Kurzgeschichte
manche

0
"manche"
Veröffentlicht am 30. Juli 2009, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de
manche

manche

manche
menschen haben in der tat merkwürdige eigenarten.

ich
zum beispiel – nie im leben könnte ich joghurt essen, während
im fernsehen eine reportage über behinderte menschen läuft.
ich hoffe, dieser umstand macht mich nicht zu einem schlechteren
menschen. aber in diesem fall kann ich einfach nicht aus meiner haut.

nie
im leben könnte ich unter einer bettdecke schlafen, deren
fußende nach oben gedreht ist. und nie im leben könnte ich
ohne meine mini-ausgabe von fernsehgerät einschlafen. zum einen
ist „er“ ein durchaus treuer lebensabschnittsgefährte,
begleitet mich seit nunmehr elf jahren... und ich überlege
ernsthaft, den teil mit dem „abschnitts“ zu streichen. jaa.. es
wird langsam ernst mit uns. aber nach elf jahren..?! zum anderen
bekomme ich dort täglich gute-nacht-geschichten. jederzeit - und
ich darf bestimmen. gibt es etwas besseres als trash-tv zum
einschlafen?! falls ja, will ich es haben..

während
ich mich gerade so intensiv von innen beleuchte, stelle ich fest,
dass diese macken durchaus in der schublade für vertretbare
eigenheiten abgelegt werden können. zumindest rede ich mir das
konstant und erfolgreich ein. ich kann mich schlecht selbst
anprangern. (das wäre dann nämlich in der tat ein
absonderliches verhalten..)

die
frage ist doch.. wo hören die erträglichen und vertretbaren
macken des alltags auf und wo fängt die idiotie von großhirn
und hypothalamus an? nicht jeder kann sich so selbstkritisch und
objektiv reflektieren, wie ich.. :o) manche menschen mit merkwürdigen
eigenarten bedenken vermutlich gar nicht, dass sie besitzer solch
merkwürdiger eigenarten sind..

möglicherweise
denken sie sachen wie „ich bin halt so“, oder schlimmer noch „ich
möchte so sein“ - verwechseln ihre schrulligkeiten mit
prinzipien. denken, es handele sich um lebensweisheiten und regeln,
die das leben einfacher machen. das ist absurd und absolut trivial.

stelle
man sich doch vor, ich würde behaupten, ich schliefe nur aus dem
einfachen grund niemals mit der bettdecke verkehrt herum, damit ich
morgens weiß, wo ich bin, wenn ich aufwache – und dass dieser
umstand mein leben uuuuunheimlich erleichtert. das ist quatsch.
genauso ist es mit diesen von eigenarten behafteten menschen.. ich
nenne sie mal wagemutig prinzipienreiter.

als
staatlich geprüfte hobby-psychologin bin ich mir ziemlich
sicher, dass diese von mir als prinzipienreiter verurteilten menschen
angst vor sich selbst und möglichen unerwartet eintretenden
ereignissen und emotionen haben. möglicherweise erging es diesen
menschen bereits häufig schlecht.. elend womöglich
miserabel und beschissen - andererseits: leute, denen das glück
aus dem arsch fällt, wie einigen eseln das gold.. die gibt es
ohnehin nicht (oder zumindest nur in fernseh-serien, mit denen ich
mir das einschlafen versüße).

es
gehört wohl einfach dazu ab und an auf die fresse zu fliegen.
sicherlich – mit regeln und prinzipien minimiert man die
wahrscheinlichkeit, dass sich das leben als arschloch entpuppt. wer
sich zu vielen prinzipien verschreibt, verpasst aber vielleicht auch
das kleine glück, wenn es vorbei fliegen sollte. dieses
sogenannte glück ist durchaus schnelllebig und ehe man sich
versieht ist es auch schon wieder verschwunden. da sollte man sich
nicht mit irgendwelchen regeln selbst im weg stehen. man bekommt
dafür schließlich keine auszeichnung oder
glückwunschkarte, wenn man irgendwann das zeitliche segnet. was
sollte auch draufstehen.. auf so einer auszeichnung? „herzlichen
glückwunsch. sie haben ihr leben stets nach besten wissen und
gewissen erledigt und erhalten hiermit die urkunde zum offiziell
anständigsten menschen 2057“ - vermutlich so etwas in der
richtung.

aber
wo bleibt das herzblut? heißt ja nicht umsonst so.. weil es
eben auch manchmal weh tut. aber woher wissen wir denn, ob wir leben,
wenn wir es nicht tun? muss man sich nicht ständig kneifen, um
zu fühlen, ob man noch fühlt, wenn man sich sein eigenes
paragraphenwerk erschafft?

jedes
„herz ist eine revolutionäre zelle“ - so heißt es doch. man
kann auch mit kleinen dingen anfangen, um sich zu lösen.. und zu
befreien.. kleinigkeiten können das leben durchaus bereichern..
ein kleines lächeln, eine kleine geste, ein kurzer blick..
einfach so. eine kleine idee, eine kleine vision, ein kleines wort.
ohne nachzudenken. ein kleines geheimnis. ein kleiner moment... nur
diese eine regel..: einige geheimnisse lässt man besser
unerzählt.. sonst sterben momente..

http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84151.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84152.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84153.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84154.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84155.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84156.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84157.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_84158.png
0

Hörbuch

Über den Autor

minou

Leser-Statistik
21

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
PhanThomas Lösen kann man sich auch... - ... mit einem Fass Salzsäure. ;-) Sorry, dummer Witz. Ich mag deinen Text. Den wünsche ich mir auf einem großen Kalenderblatt an einem besonders grauen Tag. Ehrlich gesagt, ich liebe diese Art philosophischer Fragerunden. Die füllen echt die Leere des Tages. Dein Text hier eignet sich dafür ganz vorzüglich. Sehr schöner Ausdruck auch. Und wie du konsequent die Shift-Taste ignorierst, beeindruckt mich ja fast. :-P Prädikat: besonders lesbar.

Liebe Grüße
PhanThomas
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
1
0
Senden

23443
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung