Kurzgeschichte
Grandfather´s Story

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"Grandfather´s Story"
Veröffentlicht am 29. September 2009, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Grandfather´s Story

Grandfather´s Story

Eigentlich ist es für mich ja nicht üblich, unter der Woche in eine Kneipe zu gehen, doch dies war mir nun völlig egal. Ich wollte vergessen. Alles einfach vergessen. Es ist einfach zu schmerzhaft, als dass ich bereit währe, mich dem zu stellen. Und Alkohol soll ja hilfreich dabei sein, nein er ist es, dass ist den Menschen ja seit Jahrhunderten bekannt. Ob dies nun eine angenehme Eigenschaft des Alkohols ist, und ob er überhaupt welche hat, sei jetzt dahingestellt. Ich gehe also durch die Türe, setze mich auf einen der Barhocker, und bestelle mir mein erstes Bier. Ich bin mir sicher, dass es nicht das letzte heute Abend ist. Erst jetzt fallen mir die beiden Alten neben mir auf. Sie waren deutlich über sechzig, so wie ich sie einschätzen konnte.

 

Du Martin, wie warst du dir sicher, dass deine Frau die Richtige ist? Was hat dich dazu bewogen, sie zu heiraten?“, fragte der eine den anderen. „Hmmh, das war damals, 2003, eigentlich war damals gar nichts sicher. Ich wollte mich von meiner damaligen Freundin trennen. Nein, eigentlich haben wir uns schon fasst getrennt. An einem Abend hatten wir einen heftigen Streit, da war ich mir sicher, dass ich sie verlasse, doch dann, auf der Fahrt zur Kaserne, änderte sich alles schlagartig. Ich hatte verständlicherweise Wut im Bauch. Und du erinnerst dich ja daran, wie wir in unserer „Sturm und Drangzeit“ gefahren sind, Otto, oder?“ „Ja.“ „Na also. Dann weißt du auch, dass ich sowieso nie als übervorsichtiger Fahrer galt. Mein Wagen spielte mir in die Hände, und dann kam noch die Wut hinzu.“

 

Nun beginnen sich die Ereignisse wie ein Film vor meinem inneren Auge vorzuspielen, dachte sich Martin, als er weitererzählte.

 

Ein Sportwagen befindet sich auf der Autobahnauffahrt. Er beschleunigt.

 

Ich wechselte also auf die A3, so wie ich es immer machte, wenn ich zum Bund fuhr.“

 

Der Tacho schnellte hoch: 100…120…140…180…200…220…240…270…280… die Beschleunigung schien kein Ende zu nehmen. Der Turbo pfiff sonor zum gierigen Brüllen der dreieinhalb Liter Maschine. „Dieser Wagen war auf der Autobahn wie ein unbändiges Tier, welches nur von erfahrenen Dompteuren gezügelt werden konnte. Ich wusste es doch manchmal reicht wissen alleine nicht aus.“

 

 

The experience of Survilliance is the key to the Gravity of Love“ drang aus den Boxen, auf dem Display des Radios stand geschrieben: Enigma – Gravity of Love.

 

Ein Laster wechselte auf die Überholspur. Ich weiß nicht, ob er mich übersehen hatte, oder sonst etwas, ich wusste nur, dass siech die folgenden Sekunden wie in Zeitlupe abspielten.“

 

Die roten Bremszangen verbissen sich mit der Gewalt von Furien in die Pizzatellergroßen Carbonbremsscheiben Funken stoben auf, und illuminierten den Schriftzug PORSCHE auf den roten Sätteln. Die Reifen blockierten, der Wagen stellte sich quer, der Laster rückte näher und näher, unaufhaltsam, wie eine Wand des Todes. Ein Gestank von Gummi durchflutete die Fahrgastzelle, der Motor brüllte protestierend auf, das Wastegate öffnete dem Überdruck des Turboladers zischend die Bahn, die Ladedruckanzeige schnellte hoch, der Tachometer langsam, unendlich langsam herunter. Dort war der Hänger. Ein Krachen und Quietschen durchdrang den Innenraum. Der Sportwagen bohrte sich unaufhaltsam in das Innere des Trailers. Glas splitterte, die Motorhaube faltete sich wie ein Stück Papier vor meinen Augen. Überall brach Glas, splitterte Lack oder flogen Trümmer. Der Wagen bohrte sich noch immer unaufhaltsam in den Laster. Mit dem Mut der Verzweifelung, so würde man sagen, wenn sie Leben würden, bissen sich die Bremszangen weiter und weiter fest. Die Bremsscheiben brachen.

 

Mein Blick schweifte auf das Radio. Dort stand noch immer dasselbe geschrieben. Es verlosch. Mein letzter Gedanke war: Das wird dir auch passieren. Danach wurde die Welt schwarz.“

 

Später sagte die Polizei mir, dass ich wohl mit ca. 200 km/h aufgeprallt sein muss. Auch Airbags, ABS und sonstiges konnten mein Überleben eigentlich nicht erklären, doch ich überlebte. Zwar schwer verletzt, aber ich überlebte. Mein Wagen war nach dem Unfall nur noch halb so hoch und ein Drittel so lang wie ursprünglich. Dem Fahrer des Zuges ist natürlich nichts passiert. Schuld hatten wir beide, er hätte im LKW Überholverbot nicht überholen dürfen, und ich hätte nicht mit solch Geschwindigkeiten, ausgehend von meinem Bremspunkt und der verbauten Bremsanlage musste ich etwa 313 km/h gefahren sein, fahren sollen.“

 

Aber wie war das nun mit deiner Frau?“

 

Ja, also ich erwachte irgendwann nach dem Unfall. Später sagte man mir, ich hätte sieben Wochen im Koma gelegen. Das Erste, was ich vernahm, war Daniela, wie sie am Fußende auf einem dieser Krankenhausstühle saß, ihr Gesicht war durch Tränen und ihrer Schminke verschmiert. Sie schlief nach vorne gebeugt mit dem Kopf auf meinem Bett. Sie sah damals so hilflos aus, doch sie schien unglaublich Kraft zu haben, obwohl sie selber noch fast ein Kind war. Die Pfleger erzählten mir, sie hätte Tag und Nacht an meinem Bett gewacht, weder gegessen noch etwas anderes getan. Wenn sie mal gegessen hatte, dann nur von dem, was ihre Eltern ihr mitbrachten. Sie hatte die ganze Zeit mein Zimmer nicht verlassen. Und dann erinnerte ich mich an die letzten Worte, die ich im Auto vernahm: „Der Schlüssel zur Anziehungskraft der Liebe ist die Erfahrung des Überlebens. Und von nun an war mir alles klar. Daniela schien mich über alles zu lieben, sonst hätte Sie nicht Woche für Woche an meinem Bett gewacht. Doch das war mir zu diesem Zeitpunkt egal, denn ich wusste nun etwas mit einer Sicherheit wie das „Amen“ in der Kirche: Ich liebe Daniela über alles. Noch am selben Tag verlobte ich mich mit ihr, und nach meiner Rehabilitation heirateten wir. Und ich bereue heute nur die Tage, an denen ich Daniela noch nicht kannte. Ich behaupte, dass ich sie heute mehr Liebe als jeden anderen Tag zuvor. Und heute sind nun unsere Enkel auf dem Weg, ihre Partner fürs Leben zu finden.“

 

Wie alt sind sie denn?“

 

Siebzehn und Fünfzehn. Ich hoffe nur, dass sie nicht so etwas durchmachen müssen wie ich und Daniela, um zu erkennen, was sie da tatsächlich haben.“

 

Erst jetzt wurde mir klar, was dieser Alte da sagte. Ich kannte ihn nicht, ich hielt auch nichts von dem Spruch, das Erfahrung der beste Lehrer sei, doch ich ahnte, nein ich wusste, denn mein Herz brüllte es mir zu, dass er Recht hatte. Eines war sicher, ich wollte meinen Partner für das Leben auch finden, ohne dem Tod „von der Schippe“ zu springen. Ich stelle also mein Bier, es war nach wie vor das Erste, zurück, und gehe zum Telefon um meinen Freund anzurufen. Eine solche Kleinigkeit durfte einfach nicht unsere Beziehung zerstören.

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