Kurzgeschichte
Der Messwein

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"Der Messwein"
Veröffentlicht am 16. April 2009, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Der Messwein

Der Messwein

Beschreibung

Tilly hat in einem Kommentar zu einem meiner Texte geschrieben, dass ihm der Messwein, den sie als Buben stibitzt haben, immer zu sauer war. Wird wohl einer wie der von mir beschriebene gewesen sein ... Außerdem hat sich diese Geschichte vor vielen Jahren tatsächlich so abgespielt ...

Der Messwein
 

                       

            An einem Septembermorgen verkündete der neue Pfarrer in der vollbesetzten Kirche: „Früher wurde der Messwein durch eine Mostsammlung beschafft. Diesen schönen   Brauch möchte ich gerne wieder aufleben lassen.“

Der Gottesmann hatte sich in der Marktgemeinde des Weinviertels gut eingewöhnt und war sehr beliebt. Die Sonntagsmessen waren so zahlreich besucht wie nie zuvor. Und das nicht nur, weil die Predigten kurz waren, sondern vor allem, weil jedem Erwachsenen bei der Kommunion neben der Hostie auch ein Schluck Wein gereicht wurde.

Von weit und breit strömten die Kirchgänger zur Hl. Messe.

Zudem brachte der Pfarrer durch sein hübsches Äußeres die Damenwelt ins Schwärmen.

Der blauäugige Hans Albers Typ mit leicht angegrauten Locken und immerfroher Miene fand in den Frauen der Ortschaft engagierte Fürsprecherinnen, denn bald schon hatten sie die Männer  überzeugt, ihre Spendierfreudigkeit zu beweisen und den gottgefälligen Brauch wieder einzuführen.


Zwei Wochen später versammelten sich die Herren der Schöpfung nach dem Gottesdienst im Gasthaus. Als der Pfarrer eintrat, saßen die Weinbauern bereits in der verrauchten und überfüllten Gaststube und debattierten hitzig. Aufgeregte Gemüter. Volle Bierkrüge und Weingläser, qualmende Pfeifen und Zigaretten. Dienstbeflissen wieselte der Wirt von einem Tisch zum andern.

Der Herr Pfarrer leitete die Debatte, stand Rede und Antwort, und erklärte die Vorgangsweise  im Detail.

Schließlich kamen die Winzer und die Hohe Geistlichkeit bei einer Runde Schnaps zu folgendem Entschluss: Zur Lesezeit sollte der Geistliche Herr mit dem Messner und einer „Load“ ( = Ladungsfass, 800 Liter) die Kellergassen abfahren. Ein Kübel Most pro Winzer wäre wohl nicht zu viel verlangt.
 

Wie geplant – so getan!

Die Mostsammlung entwickelte sich zu einem grandiosen Gaudium.

Mit dem Messner als Fahrer und Hochwürden als Bremser tuckerte der Traktor von Keller zu Keller. Bei jedem Stopp wurde verkostet, ausgiebig getratscht und gelacht und der Spendiermost  in die „Load“ gefüllt.

Der erste Schritt war getan.
 

Das weitere Gelingen lag nun in den erfahrenen Händen des Messners. Selbst Weinbauer widmete er sich mit Hingabe der heiklen Kellerarbeit.

Als es an der Zeit war, stieg der gute Mann zweimal täglich in den Pfarrkeller hinab, um ja nicht zu verpassen, wenn die Gärung so weit fortgeschritten war, dass der „Sturm“ verkostet werden konnte.

„Dabei kommt es auf Stunden an.“, sagte er.
 

Endlich war es so weit!

Der Herr Pfarrer lud alle Spender zur „Sturmverkostung“ ein. Später zum „Staubigen“.

„Das wird ein guter Jahrgang.“, nickten die Winzer anerkennend und schlürften mit Behagen.

Aber auch der fertige Wein wurde gemeinsam degustiert.

                       

Diese Gepflogenheit ging jahrelang gut.

Sowohl die Mostsammlung, als auch die gemeinsamen Kellerabende waren in der Bevölkerung recht beliebt.
 

Doch dann war der schöne Brauch von einem Jahr zum andern wieder vorbei.

Es war wie ein Verhängnis gewesen – alles hatte in diesem Jahr zusammen gespielt.

Erst der Frost bei der Traubenblüte. Dann der Hagel. Später die anhaltende Trockenheit, der im Spätsommer nicht enden wollende Regentage folgten.

Die Trauben begannen am Stock zu faulen.

Um noch schlimmeren Schaden zu verhindern, brachten die Weinbauern die spärliche Ernte ein.

Als der Herr Pfarrer in diesem Herbst seine Mostsammlung startete, war die Stimmung bei den Winzern auf einen Tiefpunkt gesunken.

Trotzdem schüttete jeder einzelne brav und gottergeben einen Kübel voll in das Ladungsfass.
 

Wie immer verteilte der Messner den gesammelten Most in die verschiedenen Fässer des Pfarrkellers. Er zuckerte, auch wie immer, auf die gewünschten Grade auf und freute sich auf die Gärung.
 

Allein – es passierte nichts. Nichts rührte sich im Weinkeller – kein Blubbern, keine Gärgase.  Die Fässer blieben kalt.

Der gute Mann arbeitete mit allen Tricks. Vom Aufwärmen des Mosts bis hin zur Gärhefe.

Alles umsonst!

Der Most begann nicht zu gären.

Schließlich fuhr der Messner mit einigen vollen Flaschen ins Lagerhaus. Nun sollte ein Fachmann nach der Ursache suchen.

Das Ergebnis war erschütternd.

„Das ist kein Most“, schmunzelte der Experte, „das ist Wasser, mit recht wenig Most gepantscht.“

                       

Zerknirscht erstattete der Messner dem Pfarrer Bericht. Zu seiner Verwunderung lachte dieser nur und lud die Weinhauer wie eh und je zur Verkostung in den Pfarrkeller ein.

Der Messner füllte die Gläser.

Die Bauern nippten.

Sahen sich an.   

Doch keiner wagte, auszuspucken.

Schlagartig war jedem einzelnen Winzer das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben.

Jeder hatte gehofft, ein Kübel Wasser würde nicht auffallen  -  und auch dem Wein nicht schaden.

Nun saßen sie da wie die armen Sünderlein und ließen schuldbewusst die Köpfe hängen.

Der Herr Pfarrer aber zeigte sich – wie es sich für einen Gottesmann gehört - verzeihend und vergebend.

Er versprach sogar, die Angelegenheit nicht an die große Glocke zu hängen. 

Den Weinbauern aber redete er eindringlich ins Gewissen, so etwas nie wieder zu tun –  schließlich hätten sie ja mit ihm  reden können.

Zur Versöhnung und vielleicht auch zur Aufmunterung der reuigen und zerknirschten Sünder spendierte er sogar ein paar Flaschen Wein aus seinem Vorrat.
 

In Zukunft jedoch bezog er seinen Messwein nur noch vom Weingut aus dem Stift Gobelsburg.


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mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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mukk Re: Ja diese Heiligen -
Zitat: (Original von FSBlaireau am 23.04.2009 - 13:32 Uhr) war interessant zu lesen und auch zu verstehen. Danach hat er bestimmt besser geschmeckt oder?[/quote

Ja, sicher. Aber nun bekamen die Kirchgänger auch keinen Schluck mehr, damit war´s dann auch vorbei.
Danke dir und liebe Grüße
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
FSBlaireau Ja diese Heiligen - war interessant zu lesen und auch zu verstehen. Danach hat er bestimmt besser geschmeckt oder?
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Eine... -
Zitat: (Original von WortWichtel am 17.04.2009 - 23:35 Uhr) ...amüsante und lehrreiche Geschichte, hoffentlich hast Du von dieser Sorte noch mehr auf Lager... :)

Liebe Grüße
Uwe


Hallo, lieber Uwe, das freut mich ganz besonders, dass dir diese Geschichten gefallen - wann gibt es wieder eine von dir zu lesen?
Noch andere auf Lager? Mal sehen: Wie wäre es mit einer Geschichte aus meinem Buch "Hans und Franz - Lausbubengeschichten..." ?
Viel Spaß, eine schöne, sonnige Woche und ganz liebe Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
Shari Re: Re: Der Meßwein -
Zitat: (Original von mukk am 16.04.2009 - 20:12 Uhr)
Zitat: (Original von Shari am 16.04.2009 - 13:32 Uhr) Liebe Ingrid,
Du hast die Geschichte so lebendig erzählt, daß man fast den Eindruck hat, man wäre dabei...
Einfach klasse - diese Geschichten mag auch ich und sie werden nicht in Vergessenheit geraten.

LG. Heidi


Liebe Heidi, danke dir ganz lieb für deinen netten Kommi, habe mich wieder sehr darüber gefreut und schicke dir ganz liebe Grüße
Ingrid


Liebe Ingrid,
ich danke Dir, daß Du uns mit Deinen schönen Geschichten und Gedichten erfreust...
Dir auch ganz liebe Grüsse ind Deinen Abend

Heidi
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Re: Re: eine herzerfirschende Geschichte, liebe Ingrid, -
Zitat: (Original von Phantasus am 16.04.2009 - 20:22 Uhr)
Zitat: (Original von mukk am 16.04.2009 - 20:08 Uhr)
Zitat: (Original von Phantasus am 16.04.2009 - 15:28 Uhr) Ein altes Sprichwort sagt, dass im Wein Wahrheit liege. Deine Erzählung zeigt, dass dies auch gilt, wenn er gepanscht ist.
Ein Prosit auf die Wahrheit und liebe Grüße von Ekki


Danke dir, lieber Ekki, ... mit welchem Wein stoßen wir an - weiß oder rot? Was ist dir lieber?
Ich mag beide, habe immerhin 25 Jahre im "Weinviertel" ( ein Teil von Niederösterreich)gelebt. Prost!
Liebe Grüße
Ingrid


Liebe Ingrid, ich schlage vor, wir wählen beide, der Gesprächsstoff wird uns dabei bestimmt nicht ausgehen. Ekki


O.K. --freue mich!
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Re: Re: eine herzerfirschende Geschichte, liebe Ingrid, -
Zitat: (Original von mukk am 16.04.2009 - 20:08 Uhr)
Zitat: (Original von Phantasus am 16.04.2009 - 15:28 Uhr) Ein altes Sprichwort sagt, dass im Wein Wahrheit liege. Deine Erzählung zeigt, dass dies auch gilt, wenn er gepanscht ist.
Ein Prosit auf die Wahrheit und liebe Grüße von Ekki


Danke dir, lieber Ekki, ... mit welchem Wein stoßen wir an - weiß oder rot? Was ist dir lieber?
Ich mag beide, habe immerhin 25 Jahre im "Weinviertel" ( ein Teil von Niederösterreich)gelebt. Prost!
Liebe Grüße
Ingrid


Liebe Ingrid, ich schlage vor, wir wählen beide, der Gesprächsstoff wird uns dabei bestimmt nicht ausgehen. Ekki
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Der Meßwein -
Zitat: (Original von Shari am 16.04.2009 - 13:32 Uhr) Liebe Ingrid,
Du hast die Geschichte so lebendig erzählt, daß man fast den Eindruck hat, man wäre dabei...
Einfach klasse - diese Geschichten mag auch ich und sie werden nicht in Vergessenheit geraten.

LG. Heidi


Liebe Heidi, danke dir ganz lieb für deinen netten Kommi, habe mich wieder sehr darüber gefreut und schicke dir ganz liebe Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: eine herzerfirschende Geschichte, liebe Ingrid, -
Zitat: (Original von Phantasus am 16.04.2009 - 15:28 Uhr) Ein altes Sprichwort sagt, dass im Wein Wahrheit liege. Deine Erzählung zeigt, dass dies auch gilt, wenn er gepanscht ist.
Ein Prosit auf die Wahrheit und liebe Grüße von Ekki


Danke dir, lieber Ekki, ... mit welchem Wein stoßen wir an - weiß oder rot? Was ist dir lieber?
Ich mag beide, habe immerhin 25 Jahre im "Weinviertel" ( ein Teil von Niederösterreich)gelebt. Prost!
Liebe Grüße
Ingrid
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