WILLI VAN HENGEL MORBUS VITALIS ROMAN Über das Buch: Die Sprache eines verletzten Menschen ist zynisch, übermütig, zweideutig und ungerecht, sie ist ironisch, witzig, frech, stilvoll, grausam, weich und dämonisch. Es gibt Situationen im Leben, die stehen nicht für sich, sondern nur für die eigene Seelenverfassung. Was man gibt, empfängt man. Schwingung für Schwingung. Und zuletzt bleibt alles doch ein Geheimnis. Wie am meisten die Liebe. %u201ENenne mir einen Grund, einen einzigen nur, um dich nicht sterben zu lassen. Dann werde ich dir diese Zeilen, die dich das Leben gekostet haben, widmen können. Ich fürchte, wir werden uns wieder sehen.%u201C Über den Autor: van Hengel erfindet fast nichts %u2013 außer sich selbst. Und damit auch alle Szenen. Er birgt sie aus einer noch unentdeckten Tiefe seines Inneren. Allein auf weiter Flur ist er doch nie alleine. Er ist meist unter Menschen, die sich nicht so trauen, wie er es sich zutraut. %u201EAber das ist gar nicht mein Verdienst%u201C, sagt er, %u201Ees sind allein die Musen, die mich durch die Welten segeln lassen%u201C. Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen, sagt er weiter. Weil er dauernd schreiben muss. %u201EEin Fluch und ein Segen zugleich, wie man so schön sagt.%u201C Das ist sein Leben. Und mehr noch. Wie vor allem im vorliegenden Roman zu lesen ist %u2026 Willi van Hengel Morbus vitalis Roman Willi van Hengel Morbus vitalis Roman www.vanhengel.de meiner mam meiner marizz meiner karla »%u2026 die tage um einen fußbreit kürzer unter zerbrechlichem stern bruchstückhafte gespräche noch glauben wir%u2019s einander nicht dass aus dem nahen dickicht der herbst tritt %u2026 und wunderschön das überflüssigsein der klage« Jan Skácel »der tod einer leidenschaft lässt entweder tote zurück oder gänzlich veränderte.« Bernd Mattheus 1. Vielleicht sollte ich es mir gleich eingestehen und sagen, was ich von mir und meinem Leben und dem Rest halte, was für wahr und was für falsch, wie sonst könnte ich damit beginnen, mich zu besinnen und sagen, dass ich ein Mensch wie jeder andere bin und mein Leben dennoch eine merkÂwürdige Geschichte ist %u2013 ich spiele zwar eine große Rolle daÂrin, mit Sicherheit aber nicht die Hauptrolle; die spielen meine Ohren, Augen und Hände, mein Glied, mein SternzeiÂchen, all die Gedanken und Gefühle und EmpfindunÂgen, all die Mutmaßungen, Triebe und Vorlieben, Obsessionen, BeÂdürfÂnisse, Enttäuschungen und MissverÂständnisse, all die ganzen Bewandtnisse und Verletzungen, für die ich bislang keine Worte hatte und nicht weiß, ob ich sie je haben werde. Aber wann anfangen, habe ich mich gefragt, wann, wenn nicht jetzt, nach Hause gehn, %u2019nen Kaffee machen und BruckÂners Fünfte auflegen, auf den alten Plattenspieler mit Radio und doppeltem Cassettendeck, aus der Zeit mit BarÂbara noch, mensch, 15 Jahre ist das schon her. Wann, wenn nicht jetzt, mit so was wie der Wahrheit anfangen, mitten in den Sud hinein, in dem ich gerade stecke, diese scheiß DaÂmenwelt, mitten hinein in diese res eroticis. Ausgerechnet dort bei den Frauen soll ich eine Wahrheit finden?, habe ich mich gefragt und mein Vorhaben allein schon durch diese Frage in Gefahr gesehen. Affig, dachte ich, die Wahrheit ist weiblich und lässt sich gerade dort nicht finden oder, sagen wir mal, nur sehr schwer, mit einem langen Atem, oder mit einer langen Lüge. Trotzdem muss ich%u2019s versuchen, egal was dabei rauskommt. Um nicht die ganze Zeit so verdammt allein zu sein, am Schreibtisch und sonst wo mit dem Kuli oder so, werde ich dir, Ulle, das alles schreiben oder, besser noch, aufs DiktaÂphon sprechen, das geht schneller. Weil du mich nun schon ein Leben lang kennst, muss ich dir wenigstens nicht alles erklären und dir die Angelegenheit noch weniger beschreiÂben, damit du dir ein Bild davon machen kannst: von meiner jetziÂgen Umgebung, meinen heimlichen Träumen und etwas verwirrten Vorstellungen; ebenso wenig von Eva und Ines und von meiner ungebändigten Vorliebe für Philosophen, verhüllte Brüste und andere tragische Gestalten. Hoffentlich wirst du nicht selber eine tragische Gestalt. Du weißt ja, Ulle, dass du viel gefährdeter bist als ich, vielÂleicht sogar mit jeder Zeile mehr. Auf jeden Fall darf ich nicht anfangen mit Lieber Ulle, dann wirst du sofort die AuÂgen verdrehen und keine Lust mehr haben, mir weiter zuzuÂhören.