Romane & Erzählungen
Luna und der Weg zu den Sternen

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"Luna und der Weg zu den Sternen"
Veröffentlicht am 20. November 2009, 158 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Luna und der Weg zu den Sternen

Luna und der Weg zu den Sternen

Beschreibung

Kinder- und Jugendbuch

Der Morgen des Geburtstages

Das Federbett raschelte und darunter drückte sich die kleine Nase einer schwarzen Katze hervor. Leise glitt der  Kater aus dem Bett auf den hellen Parkettboden im Schlafzimmer, schüttelte seinen Kopf und nacheinander die Pfoten. Dann blickte er erwartungsfroh auf das, was sich noch unter dem Bett befand.

Unzählige rote Locken bewegten sich nach einem fordernden „Miauuu“ unter dem warmen Federbett. Und erst nach einer ganzen Weile blickten zwei große blaue Augen aus einem verschlafenen Mädchengesicht hinaus in den kalten Morgen. Das Mädchen rieb sich die Augen und gähnte. „Guten Morgen, Luna, aufstehen! Es ist Zeit!“ hörte es ihre Mutter draußen rufen. Verschlafen richtete sich Luna in ihrem Bett auf und versuchte durch die zerzausten Haare hindurch zu schauen, um einen Blick hinaus auf den Garten zu werfen. Sofort fielen ihr die vielen bunten Luftballons vor ihrem Fenster auf und ihre Müdigkeit war wie weggewischt. Heute war ihr Geburtstag! Endlich! Der zwölfte sogar! Und so konnte sie auch 12 Ballons in allen erdenklichen Farben im kleinen Garten der Familie Parker erkennen.

 Mit einem Satz hüpfte Luna aus dem Bett und hätte um ein Haar Tom, den schwarzen Kater mit einem Fuß erwischt, war er doch leider aufgrund seines hohen Alters nicht mehr der schnellste. „Pass auf, Tom“ schimpfte Luna liebevoll, streichelte ihn über das schwarze Köpfchen und ließ ihn durch die Tür hinaus in den Flur schleichen. Supergespannt war Luna heute – auf den Tag, die Überraschungen und natürlich die Geschenke. Nur fühlte sie sich irgendwie merkwürdig heut – und das lag nicht an ihrem Geburtstag! Der Himmel hatte eine eigenartige  Farbe angenommen, fast so als wäre es schon wieder Abend. Dabei war es gerade sieben Uhr morgens wie Luna mit einem raschen Blick auf ihren Wecker erkannte. Die Wolken hingen zwischen den Baumwipfeln, kein Vogelzwitschern drang durch die Zweige und die verdächtige Stille war fast greifbar.

Eigentlich wäre das Wetter an sich ja nicht so ungewöhnlich - hier in Dancock, dem kleinen verschlafenen schottischen Ort, war es des Öfteren ungemütlich. Trotzdem lag heute irgendetwas in der Luft. Und bei genauerem Hinsehen konnte Luna sogar den Vollmond, der noch immer nicht untergegangen war, am Horizont erkennen.

 Rasch scheuchte Luna alle merkwürdigen Gedanken aus ihrem Kopf und lief barfuß, nur mit ihrem Nachthemd bekleidet, in die Küche.

Lunas Mutter Nadia stand bereits am Herd und brutzelte eifrigst Eier mit Speck. Luna liebte ein solches Frühstück und rasch durchforstete sie mit ihren Blicken die Küche, ob sie schon irgendwo Geschenke entdecken konnte. Nadia drehte sich um und sah ihre Tochter an. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dir die Pantoffeln anziehen und nicht barfuss im Haus herumlaufen sollst?“ schimpfte sie.

„Dies gilt auch heute. Na los, hol sie rasch und setz dich an den Tisch, es gibt gleich Frühstück“. Luna flitzte aus der Küche und hätte im Vorbeilaufen fast schon wieder den Kater Tom überrannt, welcher sich lauthals beschwerte. Nadia lächelte. Jetzt war ihr kleines Mädchen also schon 12 Jahre alt – wie doch die Zeit verging. Es kam ihr wie gestern vor, als sie vor 10 Jahren aus Amerika hierher nach Dancock in Schottland gezogen waren – nur sie beide. Die Leute im Dorf hatten sie herzlichst aufgenommen - und Luna und ihre Mutter fühlten sich hier sehr wohl.

 In Windeseile stürmte Luna in die Küche mit einem Paar grüner Pantoffel an den kleinen Füßchen und strahlenden Augen. Nadia kam auf sie zu und nahm sie in die Arme. “Alles, alles Liebe und Gute zum Geburtstag meine kleine Miss Parker. Ich hab dich sehr sehr lieb“ sagte Nadia und drücke ihre Tochter innig. Luna lachte und hüpfte durch die ganze Küche.

„Danke Mami, ich freu mich ja so. Und hab ich einen solchen Hunger.“ 

Erwartungsfroh ließ sie sich auf den Stuhl neben dem Tisch fallen. Nadia brachte ihr einen Teller mit Eiern und Speck und setzte sich neben sie.

 Während Luna sich schon eifrig den Eiern widmete, betrachtete Nadia ihre Tochter voller Stolz. Immer noch musste sie unwillkürlich über die unglaublich blauen und intensiven Augen ihrer Tochter staunen. Alle Menschen, denen Luna begegnete, waren fasziniert von dieser Farbe, die sie noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatten. Niemand konnte sich erklären, wieso Luna so leuchtende Augen hatte. Niemand, außer Nadia selbst. Denn Luna hatte dieselben blauen Augen wie ihr Vater.

Und genauso wie ihr Vater, wurde auch Luna entweder von Menschen geliebt oder gehasst. Vom Augenblick ihrer Ankunft im Dorf liebten alle Dancocker das kleine aufgeweckte Mädchen mit dem roten Lockenkopf. Bis auf wenige, die sie regelrecht und aus unerklärlichen Gründen zu hassen schienen.

Damals, in Amerika

Nadia erinnerte sich noch genau wie sie Michael das erste Mal getroffen hatte, damals in Maine. Er war mit zwei Freunden in ihr Dorf gekommen auf der Suche nach Arbeit und sie hatten sich sofort ineinander verliebt. Ihre Beziehung war von Anfang an einzigartig! Michaels Augen waren es gewesen, welche Nadia gleich in ihren Bann gezogen hatten. Sie waren so ungewöhnlich blau, dass man das Gefühl hatte, man würde in einen unendlich tiefen und unergründlichen See oder in Himmel blicken.

 „Was haben Sie für wunderschöne rote Locken“ staunte Michael am Tag ihrer Begegnung. „Die....die ähem…die hab ich von meiner Großmutter geerbt“ erwiderte Nadia errötend und stotternd. Sie war damals zwar wirklich kein kleines Mädchen mehr, aber sie war es einfach nicht gewohnt von Männern angesprochen zu werden – und vor allem hörte sie selten Komplimente. Sicherlich, ihre langen roten Locken waren ein Blickfang für alle. Doch irgendwie war ihr Gesicht so unscheinbar, dass meist auch gleich schon wieder jegliches Interesse an ihr verschwunden war. „Rote Haare – wie eine Hexe“ sagte ihr Vater häufig in abfälligem Ton, wenn er von Nadia sprach. Und wohl auch deshalb hatte sie sich bis zu dem Tag an dem Michael in ihr Dorf gekommen war, immer für ihre Haare geschämt. Doch Michael war in anders. Und genau das faszinierte sie so an ihm. Er brachte sie zum Lachen, und dann war da noch dieses einzigartige Gefühl, das sie immer hatte,  sobald sie bei ihm war- ein eigenartiges Gefühl zwischen Wärme, absoluter Sicherheit und völliger Ruhe. Es war irgendwie, als wäre die Zeit stehen geblieben.

 Wochenlang waren Nadia und Michael unzertrennlich. Ja, und sie wollten sogar heiraten, sobald Michael das Geld für die Hochzeit endlich zusammengespart hätte. Nadias Eltern waren nicht so ganz einverstanden mit der Wahl ihrer Tochter. Im Grunde wussten sie ja so gut wie nichts von Michael. Er war ein großer Mann mit tiefschwarzen Haaren und kam aus dem Nachbarstaat Maine. Seinen Erzählungen nach war seine Familie sehr arm und da es in seinem Heimatdorf keine Arbeit gab, zogen er und zwei seiner Freunde weiter, um Arbeit zu suchen.

Michael war von Grund auf herzlich und verstand es, Menschen rasch für sich zu gewinnen. Er schloss rasch überall Freundschaften und war sehr gern gesehen. Aber auch bei ihm gab es vielerorts plötzlich eine tiefe und grundlose Abneigung, die die Menschen in ihrer Meinung über ihn spaltete.

 Michaels Freunde hingegen, Marc und Steve, waren völlig anders. Sie waren verschlossen und man sah sie nur ganz selten außerhalb der Arbeit.

Marc war klein und hatte viel zu lange, schwarze Haare. Er sah den Leuten selten in die Augen und wandte sein Gesicht meist sehr schnell ab, wenn er mit anderen sprach. Das machte die Menschen misstrauisch und ihn selbst nicht gerade beliebt.

Steve  war sehr groß und ziemlich dick. Er lachte zu viel und zu laut und man hatte irgendwie das Gefühl, er hätte etwas zu verbergen. Kurz gesagt, alle fanden Mark und Steve sehr seltsam. Auch Michael erzählte nichts über sie und meinte schlicht und einfach, sie wären eben so und man solle sie in Frieden lassen. Jedes Mal, wenn Nadia die beiden ansprach, gab sich Michael verschlossen und wechselte rasch das Thema. Für sie war die Freundschaft der drei Männer sehr rätselhaft: sie waren weder sehr herzlich miteinander noch sprachen sie viel. Und trotzdem wollte Michael Marc und Steve stets in der Nähe wissen.

 Eines Abends kam Michael mit einer kleinen schwarzen Katze auf die Farm von Nadias Eltern. „Liebling schau, das ist Tom. Tom, sag Nadia Hallo“ rief Michael Nadia schon von weitem zu. Und das kleine schwarze Bündel in seinen Armen gab wie auf Befehl doch tatsächlich ein so herzzerreißendes Miauen von sich, dass Nadia in lautes Lachen ausbrach. „Darf ich dir Tom vorstellen, meine Liebste? Ich möchte, dass er bei dir ist und dich beschützt, wenn ich nicht bei dir sein kann“ sagte Michael in sehr ernstem Ton, nur um aber im nächsten Moment schon wieder zu witzeln „aber pass bloß auf, er ist nämlich noch nicht stubenrein“. Nadia war so überrascht, dass sie überhaupt nicht wusste was sie sagen sollte. Auf einer Farm war es nicht gerade üblich, dass man sich gegenseitig Katzen schenkte. Katzen gab es überall – sie waren nun mal zum Mäusefangen da und somit logisch und unersetzlich. Es war Nadia irgendwie unerklärlich wieso Michael ihr ausgerechnet ein Kätzchen schenken wollte. Es hätten doch auch eine Rose oder vielleicht ein paar Pralinen sein können. Aber ein Blick in die tiefblauen Augen des kleinen Katers in Michaels Armen genügte, um ihr „Aber...“ das bereits auf ihren Lippen lag, verstummen zu lassen. Es war als wolle das kleine Fellknäuel ihr irgendetwas sagen. Sie nahm Tom in den Arm und er begann sofort zu schnurren. Dasselbe Gefühl, das sie sonst nur in Michaels Gegenwart hatte durchströmte sie plötzlich, als sie den kleinen Kater in den Armen hielt.

 Während sie sich noch wunderte, nahm Michael sie bei der Hand und sagte: „Na los, komm schon Nadia, ich muss dir was zeigen. Etwas fast so Schönes, wie du es bist“ erklärte er ihr mit einem verschmitzten Lächeln auf dem Gesicht. Nadia strahlte und warf sich rasch eine Jacke über. Im nächsten Moment rannte sie mit Michael über die Felder, hielt dabei aber Tom noch immer fest in ihren Armen. Es dämmerte bereits, aber Nadia  kümmerte sich nicht darum. Sie ließ sich von Michael an der Hand bis zu einem kleinen Felsvorsprung führen, von dem aus man einen wunderschönen Blick auf das schier unendliche Meer und den Himmel hatte. An dieser Stelle hatte man das Gefühl, als gäbe es nichts anderes mehr auf der Welt als diesen Augenblick. Und am Himmel blitzten und blinkten bereits die ersten Sterne auf.

 Am faszinierendsten war heute wohl der Mond, der kugelrund und voll am Firmament zu leuchten begann. Michael ließ sich auf ein Fleckchen Gras fallen und riss Nadia mit sich. „Schau dir diesen wunderschönen Mond an. Schau ihn dir ganz genau an – und immer, wenn du ihn siehst, dann denk an mich und denk an uns. Genauso werde ich immer an dich denken, wenn ich den Mond sehe“ flüsterte Michael ihr zärtlich ins Ohr. Nadia überlief eine Gänsehaut. So ernst hatte sie ihn noch niemals reden hören. Doch es war so wunderschön hier im Gras zu liegen und auf den Horizont zu blicken, wo sich das blaue Meer mit dem schon dunklen Himmel vereinigte. Das Mondlicht ließ alles in einem so bezaubernden Licht erstrahlen, dass selbst Tom keinen Mucks mehr von sich gab und nur  auf die helle Scheibe hoch am Himmel sah. Weit unten hörten sie die Wellen an den Klippen brechen.

 Und während sie in den Sternenhimmel blickten erklärte Michael ihr die Namen der einzelnen Sterne und Konstellationen.

Nadia sollte sich ewig an diesen Abend erinnern. Und dies nicht nur, weil ihr Vater fürchterlich wütend war, weil sie so spät nach Hause gekommen war.

 Am nächsten Tag wartete sie abends an den Zaun vor ihrem Haus gelehnt auf Michael. Sie spielte mit Tom, der sich äußerst ungeschickt durch das hohe Gras auf der Suche nach einem Wollknäuel kämpfte. Immer wieder blickte sie mit suchenden Augen über die Wiese. Aber während der Himmel sich mehr und mehr verdunkelte und schwarze Wolken aufzogen, beschlich sie ein dumpfes und erdrückendes Gefühl.

 Irgendwann ging sie ins Haus zurück und setzte sich ans Fenster. Sie sah ein Unwetter mit all seinen Farben und donnerndem Grollen heraufziehen und sie sah den Regen auf die Gräser tropfen und zu Pfützen werden. Tom war auf ihrem Schoss ganz friedlich eingeschlafen und es schien beinahe, dass sich seine Ruhe trotz allem irgendwie auf sie übertrug.

 Michael sollte an diesem Abend nicht mehr kommen. Und auch nicht an den darauffolgenden.

Michael war einfach fort, von einem Moment auf den anderen. Keiner wusste warum und wieso und selbst seine beiden Freunde Mark und Steve, konnten sich nicht erklären, was geschehen war. Einen Tag später waren auch sie dann verschwunden ohne irgendjemandem etwas gesagt zu haben und ohne sich bei ihrer Arbeit abgemeldet zu haben. Es gab die verschiedensten und wildesten Gerüchte und Spekulationen. Nadia machte sich bis heute schreckliche Sorgen. Doch vor allem war sie unendlich traurig.

 Ihre Eltern hatten nur Hohn und Spott für sie übrig. „Hab ich es Dir nicht gleich gesagt, kleine Hexe. Lass die Finger von ihm hab ich gesagt, ja hab ich dir gleich gesagt“, zischte ihr Vater. Nadia hörte aber einfach gar nicht zu. Dann, als sie schon dachte sie könne es niemals verkraften Michael verloren zu haben, bemerkte sie, dass sie schwanger war. Ein Kind wuchs in ihr heran, ein Kind von ihrem Michael. Es sollte ein Andenken an ihre große Liebe sein. Das gab ihr die Kraft und den Mut, allen Leuten, die hinter ihrem Rücken tuschelten und tratschten, entgegen zu treten.

Nadia ging sofort zu ihrem Hausarzt Frank, der ein alter Freund der Familie war. Natürlich gab es zunächst noch mehr Gerede. Nadia mit Kind aber ohne Mann passte nun mal nicht in die Welt der Menschen in ihrer gar so perfekten Welt. Ihre Eltern schämten sich für sie und in vielen einsamen und trostlosen Nächten war Nadia Michael unendlich dankbar. Dankbar dafür, ihr Tom geschenkt zu haben, welcher sie ab nun immer wie ein treuer Freund begleitete und – so schien es ihr – sie verstand.

 Tom war es schließlich auch, der in der Nacht, als die kleine Luna zur Welt kommen sollte, Nadias Eltern mit penetrantem Miauen aus dem Schlaf gerissen hatte, damit diese endlich mal den Krankenwagen verständigen konnten.

Nadia lag auf dem Sofa und blickte angsterfüllt aus dem Fenster. Es schneite und stürmte als hätte der Himmel alle seine Pforten gleichzeitig geöffnet. Dies war kein gutes Zeichen, das wusste jeder, der die Straßen in der Gegend kannte.

 Nadias Eltern riefen im Krankenhaus an und nach einer schier endlosen Zeit, so schien es zumindest, klopfte es endlich an die Tür. Nadia rief ihre Eltern, die plötzlich nirgends mehr zu sehen waren. Als niemand auf ihr Rufen hin erschien, kämpfte sie sich selbst zur Tür und öffnete sie. Vor ihr stand ein großer und kräftiger Mann, den Nadia noch nie zuvor gesehen hatte.

„ Ich bin der Sanitäter, den Sie gerufen haben, Madame. Joseph konnte nicht kommen. Der Rettungswagen steht schon bereit. Ab jetzt sind sie in sicheren Händen.“ Joseph war der Fahrer des Rettungswagens, den alle im Dorf als freundlichen und überaus hilfsbereiten Menschen kannten. Er war immer da und es gab praktisch keinen Beinbruch, keine Geburt, keine Gehirnerschütterung, bei der er nicht dabei gewesen wäre. Doch bevor sich Nadia wundern und über Jacks Fernbleiben ärgern konnte, hatte sie erneut dieses seltsame Gefühl und sie entspannte sich. Ihr wurde ganz schwindlig und sie merkte nur noch, wie der Rettungsdiener sie in den Arm nahm und zu einem seltsam hellen Ding, wohl der Rettungswagen, nach draußen begleitete. Alles war so leuchtend grell, dass Nadia nichts erkennen konnte. Und eigentlich war ihr das jetzt auch egal.

 Nadia dachte an gar nichts mehr und wunderte sich deshalb auch nicht, dass ihre Eltern nicht bei ihr waren. Sie war bloß froh und glücklich, endlich in sicheren Händen zu sein. Trotz all der Schmerzen fühlte sie sich ruhig und geborgen. Ihr war wohlig warm und sie fühlte sie sich so beschützt, als wäre Michael wieder hier bei ihr. Noch während Nadia über alles nachzudenken versuchte, blickte sie in die leuchtenden, tief blauen Augen des Sanitäters und dann verlor sie das Bewusstsein.

 Wie viele Stunden dann vergangen waren, wusste sie nicht mehr. Plötzlich erwachte sie in einem weißen Bett und konnte sich an gar nichts mehr erinnern. Was machte sie hier, wo war sie überhaupt und was war plötzlich mit ihrem Bauch los? Sie war ja wieder so viel dünner. Das Kind! Wo war das Baby? Im selben Moment stürmte auch schon Nadias Schuldfreundin Ann herein, die eine der Pflegerinnen im Krankenhaus war. Und mit ihr kam Joseph, der alte Krankenpfleger mit einem kleinen Bündel auf dem Arm herein. Er hatte ein wunderschönes, neugeborenes Wesen mit einem Flaum roter Haare auf dem Kopf in den Händen und lächelte. Nadia blickte in das schrumpelige Gesichtchen und sagte leise „Luna, du kannst nur Luna heißen“. Sie hatte den Namen schon seit Monaten im Kopf gehabt, praktisch seit dem Tag an dem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Der Name sollte sie an jene Nacht mit dem wunderschönen Vollmond mit Michael erinnern. „Endlich bist du da“. Luna war nicht nur das Schönste, das sie überhaupt jemals gesehen hatte, sie war weit mehr. Sie hatte dieses Leuchen in den tiefblauen kleinen Augen. Und noch während sie das Kind in die Arme wiegte, überkam sie wieder dieses vertraute, seltsame Gefühl.

Nadia war so glücklich, dass sie sich gleich bei dem fremden Sanitäter, der sie hergebracht hatte und an den sie sich noch dunkel erinnern konnte, bedanken.

 Doch Mary sah sie fragend an und erklärte ihr, dass niemand hier im Krankenhaus wusste, wie sie hierher gekommen sei, wer sie hergebracht und wer ihr bei der Geburt geholfen hatte. Der alte Joseph war nämlich bald nach ihrem Anruf bei ihr eingetroffen, um sie ins Krankenhaus zu bringen, doch er fand sie nicht mehr im Hause ihrer Eltern vor. Er hatte aber auch niemand anderen die lange, einsame Straße entlangfahren sehen, welche zu ihrem Haus führte.

Noch seltsamer war die Tatsache, dass auch ihre Eltern nichts von dem Sanitäter mitbekommen und überhaupt nicht gemerkt hatten, wie und wann Nadia das Haus verlassen hatte. Ihre Mutter erlitt einen halben Schock, als Joseph kam und Nadia bereits fort war.

Bis heute geben die Ereignisse von damals den Leuten im Dorf ein Rätsel auf. Noch immer weiß niemand, was in jener Nacht nun wirklich geschehen ist. Da die Sache den Eltern aber sowieso schon peinlich genug war, hatte man auch nicht mehr lange nachgeforscht. Eine Tochter mit Kind und ohne Mann war so schon schlimm genug.

Schule und andere Ärgernisse

Luna schob ihren leeren Teller etwas von sich und seufzte: „Mmhh, war das lecker, Mammi. Am liebsten hätte ich jeden Tag Geburtstag“.

„Dann würde es dir irgendwann auch langweilig werden, glaube mir. Aber du musst bald los zur Schule meine Kleine. Mach dich fertig“ erwiderte Nadia.

Luna seufzte. Selbst an ihrem Geburtstag führte wohl kein Weg an der Schule vorbei. Ganz so schlimm war die Schule zwar nicht, obwohl sie keine Musterschülerin wie die blonde Jessy war. Aber irgendwie konnte sich Luna nie so recht für all den Schulstoff begeistern. Sie fand so viele andere Dinge interessanter und spannender als das, was in der Schule gelehrt wurde, dass ihre größere Aufmerksamkeit jedem Käfer im Garten galt.

Während Luna noch vor sich hin träumte, hörte sie auch schon die Türglocke klingeln und ihre Mutter rief: „Das wird sicher Eve sein. Ich mach ihr auf und sag ihr, dass Du gleich fertig bist, Luna!“

 Luna stürmte in das Badezimmer, putzte sich rasch die Zähne, griff nach ihrer Schultasche und stand auch schon bereit. Eve, ihre Nachbarin und Freundin war natürlich wiedermal überpünktlich zum Abholen erschienen. Mit ihren kurzen, blondgelockten Haaren wirkte sie neben Luna wie ein zarter Engel, obwohl sie doch ein ganzes Stückchen größer und ein Jahr älter war. Doch ihre bleiche Haut und die dünnen, hellblonden Haare in Verbindung mit ihrer zerbrechlichen Gestalt, ließen sie feenhaft erscheinen. Eve spähte gerade neidisch zu der fast leeren Pfanne in der Küche, in der die Eier gebraten worden waren. Obwohl Eve so dünn war, hatte sie ständig Hunger und aß  unglaublich viel, genauso wie sie normalerweise pausenlos sprach. Und während ihr noch das Wasser im Mund zusammenlief, zog Luna ihre Freundin an der Hand und sprudelte los: „Jetzt komm schon, sonst laufen wir noch den schrecklichen Smiths über den Weg und ich habe wirklich keine Lust mir meinen Geburtstag von ihnen gleich versauen zu lassen. Tschüss Mami! Los, komm schon Eve!“

Eve grinste und ließ sich von Luna mitreißen, während sie zu singen begann „Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday liebe Luna, happy birthday to you.....“ Und schon waren die beiden Mädchen lärmend aus dem Haus verschwunden.

 Die Mädchen kamen gerade mal bis zum Zaun ihres Hauses und Eve war noch mitten im Singen begriffen, als plötzlich wie aus dem Nichts drei Gestalten aus den Büschen entlang des Weges auf sie zusprangen.

„Na, da wird heute doch nicht jemand Geburtstag haben?“ ließ sich eine spöttische und quietschende Stimme vernehmen. Colin und seine beiden Geschwister Martin und die kleine teuflische Ida grinsten hinterhältig und versperrten Luna und Eve den weiteren Weg.

„Und ich hoffe Du hast uns Kuchen mitgebracht, kleine Parker-Hexe“  fuhr Colin in drohendem Ton mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen weiter fort.

Luna zuckte zusammen. Sie hatte zwar keine Angst vor den drei Nachbarskindern, während sich Eve angsterfüllt und zitternd an ihren Arm klammerte, aber sie hasste es, wenn man sie kleine Hexe nannte. Sie fühlte sich wütend und hilflos zugleich.

„Geht aus dem Weg und lasst uns bitte in Ruhe!“ stieß Luna mit nicht sehr fester Stimme hervor, während sie Eve hinter sich her zog. Doch Colin, ein großer Junge und ganze drei Jahre älter als sie, mit ziemlich furchterregenden schwarzen Zähnen, stellte sich breitbeinig vor die beiden Mädchen und versperrte ihnen den Weg. Seine beiden Helfershelfer platzierten sich links und rechts hinter ihm und sahen wie etwas kleinere Kopien des großen Monsterbruders aus – außerdem waren die beiden Zwillinge.  

„Ich hab Dir doch gerade gesagt, dass wir eine Torte wollen. Wir haben noch nicht gefrühstückt und bin deshalb ziemlich schlecht gelaunt!“ drohte Colin mit einem bösartigen Blitzen in den Augen. Eve stammelte:„Bitte lasst uns gehen! Wir haben keinen Kuchen - und es ist bald acht Uhr! Wir müssen in die Schule“.

Die kleine aber kaum harmloser aussehende Ida, welche noch immer hinter Colin stand, sah auf ihre kleine Armbanduhr, die sie unter einer ziemlich dreckigen und abgenutzten Jacke, die sie wie alles andere auch von ihrem großen Bruder geerbt hatte, trug. Dann stieß sie Colin an. Und während Luna die Drei flehendlich ansah, meinte er schließlich ganz lässig: „Na gut, was soll’s! Wir wollen ja nicht, dass die kleinen Gören Ärger bekommen, oder? Dafür sind wir drei klarerweise auf deine Geburtstagsfeier heute Nachmittag eingeladen, nicht wahr kleine Hexe?“

Colin lachte laut.

„Auf ein Geschenk wirst du dann allerdings verzichten müssen! Hast uns so spät eingeladen, da konnten wir einfach keines mehr besorgen“ fügte er hämisch grinsend hinzu.

Luna schluckte. Einerseits fühlte sie sich erleichtert, dass die Drei sie endlich weiter ließen. Aber sich ihre Geburtstagsparty heute nachmittags vermiesen lassen zu müssen, verschaffte ihr einen dicken Kloß im Hals. Ihre Mutter würde sich wundern. Die hatte nämlich auch keine allzu guten Beziehungen zu den Eltern der Smiths. Überhaupt wurden die Nachbarn im ganzen Dorf eher gemieden als willkommen geheißen. Sie galten als schlampig und schmutzig, ja so manch einer warf ihnen insgeheim sogar unehrliche Machenschaften vor. Herr Smith war einer der beiden Straßenkehrer des Dorfes und Frau Smith kümmerte sich irgendwie um gar nichts, denn sowohl das kleine und heruntergekommene Haus am Dorfrand, als auch die drei Kinder sahen ziemlich verwahrlost aus.

 Colin, Martin und Ida galten als Raufbolde und Unruhestifter und entweder man verbündete sich mit ihnen oder man hatte kein leichtes Leben als Kind im selben Dorf. Leider hatten es die Drei irgendwie ganz besonders auf die kleine Luna abgesehen. Warum, das wusste eigentlich keiner.

Vielleicht, weil sie einfach ein Opfer brauchten und Luna schon allein aufgrund ihrer Haare aus der Reihe tanzte. Vielleicht, weil Luna keinen Vater hatte und niemand etwas genaues über ihn wusste. Vielleicht aber auch, weil Luna sehr häufig bei dem alten Fischer am Strand in der kleinen steinigen Bucht zu finden war und ihnen das merkwürdig erschien. Der alte Fischer war ein einsamer und zurückgezogen lebender Mann, der sich nur selten im Dorf blicken ließ, um die Muscheln und Fische, die er gefangen hatte, an den Mann zu bringen und die nötigsten Dinge für sich selbst zum Leben einzukaufen. Er sprach mit fast niemandem, außer mit seinem Wolfhund Lupo, der sein treuer Begleiter war. Die Leute wussten kaum etwas über ihn. Sein Name war Dan.Und obwohl er eine etwas schroffe Art hatte, mochte Luna ihn sehr.

 Sie hatte ihn einige Monate, nachdem sie aus Amerika hierher nach Dancock gezogen waren, kennen gelernt. Luna war anfangs immer sehr einsam gewesen. Sie setzte sich damals oft auf die Klippen und sah hinaus aufs Meer. Dabei hatte sie Dan und seine kleine Holzhütte zum ersten Mal in der kleinen Bucht entdeckt und ihn ganz einfach angesprochen. Sie wollte nämlich wissen was er denn so fange, ob es viele Fische im Meer gäbe und woher die Muscheln am Strand kämen. Dan wunderte sich über das kleine Mädchen und beantwortete zunächst eher widerwillig und brummig ihre vielen Fragen. Doch die natürliche und unvoreingenommene Art des Mädchens faszinierten ihn und schon bald freute er sich auf die regelmäßigen Besuche des Mädchens.

 Luna hatte Dan bald lieb gewonnen, denn er behandelte sie wie eine Erwachsene, zeigte ihr, wie sie ein Netz knoten musste und lehrte sie die Namen der verschiedenen Fische des Meeres. Und eines Tages zeigte er ihr sogar seinen größten Schatz: ein Teleskop.

Damit konnte er alle Sterne am Himmel und den Mond als riesengroße, helle und zerfurchte Scheibe mit vielen Kratern beobachten. Luna lernte bald, wie die einzelnen leuchtenden Punkte am Himmel hießen und was man noch so am Himmel entdecken konnte. Sie war so fasziniert von diesen Dingen, dass sie Dan bald  jeden Nachmittag am Strand besuchte. Für Lunas Mitschüler war das völlig unverständlich, ja sie lachten sie sogar aus und wunderten sich über die merkwürdige Luna mit ihren noch merkwürdigeren Bekanntschaften. Luna aber spürte eine unwiderstehliche Anziehungskraft den vielen Sternen am Firmament gegenüber.

 Vor allem nachdem ihre Mutter erzählt hatte, dass auch ihr Vater die Sterne geliebt hätte, war Luna  überhaupt nicht mehr davon abzubringen. Leider wusste sie nicht sehr viel von ihrem Vater. Doch bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit versuchte sie ihre Mutter auszuquetschen um mehr über ihn zu erfahren: wie er aussah, was er mochte, was er nicht mochte,  was er denn jetzt machte, warum er sie nie besuchte. Nadia versuchte, Michael ihrer Tochter zumindest durch Erzählungen so nahe als möglich zu bringen – aber auf die meisten Fragen ihrer Tochter hatte selbst sie leider keine Antwort. Sie hatte nicht einmal ein Foto von Michael, das sie ihrer Tochter hätte zeigen können. Luna fiel auf, dass ihre Mutter immer sehr traurig wurde, wenn sie von ihrem Vater sprach. Sie vermisste ihn sehr.  

 Luna verscheucht die Gedanken an ihren Vater aus ihrem Kopf. Sie dachte schon viel zu oft an ihn. Colin und seine beiden Geschwister machten endlich mit unverhohlenem Spott den Weg zur Schule frei. Luna und Eve rannten wie der Blitz davon, aus Angst, sie würden es sich vielleicht noch einmal anders überlegen und hörten noch das Gelächter der Drei hinter sich.

 Einige Minuten später kamen sie völlig außer Atem aber gerade noch rechtzeitig in der Schule an. Die Direktorin, Frau Wallace, warf ihnen mit einem strafenden Blick auf ihre Armbanduhr böse Blitze zu und rief in eisigem Ton: „Die kleine Parker natürlich wiedermal in letzter Sekunde“.

Frau Wallace konnte Luna nicht besonders gut leiden. Sie suchte ständig nach irgendeinem Grund oder Anlass Luna Schwierigkeiten zu bereiten. Und zu Alex meinte sie sogar eines Tages nach der Schule, ob er sich nicht doch lieber einen anderen „Freundeskreis“ suchen wollte. Alex war nämlich Lunas bester, ja allerbester Freund. Sie machten viel gemeinsam und verstanden sich einfach gut – manchmal auch ganz ohne Worte. Er besuchte mit ihr die gleiche Klasse und sie saßen nebeneinander – das fand Luna am allerbesten an der Schule.

 Das Mädchen mit den blauen Augen ignorierte heute einfach die Bemerkung der verbitterten Frau Wallace. Heute war alles anders, schließlich war heute ihr Geburtstag. Schnell winkte sie noch Eve zu, die in die Klasse nebenan verschwand und schlüpfte in ihr Klassenzimmer. Auch während der gesamten Schulstunden hing sie heute ihrer Geburtstagsfeier am Nachmittag nach. Sie konnte es kaum erwarten das Geschenk ihrer Mutter endlich auszupacken. Inständig hoffte sie auf ein ganz bestimmtes Geschenk. Ihr größter Geburtstagswunsch war eine eigene, große Sternenkarte, auf der alle Sterne unseres Sonnensystems eingetragen waren. Die Karte könnte sie dann mit zu Dan nehmen und mit den Sternen am Himmel vergleichen, sie erkennen und benennen. Dan hatte nur eine schrecklich alte Karte, die schon ganz ausgebleicht und zerknittert war und man konnte darauf schon fast nichts mehr erkennen. Außerdem war es in Dans Häuschen viel zu feucht, um Karten, Bücher oder sonstiges Papier aufzubewahren; bald roch alles ein bisschen moderig und das Material zerfiel bald in seine Bestandteile.  

 Luna musste einfach diese Sternenkarte haben, obwohl ihre Mutter bereits angekündigt hatte, dass es wohl unmöglich sein würde in ihrer Gegend etwas Derartiges aufzutreiben. Sie sollte sich doch lieber etwas anderes, etwas „normaleres“ wünschen, hatte Nadia ihrer Tochter geraten. Aber Luna beharrte auf ihren Wunsch.

„Dieses Geschenk oder keines“

Alex stupste Luna an. „Die Lehrerin hat ich gerade was gefragt“ zischte er vom Platz neben ihr.

Luna schreckte aus ihren Gedanken hoch, wurde fast so rot im Gesicht wie ihre Haare und fing an zu stammeln. Gott sei Dank ertönte just in diesem Moment die Schulglocke und Luna atmete erleichtert auf. Endlich konnte sie nach Hause zu ihren Geschenken laufen.

Der zwölfte Geburtstag

Völlig außer Atem kam sie einige Zeit später am Zaun vor dem Haus mit dem handgemalten und rot umrahmten Türschild „Parker Nadia & Luna & Tom“ an. Sie rief Eve und Alex noch ein eher flüchtiges „Tschüss“ und „Bis heute Nachmittag, 3 Uhr und seid pünktlich“ zu und stürmte durch das Gartentor zur Haustür. Kater Tom lag wie immer faul im Garten und hatte auf sie gewartet. Mit einem müden „Miau“ erhob er seine alten Knochen und trottete auf sie zu. Nadia hatte ihre Tochter bereits kommen sehen und öffnete die Tür, noch bevor Luna ungeduldig klingeln konnte.

„Na, Du hast es heute aber eilig, mein Kind“ lachte sie, als Luna ihr einen raschen Begrüßungskuss auf die Wange drückte.

„Wo sind meine Geschenke, Mama? Bekomme ich das, was ich mir schon immer so sehr gewünscht habe? Oh bitte, bitte.. sag doch was“ bettelte Luna und lief in die Küche auf der Suche nach bereitgestellten Päckchen. Und tatsächlich: auf dem Küchentisch standen eine große Sahnetorte, an der Nadia bereits den ganzen Vormittag gebacken hatte, mit zwölf dicken roten Kerzen drauf, sowie zwei bunt verpackte Pakete mit roten Schleifen.

 „Halt Du Schlingel, bevor Du bereits irgendetwas auspackst! Du weißt, wir feiern um drei Uhr zusammen mit Deinen Freunden – bis dahin lässt Du hier drin alles wie es ist!“

Luna brummte, beschwerte sich und versuchte ihrer Mutter zu schmeicheln. Sie probierte wirklich alle Tricks, die sie so auf Lager hatte, doch leider half heut alles nichts. Obwohl es zum Mittagessen ihre Leibsspeise, Würstchen mit Pommes, gab, war sie doch irgendwie nicht so richtig bei der Sache. Sie versuchte ständig zu enträtseln, was denn in den Paketen sein könnte.

 Und dann, nach einer halben Ewigkeit, trudelten endlich ihre Freunde unter großem Hallo ein. Luna hatte nicht wirklich viele Kinder eingeladen: Alex natürlich, Eve kam auch, Svenia und Lucy, die beiden Töchter der Freundin ihrer Mutter, Jessy, die Musterschülerin, die jedoch ansonsten ganz in Ordnung war, Sandra, ein weiteres Mädchen aus ihrer Klasse und Mable, die Klassensprecherin. Alex war der einzige Junge in der Runde, doch das störte ihn offensichtlich herzlich wenig, fühlte er sich doch in Gesellschaft von Mädchen, vor allem wenn es so viele waren, wohl. Mit den meisten Jungs hatte er nicht viel am Hut.

 Während sich die Geburtstagsgäste bereits alle rund um den Küchentisch niedersetzten und ungeduldig darauf warteten, dass die verlockende Sahnetorte angeschnitten wurde, wollte Luna bereits insgeheim aufatmen. Die Geschwister Smith hatten sie offensichtlich trotz ihrer Drohung  noch einmal verschont. Als es dann aber doch noch an der Tür klingelte, ahnte sie schon Schlimmes.

Nadia machte die Türe auf und war so erstaunt, dass sie auf Colins „Wir sind eingeladen“ keine Erwiderung hatte. Sie sah ihre Tochter fragend an und Luna verzog entschuldigend das Gesichtchen. Nadia verstand.

Na ja was soll’s! Luna hatte wirklich keine Lust, sich ihren so sehnlichst erwarteten Geburtstag auch nur irgendwie verderben zu lassen. Die Anzahl der Geschenke auf dem Beistelltisch in der Küche war inzwischen zu einer recht beachtlichen Größe gewachsen. Nadia schnitt, nachdem Luna alle zwölf  Kerzen auf einmal ausgeblasen und die Geburtstagsgäste ein „Happy Birthday“ angestimmt hatten, endlich auch die Torte an. Für Luna gab es beim Ausblasen der Kerzen nur einen Wunsch: ihre Sternenkarte. Sie musste sie einfach haben.

 Anstandshalber musste Luna warten bis die ersten Stücke der Torte verspeist waren, was sich bei Alex als besonders schwierig erwies, weil er ein ausnehmend langsamer Esser war. Fast hatte Luna den Verdacht, dass er das absichtlich machte, denn er zwinkerte ihr schon mit Blick auf die Geschenke schelmisch zu. Luna wurde schon ganz zappelig, am liebsten hätte sie ihrem Freund das letzte Stück Torte vom Teller genommen oder mit sanfter Gewalt reingestopft. Doch endlich hatte auch Alex sein Stück Kuchen verputzt.

Sofort stürzte Luna sich auf die Geschenke und riss ungeduldig an den Verpackungen. Ein Buch, eine Haarspange, eine kleine Schatulle, eine CD – Luna bedankte sich artig und erfreut, doch ihre Gedanken waren schon bei dem einen, dem allerletzten Geschenk, das noch auf dem kleinen Beistelltisch lag. Ritsch-ratsch! Schleife und Geschenkpapier waren im Nu weg - und da war sie - die Sternenkarte! Ja! Luna sprang vor Freude in die Luft  und fiel ihrer Mutter um den Hals. „Danke Mami, danke, danke, danke, ich wusste es“ rief sie und zeigte ihren Freunden voller Stolz ihre nigelnagelneue Sternenkarte.

 Die Smiths brachen augenblicklich in schallendes Gelächter aus.

„Was soll das denn! Bist wohl eine Streberin geworden, kleine Hexe“ höhnte Colin sofort los. Er hatte wohl bemerkt, dass Nadia gerade in die Küche gegangen war und ihn deshalb nicht hören konnte. Luna war so überglücklich und strahlte, dass sie seine blöde Bemerkung einfach überhörte. Sie war sich sicher, dass niemand den wirklichen Wert und die Bedeutung der Sternenkarte für sie nachvollziehen konnte, aber das war ihr egal. In diesem Moment fühlte sie sich einfach nur glücklich. 

 Ganz vorsichtig und aufgeregt begann sie, die Karte langsam auseinander zu falten und auf dem Tisch auszubreiten. Was wohl Dan, der alte Fischer, dazu sagen würde? Die Karte glänzte und das kleine Mädchen konnte augenblicklich das Sternbild des großen Wagens erkennen, genauso wie Dan es ihr so oft am Himmel gezeigt hatte. Eve drängte sich gleich neben sie und begann sie mit Fragen zu löchern. Wie heißt denn dieser Stern? Warum ist dieser Stern größer als der andere? Wo ist der Mars?

Die anderen Geburtstagsgäste verloren bald das Interesse an der Karte – es drängte sie zu den Spielen, die Lunas Mutter vorbereitet hatte.

Widerwillig schloss sich schließlich dann auch Luna den Spielen an, nachdem sie den liebevoll strengen Blick ihrer Mutter gespürt hatte. Sie musste sich doch schließlich auch um ihre Gäste kümmern.

 Für Unterhaltung war im Hause Parker heute bestens gesorgt. Da gab es eine Schokoladenschlacht, die leider durch die drei absolut gefräßigen Geschwister Smith völlig boykottiert wurde. Die drei hielten sich natürlich an keine Regeln und aßen einfach alles, was an Schokolade irgendwo herumstand oder bereits herumflog mit großen Bissen auf.

 Als nächstes kam ein Geschicklichkeitsspiel an die Reihe, welches Colin, ungeschickt und boshaft wie er nun mal war, am Ende völlig zertrümmerte. Es folgten ein Rätselwettbewerb und eine kleine Karaoke-Show. Und ehe es sich die Geburtstagsgäste versahen, begann es draußen schon dunkel zu werden. Lunas Mutter wartete mit der allerletzten Überraschung auf.

„Es gibt Pizza für alle!“

Die Kinder stürmten in die Küche, während Luna zum Fenster lief und sehnsüchtig in den Himmel starrte. Sie sah ganz schwach die ersten Sterne am Himmel leuchten und mit Unbehagen entdeckte sie auch den vollen, runden Mond am Himmel. Reflexartig kratzte sie sich am Bauch.

„Luna, wo bleibst du denn? Komm, die Pizza steht schon auf dem Tisch!“ hörte sie ihre Mutter in diesem Moment aus der Küche rufen und ein bisschen nachdenklich, doch mit richtig hungrigem Magen lief sie zu den anderen in die Küche.

 Restlos verputzten die Geburtstagsgäste die leckere Pizza, bis kein Krümel mehr auf dem großen runden Küchentisch zu sehen war und alle zufrieden und satt dreinblickten. 

Nadia hatte sich auch wirklich allergrößte Mühe gegeben! Im nächsten Moment hörte man auch schon die Türglocke klingeln. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits 18 Uhr geworden war – Zeit für die Kinder heim zu gehen. Colin und seine beiden Geschwister nutzten die Gelegenheit um sich mit unter schallendem Gelächter aus dem Haus zu verdrücken, natürlich ohne auch nur ein einziges Wort des Dankes oder Grußes. Luna und ihre Mutter waren einfach nur erleichtert, dass die drei endlich das Haus verließen und sie diese Plagegeister für heute zumindest los waren.

Nach und nach wurden alle Kinder von ihren Eltern abgeholt und auch Eve machte sich auf den kurzen Heimweg über die Straße nach Hause.

 Schließlich verabschiedete Nadia noch Mable, die mit dem Versprechen bald eine ebenso tolle Party an ihrem Geburtstag veranstalten zu wollen und gleich auf ihre Mutter, die gerade angekommen war, im Garten zurannte. Dann richtete sich der Blick Nadias  nach oben und ihre Augen verdunkelten sich. Sie sah den Vollmond am Himmel stehen und seufzte laut. Ausgerechnet heute!

 Luna hüpfte mit der Sternenkarte in der Hand um ihre Mutter herum.

„Oh Mami, hast Du gesehen wie weit diese Sterne eigentlich voneinander entfernt sind, obwohl sie am Himmel doch so nah aussehen?“  - und just in diesem Moment, sie hatte noch gar nicht zu Ende gesprochen, stolperte sie, schlitterte auf einem Klecks Sahne am Boden aus und fiel auch schon der Länge nach hin.

„Ach Kind“ Wo hast Du denn bloß wiedermal deine Augen? Warum nur bist du wieder so schrecklich schusselig!?“

Luna ließ sich in ihrer Euphorie nicht beirren, rappelte sich auf und zeigte ihrer Mama mit strahlenden Augen die Sterne auf der Karte.

Nadia sah das glückliche Leuchten ihrer Tochter und konnte ihr trotzdem gar nicht richtig zuhören. Sie dachte vielmehr daran, dass heute wieder eine lange und anstrengende Nacht bevorstand. Am besten wäre wohl, wenn sie gleich eine große Kanne Kamillentee für Luna aufsetzen würde. Bereits jetzt war ihre Tochter ganz kribbelig, schusselig und nervös. Ihre Mutter wusste, dass dies nur zu einem kleinen Teil durch die Aufregungen ihres Geburtstages bedingt war. Vielmehr war es der hell leuchtende, runde Mond hoch oben am Himmel, der, wie jeden Monat aufs Neue, eine schier unerklärliche Wirkung auf Luna hatte.

 Duzende Ärzte hatten die Parkers deswegen bereits aufgesucht. Zusammen waren sie sogar nach Edinburgh gefahren, damit Luna vielleicht ein bisschen geholfen würde. Das kleine Mädchen war fasziniert von der Stadt, den großen alten Häusern, dem unglaublichen Verkehr gewesen und noch heute erzählte sie ihren Freunden voll Stolz von diesem Ausflug. Vor allem ihr Besuch im Observatorium gehörte wohl zu den beeindruckendsten Erlebnissen in ihrem jungen Leben. Doch gegen die schlimmen Vollmondnächste hatten die Ärzte im dortigen Krankenhaus leider auch nichts machen können. Sie führten ihre Symptome einfach auf eine „simple“ Mondsüchtigkeit – so nannten es die Ärzte – zurück, die das Mädchen bei Vollmond befiel und sie keine Sekunde ruhig werden, geschweige denn schlafen, ließ. Doch im Gegensatz zu einer normalen Mondsüchtigkeit, schlafwandelte Luna nicht, sondern brachte die ganze Nacht überhaupt kein Auge zu. Außerdem war sie von einer derartigen Unruhe und Nervosität befallen, dass fürchterlich schusselig und fahrig wurde. Meist fingen alle diese Symptome am Abend vor dem ersten Vollmond an und dauerten dann eine, manchmal auch zwei Nächte an. Das war bereits seit ihrer Kindheit so und soweit dies überhaupt irgendwie möglich war, hatten Luna und ihre Mutter sich bereits daran gewöhnt. Nadia war sich sicher, dass auch aufgrund des monatlichen Schlafmangels ihrer Tochter auch so ungewöhnlich klein für ihr Alter geblieben war.

 Mit einem Seufzer blickte sie wieder auf die Sternenkarte und Luna beschwerte sich  „Du hörst mir ja gar nicht zu, Mama!“

„Doch, natürlich mein Schatz. Ich bin froh, dass dir dein Geschenk gefällt. Ich denke, ich werde jetzt einen Tee für dich aufsetzen. Du weißt schon, den Tee, den uns Dr. Hoover das letzte Mal gegeben hat“.

Mit Besorgnis bemerkte Nadia den veränderten Blick in Luna’s Augen. Luna graute vor jedem Vollmond und am liebsten verdrängte sie alle Gedanken daran. Doch das Jucken auf ihrem Bauch war mittlerweile leider nicht mehr zu ignorieren und mit einem wütenden „Mist!“ hob sie ihren grünen Strickpullover ein Stück nach oben und sah auf ihren hellhäutigen Bauch. Der Ausschlag hatte sich schon über den ganzen Bauch ausgebreitet: neben vielen kleinen Punkten sah Nadia wie immer auch den größeren roten Punkt in der Mitte. Fast sah es so aus, als wäre Luna von vielen kleinen und einer großen Mücke gestochen worden. Jeden Monat bei Vollmond wiederholten sich diese Symptome bei Luna. Komischerweise war der Ausschlag jedoch immer am ersten Tag nach Vollmond wieder völlig verschwunden.

Keiner der vielen Ärzte, die Luna mit ihrer Mutter aufgesucht hatte, hatte eine vernünftige Erklärung dafür. Stress aufgrund der Schlaflosigkeit und Nervosität am Vollmond war die einzige Theorie der vielen Mediziner. Zumindest konnte der Tee von Dr. Hoover Luna seit einiger Zeit doch etwas helfen. Luna wurde dadurch etwas ruhiger und die Punkte juckten meist nicht mehr ganz so arg.

Nadia ging in die Küche, während Luna ihr ganz hastig hinterher rannte

„Ich muss morgen sofort zu Dan und ihm die Karte zeigen. Der wird Augen machen!“

Kater Tom stieß ein ersticktes Fauchen aus, da sich Luna gerade auf den Stuhl setzten wollten, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte. In ihrer Schussligkeit hätte sie ihn wohl beinahe platt gemacht.

„Was meinst Du, sollen wir heute Nacht das Buch weiterlesen, welches wir das letzte Mal schon angefangen haben?“ fragte Nadia ihre Tochter.

Doch Luna war mit ihren Gedanken schon wieder bei der Sternenkarte und so machte sich Nadia inzwischen ans Aufräumen.

Nachdem sie noch einige Näharbeiten, die sie manchmal für Bekannte gegen ein paar Pfund übernahm, fertig gemacht hatte, kam auch schon Luna im Nachthemd in die Küche mit einem alten, zerfledderten Buch in der Hand. „Peterchens Mondfahrt“ war ihr Lieblingsbuch seit sie 5 Jahre alt geworden war und seitdem gerade in unruhigen oder schwierigen Zeiten für das kleine Mädchen zu einem unentbehrlichen Trost geworden.

„Bitte, bitte, lies mir ein bisschen aus „Peterchens Mondfahrt“ vor“ bettelte sie ihre Mutter und reichte ihr das Buch während sie sich zu ihren Füßen setzte. 

Und so begann Nadia – genauso wie unzählige Male zuvor – aus dem Buch zu lesen. Erst als man durch das Fenster der Küche bereits erste Anzeichen des Morgengrauens entdecken konnte, fiel Nadia das Buch erschöpft aus der Hand in ihren Schoß, denn sie war eingeschlafen.

Luna lächelte, nahm Tom, der bis dahin auf ihren Füßen geschlafen hatte, auf den Arm und ging mit leisen Schritten nach draußen, um ihre Mutter die letzten zwei Stunden bis zum Frühstück nicht aufzuwecken.

Die Sternenkarte

„Huch!“

Nadia erwachte mit einem Schrecken. Tom, der schwarze Kater, war trotz seines hohen Alters auf ihren Schoß gesprungen und miaute nun kläglich nach Futter.

Einen Moment lang wusste Nadia gar nicht, was denn los war, doch dann erinnerte sie sich, dass sie gestern Abend Luna aus dem Buch vorgelesen hatte und dabei wohl eingeschlafen sein musste.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es auch schon Zeit fürs Frühstück war, obwohl sie sich immer noch totmüde und ausgelaugt fühlte.

Mühsam rieb sie sich die Augen, strich sich durch die Haare und schlurfte dann mit matten Schritten an den Herd, um Wasser aufzusetzen.

In selben Moment kam auch schon Luna, bereits fix und fertig gewaschen, angezogen, mit der Haarbürste in der Hand zur Tür hinein.

„Guten Morgen, Mammi! Ich hoffe Du hast zumindest gut geschlafen, wenn es schon nicht lange war! Kannst Du mir bitte die Haare bürsten?“

„Guten Morgen Liebes, schon auf?. Ich muss gestern doch tatsächlich eingenickt sein... na so was. Ich bürste Dir gleich die Haare – lass mich nur noch schnell eine Minute ins Bad, um mich frisch zu machen!“ antwortete Nadia, nicht ohne sich natürlich von Tom’s Miauen erweichen zu lassen und gleich eine Schüssel Trockenfutter vor die Nase zu stellen.

Seltsamerweise war Luna nach diesen durchwachten Nächten überhaupt nie müde. Es war, als würde sie gar keinen Schlaf brauchen in diesen Tagen. Und heute war sie besonders munter, da sie es kaum erwarten konnte, Dan wiederzusehen. Die letzte Schulstunde am heutigen Tag war eine Freistunde und so würde sie dann gleich zu Dan an den Strand zum Fischerhäuschen laufen, um ihm die Sternenkarte zu zeigen. 

Nadia hingegen konnte sich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten, während sie Lunas lange rote Locken zu einem praktischen Zopf kämmte.

 So war Luna ganz zur Abwechslung einmal fix und fertig bereit, als Eve und Alex sie für die Schule abholten. Und da sie so frühzeitig dran waren, trafen sie auch auf Svenia und Lucy und konnten den Geschwistern Smith aus dem Weg gehen.

 Als die Schulglocke dann endlich zur letzten Stunde klingelte und damit für Luna und Alex die Freistunde ankündigte, rannte Luna förmlich aus der Schule und schlug den Weg hinunter an den Strand ein.

 Der alte Fischer lebte seit Jahren ganz allein in dem alten Häuschen mit den blauen Fensterläden am Strand. Nein, nicht ganz alleine – Lupo, sein treuer Wolfshund – begleitete ihn ständig auf Schritt und Tritt und war wohl Dans bester Freund und Begleiter. Zusammen schienen sie sich in ihrer Einsamkeit am Strand ganz wohl zu fühlen.

Alex wollte nie zu Dan mitkommen, da er ihm irgendwie unheimlich war. Doch Luna kümmerte sich nicht darum, sie fand Dan unter seiner rauen Schale liebenswert. Denn gerade die etwas wilde, graue Mähne und die von Arbeit, dem Wind, Sonne und Salzwasser gezeichneten Gesichtszüge Dans faszinierten sie.

Schon aus einiger Entfernung konnte sie ihn am Strand entdecken, wie er gerade versuchte die alten Fischernetze von Algen und anderem Gewächs zu säubern und Lupo ihm dabei versuchte zu helfen, indem er an am anderen Ende des Netzes zog. Schon von weitem rief sie den beiden zu und rannte ihnen entgegen. Dan hob erstaunt den Kopf.

 „Ja Mädchen, was machst Du denn heute jetzt schon hier? Warum bist Du nicht in der Schule? Weiß Deine Mutter überhaupt davon?“

„Aber Dan, wir haben heute eine Freistunde, weil Mrs. Andersson immer noch im Krankenhaus liegt – toll, nicht? Entschuldige, meinte natürlich nicht, dass es toll ist, dass sei krank ist, sondern nur, dass wir deshalb früher aus der Schule konnten. Aber ... aber ich habe dir eine viel, viel, viel wichtigere Überraschung mitgebracht! Ich konnte es kaum erwarten, sie dir zu zeigen...“

Luna rannte noch während sie übersprudelnd vor Freude redete voraus in das kleine Fischerhäuschen. Lupo folgte ihr, sprang an ihr hoch und versuchte Streicheleinheiten zu ergattern. Dan erhob sich und folgte ihr, wie immer ohne viele Worte.

 „Willst du wissen, was meine Mama mir zu meinem Geburtstag gestern geschenkt hat? Oh ich bin ja so aufgeregt! Stell Dir vor, ich habe die Sternenkarte bekommen, die ich mir so sehr gewünscht hatte! Sieh nur!“ plapperte Luna und zog triumphierend die dünne dunkelblaue Kartonbox mit der Sternenkarte hervor.

„ Die musst du dir ansehen!“

Mit größter Vorsicht und Ehrfurcht entfaltete Luna die neuen und noch ganz glatten Seiten Papier.

Dan, der gerade begonnen hatte, das Teleskop zu putzen, hielt plötzlich inne und blickte auf die Karte. Ein Lächeln erhellte sein Gesicht und er setzte sich zu Luna.

„Dann kann ich die alte Karte ja endlich wegwerfen. Aber lass mich zuerst mal schauen, ob dieses Ding auch wirklich etwas taugt“ brummte er. Schließlich wollte Dan ja auch nicht allzu aufgeregt vor dem kleinen Mädchen klingen, obwohl man auch ihm die Freude an den leuchtenden Augen anmerken konnte.  

Es dauerte keine fünf Minuten und Dan, der sonst so wortkarge und nüchterne Fischer, verwandelte sich in einen geschwätzigen und aufgeregt erzählenden alten Mann.

„Sieh nur hier der große Wagen – genauso haben wir ihn das letzte Mal am Himmel beobachten können“ schwärmte er. Voller Stolz blickte er dabei auf sein Teleskop in der Ecke des Raumes. Es war ein sehr schönes und großes Teleskop in den Farben gelb und Schwarz und Dan konnte Stunden damit zubringen, es zu reinigen, zu pflegen und die bestmöglichste Position im einzigen Zimmer seiner Hütte zu suchen. Es war das Wertvollste, das er besaß und es war somit auch der tollste Einrichtungsgegenstand seines Hauses. Dabei war es ein bloßer Zufall gewesen, dass er in den Besitz des Teleskops gekommen war. Ein Schiff, gefüllt mit den verschiedensten Dingen aus aller Welt war vor fast zwei Jahren irgendwie und auf sehr mysteriöse Art und Weise in einer stürmischen Nacht an „seinem Strand“ auf Grund gelaufen. So lag es seither als Teil der Strandsilhouette etwas abseits im seichten Wasser. Die Fracht, die der große Kahn an Bord gehabt hatte und die gerettet werden konnte, musste in Lastwägen zum Weitertransport umgepackt werden. Nur dieses Teleskop mussten die Schiffsleute irgendwie in der Eile vergessen haben, denn am nächsten Morgen lag es noch immer am Strand, teilweise im Sand begrabe. Es hatte einige Kratzer abbekommen und musste natürlich gereinigt werden, doch ansonsten war es noch wie neu.

Luna rief plötzlich „Sieh doch! Hier sind auch die Planetoiden eingezeichnet! Ich kann Hermes und Eros sehen!“

 Lange studierten Luna und Dan die Sternenkarte und stellten dabei fest, dass in der alten Karte viele Dinge noch gar nicht verzeichnet waren. Es musste wohl eine sehr alte Karte gewesen sein.

„Gott sei Dank haben wir jetzt eine neue Karte. Stell dir nur vor, wie viele Dinge es gibt von denen wir erst gar nichts wussten“

„Die müssen wir jetzt alle am Himmel finden“ lächelte Dan.  Auch er war ganz begeistert von der Karte und seiner einzigen, kleinen Freundin.

Plötzlich erhob sich Dan.

„Ich habe etwas für Dich, Luna. Warte hier, ich hole es“

Der alte Fischer verschwand hinter dem Haus und kehrte nach kurzer Zeit mit einem großen Gegenstand in der Hand zurück. Er war in Zeitungspapier gewickelt und trug eine Masche aus Seetang; Dan hatte sich also tatsächlich selbst die Mühe gemacht, das Geschenk zu verpacken.

 „Darf ich es gleich aufmachen?“

„Wenn Du willst, nur zu!“

Das lies sich Luna natürlich nicht zweimal sagen. Vorsichtig und doch voller Ungeduld versuchte sie das Päckchen zu öffnen. Als sich dann endlich das Zeitungspapier löste, legte es den Blick auf eine riesige, wunderschöne Muschel frei.

„Oh danke, Dan! Danke!“ stammelte Luna und fiel Dan, der seine Verlegenheit kaum verbergen konnte, um den Hals. Dan, der so etwas einfach nicht gewohnt war, wusste erst gar nicht, was er machen sollte und so drückte er sie einfach fest an sich, bis Luna fast keine Luft mehr bekam.  Und auch Lupo wollte an der Umarmung teil haben und drückte sich zwischen die beiden.

„Ups, tut mir leid, wenn ich dich zu fest gedrückt habe“ stammelte Dan ganz verlegen und mit hochrotem Kopf.

Er wusste genau wie sehr Luna immer wieder von den schönen Muscheln am Strand gesprochen hatte. Schon seit Jahren sammelte sie die besonders schönen Exemplare. Jetzt konnte er ihr eine ganz besondere Muschel schenken. Erst vor wenigen Wochen hatte er sie weit draußen, auf einer kleinen Sandinsel gefunden und gleich an seine kleine Freundin gedacht.  

 „Die werde ich sofort in meinem Zimmer aufstellen und dann kann ich immer an dich denken. Danke vielmals“

 Mit vereinten Kräften brachten Luna und der alte Fischer dann das Teleskop nach draußen an den, wie sie immer sagten, besten Platz weit und breit zum Sternebeobachten. Es war nicht so, dass Dan das Teleskop nicht leicht alleine tragen hätte können, vielmehr bestand Luna darauf, mit anpacken zu dürfen.  Die Dämmerung war bereits hereingebrochen und obwohl immer noch fast Vollmond herrschte, konnten sie die ersten leuchtenden Punkte erkennen und auch gleich auf ihrer neuen Karte bestimmen.

„Dieser blöde Vollmond“ murmelte Dan „stiehlt uns durch seine Helligkeit den Blick auf all die kleinen Sterne“

„Sag sowas nicht – ich finde den Mond so wunderschön! Und ich könnte ihn stundenlang beobachten mit all seinen Kratern und Löchern an der Oberfläche, die wie Verletzungen aussehen!“

Lande saßen die beiden gemeinsam mit dem treuen Hund Lupo noch eine ganze Weile einträchtig auf dem großen Stein am Strand und blickten in den Himmel.

Das allerschönste waren die zwischendurch immer wieder kurz aufglühenden Sternschnuppen, die, wie Luna bereits gelernt hatte, auch Meteore genannt wurden. Sie waren zumeist kleine Staubteilchen, die in die obere Erdatmosphäre eindrangen und deshalb verglühten. Dabei brachten sie die Luft zum Leuchten. Wären diese Staubteilchen jedoch um einiges größer, so könnten sie die Erdatmosphäre relativ unbeschadet durchqueren und auch auf die Erde stürzen.

Luna malte sich immer wieder aus, wie es denn wäre, wenn solch ein Meteorit direkt auf die Erde stürzen würde. Dan hatte ihr einmal erzählt, dass aufgrund eines solchen Meteoriteneinschlages vor Millionen von Jahren die Dinosaurier ausgestorben waren. Riesige Mengen an Staub und Asche wurden in die Atmosphäre geschleudert und verdunkelten für lange Zeit den Himmel. Dies war der sichere Tod für viele Tiere und Pflanzen.  

 Heute genoss Luna aber den Anblick des wunderbaren Sternenhimmels ohne weitere Gedanken. All die kleinen und großen Punkte am großen Firmament waren so unglaublich und beeindruckend, dass sie sich einfach nichts Schöneres vorstellen konnte, als hier zu sitzen.

Heute bot sich durch das Teleskop natürlich auch ein besonders schöner Blick auf den Vollmond. Riesige Krater, Hügel und ein unglaubliches Licht konnte Luna durch das Teleskop auf dem Mond entdecken. Luna liebte den Mond – auch wenn er in dieser Phase eine schwierige Nacht für Luna ankündigte. Und während das Mädchen langsam die herbstliche Kälte spürte, fiel ihr plötzlich die Uhr ein! Erschrocken bemerkte sie, dass es schon viel zu spät geworden war – sie hatten völlig die Zeit vergessen.

 Viel zu schnell musste sich Luna bei Dan und Lupo verabschieden, nicht natürlich ohne sich nochmal für die tolle Muschel zu bedanken, die sie gleich in ihre Schultasche steckte. So schnell sie konnte, lief sie den Weg über die Klippen hoch in Richtung zuhause. Luna wusste, dass sie viel zu spät dran war.

 Entsprechend sauer wurde sie auch von ihrer Mutter bereits an der Haustür erwartet.

„Wo bist du denn so lange gewesen? Du weißt ganz genau, dass Du spätestens um sieben Uhr zu Hause sein sollst. Und vor allem am Strand ist es viel zu gefährlich um diese Zeit. Mein Gott, wie oft soll ich dir das jetzt noch sagen!“

Luna schaute ihre Mutter schuldbewusst und  mit einem herzerweichenden Blick an

„Aber .. ich ... wir haben einfach völlig die Zeit vergessen Mammi. Es tut mir wirklich leid. Aber die Sternenkarte.. und die Sterne...  und am besten sieht man sie erst, wenn es dunkel ist. Und schau mal was mir Dan geschenkt hat. Ist die Muschel nicht toll? Ich verspreche, es wird nicht wieder vorkommen“

Doch es half alles nichts: an diesem Abend musste Luna sofort und ohne Gutenacht-Geschichte ins Bett. Irgendwie war das aber heute nicht so schlimm. Das kleine rothaarige Mädchen war einfach immer noch viel zu glücklich: glücklich über ihre Karte, die Muschel und darüber, die Sterne und den Mond beobachten zu können; und voller Vorfreude, bald wieder mit Dan durch das Teleskop zu schauen.  

Luna  nahm die Muschel und platzierte sie direkt auf ihrem Nachtkästchen.

Immer Ärger in der Schule

Es war gut, dass Lunas Mutter schnell verzeihen konnte. Am nächsten Tag hatte sie allen Ärger und alle Besorgnis bereits vergessen und erwartete Luna mit Toast und Rührei.

 „Na, hast Du gut geschlafen? Ich kann mir denken, dass Du von den Sternen geträumt hast, oder?“ neckte sie ihre Tochter.

Luna grinste. Sie  hatte tatsächlich eine ganze Unmenge wirrer Dinge geträumt – von Sternen, dem runden, vollen Mond und da war doch noch etwas -  doch sie konnte sich nicht mehr genau erinnern. Die Gestalt eines großen Mannes geisterte ihr noch im Kopf herum. Sein Gesicht konnte sie im Traum nicht erkennen. Aber die Erinnerung an ein gutes Gefühl stieg in ihr hoch: ein Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit. Seltsam. Luna wurde durch Tom unsanft aus ihren Gedanken hochgeschreckt, der just in diesem Moment auf ihren Schoß hüpfte und sie anschnurrte. Luna streichelte ihm zärtlich über das süße Köpfchen und Tom schmiegte sich an sie. Irgendwie konnte der Kater wohl Stimmungen und Gefühle spüren.

Luna hob den Kater von ihrem Schoß, stand auf und setzte ihn zurück auf den Stuhl. Dann packte sie ihre Schultasche. Sie konnte es kaum erwarten Dan wieder zu besuchen. Und als könne ihre Mutter ihre Gedanken lesen hörte sie: „Und nicht, dass du daran denkst, heute wieder an den Strand zu gehen! Du hast Hausarrest – das weißt Du ganz genau!“

Luna verzog das Gesicht. Verdammt – sie hatte sich doch so darauf gefreut! Luna wusste allerdings, dass daran nun nicht mehr zu rütteln war – in diesem Punkt war mit ihrer Mutter nicht zu scherzen. Strafe war Strafe. Lunas einzige Hoffnung war, dass sich bis morgen die Wogen wieder glätten würden und sie dann ihren Freund, den alten Fischer und die Sterne wiedersehen durfte.

Das rothaarige Mädchen sah durch das Fenster wie Alex und Eve bereits draußen vor dem Zaun warteten. Irgendwie hatte Luna heute ein etwas flaues Gefühl im Magen. Wie Schuppen fiel es ihr von den Augen, dass sie doch gestern in all der Aufregung völlig ihre Hausaufgaben vergessen hatte. Inständig hoffe sie, dass sie in der Schule noch schnell das wichtigste von jemandem Abschreiben konnte.

 Luna küsste ihre Mutter noch zum Abschied und streichelte Tom im Vorübergehen, bevor sie aus dem Haus rannte. Schon konnte sie Alex mit den Worten hören:„Ich hoffe, Du hast die Mathe-Aufgaben gemacht. Ich hab nämlich gehört, dass Frau Andersson wieder gesund und in der Schule sein soll. Und ich hab beim besten Willen diese Aufgaben nicht richtig rausgekriegt. Mist!“

Luna schluckte. Sie hatte bei Frau Andersson ohnehin keinen allzu guten Stand und jetzt auch das noch. Eve wollte die beiden Freunde beruhigen, doch Alex und Luna verkniffen sich einen Kommentar – schließlich war Eve zwar wegen ihres Fleißes, nicht aber wegen ihrer tollen Leistungen in Mathe bekannt.

 Auf dem Weg in die Schule versuchten sie sich abzulenken und Luna erzählte davon, wie sie den gestrigen Nachmittag am Strand verbracht hatte.

„Ich verstehe überhaupt nicht, wie Du soviel Zeit mit diesem komischen alten Fischer verbringen kannst“ maulte Eve.

„Also für mich ist der voll unheimlich“

Und für Alex war es sowieso unerklärlich, wie man denn stundenlang auf leuchtende Punkte am Himmel starren konnte.

 Kaum waren die drei Freunde in der Schule angekommen, lief ihnen auch schon Frau Andersson mit vertraut strengem Blick über den Weg. Wie immer hatte sie ihre mausbraunen, dünnen Haare zu einem strengen Dutt nach hinten gebunden. Sie trug ein schwarzes, bis nach oben hin geschlossenes langes Kleid, das wie alle ihre Anziehsachen stets nach Mottenkugeln roch. Nur etwas blasser war sie geworden, fand Luna. Und noch was... sie sah nochmals auf Frau Andersson und einen Augenblick lang lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Vielleicht war es deshalb, weil sie krank gewesen war, vielleicht aber auch etwas anderes. Irgendetwas war anders: die sonst so spöttischen grauen Augen von Frau Andersson blicken sie lediglich leer und kalt an.

Luna dachte mit Schrecken an das Donnerwetter, das sie erwarteten würde, wenn ihre Lehrerin entdeckte, dass sie ihre Aufgaben nicht gemacht hatte.

 Widerwillig und sichtlich angespannt gingen Luna und Alex mit gesenktem Kopf in die Klasse und setzten sich auf ihre Plätze. Wie gerne hätten sie mit Eve getauscht, die sich auf eine Turnstunde in der Halle jetzt freuen konnte.

 Frau Andersson begann ihren Unterricht wie immer, indem sie alle Schüler der Klasse namentlich aufrief, um die Anwesenheiten zu kontrollieren. Danach stand sie auf.

 „So, heute werden wir uns mit Geometrie beschäftigen. Bitte schlagt eure Bücher auf Seite 105 auf“.

Luna atmete beinahe hörbar auf. Hatte sie die Aufgaben ganz vergessen? Wahrscheinlich konnte sie sich wirklich nicht mehr daran erinnern, was sie ihren Schülern vor ihrer Krankheit aufgegeben hatte. Doch Luna hatte nicht mit Jessy, der Klassenstreberin, gerechnet. Mit Übereifer hob diese die Hand und machte sich bemerkbar.

„Ja Jessy, was gibt es?“

„Frau Lehrerin, möchten sie nicht vorher unsere Hausaufgaben kontrollieren? Sollen wir diese abgeben oder mit der Klasse gemeinsam verbessern?“

Jessy setzte ein wahrhaft mustergültiges Lächeln auf und ihre blonden Engelslocken umrahmten ihr hübsches Gesicht. Mindestens die Hälfte der Klasse hätte sie in diesem Moment mit giftigen Blicken töten wollen, Mable, ihre Banknachbarin, versetzte ihr einen solchen Seitenhieb, dass sie nur mit Mühe ein Stöhnen unterdrücken konnte.

„Setz dich Jessy, die Hausaufgaben können warten. Heute machen wir erst mal weiter“

Frau Andersson drehte sich einfach ausdruckslos der Tafel zu.

Von allen Seiten hagelte es Papierkügelchen und böse Blicke in Richtung Jenny. Doch am meisten ärgerte sich die Musterschülerin darüber, dass ihre sicherlich ausgezeichneten Aufgaben keine Würdigung und Anerkennung erfuhren.

 Den Rest der Stunde versuchten alle Schüler verzweifelt irgendetwas von all dem, was Frau Andersson auf die Tafel zeichnete, mitzuschreiben oder auch nur zu verstehen. Selbst Jessy blickte bald nur mehr resigniert auf ihr Schulbuch. Als schließlich die erlösende Schulglocke zu hören war, ging Frau Andersson mit den Worten „Und morgen werde ich zwei Schüler zu diesem Stoff prüfen“ ohne sich nochmals umzublicken aus der Tür.

 „Uff“

Luna sank in ihren Stuhl.

„Das kann doch nicht wahr sein. Ich habe heute überhaupt nichts verstanden! Du etwa?“ Stirnrunzelnd sah sie Alex an, der einen leicht dümmlichen Blick in den Augen hatte.

„Keine Ahnung, was die Schreckschraube heute wieder hatte. Die war wohl etwas zu lange krank, wahrscheinlich im Kopf!“

Alex warf sein Matheheft zurück in die Schultasche. „Die kann mich mal!“

„Na wenigstens steht jetzt Kunst auf dem Stundenplan – da müssen wir wenigstens nix anstrengendes tun, das ist entspannend“ warf Mable aus der Reihe vor ihnen ein, die gar nicht daran denken wollte, was sie denn nun alles nicht verstanden hatte.

 Am Ende dieses Schultages war Luna ziemlich geschafft. Vor allem aber war sie frustriert, weil sie Dan heute nicht besuchen konnte. Gegen Abend setzte sie sich mit Tom auf die Bank unter dem Nussbaum vor dem Haus und blickte in den Himmel. „Ach könnte ich doch bloß dort oben bei den Sternen sein! Wie das wohl wäre? Was meinst Du Tom?“

Sie sah den alten Kater, der sich auf ihrem Schoß zusammengerollt hatte an. Tom blickte mit zusammen gekniffenen Augen hoch und gab ein leises „Miau“ von sich als hätte er genau verstanden.

„Es heißt zwar immer, dort im Weltall gäbe es nichts ... ich meine nichts außer den Sternen und Kometen und Planeten und Monden, ich meine keine Menschen und Tiere und so, aber irgendetwas anders muss es da draußen doch auch noch geben“

Luna seufzte.

„Vor allem muss es wunderschön da oben sein. Da bin ich mir ganz sicher“.

Die Vollmondnact

„Jetzt lauf doch nicht so schnell“ Alex keuchte und versuchte, mit Luna schrittzuhalten.

Luna lachte. Sie war froh, endlich aus der Schule zu kommen und wollte einfach nur schnell nach Hause. Es war ungewöhnlich warm heute, ja fast sogar schon heiß – etwas das im kleinen Dancock selbst für Sommerbeginn recht ungewöhnlich war.

Luna genoß zwar die Wärme, andererseits bedeutete der Sommer, dass ihr sehr viel weniger Zeit zum Sternebeobachten mit Dan blieb. Die Nacht brach erst sehr viel später herein und erst dann konnte man die Sterne am Himmel erkennen. Und leider musste Luna immer zu einer fest gesetzten Zeit wieder zu Hause sein, damit sie nicht zu spät ins Bett kam.

. „Na komm schon Du lahme Ente. Mamma wartet sicherlich schon mit dem Essen auf uns“. Das kleine rothaarige Mädchen lief so schnell, dass sie beinahe über eine Wurzel stolperte.

Alex durfte heute den Nachmittag bei Luna zuhause verbringen und war zuvor noch zum Mittagessen eingeladen worden. Er war immer gerne bei den Parkers und dies nicht nur, weil Lunas Mutter weitaus besser kochte als die seine.

 Als Luna und Alex ins kleine Haus der Parkers am Ende der Straße stürmten, empfing sei dort bereits der köstliche Duft von ofenfrischer Lasagne. Alex hatte es so eilig aus seinen Schuhen zu schlüpfen und seine Schultasche in die Ecke zu werfen, dass er beinahe Tom, den Kater, dabei getroffen hätte.

„Hallo Frau Parker. Oh Mann, riecht das hier lecker!“ Alex stürmte schon an ihr vorbei in die Küche und  versuchte gleich, einen Blick in den Backofen zu werfen, in welchem die Lasagne vor sich hin brutzelte.

„Hallo Kinder. Na, ich hoffe ihr habt auch ordentlichen Hunger mitgebracht“. Nadia lächelte und strich ihrer Tochter liebevoll über die wuscheligen Locken.

 Luna folgte Alex in die Küche und nahm unterwegs gleich den etwas beleidigt blickenden Tom mit auf den Arm.

„Hey Mami. Klar haben wir Hunger. Außerdem war es heute in der Schule wiedermal fürchterlich langweilig und Alex wurde zu allem Überfluss auch noch von Frau Andersson geprüft. Eine knappe vier hat sie ihm verpasst. Die alte Schreckschraube! Seit ihrer Krankheit ist sie noch viel schlimmer geworden.“

„Naja, Mathematik ist leider nicht so einfach“ meinte Lunas Mama „Bevor wir essen, wascht euch aber bitte noch gleich die Hände, Kinder!“

 Als die Beiden eine Minute später wieder in der Küche standen, wusste Nadia zwar genau, dass das Händewaschen wohl mehr eine Katzenwäsche gewesen sein musste, doch sie ließ es für heute mal gut sein.

Einträchtig saßen Alex und Luna am Tisch und verspachtelten kurz darauf mit ziemlich hörbarem Genuss jeweils ein großes Stück Lasagne. Für einige Minuten vergaßen die beiden sogar das Reden, während Tom bittend und bettelnd um ihre Füße strich.

„Mami, war das lecker. Das könntest du wirklich öfter machen“ verkündete Luna schließlich, nachdem sie den letzten Bissen mit Genuss hinuntergeschluckt hatte.
“Und dann wird es nichts Besonderes und es schmeckt nicht mehr. Außerdem ist es eine Heidenarbeit!“ gab ihre Mutter ihr zu verstehen.

„Dankeschön Frau Parker.“ sagte Alex so artig, dass Luna schon kichern musste. Er nahm seinen Teller und sein Glas und brachte es zur Spüle, genauso wie Luna es immer tat. Alex wusste, dass es bei Luna zuhause selbstverständlich war, dass jeder seinen Teil selbst erledigte, also brauchte man ihn gar nicht erst dazu aufzufordern. Nadia lächelte „Dankeschön Kinder. Den Abwasch erledige ich heute schon alleine. Macht euch an eure Hausaufgaben. Ich glaube vor allem du, Alex, hast es ja wahrscheinlich nötig nach deiner Leistung heute bei Frau Andersson“

Alex wurde ganz rot vor Verlegenheit und suchte vergeblich nach einer Erwiderung.

Bevor er noch verlegener werden konnte, schleppte Luna ihn aus der Küche, sie schnappten sich ihre Schultaschen und verdrückten sich aufs Zimmer, damit sie sich an die Hausaufgaben machen konnten.

„Toll, wo hast Du diese Muschel her?“ Alex nahm vorsichtig eine riesige, weiß schimmernde Muschel in die Hand, die auf Lunas Nachttisch lag. Sie war wunderschön und wenn man sie im Sonnenlicht drehte,  veränderte sich ihre Farbe.  

 „Dan hat sie mir geschenkt. Er ist nicht so schrecklich, wie ihr immer glaubt!“

Alex murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und kramte in seiner Schultasche, um die richtigen Hefte heraus zu suchen.

Miteinander kamen sie ziemlich schnell voran – Luna half Alex bei den Geometrieaufgaben, Alex half ihr dafür beim Englischaufsatz.

Kaum war alles erledigt, schob Luna mit Schwung die Sachen beiseite und machte ihre Stereoanlage an. „Schieb doch mal die neue CD rein, die du damals zum Geburtstag bekommen hast“ verlangte Alex, während er aus seiner Schultasche die neueste Ausgabe eines rabenschwarzen Comics herauszog. Alex und Luna liebten diese Comics, wohl auch deshalb, weil sie blutrünstig gezeichnet waren und die Erwachsenen sie so gar nicht gerne sahen. Und während harte Rockmusik aus den Boxen dröhnte steckten die beiden ihre Nase in den Comic.

Irgendwann war das Heft ausgelesen und Luna und Alex beschlossen, noch eine Runde rollerbladen zu gehen. Alex hatte seine Inliner bei Luna deponiert, da sie am liebsten gemeinsam ihre Runden machten. Schnell holten sie die Schuhe aus dem Keller und holten danach Eve vom Haus gegenüber ab. Ganz in der Nähe gab es einen schönen Parcours zum rollerbladen und die drei amüsierten sich zwischen Wettrennen, Stürzen und Lachen köstlich, bis ihnen die die Beine aber auch die Bäuche weh taten.

 Zwei Stunde später kam Luna erschöpft, aber glücklich wieder nach Hause. Nadia war noch im Garten beim Unkrautjäten und begrüßte ihre Tochter mit einem liebevollen Kuss.

„Ich kann nur hoffen, dass ihr vorher eure Hausaufgaben gemacht habt“

„Klar doch, Mami“. Genervt verzog Luna das Gesicht und lief ins Haus.

Nadia richtete sich auf und sah in den Himmel. Sie runzelte die Stirn. Eine Vollmondnacht war im Aufbruch und sie sah den Mond bereits bedrohlich rund und hell leuchtend am Himmel stehen. Nadia Parker schüttelte den Kopf, folgte ihrer Tochter ins Haus und machte sich ans Abendessen.

 Langsam brach die Nacht herein. Der Vollmond strahlte heute ganz ungewöhnlich hell, sodass er alles in ein eigenartiges Licht tauchte. Nadia hatte sich mit dem seltsamen Verhalten ihrer Tochter in solchen Nächten bereits abgefunden. Sorgen machte sie sich aber trotzdem, denn bereits jetzt ahnte sie, dass die heutige Nacht wohl besonders schlimm werden würde.

So versuchten Mutter und Tochter es sich nach dem Essen auf der Terrasse vor ihrem Haus gemütlich zu machen. Gemeinsam betrachteten sie den Himmel und Luna zeigte immer wieder auf einzelne Sterne und benannte sie. Besonders liebte sie XXXXXx

Jede Ablenkung war willkommen, um den Juckreiz am Bauch von Luna in  Grenzen zu halten.

Gemeinsam hofften die beiden darauf, eine Sternschnuppe zu entdecken.

„Dann könnten wir uns etwas wünschen“ seufzte Luna. Doch auch während es später und später wurde, war immer noch keine einzige Sternschnuppe weit und breit zu sehen.

Irgendwann hörten sie die alte Kirchturmuhr aus dem Dorf 11 Uhr schlagen und es wurde ihnen langsam kalt.

„Lass uns reingehen – ich mach uns einen Tee“ sagte Nadia, während sie Luna an die Hand nahm.

Gerade als sie aufstanden, um in Haus zu gehen, blitzte plötzlich etwas Helles, Leuchtendes vom Himmel: eine wunderschöne, große Sternschnuppe wie sie sie noch niemals zuvor gesehen hatten.. Schnell schlossen Luna und ihre Mutter die Augen, um sich von ganzem Herzen etwas zu wünschen. Als die Schnuppe schließlich ganz verglüht war, sahen sich beide mit einem Lächeln auf den Lippen an. Ihren Wunsch konnten sie einander nicht mitteilen, sonst würde er nicht in Erfüllung gehen, doch es war ein schönes Gefühl, sich gemeinsam etwas zu wünschen.

Nadia bemerkte sofort das ungewöhnliche Leuchten in den Augen ihrer Tochter. Lunas Augen glänzten und blitzten noch blauer als sonst. Und da war noch etwas: eine Ruhe. Luna strahlte kein bisschen mehr von der Nervosität aus, die sie sonst an solchen Tagen zeigte. Sie wirkte auf ihre Mutter plötzlich ruhig und gelassen, als seien alles Sorgen von ihr gewichen.

„Alles in Ordnung mit Dir, mein Mädchen?“

„Ja, Mami. Ich bin nur müde, richtig müde. Ich glaube, ich gehe jetzt besser ins Bett“.

Und als sei es das normalste der Welt küsste Luna ihre Mutter, wünschte ihr eine gute Nacht und ging in ihr Zimmer.

 Nadia sank in ihren Stuhl in der Küche. Sie zwickte sich in den Arm. Aua! Sie träumte also nicht. Und trotzdem: war das gerade alles wirklich passiert? Warum war ihre Tochter nicht wie sonst an den Tagen des Vollmonds unruhig, nervös und angespannt? Warum konnte sie heute schlafen?

Sollte der allmonatliche Horror nun einfach so aus und vorbei sein, von einem Augenblick auf den anderen? Nadia wagte dies gar nicht zu hoffen.

Aber als sie zehn Minuten später in Lunas Zimmer ging, sah sie diese bereits tief und fest, mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht schlafen. Es war das erste Mal seit sie denken konnte, dass ihre Tochter um 23:47 Uhr in einer Vollmondnacht bereits ruhig und entsannt schlief.

Sie verließ wieder auf Zehenspitzen das Zimmer, um Luna ja nicht wieder aufzuwecken und ging selbst mit vielen Gedanken im Kopf ins Bett.

 Als die Glocke der Dorfkirche von Dancock 12 Uhr schlug, wurde es ganz ruhig um das kleine, gelbe Haus der Familie Parker. Niemand bemerkte es, doch plötzlich wehte kein Lüftchen mehr, die Stille war zum Greifen und es war, als würde die Welt für einen Augenblick still stehen.

Aus dem Wald, neben dem Haus der Parkers, blitzte plötzlich ein kleines, schwaches Licht, das jedoch langsam immer stärker wurde. Es hatte eine eigenartige Farbe, leicht bläulich, so wie manchmal der Mond leuchtete, wenn kleine Wolken oder Nebel ihn sanft umhüllten. Und mit dem Licht kam plötzlich und ganz unerwartet ein heftiger Windstoß, der so kräftig war, dass er das wohl nicht ganz richtig verschlossene Fenster in Lunas Zimmer einfach aufriss.

Luna schreckte hoch. Nicht etwa, weil das Geräusch des plötzlich aufgerissenen Fensters sie geweckt hätte. Nein, all dies war völlig lautlos geschehen. Vielmehr hatte Luna etwas Merkwürdiges geträumt und sie fühlte sich eingehüllt in einen eiskalten und dann plötzlich ganz warmen Lufthauch. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Zitternd und zaghaft glitt sie lautlos aus ihrem Bett und tappte mit ihren kleinen, nackten Füßchen zum Fenster, verschloss es in Windeseile und hüpfte in ihr Bett zurück. Dabei sah sie sich nicht um, sondern blickte nur auf den Boden. Luna war hellwach. Sie hatte das Gefühl, als wäre jemand oder irgendetwas in ihrem Zimmer. Ohne sich noch einmal umzusehen verkroch sie sich unter die Decke und versuchte krampfhaft ihre Augen zuzudrücken. Sie hatte Angst! Was war hier los?

Sie wollte schlafen, wollte niemanden sehen, wollte nichts hören. Doch was immer auch hier ins Zimmer durch das aufgerissene Fenster gelangt war, es stand jetzt wohl direkt vor ihr – Luna fühlte es ganz deutlich.

Schreckliche Angst schnürte ihr die Kehle zu und ihre Gedanken rasten. Was sollte sie nun tun? Sollte sie versuchen, so schnell wie möglich zur Tür hinauszulaufen und nach ihrer Mutter zu schreien, oder sollte sie sich weiterhin ganz ruhig verhalten. Sie konnte gar nicht anders: sie öffnete ihre Augen, nur einen ganz, ganz kleinen Spalt breit….. und dann…. ganz plötzlich...... !

Luna erstickte ihren Schrei mit der Bettdecke, an die sie sich mit verkrampften Händen die ganze Zeit festgehalten hatte. Sie riss die Augen auf, kniff sie wieder zu, öffnete sie wieder.. aber er war immer noch da!

Ein fremder Mann stand in ihrem Zimmer, direkt vor ihrem Bett! Doch obwohl er durch seine Größe und mit seinen schwarzen, kurzen Haaren sowie dem langen, schwarzen Umhang bedrohlich wirkte, fiel ein großer Teil ihrer Angst plötzlich von ihr. Sie hatte diesen Mann noch niemals zuvor gesehen. Doch sie spürte und wusste intuitiv ganz genau, dass von ihm keine Gefahr für sie ausging. Das wusste sie ganz einfach in dem Moment, als sie in seine blauen Augen unter dem großen schwarzen Hut mit der breiten Krempe blickte. Es waren Augen in derselben Farbe wie die ihren!

Luna öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie brachte keinen Ton mehr heraus.

Der schwarze Mann mit den blauen Augen lächelte.

„Hast Du mich erkannt, mein Kind?“

Seine Stimme war tief und leise und umhüllte sie, als befänden sie sich in einer Wolke.

Luna fand ihre Stimme wieder. „Du, Sie ähm.. Du .. bist Du .. nein, das kann gar nicht sein!“

Sie stotterte und zitterte, jetzt nicht mehr aus Angst, sondern vor lauter Aufregung und Spannung.

Konnte denn das wirklich war sein? Stand plötzlich, nach 12 Jahren wirklich und wahrhaftig ihr Vater vor ihr? Nein, das musste ein Traum sein. Sowas war nicht möglich. Ein verschwundener Vater würde doch nicht einfach so nach 12 Jahren mitten in der Nacht durch ein Fenster klettern.

Entweder sie träumte oder sie sollte wohl ihre Mutter um Hilfe vor diesem Unbekannten rufen.

Doch als der Fremde ihre kleine zittrige Hand in seine großen, breiten Hände nahm, fielen alle Zweifel von ihr ab.

„Bist Du es wirklich?? Woher kommst Du so plötzlich? Wo bist Du gewesen? Ich.. ich verstehe nicht“ stammelte Luna, während er sie ganz einfach in seine starken Arme schloss und sie es geschehen ließ.

 „Ich freu mich so, dich endlich in meinen Armen halten zu können, kleine Luna. Wie lange habe ich darauf gewartet. Hab keine Angst, es ist alles gut, es ist alles gut!“ flüsterte er und weinte mit ihr.

 Eine ganze Weile lagen sie sich in den Armen und dann schauten sie einander einfach sprachlos und mit Tränen der Rührung in den Augen an. Luna hatte ihren Vater niemals zu vor gesehen, nicht einmal ein Foto hatte sie, da es keines von Michael gab. Einzig und alleine die Erzählungen ihrer Mutter hatten ihr einen Eindruck von ihrem Vater vermittelt, die ihm jedoch nicht im mindestens gerecht wurden.

 Nachdem Vater und Tochter ihre Tränen getrocknet hatten, schossen die vielen, vielen Fragen, die Luna schon so viele Jahre auf dem Herzen lagen nur so aus ihr heraus. Und ihr Vater begann zu erzählen. Er erzählte von der wunderschönen Zeit mit ihrer Mutter, davon, dass er damals einfach fort gehen musste, sie beide jedoch immer in seinem Herzen behielt.

„Ich werde dir alles erklären und du wirst es verstehen – doch das ist eine lange Geschichte“.

„Ich hole Mama! Die wird sich so freuen, dich endlich wiederzusehen! Sie wird es nicht glauben können“.

Michael hielt Luna sanft am Arm fest.

„Nein, Luna. Jetzt ist nicht die Zeit dafür. Lass Deine Mutter schlafen. Ich werde dir alles erklären“ sagte er in sanftem Ton.

Luna blickte ihren Vater mit großen Augen an. Eigentlich verstand sie im Moment so gar nichts mehr.

 „Hast du dich nicht gewundert, dass der heutige Vollmond für Dich so völlig anders ist, als alle bisherigen? Du konntest das erste Mal ruhig schlafen, hab ich recht? Und dein Ausschlag – er ist auch weg, nicht wahr?“

Luna nickte sprachlos und hob verstohlen ihr Nachthemd, um nachzusehen. Tatsächlich, der Ausschlag war weg. Wie konnte ihr Vater das wissen? Wie konnte er überhaupt von ihrem Ausschlag wissen? Er war doch niemals hier gewesen und kannte sie ja überhaupt gar nicht?

 „Ich habe dich immer beobachtet und deinen Weg verfolgt, auch wenn ich weit weg war – aber ich konnte dich sehen, dich beobachten und dich beschützen“.

Luna glaubte immer noch zu träumen. Verstohlen zwickte sie sich in den Arm und sah sich nochmals im Zimmer um. Alles war eigentlich so wie immer und das zwicken tat auch ganz schön weh. War das alles wirklich real?

 „Mein Kind, ich weiß, das ist jetzt alles sehr verwirrend und ich bin Dir auch gar nicht böse, wenn Du mir nicht glauben kannst: aber ich – und auch ein Teil von Dir – kommen nicht von dieser Welt. Wir sind beide nur zu Gast auf diesem Planeten, auf der Erde. Und unsere wirkliche Heimat liegt weit weg von hier. Und von dort komme ich gerade.“

 Was sagte da ihr Vater? War er vielleicht verrückt? War ihm etwas Schlimmes passiert? Sowas konnte er doch nicht im Ernst meinen.

Luna sah ihren Vater an. Er wirkte nicht verrückt und er wirkte auch absolut real. Und nach den Erzählungen ihrer Mutter, war ihr Vater eigentlich ein sehr vernünftiger und guter Mann. Was also sollte das Gerede von wegen sie kämen eigentlich nicht von der Erde?

 „Ich weiß, dass du die Sterne liebst. Auch das hat wohl einen tieferen Grund. Unsere Heimat, der Ort von dem wir kommen.. ist der Mond!“.

 Luna traute ihren Ohren nicht – der Mond? Dieser schöne, aber absolut leere und menschenleere Satellit der Erde sollte ihre Heimat sein? Wie oft hatte sie ihn von der Erde durch Dans Fernglas aus betrachtet, wie oft hatte sie sich gewünscht, dort oder auf einem Stern zu sein. Und jetzt sollte das alles Realität sein?

 Das konnte doch alles gar nicht sein! Doch irgendetwas sagte ihr, dass das ganze doch wahr war und sie hatte nicht den Mut, seine Worte anzuzweifeln.

 „Wir leben nicht auf der Oberfläche des Mondes – wir leben im Inneren des Mondes –  und das ist der sicherste Ort im ganzen Universum“

 Lunas Vater, oder besser gesagt der Mann der sich als solcher ausgab, fuhr mit seiner Erklärung fort, während er die kleine Hand des Mädchens beschützend in der seinen hielt. „Hast du dir den Ausschlag auf deinem Bauch einmal genau angesehen? Es ist nicht irgendein Ausschlag, es ist eine Zeichnung – genauer gesagt ein Sternenbild. Du bist etwas sehr besonderes mein Kind, denn diese Zeichen sind einmalig und sehr mächtig.“  Sehr juckend und störend, dachte Luna sich.

„Wir wissen noch immer nicht, warum ausgerechnet du diese Fähigkeiten hast, doch genau in diesem Sternenbild, das jedes Mal aufs Neue auf deinem Bauch zu sehen ist, öffnet sich zu Mitternacht eines jeden Vollmondes das intergalaktische Zeit- und Raumfenster – das Fenster zwischen der Erde und den Weiten des Alls. Ist dieses Tor geöffnet, können alle Lebensformen ungefährdet auf die Erde reisen.“

Luna war verwirrter denn je: davon hatte sie noch nie etwas gehört und schon gar nicht in der Schule gelernt. Es gab doch keine Zeit- und Raumfenster im All – warum auch?

Allerdings wäre dies natürlich eine Erklärung für das Auftauchen ihre Vaters, klickte es plötzlich in Lunas Kopf.

 „Du hast richtig gedacht: dadurch bin ich heute auf die Erde gekommen. Nur leider benutzen diese Fenster vor allem die bösen Mächte und der dicke Punkt auf deinem Bauch ist jener Stern, von dem aus die Gefahr jeweils drohen kann“.

 Luna schrak zusammen. Ihr Bauch zeigte ein intergalaktisches Tor, zeigte die Mächte des Bösen? Sie hatte das Gefühl in einem Alptraum zu sein und wollte eigentlich nur schnell wieder aufwachen. Was sollte dieser Traum, was geschah denn hier mit ihr? Sie strengte sich an, doch sie wachte nicht auf aus diesem Traum.

Sie spürte wie ihr Vater ihr beruhigend über die roten Locken strich und allmählich wurde sie ruhiger. Behutsam und liebevoll fasste Lunas Vater sein kleines Mädchen ans Kinn und dreht sein Gesicht in seine Richtung. „Hab keine Angst, meine schöne Tochter. Ich bin endlich bei dir“.

Und als Luna ihn erwartungsvoll anblickte, fuhr er fort: „Du weißt es nicht, aber bei jedem Vollmond – und nur dann - kann das Böse zwischen den Planeten im Weltall seinen Standort wechseln“

„Das Böse? Was ist das?“ Luna ruzelte die Stirn. Was sollte das Böse sein? So etwas wie Collin und seine Brüder? Oder die böse Mathe-Lehrerin? Und warum war das Böse im Weltall und wechselt seinen Standort?

„Ich sehe, was Du denkst“ lächelte ihr Vater.

„Genauso wie es das Gute auf der Welt und im Weltall gibt, so gibt es eben auch das Böse. Normalerweise sieht man es nicht – es ist überall verteilt. Hinter Nebel und Wolken kann sich das Böse verstecken. Und wenn sich das Böse in einer Vollmondnacht vereinigen kann, manifestiert es sich als eine einzige Kraft – und wenn es angreift oder eben die Macht übernehmen will, wird es zu einem riesigen, dynamischen Feuerball. Es kann alles verschlingen, alles verbrennen, alles zerstören im Umkreis von unvorstellbarer Reichweite, glaube mir. Sein Licht blendet, seine Hitze brennt, seine Glut lässt schmelzen.

Wo und wie und ob das passiert, das weiß man nicht. Nur eine grün glitzernde Sternschnuppe am Himmel zeugt in einer Vollmondnacht zwischen Mitternacht und 1 Uhr davon, dass die Mächte des Bösen den Planeten Erde betreten haben“

Michael seufzte tief. Luna sah, wie bedrückt und besorgt ihr Vater war und sie wagte kaum zu atmen, so gespannt war sie darauf, dass er weiter erzählte.

„Die Mächte des Bösen wollen alles Gute zerstören. Und sie haben es in weiten Teilen geschafft: wie du wohl weißt gibt es auf allen anderen Planeten unsers Sonnensystems kein Leben mehr. Wir konnten nur mehr die Erde bisher retten – und eben unsere Kolonie im Inneren des Mondes.“

Luna stieß einen erstickten Schrei aus und Michael umarmte sie ganz fest.

„Keine Angst – soweit ist es noch lange nicht! Wir haben jetzt nämlich einen großen Vorteil jetzt: bisher konnten wir das Böse nicht orten. Durch deinen Ausschlag auf deinem Bauch kennen wir nun ziemlich genau den Punkt, von dem aus die erneute Gefahr drohen kann und können so verhindern, dass das Böse hier auf die Erde kommt. “

Luna blickte mit ungläubigen großen Augen ihren Vater an.

„Durch mich?“

„Ja genau, nur durch dich meine Kleine können wir das“ lächelte er.

„Du bist nämlich ein Wunder. Nicht nur für mich, sondern eigentlich für die ganze Menschheit, für das ganze Universum“.

Luna glaubte nun endgültig zu träumen.

 „Du brauchst mich nicht so ungläubig anzusehen. Du hast Fähigkeiten, die weit über alle bisher bekannten hinausgehen. Wir zwei und noch einige treue Anhänger sind hier, um die Mächte des Bösen zu bekämpfen und ihrem Treiben ein Ende zu bereiten. Viel zu lange treiben sie schon ihr tödliches und alles vernichtende Unwesen im All. Unzählige Lebensformen wurden schon vernichtet.  Dass dies auch auf der Erde passiert müssen wir unter allen Umständen verhindern“. Michael blickte mit steinernem Gesicht auf den Boden.

Jetzt war es Luna, die ihre Arme ganz fest um ihren Vater schlang – und irgendwie kam ihr das Gefühl ganz vertraut vor, so als würde sie das jeden Tag tun. Es war ein gutes Gefühl.

„Sag meine Kleine: erinnerst du dich an den Namen Kaalif?“

Luna grübelte und irgendwie hatte sie das Gefühl, diesen Namen schon einmal gehört zu haben, doch wo und warum, daran konnte sie sich nicht erinnern. Sie nickte schwach.

„Nun, das ist unser großer, alter Meister, der gegen das Böse im Weltall mit uns kämpft und versucht, seine Ausbreitung zu stoppen. Auch er lebt im Mond und ist unser aller Oberhaupt“

„Du kennst ihn aus einer lange vor deinem jetzigen Leben liegende zeit. Damals, als du noch nicht als Mensch hier auf der Erde warst, sondern eine körperlose Seele warst, wie jeder andere auch. Er hat dich alle Fähigkeiten, Techniken und Kenntnisse des Universums gelehrt – und durch dein Wesen und dieses Wissen  kannst du Dinge, die niemand sonst außer dir beherrscht.“

Luna blickte auf ihre Füße, ihre kleinen Hände und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie denn damit besonderes machen könnte. Und vor allem konnte sie sich nicht vorstellen, irgendwann nur eine hüllenlose Seele gewesen zu sein. Das konnte doch alles gar nicht stimmen.

„Doch, du kannst mir glauben“ unterbrach ihr Vater ihre Gedanken, der  darin schon wieder wie in einem Buch lesen konnte.

„Dein Wissen ist nur leider tief in dir verschüttet, da bei deiner Geburt nicht alles glatt gelaufen ist. Aber das werden wir schon wieder hinkriegen“.

Luna schossen hunderttausend Fragen durch den Kopf – und keine einzige Antwort.

„Aber.. aber.. was machst Du hier auf der Erde?“ stotterte sie, nachdem sie jetzt endlich ein Wort hervorbringen konnte.

„Mein Kind, ich bin hier, damit ich dir alles beibringen kann, was ich weiß, damit du und wir unsere Erde und das Weltall retten können.“

Michael schaute seiner Tochter tief in die Augen und erkannte das tiefe Wissen, das hinter all dem Schrecken, all der Angst, all der Unerfahrenheit verborgen lag.

„Luna, Du sollst die künftige Hüterin des Alls gegen das Böse sein“.

Die Hüterin des Alls

Luna schüttelte ungläubig den Kopf. Das alles musste ein schreckliches Missverständnis sein. Sie und eine „Hüterin“ des Alls? Sie, das kleine Mädchen mit den roten Locken und den vielen Sommersprossen sollte alle Fähigkeiten dieses Universums in sich haben? Und das mit 12 Jahren?

Ein schlechter Scherz – und wäre Luna nicht dem Weinen nahe, hätte sie jetzt wohl gelacht.

Warum hatte sie dann nicht bessere Schulnoten? Das wäre doch das Mindeste, das sie davon haben sollte, wenn sie schon das Universum retten musste. Luna versuchte sich selbst durch etwas trockenem Humor aufzuheitern.  Das Einzige, das sie selbst als ihre besondere Fähigkeit anerkannte, war die Tatsache, dass sie schneller Lasagne essen konnte als Alex und Eve miteinander.

„Das kann nicht sein! Ich kann nichts Besonderes  - und bin auch nichts Besonderes“ wiederholte sie trotzig.

Streng blickte Michael seine Tochter an.

„Ich weiß, dass du das jetzt nicht alles glauben kannst – das verlange ich auch gar nicht von dir. Du wirst erst einige Zeit brauchen, um das zu verdauen.“

Michael zerzauste neckisch die Locken seiner Tochter und sah sie liebevoll an.

„Vor 13 Jahren bin ich zur Erde gereist, um das Böse zu vernichten. Meister Kaalif hatte es mit seinem gefrierenden Atem hier auf der Erde eingefroren, um es kurzzeitig aufzuhalten. Also bin ich beim ersten Vollmond zur Erde, um das Böse endlich völlig zu vernichten, doch da war es plötzlich verschwunden. Irgendjemand musste ihm geholfen und es an einen sicheren Ort gebracht haben. Ich bin wieder zurück auf den Mond  – und habe dich als Hüterin der Erde in die Welt gesetzt. Damit haben wir eine Prophezeiung erfüllt, die die Geburt eines so reinen Wesens ankündigte, dass dieses die Kraft haben würde, das Böse ein für allemal zu besiegen.“

„Du meinst, meine Geburt, ich selbst, all das ist prophezeit worden?“ 

Und während Lund das aussprach, überkam sie eine riesengroße Angst: All das würde ja heißen, sie wäre in furchtbarer Gefahr!

„Du bist ein sehr intelligentes Kind, Luna. Aber du musst keine Angst haben. Du lebst hier auf der Erde, da du hier noch sicher bist. Der Planet Erde ist noch sehr rückständig und hinkt in seiner Entwicklung fast allen anderen Sternen und Planeten hinterher.“

Michael versuchte seine Tochter zu beruhigen – auch wenn er sich selbst nicht so ganz sicher war über das, was er ihr hier zu sagen versuchte.

Seit Lunas Geburt war das Böse verschwunden – und damals zum letzen Mal auf der Erde gesehen. Alle guten Mächte des Universums bewachten die Erde seitdem aus dem Inneren des Mondes besonders intensiv.

„Luna: du bist das reine Wesen, das die Gefahr des Bösen im All lokalisieren kann, über Fähigkeiten verfügt, wie sonst niemand hat. Du bist anders, als alle anderen. Schau dich an: obwohl du die ganze Nacht lang wach gewesen bist, bist du doch überhaupt nicht müde, oder? Du kannst so viel – du wirst es noch entdecken und ich werde dir dabei helfen“

Der große Mann mit den blauen Augen sah seine Tochter zärtlich an.

„Deine Mutter weiß nichts davon – sie darf auch nie etwas davon erfahren, hörst Du? Niemand darf das – und niemand darf wissen, woher du eigentlich stammst und wer du bist! Genauso wie ich deine Gedanken lesen kann, kann auch das Böse die Gedanken eines jeden Menschen lesen. Mit einer Ausnahme: deine Gedanken kann es nicht lesen, denn durch deine Adern fließt Mondstaub aus dem Inneren des Mondes – ein sehr mächtiger Stoff, der genau die Farbe deiner – und meiner - Augen hat. Dieser Mondstaub verleiht dir die Fähigkeit, deine Kräfte um ein Vielfaches zu potenzieren. Und je weniger Menschen unser Geheimnis kennen, umso sicherer ist es.“

 Luna konnte bald gar nichts mehr glauben. Die Geschichte ihres Vaters wurde immer unglaublicher, abenteuerlicher und eben auch merkwürdiger. Mondstaub, Kriege zwischen Gut und Böse, Gedankenlesen und übernatürliche Fähigkeiten.. was könnte da als nächstes kommen?

In dem Moment, als ihr Vater ihre Gedanken las, führte er Luna ans offene Fenster und gemeinsam blickten sie in den wunderschönen Sternenhimmel. Er zeigte auf  die helle, runde Kugel am Himmel, den Mond, und flüsterte: „Siehst du dort den Mond? Spürst du ihn? Unsere Heimat! Und dort wirst Du auch Kaalif wiedersehen. Er hat bisher das Universum gegen die Angriffe des Bösen beschützt, doch leider sind auch seine Tage nur gezählt und er ist alt und müde. Wir brauchen einen Nachfolger, mein Kind und ... ja, der Ältestenrat hat dich erwählt und ich bin unglaublich stolz auf dich! Wir alle sind uns einig, dass du jenes Wesen bist, das die reine Kraft noch immer in sich trägt.“

 Luna glaubte jetzt endgültig in Ohnmacht fallen zu müssen. Falls dies alles nur ein Scherz sein sollte, so war ihr überhaupt nicht mehr zum Lachen zumute. Und sie fühlte sich eigentlich auch überhaupt nicht geehrt, für irgendetwas so Komisches und wohl auch Gefährliches auserwählt worden zu sein, insofern in dieser ganzen Geschichte überhaupt ein Körnchen Wahrheit stecken sollte. Ihr Vater sah ihren ungläubigen Blick, doch ließ er sich keineswegs davon beirren. Er hatte bereits damit gerechnet, und so erzählte er einfach ganz ruhig weiter.

 „Kleine Luna, du hast besondere Fähigkeiten. Der Geist einer jeden Lebensform und auch eines jeden Menschen kann sehr viel mehr als sein Körper. Allein durch die Kraft deiner Gedanken wirst du bald lernen Feuer zu entfachen, unendlich schwere Gegenstände zu heben oder dich im Bruchteil einer Sekunde von einem Ort zum anderen zu bewegen, auch wenn dieser Milliarden Lichtjahre entfernt liegt – oder was denkst du, wie ich vom Mond bis hierher gekommen bin?“

 Darüber hatte sich Luna bei all den anderen unglaublichen Dingen noch die wenigsten Gedanken gemacht. Trotz all ihrer Angst  und ihrer Ungläubigkeit ertappte sie sich vielmehr dabei, sich vorzustellen wie es sich wohl anfühlte, endlich zu den Sternen reisen zu können.

 „Ich könnte also nur durch die Kraft meiner Gedanken jeden Stern besuchen, den ich wollte? Aber wieso hat das dann bisher noch nie geklappt, wenn ich es mir doch schon so oft so sehr gewünscht habe?“

Lunas Vater musste lachen.

„Du hast zwar alle Anlagen dazu, doch dazu gehören auch sehr viel Übung und Konzentration und vor allem der Wille.“

Insgeheim war sich auch Michael selbst nicht ganz so sicher, ob Luna tatsächlich noch all die Fähigkeiten besaß, die man ihrer Seele geschenkt hatte – doch das behielt er besser für sich.

„Geduld mein Kind. Ich werde dir alles zeigen, dich alles lehren. Ich werde ab heute jede Neu- und Vollmondnacht mit dir verbringen und du wirst sehen, wie viel wir miteinander lernen und wie viel Spaß wir haben werden.“

Lunas Vater blickte in den Himmel und sah dann zu Luna.

„Es wird nun Zeit für mich zu gehen. Aber vorher habe ich noch etwas hier für dich“ sagte er leise. Aus seinem schwarzen Umhang zog er eine kleine silberne Kette mit einem blauen Stein hervor. Der Stein besaß genau die gleiche Farbe ihrer Augen und ihr Vater musste ihr nicht mehr erklären, was es war: das war ein Stein aus dem Inneren des Mondes.

„Bewahre die Kette gut auf und halte sie in Ehren. Sie soll dich immer an mich erinnern, aber vor allem soll sie dir in Situationen, die ausweglos erscheinen weiterhelfen. Bitte trage sie immer bei dir, mein Kind“.

Michael legte Luna die Kette in die kleine zitternde Hand und umschloss sie fest mit seiner. Dann küsste er sie auf die Stirn und sagte „Schlaf gut, kleine Luna. Wir sehen uns in 14 Tagen, bei Neumond“.  Und noch ehe Luna erstaunt fragen konnte warum denn bei Neumond und sie ein ersticktes „Dankeschön“ hervorbrachte, war der große Mann mit dem schwarzen Umhang spurlos verschwunden. Einfach so.

Sogar das Fenster in ihrem Zimmer war plötzlich wieder geschlossen. Luna rannte ans Fenster und spähte hinaus. Doch sie konnte nichts Ungewöhnliches mehr erkennen. Sie sah auf ihre Armbanduhr und musste verblüfft feststellen, dass anscheinend keine Minute Zeit vergangen war. Es war noch immer 12 Uhr nachts. War alles nur ein Traum gewesen? Plötzlich fühlte sich Luna unendlich müde. Sie krabbelte in ihr Bett und innerhalb kürzester Zeit war sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

Der Morgen danach

Der Wecker schrillte. Luna wachte ziemlich unsanft auf und fasste sich sogleich an den Kopf. Sie hatte arge Kopfschmerzen – es hämmerte und dröhnte und sie wünschte sich sie könnte doch einfach liegen bleiben. Ihr Kopf war schwer und ihre Gedanken waren verschwommen. Und während sie sich im Bett aufsetzte runzelte sie die Stirn – was war das gestern doch für eine komische Nacht gewesen?

Plötzlich fielen ihr wieder bruchstückhafte Erinnerungen ein: es war ein eigenartiger, fast schon realer Traum gewesen, den sie da letzte Nacht gehabt hatte und in dem sie ihren Vater zu sehen geglaubt hatte! Aber sie kannte ihren Vater doch überhaupt nicht, hatte nie jemals auch nur ein Bild von ihm gesehen. Und all die Geschichten vom All, dem Hüter gegen das Böse und sie, die kleine Luna die etwas Besonderes sein sollte? Nein, das konnte doch alles gar nicht sein. Luna schüttelte den Kopf. So ein Blödsinn, was man manchmal doch so alles träumt. Sie erinnerte sich plötzlich auch an das Geschenk, das sie in diesem Traum letzte Nacht von ihrem Vater erhalten hatte: die Kette mit dem blauen Stein. Na, dachte Luna triumphierend, wenn sie nicht geträumt habe und alles real gewesen wäre, müsste sie doch noch die Kette haben. Aber sie konnte keine Kette finden. Da war  rein gar nichts.

Luna versuchte ihre komischen Erinnerungen zu verdrängen, doch noch immer ziemlich verstört kletterte sie aus ihrem Bett und macht sich auf dem Weg zu ihrer Mutter in die Küche.

Nadia saß bereits am Frühstückstisch und las ziemlich vergnügt die heutige Tageszeitung bei einer Schale Kaffee. Luna hatte das erste Mal seit ihrer Geburt in einer Vollmondnacht ruhig und sorglos geschlafen und sie war ganz einfach nur glücklich, dass all der Spuk und Horror für ihre Tochter in diesen Nächten endlich ein Ende gefunden hatte. Doch als sie den Kopf von ihrer Zeitung erhob blickte sie in das blasse, müde und verstörte Gesicht ihrer Tochter „Ja aber Kind, du siehst ja schrecklich aus! Ich dachte du hättest die ganze Nacht ruhig geschlafen! Was ist denn jetzt schon wieder los?“ fragte sie besorgt.

„Guten Morgen Mammi. Ich weiß auch nicht. Ich hatte einen ganz komischen Traum, kann mich aber kaum mehr an irgendetwas erinnern. Und ich habe ziemliche Kopfschmerzen seit ich aufgewacht bin“ murmelte Luna matt.

Nadia sprang von ihrem Stuhl auf und nahm Luna kurz in den Arm. „Na komm, ich brüh dir gleich eine gute Tasse Tee auf und hol dir etwas gegen deine Kopfschmerzen – wirst sehen, dann geht es dir gleich wieder besser. Aber hast du zumindest etwas schlafen können heute Nacht?“

Luna sah sie mit großen Augen an. Erst jetzt wurde ihr so richtig bewusst, dass sie ja wirklich das erste Mal bei Vollmond richtig geschlafen hatte! Instinktiv fasste sie sich bei dem Gedanken auch an den Bauch und hob ihr Pygiamaoberteil. Nichts – da war keine Spur von roten Punkten oder sonst etwas zu sehen, lediglich Lunas feine weiße Haut. Jetzt hatte sie endlich einmal geschlafen und war dafür am nächsten Tag völlig verwirrt und übel. Sonst war sie zwar die ganze Nacht lang wach gelegen, dafür war der nächste Tag dann immer völlig einwandfrei. Sie wusste daher nicht so recht was denn jetzt besser sei. Nadia jedenfalls atmete beruhigt auf. Sie bat ihre Tochter sich hinzusetzen und eilte ins Badezimmer um eine Kopfschmerztablette zu holen. Tom, der Kater, nutzte die Gelegenheit und sprang sogleich auf Lunas Schoß um seine tägliche Portion Streicheleinheiten zu ergattern.

Als Nadia wieder in die Küche kam, sah sie Luna bereits etwas fröhlicher in die Welt blicken und insgeheim war sie einfach nur froh, dass die letzte Nacht ja zumindest ein Anfang in Richtung Besserung und Normalität war. Eine so rasche Besserung wäre auch ein völlig unerklärliches Wunder gewesen.

 Nadia brühte mit dem heißen Wasser, welches auf dem Holzherd stand, eine gute Tasse Tee für Luna auf und brachte ihr diese zusammen mit der Tablette und einem Glas Wasser zum Runterspülen.

„Ich hoffe, dass du ein bisschen hungrig bist, mein Kleines. Du musst dich schließlich für den Tag heut stärken. Ich hab dir ein Ei gekocht und Toast gemacht“ verkündete Nadia und Luna spürte tatsächlich so etwas wie Hunger in ihrem Magen grummeln. Sie schluckte die Tablette hinunter und suchte sich aus der Tageszeitung, die auf dem Küchentisch lag, die Seiten „Vermischtes“ und „Humor“ raus – ehrlich gesagt war dies sowieso der einzige Teil, der sie an der ganzen Zeitung interessierte, auch wenn ihr Englischprofessor, Mr. Pit,  immer fürchterlich über das Desinteresse der Jugendlichen am Tagesgeschehen wetterte. Aber irgendwie waren Klatsch und Tratsch, sowie Witze und Comics nun mal interessanter als Politik und Wirtschaft.

 Luna begann sich Butter und Honig auf eine Toastscheibe zu schmieren und ihre Mutter brachte ihr das hartgekochte Ei.

Tatsächlich fühlte sich Luna nach dem Frühstück wieder einigermaßen besser und so war sie gerade beim Einpacken der letzten Schulbücher für den heutigen Tag, als es bereits an der Tür klingelte und Eve ungeduldig draußen wartete.

Als Luna die Türe aufmachte, begrüßte Eve sie sogleich mit den Worten „Beeil dich, ich bin heute etwas später dran, bei uns zuhause haben es leider alle verschlafen!“

Luna grinste „Hi Eve. Das bin ich ja gar nicht von dir gewohnt. Normalerweise bist du pünktlich wie die Maueruhr“.

„Ich weiß, ich weiß, aber heute Nacht konnten wir zu Hause irgendwie alle nicht richtig schlafen und heute morgen, als es gerade anfing so richtig gemütlich im Bett zu werden, mussten wir schon wieder aufstehen. Wird wohl der Vollmond gewesen sein. Außerdem hatte er heute Nacht so ein komisches Licht – zumindest kam es mir so vor, als ich aus meinem Fenster geschaut habe“

 Trotz allem schien Eve frisch wie immer zu sein, zumindest frischer als Luna, deren  Haare heute mehr schlecht als recht zu einer Art Pferdeschwanz gebunden waren, an dem sich links und rechts die widerspenstigen Locken heraus kringelten.

Die beiden Mädchen gingen nach draußen, wo Alex bereits auf sie wartete. Kaum hatte er Luna gesehen, begann er auch schon zu lachen – und irgendwie konnte man es ihm auch nicht übel nehmen, so wirr wie das kleine Mädchen aussah.

Während die drei Freunde sich so neckten und fröhlich auf den Weg machten, liefen sie doch gleich nach der ersten Wegbiegung direkt der alptraumhaften Smith Horde in die Arme.

Colin war heute noch widerlicher als sonst, da er sich wohl sein halbes Frühstück über die Hose gekippt haben musste und Ida hätte auf den ersten Blick glatt als Junge durchgehen können.

„Ach schaut doch, die drei Musketiere“ lästerte Colin. Am liebsten hätte Luna zurückgegiftet, doch sie biss sich auf die Zunge.

„Ihr könnt euch doch ganz sicherlich denken, dass ich heute wieder gerne etwas von euch hätte“ fuhr er triumphierend fort „Stellt euch vor, Martin und Ida haben es einfach nicht geschafft, die Mathe-Aufgaben gestern rechtzeitig zu machen“ und bei diesen Worten glucksten die Zwillinge vor Lachen im Hintergrund.

Alex verdrehte unbemerkt die Augen. Er hatte es schon lange aufgegeben den Ritter zur Verteidigung der Mädchen zu spielen, denn Colin war weitaus größer und stärker, vor allem aber skrupelloser als er, und die beiden jüngeren Smiths waren so unglaublich boshaft, dass es gegen sie kein Ankommen gab.

Das einzige, was ihnen übrigblieb war, sich zu fügen, wollte man sich nicht blaue Flecken und kaputte Sachen einheimsen.

Luna packte also ihr Heft aus der Schultasche aus, schlug die Seite mit den Aufgaben auf und reichte sie Colin. Mit einem hämischen Grinsen gab dieser das Heft an Martin weiter, der sofort Ida anwies, alles abzuschreiben. Naja, die beiden waren nicht gerade die schnellsten, sodass Luna und ihre beiden Freunde eine ziemliche Weile warten mussten, während sich Colin gerade wiedermal ganz cool, wie er zu sein glaubte, eine Zigarette anzündete und ihnen abwechselnd den Rauch in Gesicht und Haare blies. Eve wurde schon ganz ungeduldig und nervös, sah auf ihre Armbanduhr und hüpfte von einem Fuß auf den anderen. Insgeheim machte sie sich jetzt natürlich Vorwürfe, dass sie der Colinbande nur aufgrund ihrer eigenen Verspätung in die Arme gelaufen waren. Jetzt würden sie sicherlich zu spät in die Schule kommen und dafür gab es dann natürlich wiedermal einen Verweis. Eve’s Mutter machte jedes Mal einen Riesenaufstand, wenn Eve auch nur etwas schlechtere Noten mit nach Hause brachte, geschweige denn einen Verweis bekam. Ihr wurde schon ganz übel, noch dazu wo sie heute lediglich ein Rührei mit Speck zum Frühstück gegessen hatte – zu mehr hatte sie in der Eile keine Zeit gefunden.

 Nach einer schieren Ewigkeit warf Martin Lunas Heft wieder vor ihr ins Gras und meinte hämisch „Das nächste Mal, schreib gefälligst etwas leserlicher!“. Luna hob ihr Heft sofort auf, putzte die Erde und den Staub vom Einband und verstaute es schnell wieder in ihrer Schultasche. Alex war schon einige Meter vorausgegangen und so liefen die beiden Mädchen ohne ein weiteres Wort gleich hinterher, auf dem kürzesten Weg in die Schule und damit in das nächste Unglück. Bereits von weitem hörten sie die Schulglocke klingeln und Eve hatte einen Kloß im Hals. Gleich würden alle Schüler die drei wie Verrückte anstarren, von dem Verweis des es dann ebenfalls gleich geben würde ganz zu schweigen.

 Und tatsächlich, kaum waren die Drei auf der Schwelle zum Schuleingang angekommen, begegneten sie auch schon Frau Wallace, die ihre Genugtuung beinahe nicht verbergen konnte.

„Ja wen haben wir denn da? Ihr habt wohl vergessen, wann die Schule beginnt oder wie soll ich diese Verspätung heute wiedermal verstehen?“ giftete sie.

„Guten Morgen Frau Wallace“ erwiderte Luna höflichst, in der Hoffnung zu retten was noch zu retten war „wir bitten vielmals um Entschuldigung, aber wir mussten auf halbem Weg leider noch mal umkehren, da ich ein Schulbuch vergessen hatte. Es wird sicherlich nicht mehr vorkommen.“

Sie konnte nicht die Colin Geschwister verpetzen, denn dann hätten sie keine ruhige Minute mehr in ihrem jungen Leben gehabt. Außerdem gab es einen Ehrenkodex -  Mitschüler wurden einfach nicht verpetzt. Wenn schon, dann musste man es ihnen auf andere Art und Weise persönlich heimzahlten, so war nun mal das harte Gesetz des Schulhofes. Lunas einzige Genugtuung war die Hoffnung, dass die drei sicherlich genauso einen Verweis und eine Strafpredigt kassieren würden, da sie ja wohl auch zu spät kommen würden..

„Daran sollte man doch wohl am Abend vorher denken, Fräulein Parker. Und eine gewissenhafte Schülerin packt nun mal in vorausdenkender Art und Weise ihre Schultasche. Ich begleite euch jetzt in die Klasse und werde euch mit einem Verweis für das Zuspätkommen rügen müssen. Einen Eintrag ins Klassenbuch und eine Unterschrift eurer Eltern hat euch die Vergesslichkeit eurer tollen Mitschülerin eingebracht“ sagte Frau Wallace an Eve und Alex gerichtet. Eve stand mit hochrotem Kopf und gesenkten Augen da, Alex rührte sich nicht vom Fleck.

Dann ging Frau Wallace voraus zum Klassenzimmer der 7A, während sie Eve alleine in das Klassenzimmer der 8A schickte, und hinter ihr, wie begossene Pudel, schlichen Luna und Alex sich lautlos hinterher. Frau Wallace klopfte an die Tür und von drinnen hörten sie die raue Stimme von Mr. Pit ein „Herein“ rufen.

Ausgerechnet auch noch Englisch war heute in der  ersten Stunde, dachte Luna bei sich.

Mr. Pit betrachtete die drei Zuspätkommenden mit hochgezogenen Augenbrauen. Natürlich starrten alle Schüler sie an, einige mitleidig, andere hämisch, wieder andere gleichgültig und Luna und Alex setzten sich schnell auf ihre Plätze, während Frau Wallace die Eintragungen im Klassenbuch vermerkte.

„Und jetzt wieder an die Arbeit!“ mahnte sie noch, bevor sie harten Schrittes die Klasse verließ.

 Mr. Pit räusperte sich laut hörbar und klopfte mit der Spitze seines Bleistiftes auf das Pult. „Na, einen schönen guten Morgen erst mal den üblichen Zuspätkommenden. Ich denke es ist angebracht, wenn Fräulein Parker uns zu Beginn gleich ihre Hausaufgabe für heute vorliest. Ich hoffe, der frühe Schulbeginn tagtäglich ist kein allzu großes Problem für Miss Parker“ sagte er in ziemlich gehässigem Ton.

Luna schluckte. Englisch war noch nie eines ihrer starken Fächer gewesen, sie kämpfte sich immer nur so durch. Gott sei Dank hatte sie den Aufsatz vor zwei Tagen mit Hilfe von Alex geschrieben. Alex konnte wunderschöne Geschichten schreiben und in diesem Fach war er einfach Klasse.

„Was war das Thema der heutigen Aufgabe, Fräulein Parker?“ fuhr Mr. Pit fort.

Luna stand mit ihrem Schulheft in der Hand auf und, indem sie all ihren Mut zusammennahm, sah sie Mr. Pit direkt in die dunklen, schlitzartigen Augen und erwiderte „Das Thema war eine Inhaltsangabe zu unserer Klassenlektüre: Die sieben Siegel“.

„Richtig Fräulein Parker. Bitte fahren Sie fort und beginnen Sie mit Ihrer Inhaltsangabe“ sagte Mr. Pit kühl.

 Luna schlug ihr Heft auf und begann zu lesen. Doch es fiel ihr unglaublich schwer, sich auf die Wörter und Sätze vor ihren Augen zu konzentrieren, sie verhaspelte sich und stotterte und so sehr sie sich auch anstrengte, ihre Gedanken schweiften ständig ab.

 Nachdem sie endlich geendet hatte, sah Mr. Pit sie mit noch viel enger zusammengekniffenen Augen an.

 „Fräulein Parker, da sie sich ja bereits die Freiheit herausgenommen haben, zu spät zum Unterricht zu erscheinen, hätte ich es zumindest für angebracht gehalten, dass sie wenigstens jetzt mit ihren Gedanken bei der Sache gewesen wären. Das schien mir gerade aber nicht wirklich der Fall gewesen zu sein. Ihre Inhaltsangabe war zwar nicht ganz so schlecht, aber für diese Vorstellung werde ich Ihnen lediglich eine knappe 4 ins Notenbuch eintragen müssen“ fauchte Mr. Pit sie an.

 Scheiße, dachte Luna, jetzt auch das noch. Sie verfluchte insgeheim den Traum von heute Nacht, der es ihr fast unmöglich machte, sich auf irgendetwas wirklich zu konzentrieren. Mit hochrotem Kopf setzte sich Luna wieder auf ihren Stuhl und Alex stupste sie von der Seite, wie zum Trost, leicht an. Das hätte er aber besser bleiben lassen sollen, denn Mr. Pit hatte diese Geste aus seinen Augenwinkeln beim Notenschreiben sehr wohl verfolgt und so kam Alex jetzt natürlich als nächster dran und kassierte zumindest eine drei.

 Plötzlich öffnete sich die Tür und die Smith-Geschwister Ida und Martin klopften verlegen an den Türstock.

Mr. Pit blickte auf die Uhr und sah die beiden fragend an.

„Wir haben eine Entschuldigung – wir mussten noch zum Arzt. Unsere Mutter reicht die Entschuldigung gleich morgen nach.“

Ida und Martin blickten so unschuldig drein als könnten sie kein Wässerchen trüben und die Lüge glitt ihnen mühelos von den Lippen.

„Na dann setzt euch und schlagt eure Bücher gleich auf“.

Luna kochte. Das war ja wiedermal die Höhe. Die größten Übeltäter kamen natürlich wiedermal ungestraft davon. Typisch. Sie sah, wie Alex am liebsten was gesagt hätte, sich aber doch noch im letzten Moment auf die Lippe biss.

 Mr. Pit widmete sich inzwischen schon wieder dem neuen Stoff. Luna versuchte zumindest ein bißchen den neuen Ausführungen des drahtigen Lehrers an der Tafel zu folgen.

 

Lunas Bild

Aber auch die folgenden Unterrichtsstunden machten es irgendwie nicht wirklich besser. Lunas Rettung war erst die letzte Stunde – Kunsterziehung. Abgesehen von der Tatsache, dass sie eine sehr begabte Zeichnerin war, war dies zumindest ein Unterrichtsfach in dem man sich nicht sonderlich konzentrieren, sondern nur malen musste und das hatte sie ja schließlich immer schon gerne gemacht.

 Frau Portland, die Professorin für Kunsterziehung, gab ihren Schülern heute zur Aufgabe mit auf den Heimweg, mit Aquarellfarben ein Porträt eines geliebten Menschen aus dem Gedächtnis zu malen.

Luna begann zu überlegen, wie sie am besten ihre Mutter malen könnte, als beinahe wie von selbst ihre Hand mit dem Pinsel über das weiße Blatt Papier glitt.

 Und ehe sie es sich’s versah, verlieh der Pinsel dem Mann aus ihrem Traum die ersten, deutlichen Konturen: ihrem Vater. Sie war bald so versunken in ihrer Arbeit, dass Alex sie erst anstupsen musste, um überhaupt gehört zu werden.

 „Wen malst du denn da Luna? Diesen Mann kenne ich überhaupt nicht!“

Luna winkte ab „Irgendjemanden – ich kenne diesen Mann auch nicht, der ist mir einfach so eingefallen. Ich wollte eben mal etwas Neues malen!“

Und schon hatte sie sich auch schon wieder in ihr Bild vertieft.

 Frau Portland gab Luna am Ende der Stunde eine Supernote für das Bild – das einzig Gute an diesem Tag bisher, dachte sich Luna. Behutsam rollte sie das Bild zu einer Rolle und nahm es mit nach Hause.

 Zuhause angekommen schüttete sie ihr Herz ihrer Mutter aus über diesen schlimmen Schulalltag. „Besser ich wäre zu Hause geblieben“ jammerte sie.

„Ach Kind, eine 4 in Englisch ist nun auch nicht der Untergang der Welt. Aber ich sehe dir an, dass du noch sehr müde bist. Besser du legst dich nach dem Mittagessen ein wenig hin, was meinst du?“  Luna nickte. Sie war auch eigentlich kaum hungrig und aß deshalb gerademal wie ein Spatz. Dann räumte sie eiligst Teller und Gläser vom Tisch, nahm die Schultasche und ging in ihr Zimmer.

Nachdem sie die Tasche achtlos in die Ecke geworfen hatte, entrollte sie vorsichtig ihr mitgebrachtes Bild. Ja, sie hatte den Mann aus ihrem Traum ziemlich gut getroffen. Dabei fiel ihr auf, dass doch eigentlich Personen in Träumen selten Gesichter hatten – zumindest konnte man sich nicht daran erinnern. Bei diesem Traum war es anders gewesen, denn sie konnte jedes Detail nachmalen und vor allem hatte der Mann dieselben Augen wie sie selbst. Er gefiel ihr wirklich gut.

Luna beschloss, das Bild aufzuhängen und platzierte es daher direkt über ihrem Bett. Dann setzte sie sich auf ihren weichen Fenstersessel hin und verfiel tatsächlich bald, ohne es wirklich zu wollen, in einen leichten Schlaf.

 Eine Stunde später fand Nadia es an der Zeit doch mal nach ihrer Tochter zu sehen. Die Hausaufgaben mussten schließlich auch noch irgendwann gemacht werden und da sie gerade dabei war, die Fenster im Haus zu putzen, mussten auch jene im Zimmer ihrer Tochter drangenommen werden.

 Bewaffnet mit Eimer und Spüllappen klopfte sie kurz an die Tür, trat dann aber gleich ein. Sie sah ihre Tochter noch immer friedlich auf ihrem Sessel schlafen, bevor ihr Blick etwas höher zum neu angebrachten Bild über dem Bett wanderte.

„Oh mein Gott…..“

Mit lautem Getöse, begleitet von einem kurzen Aufschrei, ließ Nadia vor Schreck den Eimer fallen und starrte auf das Bild. Das warme Spülwasser breitete sich in Windeseile auf dem Boden aus und Nadia stand in einer Pfütze, doch sie bemerkte das überhaupt nicht. Dieser Mann – sie kannte diesen Mann! Es war Michael, ihre große Liebe, der Vater ihrer Tochter!

 Durch den schrecklichen Lärm war Luna aus ihrem Schlaf ganz wild geschreckt worden und sah jetzt ihre erstarrte Mutter vor dem Bett stehen. „Was hast du denn Mammi, was ist denn los?“ murmelte sie verschlafen.

„Wer, wer.....wer hat dieses Bild da gemalt? Woher hast du das“ fragte ihre Mutter fast tonlos.

„Das hab ich heute im Kunstunterricht gemalt. Das ist das Bild, für welches ich doch die gute Note gekriegt habe, hab ich dir doch erzählt heute beim Mittagessen, Mammi“

„Das kann nicht sein. Woher kennst du den Mann.. wie hast du ihn malen können?“

Beim Tonfall ihrer Mutter wurde Luna fast schon Angst und Bange wurde.

„Ich kenne den Mann nicht, Mammi. Das ist niemand. Ich hab den mal irgendwo im Fernsehen gesehen und als wir heute ein Portrait malen sollten und ich deines ja schon zigmal gemalt habe, hab ich mich einfach daran erinnert.“

 Nadia schüttelte den Kopf. Sie war zu verwirrt um irgendetwas zu sagen. Sie sah die blauen Augen und spürte die Blicke als wäre der Mann auf dem Bild real. Dann flüchtete sie beinahe aus dem Zimmer und Luna blieb ratlos zurück. Sie verdrängte den Verdacht, der in ihr wuchs und beschloss die Zeichnung abzunehmen. Sollte der Mann auf dem Bild tatsächlich ihr Vater sein? Und wie könnte das möglich sein?

 Luna blickte sie auf die Pfütze in ihrem Zimmer. Sie seufzte. Jetzt auch noch aufwischen, das fehlte ihr noch! Mürrisch griff sie nach dem Lappen neben dem Eimer und begann alles trocken zu wischen.

 Beim Abendessen erwartete Luna eine bleiche und sichtlich zerstreute Nadia. Das Essen war versalzen, nichts war an seinem Platz und Tom beschwerte sich lautstark über seinen leeren Fressnapf.

 „Luna, bitte sag mir wo du den Mann auf deinem Bild genau gesehen hast! Es ist wichtig!“

Luna schüttelte den Kopf

„Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich ihn irgendwo im Fernsehen gesehen hab. Ist doch egal“

„Nein, ist es ganz und gar nicht. Wo hast du ihn gesehen, auf welchem Sender, wann war das?“

Luna wurde ärgerlich. Warum nervte sie ihre Mutter plötzlich so.

„Warum willst du denn das so unbedingt genau wissen?“

„Weil ich es eben wissen muss!“

Nadia musste ihre Aufregung sichtlich unterdrücken. Dies könnte ihr ganzes Leben verändern. Vielleicht war Michael in der Zwischenzeit bei irgendeinem Fernsehsender angestellt worden und ihre Tochter hatte ihn tatsächlich dort gesehen. Vielleicht würde sie jetzt endlich die Möglichkeit haben ihn zu finden, denn der Mann auf Lunas Bild glich so haargenau Michael, den sie geliebt hatte, dass dies keine Verwechslung sein konnte.

 Luna wurde in der Zwischenzeit richtig ärgerlich. Mit einer abwertenden Handbewegung schob sie den Teller mit dem Abendessen von sich weg und sagte patzig „Der Reis ist absolut versalzen. So was kann man nicht essen“.

In diesem Moment platzte bei Nadia der Geduldsfaden.

„Ich glaube nicht, dass du so mit mir reden kannst, kleines Fräulein! Ich möchte, dass du jetzt sofort auf dein Zimmer gehst, da du ja anscheinend auch keinen Hunger mehr hast. Vielleicht fällt dir dann wieder ein, wie du dich richtig zu benehmen hast!“

Luna wurde rot vor Zorn. Nur mit Mühe konnte sie sich den Fluch, der ihr auf der Zunge lag verkneifen, denn trotzt ihrer Wut wusste sie, dass ein weiteres Wort definitiv zu viel für ihre Mutter wäre. Mit einem Ruck stand sie auf und stieß den Stuhl von sich. Sie sah ihre Mutter nicht mehr an, drehte sich um und lief aus der Küche die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf. Erst als sie außer Hörweite ihrer Mutter war, stieß sie einen leisen Fluch aus.

 „Verdammt! Was soll denn das Getue! Kann sie mich denn nicht einfach in Ruhe lassen“ schimpfte sie vor sich hin.

Dieser Tag war wirklich von Anfang bis Ende eine Katastrophe. Erst hatte sie nachts ihren Vater zu sehen geglaubt, dann war der Morgen durch Kopfweh versaut gewesen, dann die Smiths, die Direktorin und schließlich jetzt auch noch ihre Mutter. Mit einem lauten Krachen schlug sie ihre Schlafzimmertür hinter sich zu.

„Verdammt“

Widerwillig zog sie ihren blauen Schlafanzug an und schlüpfte in das noch nicht gemachte Bett. Sie legte sich hin und versuchte die wirren Gedanken an die gestrige Nacht und den heutigen Tag zu verdrängen. Und während sie so versuchte den kuscheligsten Platz in ihrem weichen Bett zu finden, spürte sie plötzlich einen Stich in ihrem Rücken.

„Aua!“ 

Wahrscheinlich hatte sie wiedermal etwas im Bett liegen lassen! Als sie die Hand nach hinten ausstreckte und das stechende Ding zu fassen kriegte, erstarrte sie beinahe. Sie konnte das Etwas in ihrer Hand noch nicht sehen, aber es fühlte sich an wie eine Kette. Sie wagte es fast nicht, es hervorzuziehen und darauf hinzuschauen. Als sie sich schließlich doch, nach einer guten Minute, traute und das Ding hervorzog, schnappte sie nach Luft. Sie sah das Kettchen mit dem blauen Mondstaub-Stein und schrie laut auf! Es war also doch kein Traum gewesen! Es war Wirklichkeit, sie hatte den Beweis in der Hand.

 Noch immer fassungslos starrte sie auf die Kette in ihrer Hand, als ihre Mutter, von dem Schrei alarmiert, in ihr Zimmer stürmte.

 „Kind, was ist los? Was ist passiert?“

Blitzschnell ließ Luna die Kette mit dem Anhänger unter ihrem Bett verschwinden. All der Ärger ihrer Mutter war bereits wieder fortgewischt und sie war nach ihrem Streit um ihre Tochter besogt.

Nadia war ziemlich bei dem Schrei erschrocken und heute, an diesem komischen Tag, waren ihr sowieso schon die ganze Zeit die unmöglichsten Gedanken durch den Kopf gegangen. Ihr hatte die Szene beim Essen  sofort unendlich leid getan und auch, dass sie ihre Tochter nach oben ins Zimmer geschickt hatte.

„Nichts Mammi, es ist alles OK. Ich habe mir nur den Fuß angeschlagen, als ich ins Bett gehüpft bin. Du weißt ja wie schusselig ich oft bin.“

Sie versuchte jetzt ganz ruhig zu klingen, zitterte aber am ganzen Körper. Dies war einfach alles viel zu viel für sie. Das konnte doch im Grunde alles gar nicht wahr sein. Ihre Mutter machte sich Vorwürfe. Ihrer Tochter war es heute, einem Tag nach der Vollmondnacht, wirklich nicht gut gegangen – die Kopfschmerzen und der Verweis der Direktorin – und dann machte sie selbst ihr auch noch solch eine Szene bloß wegen diesem lächerlichen Bild. Sie konnte die Verwirrung in den Augen ihrer Tochter sehen und hatte ein wirklich schlechtes Gewissen. Mit einer zärtlichen Geste streichelt sie Luna über den Kopf

„Es wird alles wieder gut mein Kind. Es ist ja alles in Ordnung. Ich muss mich für eben entschuldigen – ich wollte dich wirklich nicht verletzten“

„Weißt du was? Ich mache dir jetzt eine heiße Schokolade, mit Marshmallows drin, genauso wie du sie magst! Na, was hältst du davon?“

Luna brachte im Moment nicht mehr als ein „Danke, das wäre super“ hervor. Ihr stockte fast der Atem. Was sollte sie jetzt denn bloß machen?

 Als Nadia nach unten ging, standen ihrer Tochter bereits die Tränen in den Augen. Hatte wie wirklich ihren eigenen Vater gesehen, jenen Mann, nach dem sie sich immer so gesehnt hatte? Konnte das wirklich sein? Und wenn ja, warum konnte sie dann jetzt nicht ganz einfach glücklich sein wie alle anderen Kinder mit ihren Eltern? Warum durfte sie ihrer Mutter nichts sagen und warum konnten sie nicht einfach alle zusammen weit, ganz weit weg fahren und gemeinsam glücklich werden? Sie umschloss mit aller Kraft den Stein an der Kette mit ihren kleinen Fingern und spürte eine wohlige Wärme von ihm ausgehen.

 Mit diesen wirren Gedanken und Sorgen schloss Luna die Augen und hatte dabei das Bild ihres Vaters vor Augen. Als ihre Mutter mit der Schokolade ins Zimmer kam, schlief Luna schon ganz tief, jedoch mit einer Träne auf der rechten Wange. Ihre Muter strich sie zärtlich weg und deckte Luna sanft zu. Mit einem Stirnrunzeln dachte sie daran, was gestern denn wohl wirklich alles geschehen war. Ihre Tochter war jetzt eine völlig andere. Mit einem letzten Blick auf das Bild über dem Bett verlies sie das Zimmer ihrer Tochter. Auch sie sollte heute keine ruhige Nacht erleben. Im Traum durchlebte sie wieder all die glücklichen Momente, die sie mit Michael zusammen erlebt hatte. Wo war er bloß, warum hatte er sich nicht mehr bei ihr gemeldet. Sie hätte ihm tausend Dinge erzählen müssen, vor allem aber wollte sie, dass er endlich ihre gemeinsame Tochter kennen lernte.

Was ist schon normal?

Die folgenden Tage schwankte Lunas Gemütszustand zwischen Euphorie, Erwartung und ungläubiger Verleugnung. Sie fürchtete sich vor dem nächsten Neumond und konnte es trotzdem kaum erwarten bis dahin. Sie wollte herausfinden, was passieren würde, ob wirklich alles wahr würde oder ob doch alles nur Täuschung und Traum war.

Alles fühlte sich komisch an, denn plötzlich waren alle anderen Dinge, alles was bisher wichtig und toll war, in den Hintergrund getreten.

Am schwersten fiel es Luna, nicht mit Alex über das Erlebte zu sprechen. Wie gerne hätte sie ihm erzählt, was passiert war.

„Du bist in letzter Zeit ziemlich schweigsam Luna! Ist etwas passiert?“

„Nein Alex. Alles in Ordnung. Fühl mich nur ein bisschen müde in letzter Zeit und hoffe, dass ich nicht krank werde“ schwindelte Luna. Dabei fühlte sie sich gar nicht wohl. Normalerweise hatten sie und Alex keine Geheimnisse voreinander.

Bei Eve war es einfacher, ein Geheimnis für sich zu behalten. Eve fiel es gar nicht so auf, dass Luna stiller oder nachdenklicher als sonst war.  Und da sie nicht in dieselbe Klasse wie ihre Freundin ging, bemerkte Eve auch nicht, dass Luna immer unaufmerksamer in der Schule wurde.

 In jeder freien Minute aber war Eve bei Dan und Lupo. Sie versuchte von Dan alles zu erfahren, was er über das Universum und die Sterne wusste. Vor allem natürlich wollte sie alles über den Mond wissen.

„Was hast Du bloß plötzlich mit dem Mond?“

„Du weißt ja, dass er mir gefällt. Bitte Dan, erzähl mir: gibt es Leben auf dem Mond?“

„Ach Kleine. Du weißt doch, dass es dort kein Leben gibt."

 „Außerdem: wenn es wirklich Leben außerhalb der Erde gibt, dann wohl so weit weg, dass wir es gar nie erreichen werden.“

Luna aber gingen die Fragen nie aus.

„Sag mal, gibt es grüne Sternschnuppen?“

Dan lachte so schallend, dass Lupo ihn ganz erstaunt anblickte.

„Was meinst du?“

„Grüne Sternschnuppen“

„Meinst du das im ernst? Natürlich gibt es die nicht! Was ist denn das für eine Frage! Hast du vielleicht jemals so etwas gesehen?“

„Nein… aber…“

„Was aber? Woher hast du denn sowas?“

„Ich weiß nicht – ich glaube ich hab das irgendwo gelesen“

„Muss ja ein ganz schlaues Buch gewesen sein“ meinte Dan sarkastisch.

 „Du bist ganz schön anstrengend, Luna“

„Tut mir leid, Dan. Aber wen soll ich denn sonst fragen? Keiner den ich kenne weiß über die Sterne und den Himmel so gut Bescheid wie du!“

„Und was lernst du dann in der Schule?“

„Alles unnötiges Zeug“

Luna dachte darüber nach, was sie in der Schule gelernt hatte. Astronomie stand nicht auf dem Lehrplan und jede Frage, die sie den Lehrern stellte wurde nicht oder nur unzureichend beantwortet. Sie wurde meist vertröstet.

„Ich glaube du lernst in letzter Zeit ein bisschen wenig, kann das sein?“

Dan schaute Luna streng in die Augen, sodass diese ganz rot wurde.

„…“

„Ja?“

„ich weiß ja…“

„Dann machen wir eine Abmachung: ich erzähle dir alles, was du wissen willst, dafür lernst du wieder etwas mehr in der Schule, OK?“

Luna zögerte. Doch der Handel klang fair“

„OK, abgemacht!“

Dan lächelte. Und Lupo schleckte an Lunas Hand.

 

Die Neumonnacht

Als Luna an diesem Morgen aus dem Bett hüpfte schien eigentlich alles wie immer. Und doch wusste Luna ab dem Moment, in dem sie aufwachte, dass der heutige Tag einiges in ihrem Leben verändern würde.

 Die Schule schien sich an diesem Tag endlos hinzuziehen.

Noch dazu stand ein Mathe-Test an, den Frau Anderson mit besonders schlechter Laune wohl zusammengestellt hatte, dem Schwierigkeitsgrad nach zu urteilen.

Wenigstens konnte Luna mit ihrem letzten Aufsatz einige Pluspunkte bei Mr. Pit sammeln – das war schon verwunderlich genug.

 Kaum ertönte die Schulglocke, griff Luna auch schon nach ihrer Schultasche und stürmte nach draussen.

„Hey, wartest du gar nicht auf uns?“  hörte Luna Alex rufen.

Luna hielt inne.

„Klar, sorry. Hab es heut wohl zu eilig aus diesem Laden zu kommen“

„Kommst du noch mit zu Eve, damit wir Hausaufgaben machen und etwas Musik hören können?“

„Ja klar. Ich hab allerdings nicht lange Zeit. Ich hab Dan versprochen noch bei ihm vorbei zu schauen“

Luna hatte am Vortag mit Dan vereinbart, dass sie bei Einbruch der Dunkelheit die Sterne beobachten, da heute Vollmond war.

„Na wenn du lieber bei Dan bist…“ Alex tat beleidigt.

Aber Luna griff ihm beherzt unter den Arm und zog ihn mit sich. Bald sahen sie auch Eve mit wehenden blonden Haaren und einem ständigen Lachen im Gesicht.

„Schnell, bevor die Smiths kommen“

Eve sah sich besorgt um und die drei liefen mit großen Schritten davon.

 Es begann schon zu dämmern, als Luna dann endlich bei Dan am Strand ankam. Lupo sprang ihr bereits entgegen, kaum hatte er sie erblickt.

Durch den Neumond war der Himmel heute wunderbar zu beobachten und Luna konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als gemeinsam mit Dan die Sterne und Meteoriten am Himmel zu beobachten. Heute waren sie besonders gut und hell zu sehen, denn auch keine einzige Wolke versperrte ihnen den Blick auf das Himmelszelt. Doch wie sehr sich Luna auch bemühte, ihre Schusseligkeit und Unkonzentriertheit waren nicht zu übersehen.

So hätte sie beinahe mit einer ungeschickten Bewegung Dan Allerheiligstes, sein Teleskop umgeworfen! Glücklicherweise hatte der alte Mann es noch rechtzeitig festhalten können. Dan schimpfte und brummte, konnte er es sich doch nicht erklären, was denn heute mit dem Mädchen los war. Heut war doch kein Vollmond!

Und bald schon verabschiedete sich Luna auch schon wieder von Dan und mit einem zur Tradition gewordenen Kuss auf die Ohren auch von Lupo.

Der alte Fische verstand die Welt nicht mehr. Zuerst hatte Luna gar nicht genug von den Sternen und dem Mond kriegen können und nun, wo das Wetter endlich optimal zum Sterneschauen war, lief sie einfach frühzeitig nach Hause.

 Auch Lunas Mutter wunderte sich sehr, als ihre Tochter bereits nach Hause kam. Zum einen, weil sie früh dran war und sie sich doch eigentlich jede Gelegenheit und Minute für ihre Sternenbeobachtung am Strand nutzte, Zum anderen war Luna heute furchtbar nervös und unaufmerksam. Dabei war doch kein Vollmond.

 Luna beachtet nicht einmal das Abendessen, das ihre Mutter ihr vorstellte. Sie stopfte das Risotto gedankenlos in sich hinein. Und den Schokoladenpudding zum Nachtisch ließ sie sogar unberührt stehen.

Nadia schüttelte den Kopf.

„Kind, fühlst du dich nicht wohl? Ist etwas passiert?“

„Nein Mama, alles in Ordnung!“

„Vielleicht solltest du besser schlafen gehen. Ich hoffe du brütest nicht irgendetwas aus – nicht dass du mir noch krank wirst“.

„Ja Mama, du hast recht. Ich geh schlafen. Gute Nacht“

Luna gab ihrer Mutter noch einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange und schlurfte die Treppen nach oben zu ihrem Schlafzimmer.

Nadia blickte ihr nachdenklich nach.

 Angespannt und nervös saß Luna auf dem Bett in ihrem Zimmer. Was heute wohl passieren würde? Irgendwie fühlte sie sich glücklich, doch gleichzeitig hatte sie das Gefühl, als ob ein riesiges Gewicht auf ihr lasten würde. Vielleicht war ja wirklich alles nur ein Traum gewesen und es würde heute Nacht gar nichts geschehen. Luna griff sich an die Schläfen. Schon wieder schmerzte ihr Kopf.

 Die großen blauen Augen verfolgten jede Bewegung der großen Wanduhr in ihrem Zimmer. Sie versuchte zu lesen, doch nichts konnte ihre Aufmerksamkeit von der Uhr im Zimmer ablenken.

Nach einer schieren Ewigkeit war es endlich soweit. In wenigen Minuten würde es Mitternacht schlagen. Die letzten Sekunden zählte Luna halblaut vor sich hin und sie fühlte einen dicken Kloss im Hals und einen großen Stein im Magen: noch 34 Sekunden, 33, 32 ......

Krach, Bum ... plötzlich war das ganze Haus der Parkers hell erleuchtet. Totenstille lag bleischwer auf dem Haus.

Mit einem starken Windstoß wurde wie damals das Fenster zu ihrem Zimmer aufgerissen, die blauen Vorhänge wehten durch den Luftzug wild durchs Zimmer. Luna war verwirrt – es fehlten laut ihre Uhr doch noch einige Sekunden bis Mitternacht. Das grelle, gleißende Licht blendete und als sie sich wegdrehen wollte, warf sie das  Nachtkästchen um

 „Scheiße..“ wollte Luna leise fluchen doch das Wort erstickte in ihrem Hals als sie aus den Augenwinkel …

… ihren Vater erkannte.

Luna konnte hinter ihm nur das helle blaue Licht erkennen und die Stille, die ihn plötzlich, nach all dem Lärm zuvor, umgab. Nichts bewegte sich, kein Ast, kein Lüftchen mehr, nichts.

 Michael kam langsam auf Luna zu, die es noch immer nicht so richtig glauben konnte. Es war also doch alles wahr und echt, es gab ihn wirklich. Ungläubig aber überglücklich lächelte sie, während ihr tausend Dinge durch den Kopf gingen und sie sich sogar noch darüber wunderte, dass ihre Mutter nicht schon längst, aufgeschreckt durch den fürchterlichen Knall der zu Boden fallenden Lampe, in ihrem Zimmer stand. Als sie ihren Vater genauer musterte bemerkte sie, dass er irgendwie in der Luft zu stehen schien. Nur machte das grelle Licht es ihr fast unmöglich alles ganz genau zu erkennen.

 „Hallo Luna, wie geht es dir?“ fragte der Mann von dem sie inständig hoffte, er würde ihr Vater sein.

Luna blickte ihn an und brach einfach in Tränen aus. All ihre Träume waren auf einen Schlag wahr geworden, dies war die Wirklichkeit, die Realität. Es war kein Traum.

„Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu sehr erschreckt mein Kind. Wie ich sehe, geht deine Wanduhr im Zimmer leider um einige Sekunden nach“ bemerkt er gleich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

„Komm, lass mich dich mal in den Arm nehmen. Du zitterst ja noch ganz“

Dankbar aber auch noch ein bisschen zögerlich stand Luna auf und umarmte ihren Vater. Er fühlte sich so echt, so warm und real an, auch wenn er im diesem hellen bläulichen Licht einen Hauch von Unwirklichkeit versprühte.

„Ich wusste nicht, ob du wirklich kommen würdest heute! Ich wusste nicht mehr, ob ich denn nicht alles nur geträumt hätte“ stammelte Luna schließlich „aber ich bin so froh, dass du jetzt endlich hier bei mir bist“

So langsam kehrte wieder Farbe in ihr blasses Gesichtchen und sie wurde ruhiger.

„Du kannst dich doch noch erinnern, was ich dir das letzte Mal alles erzählt habe, oder?“ fragte ihr Vater sie. Luna nickte.

„Sogar an jedes einzelne Wort“ erklärte sie stolz und überglücklich.

„Dann weißt du auch, dass es heute Zeit wird, mit deinem Trainin zu beginnen. Wir haben noch sehr viel vor uns und die Zeit drängt. Bist du bereit mein Kind?“

 Luna hatte im Grunde überhaupt keine Ahnung wovon er sprach. Sicher, er hatte ihr von den Kräften des Bösen im All erzählt, von der Macht der Gedanken und welche Fähigkeiten sie selbst denn alles besäße. Doch was das wirklich bedeuten sollte, vermochte sie nicht zu sagen. Zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie die letzten zwei Wochen bereits versucht hatte, von diesen doch ach so mächtigen Kräften gebrauch zu machen. Dinge wie eine Tür öffnen, ein Glas verrücken oder auch mal einen der Smiths durch die Luft fliegen zu lassen und ähnliches. Jedes mal hatte sie all ihre Konzentration und innere Kraft aufgebracht und kleine Ewigkeiten lang dorthin gestarrt, doch nichts, absolut nichts hatte sich auch nur im Mindesten bewegt. Fauler Zauber, das war ihr einziger Kommentar dazu.

 „Luna, es ist höchste Zeit, dass wir jetzt endlich mal die Erde verlassen und unsere wirkliche Heimat besuchen“ sagte ihr Vater plötzlich mit einem geheimnisvollen Lächeln im Gesicht.

„Lass uns gleiten“

Zum Mond gleiten? Was sollte denn das nun wieder heißen? Doch bevor Luna auch nur irgendetwas sagen oder denken konnte, drückte ihr Vater ihr ein kleines Fläschchen mit blauer Flüssigkeit in die Hand und sagte: „Bitte trink das. Keine Angst, es schmeckt süß.“

Langsam schraubte sie den Verschluss von dem kristallklaren Fläschchen und schnupperte an der Flüssigkeit. Eigentlich roch es nach gar nichts, also konnte es wohl auch nicht so schlimm sein. Und kaum hatte sie die Flüssigkeit in einem Zug runtergeschluckt, hob ihr Vater ihr schmales Gesichtchen zu sich, um ihren Blick ein zu fangen. Er sah sie so intensiv mit seinen blauen Augen an, dass ihr ganz angenehm und leicht wurde, ein Gefühl der Schwerelosigkeit durchdrang sie und sie spürte ihren Körper nicht mehr. Es war, als würde sie sich in Milliarden von Teilen auflösen und sie verlor irgendwie fast das Bewusstsein. Alles um sie herum war verzerrt, verschoben, merkwürdig. Lichter, Dunkelheit und diese angenehme Wärme.

 Als nächstes hörte Luna nur ein kurzes Klatschen. Mit einem Schlag war sie wieder voll bei Sinnen. Wo war sie? Was hatte sie gemacht? War ihr Vater also doch nur ein Traum gewesen oder war er jetzt noch immer hier?

Sie rieb sich die Augen und strich sich die wirren roten Locken aus dem Gesicht. In diesem Moment spürte sie, wie jemand ihre Hand nahm und voller Dankbarkeit und Erleichterung konnte sie an ihrer rechten Seite wieder ihren Vater ausmachen, der sie jetzt anlächelte.

„Na siehst du, es hat doch alles wunderbar geklappt“

Luna guckte jetzt noch ein bisschen verwirrter aus der Wäsche als vorher.

Dann erst realisierte Luna, was eigentlich um sie herum passierte. Sie war nicht mehr in ihrem Zimmer, nicht mehr in ihrem Haus, nicht mehr in ihrem Dorf.

Ja, wo war sie eigentlich?

Überall erblickte sie helles, kalkähnliches weißes Gestein. Alles war in ein seltsames, bläuliches Licht getaucht. Sie sah keinen Himmel und keine Sterne, sondern nur Gestein um sich herum.

 „Wir sind angedockt mein Kind“

„Angedockt? Was heißt das? Wo sind wir?“

„Wir sind zuhause, Luna. Wir sind im Inneren des Mondes“

Lunas Blick sprach wohl Bände. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie das hätte funktionieren sollen. Einfach so mal auf eine Cola zum Mond? Das war doch Käse!

Michael lächelte. Seine Tochter hatte noch viel zu lernen.

„Du hast doch sicherlich in der Schule gelernt, dass alles auf der Welt, alle Dinge aus Atomen bestehen, stimmts?“

Luna nickte. Sie mochte Physik zwar so gar nicht, aber an diesen Teil des Lehrstoffes konnte sie sich noch erinnern. Alle Wesen, alles Dinge setzten sich aus Abermillionen von winzigkleinen Teilchen zusammen.

 „Ja und wenn man die Fähigkeit hat und entsprechend trainiert, dann kann man diese Atome überall auflösen und irgendwo anders ganz genau gleich rematerialisieren, d.h. wieder zusammensetzen. Wichtig ist bloß, dass man seine Gedanken, seine Seele zusammenhalten kann. Dann kann sich dein Körper wieder an jeder Stelle problemlos zusammensetzen.“ fuhr ihr Vater fort

 Luna kapierte nun rein gar nichts mehr.

„Aber ich bin doch überhaupt nicht dafür trainiert und ich hab ja auch gar nichts gemacht! Wie konnte ich das denn dann alles machen?“

„Stimmt, du bist wirklich ein kluges Kind! Aus diesem Grunde habe ich dir auch etwas verflüssigten Mondstaub zum trinken gegeben. Er weckt die noch versteckten Kräfte in dir und hilft dir. Aber glaub mir, bald wirst du es auch ganz alleine schaffen, da bin ich mir ganz sicher. Du hast alles was man dafür braucht im Überfluss“

Luna dachte nach. Wenn das wirklich stimmen sollte, dass man ganz einfach und problemlos überallhin gleiten konnte und sich dort automatisch neu zusammensetzte, dann konnte man doch sicherlich auch Krankheiten und sonstige Dinge, wie z.B. ein gebrochenes Bein zurücklassen und völlig gesund anderswo wieder auftauchen.

Michael sah seine Tochter an und konnte ihre Gedanken lesen.

„Das funktioniert leider nicht mein Kind. Alle Schmerzen oder Gebrechen sind ja in deinem Kopf, in deinem Körper oder in deiner Seele gespeichert. Deshalb werden auch diese Dinge einfach mit dir übertragen“

 Irgendwie klang das alles schrecklich kompliziert und schwierig. Luna konnte sich das gar nicht praktisch vorstellen. Und doch – sie war plötzlich da, in einer völlig fremden Welt.

„Komm! Ich zeige dir den Mond“

Und gemeinsam mit ihrem Vater kletterte Luna durch einen schmalen steinigen Steg hinunter in die Tiefe, die irgendwie gar nicht bedrohlich oder dunkel wirkte, sondern einladend und hell.

Fortsetzung folgt

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