Kurzgeschichte
Konstantin

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"Konstantin"
Veröffentlicht am 01. August 2009, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich schreibe seit ungefähr zwei Jahren hauptsächlich Kurzgeschichten in der Sparte Drama, Thriller und Horror.
Konstantin

Konstantin

Konstantin Drago hatte einfach keinen Hunger. Aber wie Mamas und Papas so sind:
„Iss, mein Junge, damit du auch einmal groß und stark wirst“.
Trotzdem stellte sich Konstantin quer. Er hatte einfach keinen Appetit auf Gemüse. Jeden Mittwoch gab es Gemüse. Kein Fleisch, keine Nudeln, keine Pizza. Nur Gemüse mit Kartoffeln.
„Nein!“ quengelte er. „Ich möchte kein Gemüse essen!“
„Dann gehe auf dein Zimmer!“ befahl ihm seine Mutter. Hilfesuchend wandte er sich an seinen Vater, zu dem er ein tolles Verhältnis hatte.
Papa wird mir schon zur Seite stehen, dachte Konstantin. Aber sein Vater stimmte seiner Frau nickend zu und sagte etwas ruhiger: „Na los, mein Junge. Wenn du nichts essen willst, musst du auf dein Zimmer gehen.“
Seine Schwester Tamara, zwei Jahre jünger und einen Kopf kleiner, lachte höhnisch. Auf einer telepathischen Ebene hörte er seine Schwester sagen: Mami und Papi haben mich viel lieber als dich.“
Trotzig drehte sich Konstantin um und verschwand um die Ecke, in der ein langer Flur lag, der zu seinem Zimmer führte. Aber irgendetwas stimmte heute nicht. Es war nicht nur der fehlende Hunger, der Konstantin zu schaffen machte. Es war auch ein sonderbares Gefühl ganz tief in seinem Innern. Er hatte überhaupt keine Lust, mit seinen Autos zu spielen. Auch nicht mit der Eisenbahn, die ihm sein Vater auf eine Holzplatte aufgebaut hatte. Stattdessen verspürte er das dringende Bedürfnis, der neuen Puppe seiner Schwester Tamara die Windeln zu wechseln. Außerdem war er viel lieber in ihrem Kinderzimmer. Die Farben waren viel schöner. Lebendiger. Und bunter.
Acht Jahre war er jetzt schon alt. Und seit er denken konnte, versuchte seine Eltern ihm die Werte eines stattlichen Burschen beizubringen. Ihn wie einen Jungen zu erziehen, der seine Spielzeugautos so lange zusammenstoßen ließ, bis der Lack ab war oder ein paar Reifen fehlten. Er wollte das aber nicht. Die Autos sollten nicht kaputt sein. Und überhaupt …, Barbies anzuziehen war viel schöner. Ihnen die kleinen Kleider zu wechseln machte ihm einen riesigen Spaß. Danach veranstaltete er eine Modenschau, auf der die vier Barbie- Männer, die Kens, applaudierten, während die brünetten und blonden Puppen über einen Laufsteg stolzierten.
Irgendwie würde er wirklich gerne öfter in Tamaras Zimmer spielen. Das würde aber nur dann gehen, wenn sie bei der Oma wäre. Oder noch in der Schule. Oder sonst wo.
Irgendwie würde er auch viel lieber in einem rosa Röckchen herum tollen, sich Strumpfhosen mit Bibi Blocksberg- Motiv anziehen, Prinzessin spielen und sich Mamas Schminke ins Gesicht schmieren.
Seinen Drang, sich einfach in Tamaras Zimmer einzusperren und mit ihren Sachen zu spielen, konnte er nicht mehr zurückhalten und verschwand hinter der Tür, die ins Zimmer seiner Schwester führte.
„Ich werde ein tolles Mädchen sein“, sagte er entschlossen, während er den Schlüssel im Schloss drehte.
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Hörbuch

Über den Autor

Michael
Ich schreibe seit ungefähr zwei Jahren hauptsächlich Kurzgeschichten in der Sparte Drama, Thriller und Horror.

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Michael Danke :) - Danke für deinen Kommentar. In meiner Geschichte merkt Konstantin, dass noch viel mehr dahintersteckt. Er hat gemerkt, dass er im falschen Körper steckt, obwohl seine Eltern den typischen Jungen aus ihm machen wollten. Klar, mit acht Jahren ist es wirklich möglich, dass sie lieber mit Puppen spielen und später trotzdem stattliche Kerle sind. Allerdings fühlt er sich hier nicht so wohl in seiner Haut.

Danke fürs Willkommen heißen...
Es macht mir richtig Spaß hier, die Leute sind sehr nett und es kursieren echt viele starke Texte auf dieser Seite.
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Hallo Michael, - deine beiden stilistisch sehr unterschiedlichen Einstandstexte gefallen mir recht gut. Dieser hier in seiner eher situationsbeschreibenden Art ebenso wie der andere, der durch die drakonische Sprache sehr viel Lebendigkeit vermittelt. Zum Inhalt dieses Textes: Ich glaube, im Alter von acht Jahren ist es noch durchaus üblich, dass sich Jungen mit Puppenspiel beschäftigen, auch ohne dass das bereits ein Indiz dafür ist, dass sie lieber weiblich sein würden. Oft ist es nur die Eifersucht auf die jüngere Schwester, eben genau das, was du auch anklingen lässt: Wäre ich ein Mädchen, hätten mich alle viel lieber ...

lg und herzlich willkommen hier.
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Michael Traurig ... - Hallo Marianne,
ursprünglich war dies ein Übungstext zu dem Thema Life-Changing. Es ging darum, dass gewisse Personen irgendwann einmal im Leben eine Entscheidung für das Leben treffen, die nicht ganz konventionell sind. Und vor allem: In welchem Alter das bei manchen Personen passiert. So etwas kann sehr tragisch sein, auch in "ganz normalen" Familien.
Vielen Dank für deinen Kommentar. ;)
Vor langer Zeit - Antworten
MarianneK Konstantin ... - Dieser Zwiespalt muss für ein Kind schlimm sein, als Junge geboren und vom Gefühl her eigentlich ein Mädchen.

Lieben Gruß Marianne
Vor langer Zeit - Antworten
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