Kurzgeschichte
Hinter den Kulissen

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"Hinter den Kulissen"
Veröffentlicht am 07. April 2009, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Hinter den Kulissen

Hinter den Kulissen

Beschreibung

Eine kurze Erzählung über Schuld und Fehlverhalten, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, und in der alles anders ist als es scheint.

Das Licht geht an, man sieht einen Mann hinter einem Schreibtisch, vor ihm sitzen drei Jugendliche, zwei Mädchen und ein Junge, auf Stühlen.

Der Mann öffnet eine Akte, wirft einen kurzen Blick rein und wendet sich an die drei: „Eines vorweg, ich möchte diese Befragung so kurz wie möglich machen und bitte um Kooperation von euch.“ Die drei sehen sich unsicher an, während der Mann fort fährt: „Ich interessiere mich für die Geschehnisse am Abend des 21. Juni diesen Jahres im Steinbruch.“

Eines der Mädchen wagt sich hervor: „Unsere Aussagen stehen doch bereits in den Akten.“

Der Mann sieht sie scharf an und erklärt unwillig: „Ich kenne die Akten, Sabine, aber ich will wissen, was wirklich geschah, hinter den Kulissen.“

Sabine lehnt sich einschüchtert zurück und alle schweigen. Der Mann sieht einen nach dem anderen an und erklärt ungerührt: „Ich habe viel Zeit, mehr als ihr euch vorstellen könnt. Möchtest du beginnen, Yvonne?“

Yvonne weicht dem Blick aus und Sabine ergreift das Wort: „Also, es fing alles damit an, dass Yvonne mir meinen Freund Frank ausspannen wollte.“ Sie deutet auf den Jungen und will fort fahren, doch Yvonne unterbricht: „Was redest du da? Frank war mein Freund.“ Sabine sieht sie scharf an: „Am Morgen, also am 21. Juni, hat Frank mir gesagt, dass er immer noch mir gehört.“ Frank protestiert: „He, ihr redet von mir, als sei ich ein Ding oder eine Trophäe“, doch keiner achtet auf ihn und Sabine erzählt weiter: „Zufällig wollte Franks älterer Bruder Michael an diesem Tag eine Party im Steinbruch feiern. Der Steinbruch wurde vor über einem Jahr stillgelegt und eigentlich ist der Zutritt verboten, doch er hat sich zu einem beliebten Treffplatz unserer Schule entwickelt, mit Grill- und Fußplatzplätzen und so. Ich dachte mir halt, dass diese Party eine gute Gelegenheit ist, um mit Frank zu reden, damit er mir sagen kann, dass er mein Freund ist und Yvonne keine Chance hat.“

Yvonne spöttelt: „Da hast du falsch gedacht.“ Sabine wirft ihr einen wütenden Blick zu: „Als Frank dann mit dieser falschen Schlange ankam...“ Frank unterbricht: „Das ist Unsinn. Yvonne hat mich doch nur gefragt, ob ich sie mit dem Auto mitnehme, weil sie bei mir in der Nähe wohnt.“ Sabine bedenkt ihm mit einen spöttischen Blick: „Träum weiter. Du kannst mir nicht sagen, dass du so naiv bist.“ Yvonne lächelt tückisch: „Na und? Ich wollte dich ein bisschen eifersüchtig machen und es hat geklappt. Du bist rot wie ein Krebs geworden.“ Frank sieht sie erschrocken an: „Das wolltest du also? Aber ich habe dir doch am Morgen gesagt, dass es zwischen uns aus ist.“ Yvonne widerspricht: „Du hat gesagt, du willst es dir überlegen.“ Frank gesteht schamvoll: „Naja, man muss sich doch alles gut überlegen.“ Sabine sieht ihn verächtlich an: „Da wollte Yvonne dir wohl ein bisschen Entscheidungshilfe geben, als sie sich mit Ulf in die Büsche geschlagen hat.“ Yvonne widerspricht heftig: „Das ist ein Lüge. Wir haben nichts gemacht. Ulf, der größte Langweiler der Klasse! Ich wollte doch nur, dass...“ Sie bricht ab und Sabine ergänzt: „... Frank eifersüchtig ist und in deine Arme rennt. Ich wusste es sofort. Also habe ich es Frank erzählt und hinzugefügt, dass Ulf und Yvonne schon länger ein Paar sind. Eine kleine künstlerische Freiheit! Ich wusste, dass...“ Plötzlich bricht auch sie ab und nun klagt Frank sie an: „Sie wusste es. Sabine wusste, was passieren würde. Sie wusste, dass ich leicht erregbar bin und dann meine Wut nicht kontrollieren kann. Sie wusste, dass ich vor einem Jahr meine Freundin geprügelt und 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten musste, weil sie mich betrogen hat. Sabine wusste es.“ Jetzt schreit auch Sabine: „Glaubst du, ich wusste, dass du Yvonne gleich umbringst? Ich habe damit gerechnet, dass du sie schlägst und sie damit endlich eine Lektion erhält, die sie verdient.“ Yvonne starrt beide an: „Ihr seid wahnsinnig.“ Frank sieht sich und blickt dann fast flehend zum Mann: „Was hätte ich denn tun sollen, nachdem Sabine mir das mit Yvonne und Ulf erzählt hat? Ich habe getan, was jeder getan hätte: Ich habe meinen Wodka runtergekippt und Yvonne gesucht. Als ich sie gefunden habe, weit abseits von den anderen, hat Ulf sie gerade verlassen und ich habe sie zur Rede gestellt. Sie hat mich ausgelacht und ich habe sie beschimpft. Sie hat mich geohrfeigt und ich habe zurückgeschlagen. Dass sie auf dem Stein aufgekommen ist und sich das Genick gebrochen hat, konnte ich doch nicht vorhersehen.“ Frank macht eine erschöpfte Pause und fügt leise hinzu: „und dann war da Sabine.“ Sabine sieht alle Blicke auf sich gerichtet, die Anklage liegt in der Luft und sie schreit: „Ich habe es gesehen und hatte Angst. Ich...“ Yvonne fällt kaum hörbar ein: „Du wolltest zusehen.“ Sabine sieht schuldig Yvonne an und endet sich langsam wieder an den Mann: „Ich dachte, Frank bringt mich auch um. Also habe ich mich umgedreht und wollte davonrennen. Als er hinter mir her kam, bin ich blindlings weggelaufen.“ Frank beschwört: „Ich wollte doch nur mit dir reden.“ Yvonne murmelte fassungslos: „Ihr seid verrückt.“ Sabine blickt hilfesuchend zum Mann: „Ich hatte solche Angst und habe den Abhang nicht gesehen. Dann war es zu spät.“ Frank schluckt und fügt leise hinzu: „Als ich Sabines Körper am Boden der Schlucht gesehen habe, bin ich auch gesprungen.“

Der Mann blickt in seine Akte und liest vor: „Die Ermittelungen legen nahe, dass es sich bei den Todesfällen von drei Jugendlichen am 21. Juni um Unfälle handelt, hervorgerufen durch übermäßigen Alkohol- und Drogenmissbrauch.“ Alle drei blicken betreten auf den Boden und schweigen.

Nach einer Weile sieht Sabine auf und fragt den Mann zaghaft: „Wie geht es jetzt weiter?“ Der Mann klappt die Akte zu: „Das weiß ich nicht. Ich sollte die Wahrheit heraus finden und das habe ich gemacht.“ Damit geht das Licht aus.

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Hörbuch

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westbet

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Gunda Klasse ... - .. aufgebaut, deine Geschichte, Carsten.
Ich hätte mir vllt erst dazu deine Vorbemerkung durchlesen sollen: "alles ist anders, als es scheint", denn in der Tat bin ich gestolpert, als plötzlich eine der Protagonistinnen der Szene als ermordet galt ...

Inhaltlich braucht man deinen Text gar nicht zu kommentieren, er spricht für sich.
lg
Gunda
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