Fantasy & Horror
Die Reisenden der Dracheneier - Leseprobe

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"Die Reisenden der Dracheneier - Leseprobe"
Veröffentlicht am 23. November 2009, 42 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Die Reisenden der Dracheneier - Leseprobe

Die Reisenden der Dracheneier - Leseprobe

Vorwort

Hallo und schön, dass du den Weg in mein Buch gefunden hast.

Dies ist ein Auszug aus dem ersten Werk an dem ich gerade arbeite.

Ich will dich nicht lange aufhalten oder gar abhalten vom Lesen aber ich habe eine Bitte.

Falls dir Fehler, Verbesserungsvorschläge oder einfach nur Kritik einfällt, bitte mir mitteilen.

Ich bin dankbar, für jedes Feedback.

Aber jetzt viel Spaß.

Florapika

Kapitel 1

Sie ritten an ihr vorbei – stolz und hoch erhobenen Hauptes. Ihre Banner flatterten im Wind und der Drache darauf schien sie mit seinem aufgerissenen Maul zu verhöhnen. Es war bereits Herbst und die kalte Jahreszeit kündigte sich an. Der Atem der Pferde stieg in Dampfwolken in den strahlend, blauen Himmel empor. Die Drachenkämpfer zogen erneut in den Krieg und wieder konnte sie ihnen nur nachblicken.

Die Leute jubelten ihnen zu. Jeder Krieger wusste, es könnte das letzte Mal sein, dass sie einen friedlichen Menschen erblickten. Die Gegner waren gefährlich und kannten keine Gnade. Bisher hatten sie ihnen Widerstand leisten können aber wie lange noch? Wann würden die Schergen des Tyranns in ihr Land einfallen, plündern und brandschatzen?

Die Drachenkämpfer waren die Elite Elorins. Es war eine Ehre sich zu ihnen zählen zu dürfen und der Traum eines jeden Kindes.

So ein Kind war auch sie einmal gewesen, doch mittlerweile war sie aus den alten Sachen schon längst heraus gewachsen und kämpfte schon lange keine Schlachten mit Holzschwertern mehr.

Mit ihr war auch der Wunsch ein Krieger zu werden gewachsen und sie wünschte es sich von ganzem Herzen.

Plötzlich spürte sie einen vertrauten Druck auf ihrer Schulter. Ohne sich umdrehen zu müssen, wusste sie, wer da hinter ihr stand.

Die alte Frau hatte sie damals aufgenommen, als sie vor 10 Wintern hungrig und halb erfroren im Wald gefunden wurde. Seit damals war sie ihr eine Familie gewesen und hatte ihr allerlei über Heilkräuter beigebracht. Sie verabscheute jegliche Gewalt und bedauerte zutiefst, dass Yu nicht den Weg des Friedens gehen wollte. Sie sagte immer „Eines Tages wirst du hinter dich blicken und eine blutige Spur im Schnee entdecken. Diese Spur wirst du hinterlassen und egal wohin du gehst, sie wird dir immer folgen wie dein eigener Schatten.“

Yu hatte immer mit den Schultern gezuckt und gemeint es sei besser das Blut des Tyrannen als das ihre.

Auch jetzt blickte die Alte traurig auf die Krieger. „Wenn sie dich rufen wirst du zu ihnen gehen, nicht wahr?“

Yu nickte. Ja, sie würde dem Ruf folgen.

Man wurde nicht einfach so Drachenkämpfer. Man wurde vom Drachengott auserwählt. Er sagte einem, wann es Zeit war aufzubrechen und zu seiner Bestimmung zu finden.

Das jedenfalls erzählte man sich im Dorf.

Langsam kam Bewegung in den Trupp. Sie verließen das Dorf für eine ungewisse Zeit. Es war fraglich ob überhaupt einer jemals lebend zurückkehren würde. Yu starrte ihnen noch nach, als sie schon nicht mehr zu sehen waren. Zurück blieben nur die Hufabdrücke im Schnee.

Danach kehrte sie wieder zu ihrem gewohnten Tagesablauf zurück. Sie schnappte sich ihren Bogen und machte sich in den nahe gelegenen Wald auf um zu jagen. Es war für sie ein leichtes die Spuren zu lesen und das Tier zu finden. Es war ein Reh mit einem kleinen Kitz. Langsam, ohne auch nur den geringsten Laut zu verursachen, legte Yu einen Pfeil an und spannte den Bogen.

Dann plötzlich ließ sie die Waffe sinken. Es war doof und sentimental aber das Kitz erinnerte sie an sich selbst. Sie schüttelte den Kopf. Was war heute mit ihr los?

Auf einmal hoben die Rehe alarmiert die Köpfe und stoben davon. Auch das Mädchen hatte das Geräusch gehört. Äste knackten und Schnee fiel von den Bäumen. Wer oder was immer es war legte keinen Wert darauf leise zu sein. Ganz vorsichtig näherte sie sich der Stelle, wo sie den Verursacher des Lärms vermutete.

Sie erschrak heftig als sie plötzlich vor einem Mann mittlerem Alters stand. Er zitterte heftig und aus einer Wunde rann Blut. Man brauchte keine Medizinkenntnisse um zu wissen, dass der Mann nicht überleben würde.

Als er Yu sah, entspannten sich seine vor Schmerz verzerrten Gesichtszüge. Er schwanke mühsam auf sie zu und drückte ihr einen kleinen Gegenstand in die Hand. Er flüsterte noch etwas bevor er zu Boden sank und starb.

„Celemy...“

 

„Hmmm“ Die Alte legte den Kopf schief. „Hmmm“, brummte sie erneut.

„Und du hast wirklich keine Ahnung was das sein könnte?“ Neugierig blickte Yu über die Schulter ihrer Ziehmutter. „Oder Kelemy?“

„Celemy...“, gab die alte Frau zurück.

Das Mädchen grinste selbstzufrieden. „Aha! Du weißt also doch mehr als zu zugibst.“

Ärgerlich über ihren eigenen Fehler verzog die Alte das Gesicht, war jedoch nicht bereit noch mehr preiszugeben.

Ungeduldig rutschte Yu auf dem hölzernen Schemel hin und her. Im Kamin knackten die Holzscheite und ein warmes Licht erhellte den Raum.

Wieder brummte die alte Frau etwas unverständliches. Es schien als hätte sie ganz vergessen, dass Yu noch da war.

Vorsichtig schlich Mo ins Zimmer. Sie hatten den kleinen Polarfuchs letzten Winter verwundet aufgefunden und ihn gesund gepflegt.

Mittlerweile war er wieder putzmunter und immer auf Streicheleinheiten aus. Jetzt wo er sich so sehr an Menschen gewöhnt hatte, konnten sie ihn schlecht wieder auswildern und so hatten sie beschlossen ihn zu behalten.

Er gab ein zufriedenes Geräusch von sich als Yu ihn sich auf den Schoß nahm um ihn zu kraulen.

Plötzlich stand die Alte auf und ging zum Fenster. Draußen fielen dicke, weiße Flocken vom Himmel und man konnte kaum zwei Armlängen weit sehen.

Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. „Es steht mir nicht zu dich hierzubehalten. Also gut.“

Sie setzte sich wieder Yu gegenüber und fing an zu erzählen.

„Was dieser Stein oder Medaillion ist, das weiß ich nicht. Jedoch kann ich dir etwas über Celemy erzählen. Vor etwa 5000 Jahren wurde das Reich schon einmal angegriffen. Wie schon so oft zogen natürlich die Drachenkämpfer los um es zu beschützen. Unter ihnen war eine Schamanin mit dem Namen Celemy.

Es war eine lange und blutige Schlacht und viele der Kämpfer verloren ihr Leben. Die Lage schien aussichtslos.

Bald wurde der Befehl gegeben, sich zurückzuziehen. Du musst wissen Schamanen arbeiten nicht mit ihrer Körperkraft, sondern mit Köpfchen. So war es auch dieses Mal.

Celemy verbündete sich mit anderen Schamanen und zusammen gelang es ihnen den Sieg davon zu tragen. Doch die Schamanin selbst opferte bei dieser Aktion ihr Leben und um ihr eine Ehre zu erweisen, gründete man einen Orden, der nach ihr benannt war: Der Celemyorden – kurz Celemy.

Er existiert noch heute. Du findest ihn im Norden beim Berg Akari.“

Betretenes Schweigen erfüllte den Raum. Beide wussten, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Yu weinte nicht oft und auch dieses Mal blieben ihre Augen trocken. Doch trotzdem erschien in ihnen ein Ausdruck so tiefer Traurigkeit, wie er nur hätte sein können.

Sie umarmte die Frau, die ihr 10 Winter lang Mutter und Freundin zugleich gewesen war. Sie nahm sich vor, dass sie immer wenn sie einsam war an ihren Geruch von frischen Kiefernadeln zurück dachte.

Sie lösten sich voneinander und sahen sich in die Augen. Weise graue schauten direkt in ihre grünen. Die alte Hand zitterte als sie über Yus schwarzes Haar strich.

Am nächsten Morgen fand Yu ein Bündel Proviant neben ihrem Bett vor. Als sie nach draußen trat, stand dort neben der alten Frau ein weißes Pferd. Erstaunt, fast ehrfürchtig ging sie darauf zu.

„Er heißt Lightning und gehört nun zu dir, Yu, mein Kind. Wisse, dass du hier immer willkommen bist und sein wirst.“

Gerührt strich sie ihm über die Nüstern, als sie etwas an ihren Beinen spürte. Mo versuchte an ihr hochzuklettern und fipte wild aufgeregt.

„Es scheint als würde es nicht nur dich in die Welt hinaus ziehen.“ Die alte Frau schmunzelte. „Nimm ihn mit!“

Sichtlich belustigt nahm Yu den kleinen Kerl hoch und steckte ihn in die Satteltasche. Dann, ohne sich erneut umzudrehen, ritt sie davon.

Sie drehte sich nicht um, denn es sollte kein Abschied für immer werden. Das dachte sie jedenfalls.

Selene gähnte demonstrativ. Wie langweilig! Oder gab es noch ein öderes Wort als langweilig? Das alles war einfach zum kotzen! Jeder Tag verlief ereignislos wie der andere und das schon seit Monaten. Konnten sie nicht wie die anderen den trotteligen Angreifern in den Hintern treten? Wieder gähnte sie. Wofür wurden sie hier eigentlich ausgebildet wenn sie wenn es darauf ankam eh nicht an dem Gemetzel teilnehmen durften? Missgelaunt rammte sie ihr Schwert in den gefrorenen Boden. Wie gern würde sie es wieder in einer Schlacht führen. Wie gern würde sie wieder das Geräusch hören wenn Stahl gegen Stahl schlug. Sie seufzte. Fast wehmütig betrachtete sie den Ring an ihrem Finger. Es war nicht fair! Warum riskierte er sein Leben und sie saß hier und durfte Däumchen drehen?

Ein jüngeres Mädchen näherte sich ihr vorsichtig.

„Meisterin Selene? Die Großmeisterin will euch sprechen.“

Mit einem Kopfnicken bedeutete Selene, dass sie verstanden hatte und zog mit grimmiger Miene das Schwert wieder aus dem Boden. Das Mädchen zuckte kaum merklich zurück. Selene war im ganzen Orden als die herrischste und aufbrausendste Meisterin bekannt – und doch als eine der besten.

Das Gebäude das die Großmeisterin bewohnte, war groß und achteckig. An jeder Ecke endete das Dach in einen Drachenkopf aus Zinn. Die einzigste (jedenfalls sichtbare) Tür wurde von zwei Kriegerinnen bewacht, die augenblicklich Platz machten, als sie die schlecht gelaunte Meisterin kommen sahen.

Drinnen war das Licht gedämpft und Selene hatte anfangs Mühe etwas zu erkennen. Nach einiger Zeit jedoch gewöhnten sich ihre Augen daran und sie sah einen kleinen runden Tisch, auf dem zwei dampfende Becher standen. Die Großmeisterin, eine alte aber nicht zu unterschätzende Frau, kehrte ihr den Rücken zu.

„Ich bitte dich, Selene, deine Wut und deinen Frust für dieses Gespräch vor der Tür zu lassen. Es ist eine ernste Angelegenheit, die deine ganze Aufmerksamkeit erfordert.“

Selene atmete tief durch und schloss die Augen. Sie wusste, dass die Großmeisterin nichts sagen würde, ehe sie sich nicht beruhigt hatte. „Nun gut.“ Sie nickte.

„Setzt dich.“, wies sie die alte Frau an. Als die junge Meisterin ihrer Aufforderung Folge geleistet hatte, fuhr sie fort.

„Unser Trupp der die Reliquie befördert hat, ist angegriffen und zerschlagen worden. Über den Verbleib der Reliquie ist bis jetzt noch nichts bekannt.“

Entrüstet stand Selene auf. „Aber wer sollte uns überfallen? Alle drei Reiche kämpfen im Moment vereint gegen die Truppen des Tyrannen. Wer würde in dieser Zeit einen Verbündeten angreifen? Das ist ...“

Eine Handbewegung der Großmeisterin brachte sie zum Schweigen. „Das wissen wir eben nicht. Aber wenn wir abwarten, werden sie einen Fehler machen und uns ihre Identität verraten. Geduld ist eine Tugend die du noch lernen musst. Wichtiger ist jetzt die Reliquie.“

Wut stieg erneut in Selene hoch. Sie wollte am liebsten herausplatzen warum sie nicht auch gegen den Feind kämpften, warum sie sich lieber um ihre blöde Reliquie sorgten. Aber da man sie neben dem Kämpfen auch Disziplin gelehrt hatte, unterdrückte sie das Verlangen und schwieg.

Die Großmeisterin nippe vorsichtig an ihrem Tee. „Doch ich bin sicher, dass die Reliquie ihren Weg zu uns zurück finden wird.“

Selene zog leicht spöttisch die Augenbrauen hoch. Sollte das Ding plötzlich Beine bekommen haben und jetzt quer durch das Land latschen nur um hier wieder die langweilige Atmosphäre zu genießen? Das konnte nur ein Scherz sein. Doch dann fiel ihr auf, dass sie das ganze bis jetzt noch nicht betraf. Also fragte sie nach.

Die Großmeisterin nickte. „Es wäre eine Zumutung dich noch länger hierzubehalten, Selene. Für uns als auch für dich. Deshalb habe ich beschlossen, dir eine Aufgabe zu erteilen. Ich habe hier einen Brief für den Großmeister des Kaluumordens. Du weißt er liegt etwas weiter im Süden. Es ist äußerst dringlich, also beeile dich. Du kannst gehen.“

Selene verbeugte sich noch einmal und ging dann etwas besser gelaunt hinaus. Hoffentlich liefen ihr ein paar Wegelagerer über den Weg.

Es stand bereits ein Pferd für sie bereit, als sie scheinbar in Reisekleidung aus ihrem Haus trat. Nichts deutete darauf hin, dass sich darunter ein Kettenhemd verbarg. Es hatte sie viele Jahre Training gekostet bis sie sich ohne verdächtige Laute zu verursachen, bewegen konnte. So konnte man auch nicht das Schwert erkennen, welches sie außerdem bei sich trug. Mühelos zog sie sich aufs Pferd. Sie würde wohl zwei Tage durchreiten müssen, wenn sie pünktlich eintreffen wollte. Das war genau das richtige für ihre eingerosteten Knochen – keine Herausforderung aber eine Aufgabe. Unruhig trat das Pferd auf der Stelle. Es hatte sie schon in so manche Schlacht geführt und war genau wie seine Besitzerin nicht dafür geschaffen lange an einem Ort zu bleiben. Der Kaluumorden war genauso ein Orden mit ähnlicher Geschichte wie die der Celemyner. Aber welcher Orden hatte das nicht? Unter ihnen herrschten Fehden in denen es hauptsächlich darum ging, welche Geschichte nun stimmte. Nun war der Orden der Kaluum ein reiner Männerorden und Selene widerte der Gedanke an, dort übernachten zu müssen. Sie würde sich wohl ein Zimmer in einem Gasthaus mieten müssen. Ganz in Gedanken versunken preschte sie durch die weiße Landschaft und nahm kaum etwas in ihrem Umfeld wahr. So bemerkte sie das Geschehen vor ihr auch erst, als sie die Schreie vernahm.
Auf dem Weg standen mehrere Männer um ein Pferd und durchsuchten die Taschen. Ein wenig abseits hielt ein weiterer ein junges Mädchen fest. Es wehrte sich verbissen aber der Mann lachte bloß. Die Gruppe hatte die fremde Reiterin noch nicht bemerkt und das machte sie sich zu nutze. Sie stieg ab und befahl ihrem Pferd zu bleiben, bevor sie mit gezücktem Schwert langsam auf die Räuber zu schlich. Sie hatte kein Mitleid mit dem Mädchen doch nur allein die Aussicht auf einen Kampf ließ ihr Herz höher schlagen. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Wie eine Wildkatze, die sich ihrer Beute nähert.
Das Opfer, es mochte kaum 15 Winter alt sein, bemerkte sie als erstes und fing an, sich noch heftiger zu wehren um die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen. Sie konnte nur hoffen, dass die Reisende auf ihrer Seite stand.
Plötzlich sprang aus eine der Taschen ein knurrendes und fauchendes Fellbündel. Erschrocken wichen die Banditen zurück. Diesen Moment nutze sie aus. Blitzschnell schlug Selene zu. Der Getroffene heulte vor Schmerz auf und sofort fuhren die anderen herum, die verschiedensten Waffen in den Händen. Doch jetzt begann das Spiel für sie erst. Im Blutrausch nahm sie jede noch so kleine Bewegung wahr und reagierte darauf. Ein Hieb von rechts, eine Finte, ein Tritt, Schreie – sie reagierte innerhalb von Sekunden. Ihr Schwert sang und sie tanzte dazu – sie tanzte einen tödlichen Tanz. Es war für sie ein wundervolles Gefühl und sie gab sich ihm ganz hin.
Der Mann der das Mädchen festhielt, ließ nun von ihm ab und kam seinen Kameraden zu Hilfe. Doch auch in der Überzahl, hatten sie nicht die geringste Chance gegen die Angreiferin. Wie der Teufel persönlich wütete sie unter ihnen. Brutal und ohne Skrupel schlug sie zu. Blut färbte den Schnee rund um sie rot und die Schmerzensschreie der Banditen erfüllten die Luft. Yu hielt sich die Ohren zu um sie nicht mehr hören zu müssen. Es war schrecklich. Fast wäre es ihr lieber gewesen die Frau wäre nicht aufgetaucht. Sie wollte immer Kriegerin werden aber sie hatte sich alles ganz anders vorgestellt. Sie kauerte sich zusammen und schloss die Augen. Ängstlich drückte sich Mo an sie und sie spürte, wie sein kleiner Körper zitterte.

Plötzlich war es still. Als sie den Kopf hob, bot sich ihr ein grausiges Bild. Die Frau, voll mit Blut, stand aufrecht inmitten der Leichen. Von einer war sogar der Kopf abgetrennt und lag einige Meter vom Körper entfernt. Nur einer der Männer kniete vor ihr und bettelte um sein Leben. Kaltblütig hob sie ihr Schwert.
„Nein!“, Yu schrie panisch. „Halt! Es reicht!“ Verdutzt schaute sie die Kämpferin an, als hätte sie vergessen, dass das Mädchen noch da war. Das nutze der Räuber und er rannte davon. Mürrisch blickte die Frau ihm nach, machte aber keine Anstalten ihm zu folgen. Sie wischte nur ihre Waffe an einem der Toten ab und steckte es zurück in die Schwertscheide. Dann kam sie auf Yu zu. Was nun? Würde sie sie als nächstes töten weil sie dem Mann geholfen hatte? Innerlich schloss sie schon mit ihrem Leben ab. Sie würde die alte Frau nie wieder sehen.
Sie ging in die Hocke um mit dem Mädchen, das auf dem Boden kauerte auf gleicher Höhe zu sein. „Alles in Ordnung?“, fragte sie. Es war eher eine rhetorische Frage, die ihr ihr Status als Meisterin gebot. Das Mädchen starrte sie mit aufgerissenen Augen an. In ihnen spiegelte sich Angst wieder. Seufzend stand Selene wieder auf. „Keine Sorge. Ich tu dir nichts! Ich bin Selene ke Taran, Schwertmeisterin vierten Grades.“ Noch skeptisch aber etwas sicherer stand auch Yu auf. „Ich bin Yu aus dem Dorf Celeb. Und das ist Mo.“ Sie wies auf den kleinen Polarfuchs. Die Kriegerin nickte. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und ging zu ihrem etwas weiter entfernt stehenden Pferd. „Pass in Zukunft auf wo du anhältst!“ Dann gab sie dem Tier die Sporen und preschte an Yu vorbei. Weg war sie.

Yu schüttelte verwundert den Kopf und ging ebenfalls in Richtung Lightning, der wie ein Wunder nicht weggerannt war. Dabei vermied sie die am Boden liegenden Leichen anzusehen geschweige denn sie zu berühren. Sie wollte so schnell wie möglich weg von hier.
Selene rastete für diese Nacht. Es war sicherer denn selbst sie vermied mehrere Kämpfe direkt hintereinander – außer natürlich im Krieg. Am nächsten Tag erreichte sie dann endlich die Stadt Kalum in der der Kaluumorden seinen Sitz hatte. Es herrschte reges Treiben in den Gassen und auf dem Markt wurden mit lautem Geschrei allerlei Waren angeboten. Mühsam bahnte sie sich einen Weg durch die Menge. Sie war kurz davor ihr Schwert zu benutzen als sie endlich am Ziel ankam. Anders als ihr Orden legte dieser großen Wert auf äußeres Ansehen. Die Gebäude waren um einiges prächtiger und verzierter als Selene es von ihren eigenen schlichten Hütten kannte. Doch waren diese Hütten um einiges stabiler und schwerer einzunehmen als die Prachtbauten des Kaluumordens. Als sie durch das Tor trat, war sofort ein Stallbursche zur Stelle um ihr Pferd in den Stall zu bringen und zu versorgen. Sie selbst wurde bereits erwartet. Ein junger Mann, anscheinend ein Meister wie sie wenn auch nicht so hoch, brachte sie in ein Zimmer und teilte ihr mit der Großmeister würde in Kürze eintreffen. Während sie wartete, betrachtete sie das Zimmer eingehender. An der Wand hing ein alter Wandteppich. Er zeigte die Legende des Ordens. Wie es in Elorin Brauch war, war der Tisch sehr tief und es lagen nur zwei Kissen um ihn herum. Auf das eine hatte sich Selene gesetzt und das andere war offensichtlich für den Großmeister bestimmt. Man hatte sie nicht aufgefordert ihre Waffen abzulegen, denn das galt unter den Orden als Beleidigung. Da es sie aber im Sitzen behinderte, legte Selene ihr Schwert vor sich auf den Boden. Langsam aber sicher wurde sie ungeduldig. Sie hatte sich so beeilt und nun ließ man sie so lange warten.
Plötzlich hörte sie aufgeregte Stimmen und Schreie. Die Schiebetür wurde aufgerissen und der junge Meister von vorhin stürmte ins Zimmer. Er wirkte fast überrascht als er Selene, die Waffe vor sich liegen, ruhig dasitzen sah. Diese zog nur die Augenbrauen hoch. „Ist was passiert, dass ihr euch so abhetzt?“ Sofort gewann der Mann wieder seine alte Haltung zurück. „Ich fürchte euer Gespräch mit dem Großmeister muss ausfallen. Er ist gerade ermordet worden.“ Ruckartig stand die Kriegerin auf. „Ermordet?“ Ihr Gegenüber bejahte. Es sei wohl jemand unbemerkt eingedrungen, vermutlich ein Profi und hatte den Großmeister vergiftet. Fluchend packte Selene ihr Schwert. Jetzt war sie den ganzen Weg hierher gekommen damit ihr ein Meuchelmörder den Auftrag versaute. Sie würde sofort zurück zu ihrem Orden müssen und die Nachricht überbringen.
Es kostete sie einiges an ihrer Überredungskunst, bis man sie wieder hinaus ließ. Erst wollte man sie da behalten, verdächtigte sie sogar. Aber als sie dann erzürnt ihr Meistersiegel vom Orden heraus zog, ließ man sie wenn auch nur widerwillig gehen.

Draußen aber verlor sie dann ganz die Nerven. Eine riesige Menschenmenge hatte sie vor dem Tor eingefunden und es wurde auf das Heftigste spekuliert, was denn jetzt vorgefallen sei. Sie war kurz davor sich mit Gewalt einen Weg zu bahnen, als sie jemand ansprach. „Verehrte Dame, täusche ich mich oder tragt ihr das Wappen des Celemyordens da auf eurer Kleidung?“ Erstaunt drehte sie sich um. Ein junger Mann blickte ihr direkt ins Gesicht. Das erste was ihr auffiel waren seine tiefblauen Augen. „Ja ich gehöre in der Tat dem Celemyorden an. Wieso fragt ihr?“ Der Mann lächelte sie an. „Ich bin auf dem Weg nach Celem. Die Stadt liegt doch direkt neben eurem Orden. Nun sind die Straßen in diesen Zeiten nicht ungefährlich und da ich in der Kampfkunst leider nicht sehr gewandt bin, wollte ich fragen ob ich euch begleiten dürfte. Eine so bezaubernde, junge Dame die so anmutig ihr Schwert schwingt, ist mir lange nicht mehr begegnet.“ Selene konnte nichts dagegen tun, dass sie sich geschmeichelt fühlte und schließlich zustimmte er könne sie begleiten.
Er führte sie zu einem kleinen Gasthaus etwas abseits des Markts, wo er sein Pferd stehen hatte. Innerhalb kürzester Zeit hatte er seine Habseligkeiten beisammen und sie ritten aus der Stadt. Sie erfuhr dass der junge Mann, er hatte sich als Silex ke Solan vorgestellt, auf der Suche nach seinem Bruder durch das Land reiste. Dieser war vor 3 Wintern verschwunden, als Silex gerade 14 war.
Sie gelangten ohne irgendwelche Zwischenfälle nach Celem. Die Stadt war um einiges kleiner als Kalum aber Selene liebte die verwinkelten Gassen in denen sie sich als Kinder Straßenschlachten geliefert hatten. Das Nord- gegen das Südviertel. Sie dachte lächelnd daran zurück, wie ihre Mutter sie jedes mal ausgeschimpft hatte, wenn sie mit dreckiger und zerrissener Kleidung zurück gekommen war. Und ihre vor Schreck geweiteten Augen als man Selene eine Verletzung zufügte, die eine Narbe hinterließ. Sie war damals nur stolz darauf gewesen.
Silex riss sie aus ihren Erinnerungen. „Danke dass ich mit euch reisen durfte. Aber ich muss mich nun leider verabschieden.“ Damit verschwand er im Getümmel. Kopfschüttelnd wendete Selene ihr Pferd. Was hatte sie bloß geritten diesen komischen Typen mitzunehmen?

Als sie das Haus der Großmeisterin betrat, blieb ihr der Mund offen stehen. Gegenüber ihrer Obersten, saß das junge Mädchen das sie vor ein paar Tagen gerettet hatte. Es schaute ebenso überrascht zurück. Die Großmeisterin lächelte bloß. „Ihr kennt euch.“ Es klang wie eine Feststellung und keine Frage. Dann wies sie auf ein weiteres Sitzkissen. „Setz dich, Selene. Ich habe bereits erfahren was dem Großmeister widerfahren ist. Hast du den Brief noch?“ Die Kriegerin nickte und übergab der alten Frau den versiegelten Brief. „Das ist aber im Moment nicht so wichtig. Dieses junge Mädchen hat uns unseren Schatz wiedergebracht.“ Damit holte die Alte den eiförmigen Stein aus einem kleinen Säckchen. Selene blieb erneut der Mund offen stehen. Hatte sie doch erst Witze darüber gerissen, dass die Großmeisterin behauptet hatte die Reliquie würde ihren Weg zu ihnen von alleine finden. Hätte sie gewusst was das Mädchen, sie hieß Yu wenn sie sich recht entsinnte, da bei sich hatte, hätte sie sie bis zum Orden zurück geleitet.
Die alte Frau wartete ein bisschen und fuhr dann mit gedämpfter Stimme fort. „Das ist nur eines von drei so genannten „Dracheneiern“. Ein anderes befindet sich im Besitz vom Sternenorden und das dritte Ei ist verschollen. Alle drei wurden damals von den Gründern der Drachenkämpfer geschaffen. Sollte das Land einmal kurz vor dem Untergang stehen, sollten wir einfach nur alle drei zusammenführen und uns würde geholfen. Unter normalen Umständen wäre ich dieser Legende gegenüber kritisch aber, so sehr ich es auch bedaure, im Moment ist sie unser einziger Ausweg. Deshalb werde ich dich, Selene, beauftragen zusammen mit Yu nach den übrigen Eiern zu suchen und sie in den Tempel der Drachenkämpfer zu bringen.“ Selene sprang auf. „Wie sollen wir die Eier rechtzeitig finden wenn eines davon verschollen ist? Außerdem wer führt dann unsere Einheiten in den Kampf wenn ich nicht da bin? Ihr etwa?“ Die Großmeisterin schüttelte traurig den Kopf. „Es wird keinen Kampf mehr geben wenn du es nicht schaffst. Und nun geht und packt eure Sachen zusammen. Ich gebe euch die entsprechenden Mittel für die Suche mit.“ Damit stand sie auf und ging in eines der hinteren Zimmer. In betretenem Schweigen blieben die beiden jungen Frauen zurück. Dann plötzlich stand Yu auf und schaute Selene hilfesuchend an. „Du wirst mir doch helfen, oder?“ Ihre Stimme klang zittrig als müsse sie mit Mühe die Tränen unterdrücken. Selene seufzte. Was blieb ihr denn anderes übrig? Im Kampf würde das Mädchen nur eine Behinderung sein und sie wusste nicht, ob es das lange Reisen gewohnt war. Erneut seufzte sie begleitet mit einem Nicken. Das schien das Mädchen sichtlich aufzuheitern. „Gut. Wann können wir denn los? Und wo liegt der Sternenorden überhaupt? Kann ich Mo mitnehmen?“ Selene setzte ein mürrisches Gesicht auf. Der Orden lag nicht gerade nur 5 Tagesreisen von hier weg. Sie würden schon einen Monat oder mehr unterwegs sein. Ohne auf die anderen Fragen einzugehen, verließ sie das Haus der Großmeisterin. Yu beeilte sich ihr zu folgen. Ohne Umwege ging Selene in ihre eigene Hütte. Was sollte sie alles mitnehmen? Was brauchte sie? Auf jeden Fall ihr Schwert aber sonst. Sie entschied sich noch das Siegel ihrer Familie und neben wärmeren Kleidung auch noch mehrere Kräuter mitzunehmen. Man konnte ja nie wissen. Yu hatte sich aufs Bett gesetzt und schien ganz in Gedanken versunken. Dann fragte sie:“Warum sieht die Großmeisterin einen nie an?“ Überrascht über die Frage unterbrach Selene ihre Vorbereitungen. Hatte das Mädchen das etwa nicht bemerkt? „Weil sie blind ist.“

 

Einige Zeit später stolperte Yu hinter der hochgewachsenen Gestalt der Schwertkämpferin her. Sie hatte schon längst den Überblick verloren in dieser verwinkelten Stadt. Wie ihre Begleiterin immer wieder so sicher in eine der Gassen einbog, blieb ihr ein Rätsel. Den Geräuschen zu urteilen, befand sich am Ende dieser ein Markt. Sie stockte. In ihrem Dorf lebten ungefähr so viele Menschen wie die, die jetzt den zentral gelegenen Platz bevölkerten, der sich vor ihr erstreckte.

Eine harsche Stimme riss sie aus ihrem Erstaunen. „Kommst du? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ Eilig holte sie zu Selene auf. Besser sie verärgerte die jähzornige Meisterin nicht.

Yu betrachtete die Frau eingehender während diese vor ihr herlief. Das lange kupferfarbene Haar trug sie zusammengebunden, ihre Haut war trotz der Jahreszeit sonnengebräunt. Sie war eine Schönheit das konnte das Mädchen nicht leugnen. Und doch hatte sie bereits ein anderes Gesicht von Selene gesehen, das so gar nicht zu ihrem weiblichen Äußeren passen mochte.

Sie wäre fast in ihre Begleiterin gelaufen, als diese abrupt stehen blieb und sich zu ihr umdrehte. Ihre kalten, stahlgrauen Augen musterten Yu. „Du wartest hier! Ich gehe dir Winterkleidung und Proviant kaufen. Rühr dich nicht von der Stelle!“ Damit drehte sie sich um und bahnte sich geschickt einen Weg durch die Menge.

Ein bisschen verloren blickte Yu sich um. Sie stand am äußeren Rand des Marktes. Wahrscheinlich hatte die Schwertmeisterin angenommen sie würde in der Menschenmasse nur verloren gehen, so wie sie rumtrödelte. Plötzlich wurde sie angerempelt und stolperte vorwärts. Als sie sich verärgert nach dem Schuldigen umsah, erhaschte sie nur noch einen Blick in zwei schelmisch blitzende, tiefblaue Augen dann war der Unbekannte verschwunden. Das Mädchen schüttelte den Kopf. Wer mochte das nun wieder gewesen sein? Vermutlich ein junger Mann der Art, die sich gerne über jüngere Mädchen lustig machten und sich dabei für die Größten hielten. Sie versank wieder in Gedanken.

Yu wusste nicht genau wie lange sie jetzt schon auf Selene wartete aber ihr wurde langsam kalt. Ob die Frau sie hier zurückgelassen hatte weil sie für die Reise nur eine Last war? War sie alleine los gezogen? Yu fröstelte und zog den Umhang fester um ihre Schultern. Gerade als sie sich auf eigene Faust aufmachen wollte, erblickte sie die Gestalt der Schwertkämpferin die sich grob ihren Weg durch die Menge bahnte. Als diese wutschnaubend mit etlichen Päckchen unter den Armen vor ihr stand, war das Mädchen fast froh sie zu sehen. Die Begrüßung fiel wenig herzlich aus. „Du bist ja noch da. Lass und von hier verschwinden.“ Und der Irrweg durch die engen Gassen begann erneut.

 

Wenigstens einer freut sich mich zu sehen, dachte Yu als Mo fiepend an ihr hoch sprang. Sie hatte ihn in Selenes Hütte zurückgelassen. Neugierig schnupperte der kleine Polarfuchs nun an den Bündeln. Die junge Schwertmeisterin war noch einmal ohne eine Erklärung verschwunden und hatte ihre Errungenschaften vom Markt achtlos aufs Bett geworfen.

Vorsichtig öffnete Yu eines von ihnen. Darin lagen eine Jacke, Handschuhe und eine Mütze aus Fell. Das war wohl die Winterkleidung für sie die Selene am Anfang ihres Marktbesuches erwähnt hatte. Langsam strich sie mit den Fingern über das Material. Es war so weich und ein angenehmes Kribbeln breitete sich in ihren Fingerspitzen aus. Ob es mit Magie gegen Nässe und Kälte geschützt war? Das war kein unübliches Verfahren bei der Herstellung von Kleidern, das einzige was stimmen musste war der Preis. Sie erschrak. Musste sie das Selene nicht zurückzahlen?

Andererseits schickte sie doch der Orden auf eine Mission war es da so unwahrscheinlich, dass er sie ausrüstete? Sie hatte das ganze zuerst für einen Scherz gehalten als die Großmeisterin sie wie selbstverständlich in einem Zug mit Selene mit dem Auftrag betraut hatte. In ihr hatten Angst und die erregende Aussicht auf ein Abenteuer miteinander gefochten. Was schlussendlich dabei herausgekommen war, war eine Mischung aus beidem.

In dem zweiten Bündel befand sich allerlei haltbares Essen wie Trockenfleisch und Mondbeeren. Frisches Obst und Gemüse würde nur die ersten Tage halten und danach ungenießbar sein. Sie würden solchen Luxus nur in Gasthöfen genießen können.

Neugierig blickte sie auf das dritte Päckchen, dass noch ungeöffnet vor ihr lag. Es war länglich und schwer. Sie löste die Schnüre und das Leder gab den Inhalt frei. Es war ein Messer, ungefähr so lang wie ihr Unterarm. Der Griff war aus dunklem Holz und die Klinge schimmerte schwarz. Noch nie zuvor hatte Yu so eine Waffe gesehen. Vorsichtig streckte sie die Hand danach aus als eine Stimme sie zurückzucken ließ. „Arstongestein. Eines der härtesten Materialien die es gibt. Es erfordert eine Menge Magie es in eine Form zu zwingen. Ein Großteil der Magie bleibt auch in dem Gestein gefangen. Als Waffe hat es seinen eigenen Charakter und Willen ich dachte das wäre etwas für dich.“ Selene stand angelehnt in Türrahmen. „Seinen eigenen Willen?“ Zweifelnd sah Yu auf das dunkle Gestein herab. Sie würde noch früh genug herausfinden was die Schwertmeisterin damit meinte.

„Du kannst hier schlafen. Du wirst es brauchen.“ Damit drehte sich Selene um und verschwand. Wieso sah Yu diese Frau nur so oft von hinten?

Sie wickelte sich in die Decke und zum ersten Mal spürte sie Heimweh seit sie die alte Frau und ihr Heim verlassen hatte. An ihrer Seite spürte sie die tröstende Wärme von Mo der frei von allen Sorgen den Schlaf der Gerechten schlief. Sie lauschte seinem regelmäßigen Atem bis auch ihr die Augen vor Müdigkeit zu fielen.

 

Als Selene sie am nächsten Morgen unsanft weckte, fühlte es sich so an als hätte sie nur einige Augenblicke geschlafen. Es war noch dunkel draußen und das Gras war gefroren. Dankbar schlüpfte Yu in die Felljacke, streifte die Handschuhe über und zog sich die Mütze über den Kopf. Mo hob sie wieder in eine der Satteltaschen wo sie auch ihren eigenen Beutel verstaute. Das Messer trug sie in einer Scheide an ihrem Gürtel. Selene hatte darauf bestanden. „Du hast ja gesehen wie schnell man in gefährliche Situationen geraten kann.“, war ihre Begründung gewesen. Dagegen hatte Yu natürlich nichts sagen können. So sehr sie das immer über den rauen Charakter der Frau vergaß, sie hatte ihr doch das Leben gerettet.

Als sie schließlich auf Lightning saß, gab Selene den Befehl zum Aufbruch. Das Tor wurde geöffnet und sie ritten hinaus.

Eine Zeit lang ritten sie schweigend nebeneinander her. Am Horizont waren bereits die ersten Streifen des Morgenrots zu sehen als Selene das Schweigen brach. „Woher kommst du eigentlich?“ Erstaunt hob Yu den Kopf. Sollte sich die Schwertmeisterin sich etwa plötzlich für sie interessieren? „Ich komme aus einem kleinen Dorf in den Bergen südlich von hier. Wir haben dort nicht so viel Kontakt nach Außen, höchstens wenn Reisende vorbei kommen die das Land verlassen wollen. Oder eben die Drachenkrieger wenn sie in den Krieg ziehen. Bis vor kurzem kannte ich noch nicht einmal den Namen deines Ordens. Soetwas ist für uns unbedeutend. Wir kämpfen nur ums Überleben.“ Schweigen. Dann nickte Selene. „Ich habe von dem Dorf gehört. Mein Verlobter hat mir davon erzählt.“ Yu blickte sie neugierig an. „Du hast einen Verlobten?“ Selene bejahte. „Er ist Drachenkrieger.“

Von da an prasselten die Fragen des Mädchens nur so auf sie ein. Doch die Kriegerin nahm wieder ihre abweisende Haltung ein und wehrte alle ab.

Die Luft war eisig und schnitt Yu ins Gesicht. Doch sie wollte sich nicht beklagen und damit riskieren die Schwertmeisterin zu verärgern. Sie hatte es schon mit ihren vielen Fragen getan und Selene hatte ihr zu verstehen gegeben, dass das Gespräch ab da an zu Ende war.

Ihr heutiges Ziel war ein kleiner Gasthof den sie nach einem ereignislosen Tag am Abend erreichten. Angespornt durch eine Münze kümmerte sich ein herbeigeeilter Junge um die Pferde und brachte sie in den Stall. Für die Reiter gab es im Haus eine warme Mahlzeit und ein Feuer um die gefrorenen Gliedmaßen zu wärmen. Während Selene mit dem Wirt über den Preis des Zimmers verhandelte, blickte Yu sich um. Außer ihnen waren noch einige wenige Gäste in dem Schankraum. Eine Gruppe Händler, denen das Mädchen lieber nicht näher kam, denn der Gestank nach zu viel Alkohol drang ihr aus dieser Richtung in die Nase, eine junge Frau die aussah als wüsste sie sich zu wehren und eine Gestalt eingehüllt in einen Kapuzenumhang. Noch bevor sie diese merkwürdige Person genauer betrachten konnte, wurde sie von Selene harsch zu sich gerufen.

Anscheinend war die Schwertmeisterin endlich zufrieden mit dem ausgehandelten Preis. Yu warf dem in sich zusammengesunkenem Wirt einen mitleidigen Blick zu. Sie würde nicht gerne mit Selene feilschen müssen. Diese war mit der Zunge ebenso gewandt wie mit dem Schwert das hatte auch das Mädchen schmerzlich erfahren müssen. Denn die aufbrausende Frau sah so manches Gespräch als einen Kampf an, den sie ebenso mit den Fäusten hätte austragen können. Und sie schlug rücksichtslos zu. Nicht zum ersten Mal fragte sich Yu was für ein Mann Selenes Verlobter war. Sicher musste er einiges aushalten können.

Diesmal riss sie sich selbst aus den Gedanken um ihrer Begleiterin zuvor zu kommen. Eilig stapfte sie hinter Selene die Treppe hoch. Als sie oben waren, wies der Wirt auf eine Tür auf der rechten Seite des Ganges und machte sich eilig davon, wobei er vermied die Schwertmeisterin noch einmal anzusehen. Doch die schien ihn nicht mehr wahrzunehmen und stieß stattdessen die schwere Holztür zu ihrem Zimmer auf. Der Raum war nicht sonderlich groß und roch leicht modrig. Der Ausblick aus dem einzigem Fenster zeigte eine trostlose, weite, schneebedeckte Landschaft. Den Großteil des Platzes beanspruchte ein breites Bett aus ebenso solidem Holz wie die Tür für sich. Das einzige weitere Möbelstück war ein kleiner Schrank auf den Selene jetzt ihre und Yus Bündel ablegte. Erschöpft ließ Yu sich auf das Bett sinken. Ihr tat der Hintern weh von der langen Reise auf dem Pferderücken. Sie war zwar schon öfter lange Strecken geritten doch Selene hatte keine Pausen eingelegt und sie hatte sich auch nicht getraut danach zu fragen.

Ausdruckslos betrachtete Selene das junge Mädchen. Sie hatte den Tag tapfer durchgehalten. Besser als sie gedacht hatte. Und doch war sie eine Last. Sie verstand immer noch nicht warum die Großmeisterin hauptsächlich dieses junge Ding mit der Mission beauftragt hatte. Sie selbst sollte nur ihr Begleitschutz sein. Kopfschüttelnd wies sie die Gedanken von sich. Befehl war Befehl. Außerdem holte sie dieser Auftrag raus aus dem Bereich des Ordens und ihrer demütigenden Untätigkeit. Aus den Tiefen ihrer Taschen kramte sie eine Landkarte heraus und breitete sie auf dem Boden aus. Es zeigte Elorin und Teile der umliegenden Länder. Elorin war eigentlich ein Zusammenschluss aus drei Reichen oder ein großes Reich das in drei kleinere zerfallen war. Man konnte es sehen wie man mochte. Das Reich der Tiefen im Süden, das Reich der Wälder im Nordosten und den Rest nahm das Reich der Felsen ein. Kurz bezeichnete man sie als das blaue, grüne und rote Reich. Dazu kam, dass jedes von ihnen noch in viele kleine Gebiete der Clans unterteilt war. Von Einheit konnte man kaum sprechen, da Fehden an der Tagesordnung waren.

Sie befanden sich im Moment im grünen Reich. Der Sternenorden lag im blauen ziemlich südlich wo das Land ins Meer überging. Der schnellste Weg führte durch das Gebiet des Ainsha-Clans. Verärgert zog Selene die Augenbrauen hoch. Plötzlich zuckte sie innerlich zusammen als Yu sich neben sie kniete und eingehend die Karte betrachtete. Sie hatte das Mädchen völlig vergessen.

„Das ist also Elorin.“ Mehr sagte es nicht. Was für ein seltener Augenblick, dachte Selene spöttisch. Ihr war aufgefallen, dass Yu recht viel sprach wenn sie nervös oder aufgeregt war aber diese Erkenntnis hatte sich ihr ja geradezu aufgedrängt. „Wir nehmen den kürzesten Weg hier durch.“ Selene fuhr mit ihrem Finger die Landkarte entlang. Nun waren es Yus Augenbrauen die sich hoben als sie sich über die Karte beugte und die Beschriftung entzifferte. „Das Gebiet des Ainsha-Clans? Diese streitsüchtigen Krieger die dafür bekannt sind mit bloßen Fäusten zu kämpfen?“ Überrascht blickte die Schwertmeisterin in die grünen Augen ihres Gegenübers. Sie wusste nicht worüber sie mehr erstaunt sein sollte. Die Tatsache, dass das Mädchen aus einem abgeschirmten Dorf den Clan kannte oder dass Yu lesen konnte. Beides war keine Selbstverständlichkeit. In Elorin vermied man es Dinge zu erwähnen, die Ärger bedeuteten und die Ainsha bedeuteten immer Ärger. Vielleicht war dieses Mädchen doch nicht so einfältig wie sie gedacht hatte.

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Florapika

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