Kurzgeschichte
Die Sache mit den Bratkartoffeln

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"Die Sache mit den Bratkartoffeln"
Veröffentlicht am 10. Mai 2009, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Die Sache mit den Bratkartoffeln

Die Sache mit den Bratkartoffeln

Die Sache mit den Bratkartoffeln 

Plötzlich fallen mir die Bratkartoffeln ein.  
 Sie sind mit Sicherheit schon angebrannt, vielleicht steht schon die ganze Küche in Flammen! Ich will gerade aufspringen, um eventuelle Feuer zu löschen, da fällt mir ein, dass ich mir doch gestern schon Bratkartoffeln gemacht habe. Mit viel Butter und Zwiebeln, wie immer. Und sie waren nicht angebrannt.  
 Wahrscheinlich haben sie sich bereits in meinem Magen aufgelöst und sind gerade dabei sich durch mein Gedärm zu arbeiten. Kein Grund zur Sorge also... 
 Habe ich heute überhaupt schon was gegessen? Ich bin mir nicht sicher. Schließlich stehe ich doch auf und schleppe mich in die Küche. Der Herd ist ausgeschaltet, eine einsame schmutzige Pfanne steht verlassen darauf und erinnert mich an den Geschmack der Bratkartoffeln. Sie waren lecker, vielleicht sollte ich mir doch noch ein paar machen.  
 Warum kann ich mich daran erinnern, dass die Dinger gut geschmeckt haben, aber nicht mehr daran, wie ich sie gegessen habe? Mein Gehirn scheint seit einiger Zeit sehr bedacht darauf zu sein, welche Informationen es für mich speichert und welche es sofort in den Reißwolf des Unterbewusstseins wirft.   
 Ich verwerfe den Gedanken an noch mehr Kartoffeln, denn irgendwie scheint mein Körper nach Fleisch zu verlangen. Mal wieder ein ordentliches Steak oder ein Schnitzel wäre jetzt genau das Richtige. Mal sehen was noch im Gefrierfach auf seine große Stunde wartet. 

Das Schälen ist für mich immer das Schlimmste, alleine deshalb brate ich meine Kartoffeln meistens roh, doch das ist wohl eine Sache der Konfession. Roh, viel Butter und dann auf kleiner Stufe bis zur Unkenntlichkeit braten. Wie sagte schon mein Großvater immer: Gute Bratkartoffeln brauchen Zeit. 
 Ich beobachte die Kartoffeln, während sie vor sich hinbrutzeln, und streue hin und wieder in fast meditativer Ernsthaftigkeit Paprika, Salz, Pfeffer oder Rosmarin darauf. Das Fleisch habe ich vergessen, ich habe nicht einmal in die Gefriertruhe gesehen. Doch meine Lust auf Fleisch ist mir zwischenzeitlich wieder vergangen. 
 Als letztes haue ich noch zwei Eier darüber, dann ist mein Meisterwerk fertig. Genau zur rechten Zeit, denn genau in diesem Moment fängt mein Magen an zu knurren.  
 Bevor ich wieder ins Schlafzimmer gehe -um dort wie immer vor dem Fernseher zu essen- nehme ich ein Spülhandtuch und werfe es behelfsmäßig über ihr Gesicht. Ich kann nicht in ihre Richtung schauen, hoffe aber, dass das Handtuch nun ihre schrecklich hungrigen Augen bedeckt. Ich möchte ihr nichts von meinen Kartoffeln abgeben. Sie versteht sowieso nichts davon, sie ließ sie immer anbrennen oder matschig werden. Soll sie sich doch selbst was kochen, von mir bekommt sie nichts mehr.  
 Bevor ich mich vor den Fernseher setze, ziehe ich mir noch schnell frische Socken an, denn meine alten sind verklebt von dem noch nicht ganz getrockneten Blut. 
 Im Fernsehen läuft eine Karnevalsveranstaltung und ich lasse sie kopfschüttelnd eingeschaltet, während ich mir meine Bratkartoffeln reinschaufele. Sie schmecken wie immer köstlich, so als wäre die eigentliche Kartoffel nur eine unförmige fiese Raupe, die erst durch den Brat- und Würzvorgang zu einem strahlend schönen Schmetterling wird. Mit diesem Schmetterling im Bauch schlafe ich kurz nach dem Essen ein und werde erst wieder von einem leicht rauchigen Geruch geweckt. Scheiße, ich habe die Bratkartoffeln anbrennen lassen! Vielleicht brennt schon die ganze Küche! 

ENDE
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zellhaufen

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