Auf den sind wir auch schon gestoßen.«
»Tatsächlich? Ist er also wieder hier.«
»Sein Zauber machte uns zu Gefangenen. Aber bitte, erzählt weiter.«
»Ja, natürlich. Wo war ich... Ach ja, der Fluch. Ich verhungere und verdurste hier jeden Tag aufs Neue; doch lässt mich dieser Fluch nicht sterben. Ich bin einfach nur noch müde. Müde diese Monotonie und Dunkelheit ertragen zu müssen. Nicht einmal die Tür hat Achmelen verschlossen, denn von diesen magischen Ketten kann mich allein sein Schlüssel befreien. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welch eine Herausforderung es darstellt, unter diesen Umständen einen klaren Verstand zu bewahren.« Asgorn konnte nur bewundern, wie Khemaron dies anscheinend gelungen war »Ihr kennt nun meine Geschichte; doch wer seid ihr, wenn ich fragen darf?«
»Ich bin Asgorn, Hauptmann der Armee von Andaria.« auch Rann und Danko stellten sich vor »Im Gang warten noch unsere Gefährten; ein gutes Dutzend andarischer Soldaten.«
»Was führte euch denn hierher?« wunderte sich Khemaron. Offensichtlich wusste er tatsächlich nicht das Geringste von den Geschicken der Welt, die außerhalb seiner Zelle lag.
»Ihr scheint nicht zu wissen, dass Pondagur und As-Hemis dem Bündnis vor einigen Jahren den Krieg erklärt haben.«
»Sprecht ihr etwa von dem “Bündnis der 3 Kriegskünste“?«
»Eben dies.«
»Dies Bündnis war schon zu meiner Zeit stärker als jedes andere Reich in ganz Handera. Und ich hatte nie Streit mit ihm. Warum stürzt Achmelen mein Land in diesen Krieg? Wie können Achmelen und Yarok an Dehl nur glauben, ihnen gewachsen zu sein?«
»Das haben wir uns auch gefragt. Aber zu Beginn des Krieges haben sie schnell die Oberhand gewonnen. Ihre Soldaten waren mindestens doppelt so kampfstark wie unsere. Jetzt, da wir unsere Truppen verstärkt haben, steht es unentschieden. Es sterben Tag für Tag auf beiden Seiten viele Männer, ohne dass wir zu einem Ergebnis kommen. Ich kann mir noch immer nicht erklären wie sie so stark werden konnten.«
»Wurden sie nicht. Zumindest nicht auf natürlichem Wege. Das ist sicher wieder eine Teufelei von diesem Toji Nab. Ich habe gesehen, wie er damals meine Männer verhext hat. Ihres Willens beraubt, haben sie sich gegenseitig abgeschlachtet. Alle die mir treu ergeben waren wurden auf diese schreckliche Weise getötet. Ich hätte niemals geglaubt, dass seine Macht groß genug wäre eine ganze Armee zu beeinflussen. Ihr seid demnach Kriegsgefangene, nehme ich an.«
»So etwas in der Art. Ich habe jetzt leider keine Zeit, um euch die ganze Geschichte zu erzählen. Kurz gesagt haben wir die Stadt angegriffen und wurden in eine Falle gelockt.«
»Und nun versucht ihr zu fliehen.« schloss Khemaron.
»Nein. Wir wollen uns zu Achmelen durchschlagen und ihn vernichten.«
»Ist das so? Seid ihr euch überhaupt darüber im Klaren, dass ihr damit nur euren eigenen Tod heraufbeschwört, junger Krieger?«
Asgorn nickte »Ich bin fest entschlossen diesen Krieg zu beenden, auch wenn mein Leben der Preis ist.«
»Und eure Kameraden? Mit eurem Beschluss besiegelt ihr auch deren Todesurteil.« kritisierte er ihn.
»Sie folgen mir aus freien Stücken.« gab er trocken zurück »Wir alle sind bereit zu sterben; das macht uns gefährlich.«
Ein sentimentales Grinsen lockerte die faltigen Gesichtszüge des alten Mannes auf; ganz so als hätten ihn die Worte des Barbaren an seine eigene Jugend erinnert. So viel Mut und Wahnwitz auf einem Haufen zog auch ihn mit und gab ihm einen Teil seiner alten Stärke wieder. »Wohlan denn!« lachte er »Ihr sucht verzweifelt das Verderben und ich werde euch dabei helfen so gut ich nur kann.«
»Ich danke euch, aber ich wüsste nicht, wie ihr uns helfen könntet.«
»Nun, ich kenne diese Gewölbe wie kein anderer.«
»Ich danke euch ein zweites Mal, aber wir haben schon eine Karte des Kerkers. Wir haben sie von den selben Wachen, von denen auch diese Uniformen stammen.«
»Könnte ich diese Karte vielleicht sehen?«
»Natürlich.« antwortete Rann und reichte sie ihm sogleich »Wir hatten das Ding auch bitter nötig. Dieser Kerker ist sehr eigenartig aufgebaut.«
»Das liegt daran, dass dies ursprünglich gar kein Kerker war. Das alles hier ist nur ein Teil eines uralten Tunnelsystems, welches sogar über die Stadtgrenzen hinausreicht.« er untersuchte mit einem missmutigen Stirnrunzeln die Karte »Auf dieser Karte ist leider nur der Teil verzeichnet, welcher direkt unter dem Palast verläuft.« stellte er fest. »Und selbst das nur lückenhaft.«
»Es gibt Katakomben unter Gurpa?«
»Keine Katakomben im eigentlichen Sinn, aber ihre Geschichte ist viel zu lang, um sie nun darzulegen. Diese Tunnel hatten aber schon zu meiner Zeit ihre Bedeutung verloren; außer dem Kerker versteht sich. Nur ich besaß noch eine vollständige Karte auf der jeder Raum und jeder Gang genauestens verzeichnet war. Ich glaubte, dieses Wissen könnte mir noch eines Tages nützen und wie ihr seht hatte ich Recht.«
»Ihr habt diese Karte nicht zufällig bei euch?« fragte Rann, ohne wirklich daran zu glauben.
»Nein, aber ich könnte eure ein wenig vervollständigen. Ich erinnere mich noch ganz gut an ein paar Wege, die aus der Stadt führen und an einen geheimen Zugang, der euch sehr nahe an den Thronsaal bringt.«
»Das wäre in der Tat eine große Hilfe.« bedankte sich Asgorn mit neuer Hoffnung. »Wir haben nur leider nichts zu schreiben... Wartet! Ich habe eine Idee.«
Asgorn löschte eine der Fackeln aus den Wandhalterungen im Gang, wonach er den Holzgriff abbrach und das Ende mit dem erbeuteten Dolch spitz zuschnitt. Mit einer zweiten Fackel zündete er die Spitze an und löschte sie gleich wieder.
»Mit dem verkohlten Ende könnt ihr schreiben.« Er reichte ihm das eigentümliche Schreibgerät, wonach Khemaron sogleich mit dem Vervollständigen der Karte begann.
»Der Rest meiner Armee lagert südlich der Stadt; gibt es dort irgendwo Eingänge zu den Tunneln?« hakte Asgorn nach.
»Natürlich; es gibt unzählige Zugänge in allen Himmelsrichtungen. Allerdings kann ich mich an den Südteil der Karte noch am wenigsten erinnern. Schließlich kann man diese Stadt nur von Süden angreifen und wenn ich durch die Tunnel fliehen müsste, so wäre es nicht sehr weise mitten in das feindliche Lager zu fliehen.«
»Verdammt!« Asgorns Freude über die neue Karte wurde damit deutlich geschmälert. Er hatte gehofft die Stadt mit Hilfe der Tunnel von Innen heraus anzugreifen.
»Verliert nicht voreilig die Hoffnung, junger Krieger. Ich sagte lediglich, dass ich mich schlecht erinnern kann; mit ein bisschen Glück müsste es aber reichen. Nichtsdestotrotz verbleibt eine kleine Unsicherheit.«
»Besser als gar nichts. Wir können es uns sowieso nicht leisten wählerisch zu sein.« meinte Rann.
Sie sahen nun Khemaron schweigend bei der Arbeit zu und hofften, dass nicht irgendein neugieriger Wächter an ihnen vorbeikommt. Schließlich war der alte König fertig und übergab ihnen die Karte.
»Ich hoffe, sie kann euch helfen.«
»Habt Dank. Wir werden euch schon bald befreien.«
Kaum hatte er dies ausgesprochen, schickte Asgorn sich auch schon an die Zelle wieder zu verlassen.
»Habt ihr nicht etwas vergessen?«
Asgorn sah ihn recht verständnislos an.
»Ihr seid viel zu ungeduldig.« tadelte ihn der König »Wie wollt ihr denn in einem fremden Palast den Weg zum Thronsaal finden?«
»Wir könnten uns durchfragen.« flüsterte Rann Danko zu.
»Diese dumme Bemerkung habe ich gehört!« gab Khemaron zu verstehen. »Immerhin habt ihr euch trotz allem noch euren Sinn für Humor bewahrt. Also dann, passt jetzt genau auf: Am Ausgang des Tunnels erwartet euch eine Kammer. Ich weiß nicht was dort drinnen ist, aber sie ist auf jeden Fall groß genug für einen Wachposten, also seid auf der Hut.«
Asgorn hörte ihm nur halb zu; der Weg, den Khemaron beschrieb, war so leicht, dass man sich schon mächtig Mühe geben musste, um sich zu verlaufen. Des Barbaren Gedanken waren längst bei dem Blutbad, das er veranstalten würde.
»Dahinter liegt der Thronsaal. Habt ihr alles verstanden?«
»Was...?« sagte Asgorn gedankenverloren »Oh... ja, alles verstanden. Also dann, auf geht’s!«
»Eines noch.« Khemaron hielt sie abermals auf »Solltet ihr im Thronsaal nicht auf Achmelen treffen, so sucht ihn in den königlichen Gemächern. Direkt hinter dem Thron befindet sich eine Tür, welche euch dorthin führt.«
»Und wieder stehe ich in eurer Schuld. Ich verspreche euch, wir werden nicht scheitern.«
»Mögen die Götter euer Schwert sicher führen.«
»Und wenn sie es nicht tun, so werden wir unsere Klingen selbst führen.«
Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich. Während Khemaron sich wieder seiner Einsamkeit widmete, tauchte Asgorn mitsamt seinen Gefährten wieder in die dunklen Gänge ein. Da sie nun die vergessenen und somit unbewachten Wege kannten, waren sie nicht mehr gezwungen vorsichtig durch die Gänge zu schleichen, was ihr Vorankommen deutlich beschleunigte. So dauerte es nicht lang, bis sie den Eingang zum Palast fanden. Von hier an war die Karte für Asgorn nutzlos, denn er, Rann und der Großteil der Andarier –darunter auch Grenbo- würden nun in den Thronsaal vorstoßen und dort Achmelen stellen. Die Karte nahm Danko an sich. Er sollte mit den zwei verbleibenden Soldaten die restlichen Bündnisstreitkräfte alarmieren und dann gemeinsam mit ihnen die Stadt durch die Tunnel infiltrieren.

Währenddessen zermaterten sich zwei Hauptmänner das Hirn. Bei Morgengrauen wollten sie die Stadt stürmen. Aber wie?

»Ich will jetzt keinen Laut hören.« flüsterte Asgorn den Männern zu, wonach er zusah, wie Rann vorsichtig die Geheimtür öffnete. Eigentlich wollten sie auf die Truppen aus dem Lager warten, aber immer mehr Zeit verstrich, ohne dass jemand erschien. So beschlossen sie gemeinsam ohne die Verstärkung zuzuschlagen, denn sie befürchteten, dass Danko womöglich nicht zum Lager durchgekommen ist. Die von Rann geöffnete Tür führte in einen dunklen Raum. Er konnte nichts erkennen, außer dass sich an einer der Wände gelegentlich etwas bewegte. Rann befahl dem Rest noch zu warten, schloss leise die Tür und bewegte sich vorsichtig zu der verdächtigen Bewegung.
Im Näherkommen erkannte er, dass es sich dabei nur um einen harmlosen Fenstervorhang handelte. Erleichtert zog Rann diesen zur Seite und stellte überrascht fest, dass er statt in den lichten Tag, in die sternenklare Nacht hineinschaute. »So lange schon?«
Der Barbar trat zur Seite und gewährte somit dem hellen Mondschein Einlass. Sogleich bot sich ihm ein wunderschöner Anblick. Der kristallene Schein der Nachtgestirne hüllte tausendfach reflektiert die gesamte Kammer in ein geisterhaftes Licht. Überall um ihn herum blitzte und funkelte es. In seinen Augen tanzte ein wilder Funke seinen fröhlichen Freudentanz. Doch war der Grund dafür nicht in den hübschen Lichtspielen zu finden, sondern vielmehr in deren Herkunft. Die vormals dunkle Kammer entpuppte sich nämlich als prall gefüllte Waffenkammer. Hier fanden sich Schwerter, Äxte und sogar einige Speere zusammen mit Schilden und Rüstungen; genug um eine 30 Mann starke Truppe auszurüsten. Dies waren recht kleine Ausmaße für eine Waffenkammer, vor allem wenn sie sich in einem Palast dieser Größe befand. Daraus und aus dem völligen Fehlen von Licht und Wachen schloss Rann, dass dies nur ein Not- oder Zusatzlager sein konnte und sie sich somit hier frei bedienen konnten ohne das es sofort auffallen würde.
Er rief seine Kameraden zu sich, die nicht minder beeindruckt waren von der glitzernden Pracht.
»Wunderbar!« freute sich Asgorn »Achmelen muss die Tunnel wirklich sehr schlecht kennen, wenn er genau an ihrem Ausgang solche Ausrüstung hortet. Ich hatte alles erwartet: Fallen, Wachen, aber bestimmt nicht das.«
»Vielleicht kennt er diesen Eingang und die Waffen liegen hier, damit er und seine Leute sich bewaffnen können, falls sie hier fliehen müssen.« meinte Grenbo.
»Außer den Bediensteten sind hier alle bewaffnet; einschließlich Achmelen.« widersprach ihm Asgorn, während er seine schmutzige Uniform gegen eine pondagurische Lederrüstung wechselte. »Nur solchen wie uns nutzen diese Waffen was. Ich weiß nicht warum gerade hier so ein Lager ist. Vielleicht für die Diener, wenn im schlimmsten Fall wirklich alle kämpfen müssen.«
Obwohl allen die Waffenkammer noch immer verdächtig war, leuchtete ihnen die Erklärung ihres Hauptmannes ein.
»Also gut, beeilt euch mit dem Ausrüsten und dann nichts wie weiter.«

»Das wird Ewigkeiten dauern, Danko!«
»Das ist mir egal. Wir müssen hier durchkommen.« er schaffte einen weiteren Stein beiseite »Verdammt! Warum muss ausgerechnet unser Tunnel verschüttet sein?« fluchte er.

»Also los. Und lasst euch bloß nicht anmerken, dass ihr euch hier nicht auskennt, sonst fliegt unsere Tarnung auf.«
Asgorn prüfte noch ein letztes Mal seine Rüstung und trat dann durch die Tür hinaus. Sie standen nun in einem breiten, von unzähligen Fackeln erleuchteten Gang. Man konnte an einem Ende des Ganges erkennen, wie eine echte Patrouille gerade um die Ecke bog. Hätten sie ihr Versteck nur ein wenig früher verlassen, wären sie ihnen direkt in die Arme gelaufen. Asgorn führte sie in die entgegengesetzte Richtung und wiederholte im Geiste noch einmal Khemarons Wegbeschreibung.
-Von der Kammer aus folgt ihr dem Gang nach rechts. Im Prinzip ist es egal, in welche Richtung ihr geht, da der Palast in diesem Teil absolut symmetrisch aufgebaut ist. Ich werde den Weg einfach so beschreiben, als würdet ihr nach rechts gehen. Ihr kommt dann an eine Kreuzung. Vor euch führt ein Tor hinaus auf den östlichen Innenhof. Zu eurer Linken und Rechten seht ihr jeweils einen Gang. An den Seiten des Tores befinden sich Treppen, die auf die Galerie führen; dort müsst ihr hin.- Der Gang war absolut leer und Asgorn musste sich zügeln um nicht einfach loszurennen. Doch als er die Stufen zur Galerie hinaufstieg, wurde er wieder vorsichtiger, denn schließlich nahm die Treppe ihm die Sicht auf denn Galerie. Zu ihrem Glück war auch diese menschenleer. Asgorn sah nach links auf den Hof hinaus. -Die Wand zu eurer Linken wird dort oben praktisch nicht vorhanden sein, denn die Brüstung ist sehr niedrig. Dies solltet ihr bedenken, solltet ihr dort in einen Kampf verwickelt werden. Folgt nun dieser Galerie. An deren Ende gelangt ihr in eine große Halle. Vor euch seht ihr dann eine sehr große Treppe; sie führt nach unten in den südlichen Innenhof. Direkt rechts von euch befindet sich dann eine Treppe, die lediglich aus 3 oder 4 breiten Stufen besteht. Sie bildet einen Halbkreis um eine massive Doppeltür; man könnte sie eigentlich schon fast als Tor bezeichnen. Dahinter liegt der Thronsaal.-
Sie folgten der Galerie so schnell und unauffällig sie nur konnten. Kurz vor der Vorhalle hielten sie an. Während der Rest sich weiter hinten verborgen hielt, spähte Asgorn um die Ecke.
Das obere Ende der Treppe wurde von 4 schwer gerüsteten Wächtern flankiert; 2 pro Seite. Auch auf der Seite des Absatzes, die in seinem Blickfeld lag, konnte er einen solchen Wächter ausmachen. Es bestand kein Zweifel daran, dass die andere Seite und der Fuß der Treppe ebenso bewacht sein würden. Er lehnte sich vorsichtig noch ein Stück vor, um die Situation vor dem Thronsaal selbst auszuspähen. Insgesamt bewachten ihn 4 Wächter - 2 direkt an der Tür, 2 am Fuß der Treppe. Das waren nicht gerade die besten Aussichten.
»Wie viele?« wollte Rann schließlich wissen.
»Etwa 12.«
»Dann müssen einige von uns eben zwei töten.«
Irgendeine längst vergessen geglaubte Stimme seines Verstandes, welche andere wohl als “Vorsicht“ bezeichnen würden, wollte noch kurz anbringen, dass bei dem kleinsten Anzeichen eines Kampfes noch eine beträchtliche Anzahl weiterer Soldaten anmarschieren könnte. Doch zum Glück wurde Asgorn nun von etwas angetrieben, was sich nicht mit solchen Kleinigkeiten beschäftigte: Zorn.
Ohne noch mehr Zeit mit nutzlosem Nachdenken zu verschwenden bog er um die Ecke und stürmte auf die Pondaguren zu.
»Halt! Was wollt... Aargh!«
Asgorn sah mit Verachtung zu, wie er zu Boden sank. Der Barbar wird wohl nie verstehen können, warum die Stadtmenschen immer erst lange Reden schwingen müssen, anstatt zu kämpfen. Ein Kämpfer muss eines verstehen: Im Angesicht der Gefahr darf man niemals zögern. Das schockierte Schweigen der übrigen Wächter genoss er sichtlich.
»Jetzt werdet ihr sterben.« Genauso gut hätte er sagen können, “Der Himmel ist blau“; es hätte nicht selbstverständlicher geklungen.
Nun zogen auch die Pondaguren ihre Waffen und der Kampf begann. Während Asgorn sich dem nächsten Feind zuwandte, stürmte Rann mit den Andariern aus der Galerie hervor. Auch sie hatte Asgorns unverschämtes Vorgehen ein wenig überrascht. Sein nächster Gegner stand noch weit genug neben sich, dass Asgorn ihm nach einem kurzen Schlagabtausch das Schwert aus der Hand schlagen konnte. Seiner Waffe beraubt zog dieser unsicher einen Dolch. Er sah das Grinsen in des Barbaren Gesicht, wog seine Chancen ab und entschied sich dann doch lieber wegzulaufen.
Asgorn wollte sich schon einen neuen Gegner suchen, da erkannte er wohin der Pondagure lief, nämlich auf einen mannshohen Gong zu. Wenn er es schaffen sollte ihn zu läuten, würde dies ganze Heerscharen von Soldaten herbeordern. Sogleich schnappte Asgorn sich des Pondaguren Schwert und schleuderte es ihm nach. Die Klinge wirbelte durch die Luft und bohrte sich tief in ihr Ziel. Leider geschah dies einen Moment zu spät. Der wuchtige Aufprall ließ den Pondaguren die wenigen Schritte, welche ihn von dem Gong noch trennten, überwinden und schleuderte seinen nun leblosen Körper gegen das Instrument. Was ihm dadurch an Klarheit fehlte, machte der entstandene Ton durch seine Lautstärke wieder wett. Als der Barbar die Vibration in seiner Klinge spürte, wusste er, dass dies unmöglich unbemerkt bleiben würde.
»Verdammte Pondaguren! Nicht einmal sterben könnt ihr, ohne Ärger zu machen!« Asgorn stürmte zum Tor hinauf und rief seine Männer zu sich.
»Los! In den Thronsaal!« Gemeinsam stemmten sie die schweren Türflügel auf und flüchteten hinein. Sie konnten bereits die ersten Soldaten aus den Seitengängen hereinstürmen sehen. Unter heftigem Widerstand von außen gelang es ihnen schließlich sich einzusperren.
Sie standen nun in einer langen Halle, deren Boden mit dunklem Marmor ausgelegt war. Die gewölbte Decke wurde von zwei Reihen massiver Säulen getragen. In einige von ihnen wurden von den besten Steinmetzen des Landes die steinernen Abbilder vergangener Könige Pondagurs gemeißelt. Unter ihrer Herrschaft war Pondagur ein friedliches Land gewesen; reich an Wissen und Kunst. Sie hatten aus den Anfängen ihrer Geschichte gelernt und hatten nicht mehr nach Macht gestrebt, sondern nach Frieden. Dies Land besaß ehrbare Werte, die durch einen Verräter mit Gewalt vernichtet wurden. Heute würde die Friedensherrschaft zurückkehren und den Thron einfordern. Achmelen würde nicht als Denkmal in den Königssäulen weiterleben. Er stirbt heute als Verräter.
Asgorn und Rann schritten an der Spitze ihres kleinen Trupps auf ein steinernes Podest und den darauf befindlichen Thron zu. Dort saß Achmelen. Wahrscheinlich erst durch den Gong geweckt wirkte er nicht gerade königlich in hastig übergeworfenen Gewändern. Er war ihnen ausgeliefert. Der einzige Ausgang lag hinter ihnen und der war versperrt. Nun hatten sie alle Zeit der Welt. Es gab kein Anzeichen von Wachen, Fallen oder finsteren Erzmagiern. Auch das ständige Hämmern und Schlagen, dass von der Tür zu ihnen drang, beunruhigte sie nicht im Geringsten; die beiden schweren Flügel und die Balken, die sie hielten, waren stabil genug, um ihnen die Zeit zu verschaffen, die sie brauchten.
Merkwürdig war nur, dass der baldige Ex-König, obwohl von allen guten Wächtern verlassen, doch überaus selbstsicher zu sein schien. Scheinbar wurde er mit jedem Schritt, den sie näher kamen, in diesem Gefühl sogar noch bestärkt. Als sie etwa in der Mitte des Saals angekommen waren, fing er sogar an zu lachen. Asgorn blieb stehen - jetzt kehrte seine Vernunft zurück und rekapitulierte die Situation nochmal: -Keine Wachen, kein Magier, nur ein einsamer Achmelen in eilig angezogenen Gewändern. Irgendetwas wird gleich passieren; so sieht kein Thronsaal aus!-
Asgorn ließ sich sein Misstrauen nicht anmerken. Seine Truppe war auch ohne dass er ihnen den letzten Rest Hoffnung nahm hoffnungslos unterlegen.
»Ich musste mir ja schon vieles von meinen Opfern anhören, aber noch keines hat gelacht. Ist das auch eine von diesen höfischen Eigenarten oder verlierst du nur den Verstand?«
Achmelen machte sich gar nicht die Mühe ihm zu antworten, sonder zog stattdessen an dem kleinen, im Thron versteckten Hebel, auf dem schon die ganze Zeit über seine Hand gelegen hatte. Allein Grenbo bemerkte diese winzige Bewegung und brachte sich mit einem Schritt zwischen den Barbaren und den König. Der Armbrustbolzen traf ihn mit einer solchen Wucht, dass er in Asgorns Armen landete.
»Mein Hauptmann.«
»Grenbo!« Er sah den Bolzen aus des Andariers Brust ragen, die Wunde war tödlich.
»Ich folgte euch... und sterbe ohne Reue...«
Der Barbar konnte einfach nicht glauben, dass es von allen ausgerechnet Grenbo treffen musste. Er hätte noch vieles erreichen können. Irgendwann wäre er sicherlich ein hoher Offizier geworden – ein sehr guter noch dazu. Er wusste nicht, was er dem Sterbenden noch sagen konnte. So sahen sie sich schweigend an, als Grenbo seine letzten, mühevollen Atemzüge tat. So verharrten sie, bis Grenbos Blick durch den Torlonier hindurch ging und sich in der Weite verlor. Als seine Augen leer und sein Körper kraftlos wurde, schloss Asgorn ihm die Augen.
»Was für eine Schande!« Achmelens Stimme durchschnitt die beklemmende Stille wie ein weiterer Armbrustbolzen. »Da macht man sich die Mühe Fallen aufzustellen und dann trifft es nur einen namenlosen Soldaten.«
Asgorn packte sein Schwert so fest er nur konnte.
»Er hieß Grenbo!« donnerte er »Du Hundesohn wirst in seinem Namen sterben. Und es wird lange dauern bis ich dich sterben lasse!«
»Das reicht! Auf ihn!« brüllte Rann und stürmte mit erhobener Klinge voran.
»Ganz Recht, auf ihn.« erwiderte Achmelen.
In den Wänden des Thronsaals öffnete sich eine ganze Reihe gut verborgener Türen. Aus den dahinter liegenden Kammern strömten nun unzählige Soldaten heraus und umstellten Asgorns Trupp in Windeseile. Diese Verstecke wurden erst vor wenigen Jahren zu eben diesem Zweck angelegt – Khemaron konnte sie unmöglich vor dieser Heimtücke warnen. Sogar neben dem Thron gaben zwei Türen eine Gruppe besonderer Soldaten frei, die mit ihren riesigen Schilden einen nahezu undurchdringlichen Schutzwall um den König bildeten. Ihre Schilde und außerordentlich schweren Rüstungen machten sie zu idealen Verteidigern.
»Verdammt! Nicht schon wieder!« Rann blieb augenblicklich und fluchend stehen. »Bleibt dicht zusammen!«
Sie waren umzingelt; von wie vielen vermochten sie nicht zu sagen, aber eines war sicher: Es waren weit mehr, als sie jemals bezwingen konnten.
»Irre ich mich, oder hatten wir diese Situation schon einmal? Diesmal sparen wir uns das übliche Gerede. T
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