Kurzgeschichte
Liebeserklärung an ein Haus

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"Liebeserklärung an ein Haus"
Veröffentlicht am 04. August 2009, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Liebeserklärung an ein Haus

Liebeserklärung an ein Haus

Beschreibung

Bild und Beschreibung meiner kleinen Mansardenwohnung in diesem Haus in der Steiermark.

Liebeserklärung an ein Haus
 


 

Semmering! Jetzt müsste ich gleich in Spital sein....von hier noch zehn Minuten hat sie gesagt. Wird dir gut tun, hat sie gesagt, ich geb´ dir den Schlüssel unserer Ferienwohnung, meine Verwandten wissen von deinem Besuch – und du vergisst jetzt einmal die vielen Aufregungen der letzten Wochen und erholst dich.

Ah! Spital am Semmering!

Von der Bundesstraße rechts abbiegen.

„Europacup – Spital / Semmering – Weltcup“ demonstriert bei der Ortseinfahrt eine riesige Aufschrift die Bedeutung der Region: Wintersportgebiet!

Schöner Ortskern. Originell das künstliche Gerinne über große Kieselsteine in einem eingefassten, flachen Bett  – sieht nett aus. Es trennt die Straße in Fahrbahn und Parkplätze.

Blumentröge, einige Geschäfte.... verhungern werde ich also nicht.

Jetzt noch einmal rechts abbiegen, Richtung Bahnhof, unter dem Viadukt durch in die Siedlung am Waldrand hinauf.

Ein Villenviertel – Villen aus der Zeit der Jahrhundertwende. Ein gewisser Baumeister Zatzka soll sie gebaut haben. Alle für die eigene Familie, sagt Inge, die schönste und größte für sich selbst – das wird wohl die mit den vielen Türmchen und Erkern sein. Die anderen: für jede seiner fünf Töchter eine.

Ich muss in die Villa Maria.

Da ist der kleine Bach und die schmale Brücke....jetzt nach links... das dritte Haus.

Keine Parkprobleme. Vor dem Haus ein großer, mit Pflastersteinen ausgelegter Platz.

Verwundert schaue ich umher und frage mich, ob ich da richtig bin.

Das ist kein Haus; vor mir steht eine imposante viergeschossige Villa, ein Prachtbauwerk.

Der untere Teil gemauert, der obere mit dunklem Holz verkleidet. Geschnitzte Verstrebungen und Zierbalken im Dachgiebel. Das steilste Dach, das ich je gesehen habe.

Eine große schmiedeeiserne Hauslaterne von erlesener Schönheit – alte, gediegene Handwerkskunst. Geschnitzte Balkone rund um das Haus, auf drei Etagen. Und ein Blumenmeer, das von den Balkonen quillt und vor dem Haus duftet und wogt!

Staunend schweift mein Blick hinunter ins Tal, umfängt die liebliche Ortschaft und gleitet von den Hängen des gegenüberliegenden Stuhlecks über die Bergrücken des großen und kleine Pfaffen, des Hirschenkogels und Dürrkogels bis zum Sonnwendstein.

Hinter dem Haus ragt steil und dunkel der Wald der Kampalpe empor.

Was für ein Blick! Welch traumhaft schöne Lage!

Hundegebell reißt mich aus meinem Staunen.

Fröhlich mit seinem buschigen Schwanz wedelnd trabt ein langhaariger Schäferhund auf mich zu. Eine hochgewachsene Frau folgt ihm.

Inges Schwägerin, ca. 40 – jährig, stellt sich als „Maria“ vor und begrüßt mich herzlich. Sie führt mich durch eine massive Eingangstür ins Treppenhaus.

„Hier, im Parterre, wohnen wir“, erklärt sie,  „die Kinder haben ihre Zimmer im ersten Stockwerk.“

Während wir zur Mansarde hinauf steigen, deutet die Hausfrau auf den Linoleumbelag der Stufen - er ist teilweise abgewetzt und beginnt zu reißen.

„In dem Haus gehört noch soviel gerichtet.“

Das kleine Gangfenster ist vergittert, eine Scheibe fehlt und davor liegen, wie um Marias Worte über den Kampf gegen den Verfall zu bestätigen, einige tote Fliegen.

„Die Arbeit in einem so alten Haus reißt nie ab – es braucht viel Pflege, Zeit und Zuwendung – aber wir lieben es eben.

Sie müssen einmal in unsere Räume hinein schauen – hohe Räume mit alten, bemalten Holzdecken, bemalte Türen.....irgendwie hat das Haus Atmosphäre und Charakter.

Tief und fest ist sein Untergeschoss in den Berg hinein gegraben, mit ihm verwurzelt.“

Mit einem schelmischen Seitenblick auf mich fährt sie fort: “Wie eine Wehrburg steht es über dem Tal und beschützt seine Bewohner.... und seine Gäste.“ Sie sperrt die Wohnungstüre zu Inges Wohnung auf.

„So!“, sagt sie und deutet mir mit einladender Geste, einzutreten.

„Das ist nun für ein Weilchen Ihr Reich! Fühlen Sie sich wohl  und wie zu Hause. Wenn Sie etwas brauchen, dann kommen Sie, bitte, sofort zu mir. Sie wissen ja, irgendwo im Haus bin ich sicher zu finden.“

Da bin ich also.

Ich stelle meine Tasche auf die Holzkiste neben dem wunderschönen, grünen Kachelofen. Er steht zur Hälfte im Vorzimmer, wo er geheizt wird, zur anderen Hälfte im Wohnzimmer. 

Schreck dich nicht, hat Inge gesagt, das Vorzimmer schaut fürchterlich aus – schau halt nicht nach oben.

Erst recht schaue ich nach oben: ein Kabelsalat! Unzählige freiliegende elektrische Leitungen auf der durchhängenden Decke. Und da ist auch die Luke, durch die der Rauchfangkehrer jeden Monat mittels einer Leiter auf den Dachboden steigt.

Na ja, denke ich, das tut meiner Begeisterung wirklich keinen Abbruch.

Vom Vorraum gehen vier Türen weg. Die erste, durch die wir gekommen sind, die Wohnungstür. Daneben führt eine in die Küche. Kästchen mit Geschirr, sogar mit Lebensmitteln, Elektroherd, Mikrowellenherd, Kühlschrank, Kaffeemaschine – alles da.

Nur abwaschen, hat Inge gesagt, abwaschen musst du die paar Wochen wie in der guten alten Zeit, nämlich händisch in einer Nirosta-Abwasch.

Rotweiß karierte Vorhänge an einer Großmutterkarniese umrahmen zwei Fenster, die den Blick ins Grüne freigeben. Planlos verstreut stehen Obstbäume, Flieder-, Haselnuss- und Hollerbüsche auf einer steilen Hangwiese hinter dem Haus, dahinter steigt der Wald in die Höhe. 

Idylle pur! Keine Straße, kein Haus, nur Natur!

Mein Blick verliert sich im Grün und mein Gemüt entspannt sich wohltuend.

Bereits lächelnd schiebe ich den schweren roten Vorhang im runden Türbogen zur Seite und trete ins Wohnzimmer.

Gemütlich! Gemütlich ist es hier – angenehm überrascht atme ich tief ein. Ja, hier werde ich mich wohl fühlen! Vielleicht gelingt es mir, meine Probleme für kurze Zeit zu vergessen oder aus einem anderen Blickwinkel zu sehen?

Vom ersten Augenblick an weiß ich, die rustikale Sitzecke, vor allem den Platz neben dem Kachelofen, werde ich lieben.

Ein Lächeln huscht über meine Lippen und ich bin froh, Inges Einladung angenommen zu haben.

Schau dich nicht zu genau um, hat sie gesagt, auch im Wohnzimmer führt die Lichtleitung freiliegend quer über den Plafond und die Möbel sind alt.

Alt? An der Bauernkredenz sind zwei schmiedeeiserne Belege abgebrochen und auf der Abstellfläche einige Wasserflecken. Doch der Zahn der Zeit konnte dem Reiz dieser Anrichte nichts anhaben – die geschnitzten Zierleisten, die Butzenscheiben und das aufgestellte Keramikgeschirr wirken heimelig.

Überhaupt strahlt die Wohnung, strahlt das ganze Haus eine behagliche und dennoch vornehme Atmosphäre aus. Es umgibt sie das Flair der Jahrhundertwende, das Flair der in einem ganz eigenen Stil erbauten Semmeringvillen aus einer vergangenen Zeit voll Schönheit und Beschaulichkeit.

Ich öffne die Balkontüre und schaue auf einen wunderschönen, weit ausladenden, dunkelroten Haselnussstrauch. Zwei Eichelhäher fliegen in kurzen Abständen darin ein und aus.

Die Strahlen der Herbstsonne durchfluten mit warmen Licht den - wie die Küche -  bergseitig gelegenen Raum, tanzen auf dem mit Fleckerlteppichen ausgelegten Fußboden.  Mein Blick wandert weiter...gleitet über die gemütliche Sitzecke, den Kachelofen, die Kredenz.

Ein Kästchen mit Fernseher und Radio, ein Bücherregal verheißen Unterhaltung und Abwechslung.

Deutlich zeigt sich überall Inges Handschrift: Figuren, Schalen, Bilder, Fotos, liebevoll arrangierte Kunstblumen auf Deckchen....gehäkelte und Seidenblumen... ist verständlich, echte kann sie hier nicht haben, wenn sie oft wochen- oft monatelang fort ist.

Eigenartig....auf den Möbeln liegt kaum Staub. Das muss an der reinen Waldluft liegen und an der Lage fernab des Straßen- und Bahnverkehrs.

Langsam gehe ich wieder in die Küche, ins Vorzimmer und öffne neugierig die Türen zu den beiden Schlafzimmern. Sie sind moderner eingerichtet, mit neueren Möbeln, in der Art von Jugendzimmern. Schreibtisch, Schlafstelle, Kästen und Kästchen.

Auch hier ein Balkon, etwas kleiner – aber mit einem unbezahlbaren Blick auf die umliegenden Berge, ins Tal und auf die Ortschaft. Dicht drängen sich die Häuser um die romanische Kirche breiten sich aufgelockert auf den Hängen des Stuhlecks aus, verspielt, als hätte ein Kind wahllos Spielzeughäuser aufgestellt. In den Schneisen der ansteigenden Wälder lassen Sessellifte und Stützen von Schleppliften fröhliches Treiben auf verschneiten Pisten erahnen.

Einladend wirken das kleine Tischchen und zwei Stühle auf dem Balkon.

Morgensonne!

Vielleicht kann ich morgen schon hier frühstücken und die Stille, den Frieden und die Schönheit dieses Platzes genießen?

Inge hat Recht: ich werde mich hier wohl fühlen!



 

( c )  I. H.


 


 


 


 


 


 


 


 

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mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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erato Re: Re: Komme gleich zu dir... -
Zitat: (Original von mukk am 19.08.2009 - 09:52 Uhr)
Zitat: (Original von erato am 07.08.2009 - 15:01 Uhr) Diese Beschreibung ist - als würde man alles mit inneren Augen sehen - liebevoll die vielen Details, die Heimlichkeit ausstrahlen....
Wunderschön!
GgglG Thomas


Lieber Thomas, danke dir recht herzlich für das "wunderschön" -
freue mich über deinen Besuch, tritt ein, Kaffee ist schon aufgesetzt, und genieße diese Idylle!
Mit ggglG Ingrid


Wenn ich könnte - wäre ich schon da.....
GlG dein Berliner Verehrer
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Komme gleich zu dir... -
Zitat: (Original von erato am 07.08.2009 - 15:01 Uhr) Diese Beschreibung ist - als würde man alles mit inneren Augen sehen - liebevoll die vielen Details, die Heimlichkeit ausstrahlen....
Wunderschön!
GgglG Thomas


Lieber Thomas, danke dir recht herzlich für das "wunderschön" -
freue mich über deinen Besuch, tritt ein, Kaffee ist schon aufgesetzt, und genieße diese Idylle!
Mit ggglG Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Kurzgeschichte zum Erholen! -
Zitat: (Original von Bonnie am 07.08.2009 - 11:36 Uhr) Es scheint mir nach einer Kurgeschichte zum Erholen zu sein. Jedenfalls bin ich von diesem Text wirklich begeistert.


liebe Bonnie, eine Kurzgeschichte zum Erholen! - Das hast du ganz, ganz lieb formuliert, danke dir herzlich! Und das Schöne daran, dieses Haus gibt es wirklich.
Mit herzlichen Grüßen
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
erato Komme gleich zu dir... - Diese Beschreibung ist - als würde man alles mit inneren Augen sehen - liebevoll die vielen Details, die Heimlichkeit ausstrahlen....
Wunderschön!
GgglG Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Re: Re: Liebeserklärung an ein Haus -
Zitat: (Original von mukk am 05.08.2009 - 17:47 Uhr)
Zitat: (Original von Luap am 04.08.2009 - 20:57 Uhr) Ein Haus, wirklich zum verlieben. Da würde ich mich auch wohl fühlen... wunderschön in Bildern beschrieben!

LG, Paul


Danke, lieber Paul - aber dein Haus, dein Foto , scheint mir ebenso eine Oase und ein Ort zum Wohlfühlen zu sein. Gehört es dir?
Danke für die lieben Grüße (Shari)!!
Bis bald, mit herzl. Gruß
Ingrid
Herzliche Grüße


Nein liebe Ingrid, dieses Haus gehörte mir leider nur eine Woche, es steht in Schweden. Ich war vorletzte Woche dort in den Ferien (in Gedanken bin ich immer noch dort, es war wunderschön)

LG, Paul
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Man kann -
Zitat: (Original von Gerbera am 04.08.2009 - 19:38 Uhr) sich genau vorstellen,wies ausgesehen hat,hier würde ich mit Dir gerne früstücken,und die Aussicht genießen.
Liebe Grüße Helga


Liebe Helga - das wäre schön!
Magst du süß oder pikant zum Frühstück?
Liebe Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Liebeserklärung an ein Haus -
Zitat: (Original von Luap am 04.08.2009 - 20:57 Uhr) Ein Haus, wirklich zum verlieben. Da würde ich mich auch wohl fühlen... wunderschön in Bildern beschrieben!

LG, Paul


Danke, lieber Paul - aber dein Haus, dein Foto , scheint mir ebenso eine Oase und ein Ort zum Wohlfühlen zu sein. Gehört es dir?
Danke für die lieben Grüße (Shari)!!
Bis bald, mit herzl. Gruß
Ingrid
Herzliche Grüße
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Liebeserklärung an ein Haus - Ein Haus, wirklich zum verlieben. Da würde ich mich auch wohl fühlen... wunderschön in Bildern beschrieben!

LG, Paul
Vor langer Zeit - Antworten
Gerbera Man kann - sich genau vorstellen,wies ausgesehen hat,hier würde ich mit Dir gerne früstücken,und die Aussicht genießen.
Liebe Grüße Helga
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