Kurzgeschichte
Nicole

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"Nicole"
Veröffentlicht am 14. November 2009, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich entdeckte die Lust am lesen erst spät, als ich so 11 oder 12 war und ich krankheitsbedingt der Schule fernbleiben mußte (welch eine Tragödie für einen 12jährigen^^). Dummerweise gab es nichts zu tun, die Freunde waren ja alle in der Schule und im Fernsehen gab es nur 3 Sender (ja, ist lange her^^) und die brachten nur in den Ferien ein für Kinder und Jugendliche interessantes Programm. Also sah meine Mom ihre Chance gekommen, mich doch noch ...
Nicole

Nicole

Beschreibung

Diese Geschichte entstand, als ich 19 war und gehört zu den persönlichsten Dingen, die ich je geschrieben habe. Meiner "Nicole" (so hieß sie natürlich nicht wirklich), geht es heute Gott sei Dank sehr gut, aber seid damals hat mich die Frage nach dem Warum und danach, was ich hätte tun können, nicht mehr losgelassen...

Am 21sten Juni, 1990 stand Michael an Nicoles Grab. Das Wetter war so schön, wie man es vom ersten Tag des Sommers nur erwarten konnte. Seine Gedanken jedoch waren bei dem Tag, an dem sie starb. Es war auf den Tag genau ein Jahr zuvor…

 

Heftiger Regen schlug gegen die Fenster, als sie erwachte. Sie mochte die Person im Badezimmerspiegel nicht. Es war ihr Aussehen, was sie am meisten haßte, das matt braune Haar und das pickelige Gesicht darunter. Fast genauso wenig mochte sie den Rest ihres Körpers, oder die Art wie sie ging oder sprach. Wie an jedem anderen Geburtstag, haßte sie so ziemlich alles.

Sie ging die Treppe hinunter und wollte gerade die Küche betreten, als sie plötzlich inne hielt. Aus der Küche klangen die wütenden Stimmen ihrer streitenden Eltern und sie hielt es für das beste, ihre tägliche Routine des Streitens nicht zu unterbrechen. Also nahm sie ihre Schultasche und verließ wortlos das Haus. Dennoch war sie spät dran und die Schule hatte bereits begonnen, als sie eintraf. Herr Brauner, ihr Lehrer, war über ihr zuspätkommen sehr verärgert. Es war nicht das erste Mal, das sie zu spät kam und zudem war die Klassenarbeit, die sie zurück bekam der schlechteste der Klasse. Die ganze Stunde über hielt Herr Brauner ihr Vorträge, aber sie schmollte nur. Es kümmerte sie wenig, was Herr Brauner sagte, ihre Eltern oder Erwachsene im allgemeinen. Ihr Leben wäre völlig bedeutungslos, wäre da nicht Oliver gewesen. Ihre Liebe zu ihm war der ganze Sinn ihres Lebens. Sie wußte, sie würde ihn eines Tages heiraten und einen Haufen Kinder bekommen. Sie würde das ganze Zeug nie brauchen, was die Schule versuchte ihr einzutrichtern. Sie würde eine Hausfrau und Mutter sein und das war alles, was sie wollte, auch wenn ihre Klassenkameradinnen sie dafür auslachten. Jeden Tag lebte sie nur für den Moment, an dem sie sich trafen. Sie seufzte. Heute hatte er keine Zeit für sie. Er mußte seinem Vater im Laden aushelfen, hatte er gesagt.

Deprimiert verließ sie die Schule nachmittags. Da sie nicht nach Hause wollte, wanderte sie ziellos durch die Straßen. Völlig überraschend sah sie plötzlich Oliver auf der anderen Straßenseite. Ihr Herz machte einen Sprung und sie wollte schon fröhlich seinen Namen rufen, als sie plötzlich stoppte. Enttäuschung ließ ihre Herz stillstehen, als sie des Mädchens gewahr wurde, das Oliver in den Armen hielt. Was zur Hölle wollte er von der blöden Tanja?  Sie konnte es nicht begreifen. Ihre ganze Welt brach an diesem furchtbaren nachmittag zusammen. Mit ihrem geliebten Oliver verlor sie jeden grund zu leben. Mit Tränen in den Augen rannte sie durch die Straßen, ohne zu wissen, wo ihr Weg sie hinführen würde.

Plötzlich stand sie vor dem Haus der Fischers, Michaels Eltern. Das war die Lösung, Michael war seid dem Kindergarten ihr bester Freund und würde ihr sagen können, was sie tun sollte, oder sie zumindest trösten. Sie klingelte und als Michaels Mutter öffnete, fragte sie nach ihm.

„Oh“, antwortete sie, „er ist ins Kino gegangen, mit Sven und Katja.  Er hat versucht dich zu erreichen, aber du warst nicht zu Hause.“

„Naja, ich war bei Oliver“, log sie, ohne recht zu wissen, warum und blickte zur Seite, um ihre Tränen zu verbergen. Dann drehte sie sich um und verschwand ganz langsam. Frau Fischer runzelte kurz die Stirn, zuckte dann aber nur mit den Schultern. „Kinder“, seufzte sie kopfschüttelnd.

 Wieder zu Hause, ging Nicole direkt auf ihr Zimmer, kramte ihr Tagebuch hervor und begann all die Enttäuschungen des Tages aufzuschreiben. Das ganze Buch war eine einzige Aufzählung von Pech und Enttäuschungen. Sie legte das Buch offen auf den Tisch und ging zum Kleiderschrank, wo sie die Schlaftabletten versteckt hatte. Das war alles was sie jetzt wollte, schlafen…

 

Tränen rannen über sein Gesicht, als Michael sich an den schwärzesten Tag seines Lebens erinnerte. Der Tag, an dem sie ihm erzählten, das seine beste Freundin tot sei. Warum hatte gerade sie so etwas furchtbar dummes tun müssen? Er konnte es nicht verstehen. Er wußte nur, das sie noch am Leben sein könnte, wäre er an jedem Nachmittag zu Hause gewesen. Er hatte sie im Stich gelassen, gerade, als sie ihn am meisten gebraucht hatte. Das gab ihm dieses deprimierende Gefühl der Schuld, das ihn jeden Tag seines Lebens begleitete. Und weil er seine beste Freundin verloren hatte, war er allein mit dieser Schuld. Niemand konnte ihm helfen. Er hatte das Gefühl, ihr Blut klebte an seinen Händen und so sehr er es auch versuchte, er konnte es einfach nicht abwaschen…

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Hörbuch

Über den Autor

Thiar
Ich entdeckte die Lust am lesen erst spät, als ich so 11 oder 12 war und ich krankheitsbedingt der Schule fernbleiben mußte (welch eine Tragödie für einen 12jährigen^^). Dummerweise gab es nichts zu tun, die Freunde waren ja alle in der Schule und im Fernsehen gab es nur 3 Sender (ja, ist lange her^^) und die brachten nur in den Ferien ein für Kinder und Jugendliche interessantes Programm.
Also sah meine Mom ihre Chance gekommen, mich doch noch von Comics weg zu Büchern hin zu leiten und brachte mir aus der Stadtbücherei Winnetou mit. Von da an habe ich Bücher verschlugen und wurde eine waschechte Leseratte.

Mit 14 ging mir dann der Stoff zum lesen aus (die Bücherei war so klein wie der Ort in dm wir wohnten) und ich beschloß mein eigenes Buch zu schreiben. Natürlich war das was ich damals verfasste literarisch nicht besonders wertvoll, aber es war der Beginn einer Leidenschaft, die mich nie wieder losgelassen hat...

Mein Hauptgebiet sind Geschichten aus Science Fiction und Fantasy (wie man schon an meinen Lieblingsbüchern unschwer erkennen kann^^), zwei Genres, die in ihrem Wert oft unterschätzt werden. Ich betrachte sie jedoch als optimale Spielwiese, denn im Grunde bedeuten sie nur ein bestimmtes Setting, in dem immer noch jede andere Form von Geschichte erzählt werden kann, egal ob Drama, Liebesgeschichte oder Komödie - alles ist möglich...

Die Geschichten, die ich hier veröffentliche, sind sozusagen meine Fingerübungen für meine Romane, an deren Veröffentlichung ich nach wie vor arbeite (siehe Motto^^). Einige dieser Geschichten stammen noch aus meiner Jugend, andere werden sich rund um die Romane tummeln. Ich hoffe ich kann dem einen oder der anderen ein wenig Unterhaltung bieten und eine kleine Flucht aus der grauen Realität...

Viel vergnügen :)

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Thiar Re: Unschuldige Schuld... -
Zitat: (Original von punkpoet am 23.03.2011 - 15:11 Uhr) ...oder schuldige Unschuld?
Wie soll man es nennen?
Es ist nicht leicht in Worte zu fassen, denn die Geschichte als solche weiß zu fesseln, gerade weil sie aus dem Leben gegriffen ist und nachvollziehbar erscheint. Ein Mensch wird nicht labil geboren, sondern das Leben und die Ereignisse formen uns dazu, wenn wir es so erleben. Um es mal ein wenig unseren Schulthemen anzugleichen: Das Leben ist wie eine Bilanz aus der man nicht immer nur Gewinne ablesen kann, sondern eben auch Verluste! *grins*

Die Frage der Schuld kann man nicht beantworten. Ebenso sollte man sie auch gar nicht erst stellen. Die Vernunft sagt, dass es keine Schuld dafür geben kann, welche Michael empfindet. Aber damit wären wir auch schon beim Kernpunkt: dem Gefühl. Gefühle sind eine subjektive Angelegenheit, und wie Steffi es schon schrieb wird es dafür auch keinen Trost geben. Man kann einem Menschen nicht das Gefühl nehmen, mit Worten. Aber man kann ihm eigene Erfahrungen und Gefühle näher bringen. Daran kann er sich dann messen... kann vergleichen... kann seine Sicht der Dinge in anderen Menschen wiederfinden. Die gefühlte Schuld wird dadurch nicht weniger, aber sie könnte unter Umständen nicht mehr so schwer wiegen, weil man es zulässt das Andere sie gemeinsam mit Einem tragen.

Soviel von mir zu diesem Thema.
Zurecht 5 Sterne für die Thematik und den Schreibstil. :)

Liebe Grüße,
Daniel


Danke, Daniel, für das Lob :)

Deiner Analyse gebe ich völlig recht. Ich denke meine Hoffnung bei dieser Geschichte ist irgendwo auch, das Betroffene beim Lesen zu dem selben Schluß kommen und sich nicht die Schuld an etwas geben, auf das sie letztlich keinen Einfluß hatten...
Vor langer Zeit - Antworten
punkpoet Unschuldige Schuld... - ...oder schuldige Unschuld?
Wie soll man es nennen?
Es ist nicht leicht in Worte zu fassen, denn die Geschichte als solche weiß zu fesseln, gerade weil sie aus dem Leben gegriffen ist und nachvollziehbar erscheint. Ein Mensch wird nicht labil geboren, sondern das Leben und die Ereignisse formen uns dazu, wenn wir es so erleben. Um es mal ein wenig unseren Schulthemen anzugleichen: Das Leben ist wie eine Bilanz aus der man nicht immer nur Gewinne ablesen kann, sondern eben auch Verluste! *grins*

Die Frage der Schuld kann man nicht beantworten. Ebenso sollte man sie auch gar nicht erst stellen. Die Vernunft sagt, dass es keine Schuld dafür geben kann, welche Michael empfindet. Aber damit wären wir auch schon beim Kernpunkt: dem Gefühl. Gefühle sind eine subjektive Angelegenheit, und wie Steffi es schon schrieb wird es dafür auch keinen Trost geben. Man kann einem Menschen nicht das Gefühl nehmen, mit Worten. Aber man kann ihm eigene Erfahrungen und Gefühle näher bringen. Daran kann er sich dann messen... kann vergleichen... kann seine Sicht der Dinge in anderen Menschen wiederfinden. Die gefühlte Schuld wird dadurch nicht weniger, aber sie könnte unter Umständen nicht mehr so schwer wiegen, weil man es zulässt das Andere sie gemeinsam mit Einem tragen.

Soviel von mir zu diesem Thema.
Zurecht 5 Sterne für die Thematik und den Schreibstil. :)

Liebe Grüße,
Daniel
Vor langer Zeit - Antworten
Thiar Re: -
Zitat: (Original von verzaubert am 28.11.2009 - 19:24 Uhr) Lieber Thiar,
das ist eine sehr einfühlsame, traurige Geschichte!
Die Frage nach dem Warum und der Schuld wird lebenslänglich im Raum stehen. Es tröstet auch nicht zu sagen, dass es ihre eigene Entscheidung war und Michael sie nicht hätte retten können. Niemand hat ohne Grund Schlaftabletten im Schrank... Der Plan war vermutlich schon länger im Kopf... Leider!!!
Liebe Grüße
deine Steffi


Danke Steffi,

es freut mich, das dich die Geschichte berührt hat. Deine Schlußfolgerungen kommen dem was ich mit der Geschichte sagen wollte schon sehr nahe...
Vor langer Zeit - Antworten
verzaubert Lieber Thiar,
das ist eine sehr einfühlsame, traurige Geschichte!
Die Frage nach dem Warum und der Schuld wird lebenslänglich im Raum stehen. Es tröstet auch nicht zu sagen, dass es ihre eigene Entscheidung war und Michael sie nicht hätte retten können. Niemand hat ohne Grund Schlaftabletten im Schrank... Der Plan war vermutlich schon länger im Kopf... Leider!!!
Liebe Grüße
deine Steffi
Vor langer Zeit - Antworten
Thiar Danke Thomas :)

Natürlich ist es eigentlich unsinnig, sich in so einer Situation die Schuld zu geben (meistens jedenfalls), aber es gibt halt einen Unterschied zwischen dem logischen Denken und dem eher instinktiven empfinden... ;)
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Dieses Hätte-wäre-wenn-Spielchen... - ... ist immer ganz gefährlich. Das kann man so lange weiterspinnen, dass man irgendwann immer quasi der Schuldige ist. Eine sehr traurige Geschichte. Ich glaube, wenn wirklich ALLES im Leben schief zu gehen scheint, und das in so jungen Jahren, dann kann man schon den Glauben an das Leben verlieren, wenn man schon von Natur aus kein sehr starker Mensch ist. Dennoch, schön geschrieben. :-) Das soll noch erwähnt werden.

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Thiar Re: Ein sehr -
Zitat: (Original von Ryu1 am 15.11.2009 - 06:58 Uhr) einfühlsames Thema. ..........
die Frage nach dem Warum und Hätte ich doch wird wohl nie zufriedenstellend geklärt.
Ich kenne das selbst ebenfalls, wenn auch aus anderer Situation - die Vorwürfe macht man sich ein Leben lang, mal mehr, mal weniger. Aber man vergißt sie nicht - egal, was andere sagen.........

LG
Ryu


Danke Ryu, das sehe ich genauso... :)
Vor langer Zeit - Antworten
Ryu1 Ein sehr - einfühlsames Thema. ..........
die Frage nach dem Warum und Hätte ich doch wird wohl nie zufriedenstellend geklärt.
Ich kenne das selbst ebenfalls, wenn auch aus anderer Situation - die Vorwürfe macht man sich ein Leben lang, mal mehr, mal weniger. Aber man vergißt sie nicht - egal, was andere sagen.........

LG
Ryu
Vor langer Zeit - Antworten
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