Romane & Erzählungen
Abschied

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"Abschied"
Veröffentlicht am 12. März 2009, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Abschied

Abschied

Beschreibung

Abschied nehmen - traurig, und trotzdem schön, wenn einem so ein Verabschieden gegönnt ist, im Gegensatz zu Abschieden, die dich unvorbereitet treffen und in einen jahrelangen Schockzustand versetzen...

ABSCHIED


    

„Tante Hertha! Mama! Freundin! -  Alles warst du für mich.“

Nach dem Krieg – zwei Frauen, zwei Schwestern: Mutti und du.

                  Zwei Kinder: Heinz und ich.

                  Zwei Kinder, die zwei Mütter hatten, eine Mutti und eine Mama, damit wir sie auseinander halten konnten. Die Väter sind aus dem Krieg nicht mehr nach Hause gekommen Doch ihr habt die schwere Zeit gemeinsam gemeistert. Wie viel Liebe und Geborgenheit habt ihr uns gegeben!
Könnte ich jetzt  bloß DIR helfen!!

 

Scheinbar teilnahmslos und allem um dich herum entrückt liegst du vor mir in einem Bett auf der Intensivstation.

„Sie hat ein starkes Herz.“, hat der Doktor gesagt und mir alles erklärt – „Sie hatte einen Eiterherd im Brustraum und musste operiert werden. Ihr Allgemeinzustand aber ist erstaunlich gut.“
  Langsam fließt aus der Infusionsflasche Tropfen um Tropfen in deine Venen.

Sauerstoff hilft dir beim Atmen.

Ich sitze an deinem Bett, halte deine Hand und spreche zu dir: „Du schaffst es, Mamerl!“

Mamerl sage ich, nicht Tante Hertha, denn die Kindheitstage werden plötzlich so lebendig.

Was hast du mit uns nicht alles angestellt!

Ich erinnere mich noch an „unser Negerkonzert“. 

Auf  dem Boden eines umgedrehten Topfes schlugst du mit einem Kochlöffel die Buschtrommel. Heinz und ich donnerten zwei Deckel gegeneinander und hopsten wild um dich herum - bis es Großvater zuviel wurde.

Oder der Stier! Als im Wald beim Holzmachen plötzlich ein Stier aufgetaucht war, hieltest du ihn mutig bei den Hörnern fest, bis wir davon gelaufen und in Sicherheit waren. Wie stark warst du! Wie stark und kräftig!

Und jetzt?

Wie zerbrechlich bist du geworden, wie zart und zerbrechlich!

Ich möchte dich in die Arme nehmen.

Das Herz wird so eng. Auf die Brust legt sich ein schwerer Stein.

Ganz fest drücke ich deine Hand. „Du schaffst es, Mamerl!“

Du hast schon so viel geschafft, warst eine Kämpferin – dein ganzes Leben lang.

„Mamerl, weißt du noch,.....?“ – Immer wieder erzähle ich dir von früher, erzähle dir von deinen Enkelkindern, die auf dich warten, die dich brauchen.....

Manchmal spüre ich einen leichten Gegendruck deiner Hand, die ich immerzu festhalte und streichle.
Du wirst wach! Du kannst aufstehen und auf dem Sessel sitzen!

Ich freue mich – und trotzdem tut das Herz so weh.

Leise erzählst du, was der Arzt gesagt hat und wie lieb die Schwestern sind. Fragst, was es zuhause gibt. – Und verlangst wieder ins Bett.

„Du schaffst es!“, hämmert es in meinem Kopf meiner Angst und Sorge entgegen.


Es ist ein schöner Nachmittag. Ich sehe dich wieder lächeln! Wie viel Liebe schaut mich aus diesen Augen an!

Langsam fallen dir wieder die Augen zu, doch heute gehe ich mit einem Funken Hoffnung nach Hause.

           

Am nächsten Tag!

Wieder liegst du in dem sterilen weißen Bett. Die Maschinen sind abgeschaltet.

Hinter deinem Bett ist ein Monitor, auf dem ich deine Herztätigkeit verfolgen kann.
 

„Was ist passiert?“

„Wir mussten sie noch einmal operieren. Der Brustraum, der Bauchraum – alles hatte sich mit Eiter gefüllt. Die Sepsis vergiftet ihr Blut, ihr Inneres – alles.“

Und dann erklärt mir der Arzt, was hier in Österreich alles gemacht würde – bis zuletzt.

Ganz im Gegensatz zu England, sagt er, da hätten nur die oberen Zehntausend die Möglichkeit, medizinisch so optimal versorgt zu werden.

Aber wenn es aus sei, könnten auch die besten Maschinen und Medikamente nicht mehr helfen....

Sie werden jedoch, verspricht der Doktor, alles tun, damit Tante Hertha schmerzfrei entschlafen könne. 
 

„Mamerl“, flüstere ich und streichle deine Hand. „Mamerl!“

In Gedanken suggeriere ich dir: „Lass´ los. Lass´ dich fallen. Hör auf zu kämpfen....“

Zum Teufel! Ich war Krankenschwester, ich habe so viele Menschen sterben gesehen. Warum kann ich es jetzt nicht akzeptieren? Warum tut es so weh?
 

Verzweiflung aber hilft dir nicht.

Liebevolle Unterstützung brauchst du – und die Kraft, loszulassen, alles anzunehmen.

Ich streichle dich, gebe dir Reiki. Ich küsse dich und rede leise und beruhigend auf dich ein. Erzähle von zu Hause und von früher.
 

Du spürst meine Gegenwart.  Fast unmerklich fühle ich den Druck deiner Hand. Als ob du dich verabschieden möchtest.

Ein leises Lächeln legt sich auf dein Gesicht. – Hast du Frieden gefunden?
 

Mein Herz ist schwer und Tränen treten in meine Augen.


 

Als ich am nächsten Tag wieder komme, ist alles vorbei......
 

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Über den Autor

mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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NORIS Re: Re: Abschied ist ein schweres Wort ... -
Zitat: (Original von mukk am 16.01.2012 - 10:27 Uhr)
Zitat: (Original von NORIS am 12.01.2012 - 20:20 Uhr) drei mal habe ich ihn in ähnlicher Form erleben müssen ... es tut weh ...

LG
Heidemarie


Abschied tut immer weh. Und doch ist es eine Gnade, wenn man Abschied nehmen darf.
Danke dir und sei herzlichst gegrüßt!
Ingrid


:-))))
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Abschied ist ein schweres Wort ... -
Zitat: (Original von NORIS am 12.01.2012 - 20:20 Uhr) drei mal habe ich ihn in ähnlicher Form erleben müssen ... es tut weh ...

LG
Heidemarie


Abschied tut immer weh. Und doch ist es eine Gnade, wenn man Abschied nehmen darf.
Danke dir und sei herzlichst gegrüßt!
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: -
Zitat: (Original von cbvisions am 12.01.2012 - 05:54 Uhr) Ein traurige Geschichte, die obwohl sie sehr rührend geschildert ist, bei mir ein beklemmendes Gefühl hinterläßt.

GlG Chris


Lieber Chris, es IST auch beklemmend und schmerzhaft, einen geliebten Menschen gehen zu sehen. Und doch ist es eine Gnade, wenn man die Möglichkeit bekommt, Abschied nehmen zu dürfen.
Danke dir und sei recht lieb gegrüßt!
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: -
Zitat: (Original von MarianneK am 11.01.2012 - 15:45 Uhr) Muss erst einmal tief Luft holen, denn es kommen Erinnerungen auf, Erinnerung als meine Mama kämpfte und ich vier Wochen nach der Arbeit immer bei ihr im Krankenhaus war, habe am Schluss nur noch gebetet dass er sie sich zu ihr holt. Als dann das Krankenhaus anrief ob ich kommen kann, bin ich sofort los und konnte wenigsten die letzte Stunde bei ihr sein, habe ihren erlösenden Seufzer gehört und auf einmal glättete sich ihr schmerzverzerrtes Gesicht ganz friedlich.

Ganz liebe Grüße
Marianne


Liebe Marianne, danke dir für deinen liebevollen, sehr persönlichen und eigentlich hoffnungsvollen Kommi. Es muss schön sein, die Erlösung und den Frieden im Gesicht des geliebten Menschen zu erkennen.
Sei recht, recht herzlich für deinen Besuch und den Kommentar bedankt!
Herzliche Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Es gibt ... -
Zitat: (Original von Gunda am 11.01.2012 - 15:27 Uhr) ... wahrscheinlich kaum jemanden, von ganz jungen Menschen mal abgesehen, der deine Erlebnisse nicht in irgendeiner Form nachvollziehen kann ... Ich selbst kann es auch ... besonders dieses "lass doch los ...", das ich meiner Großmutter in Gedanken zuflüsterte. Und auch ich habe auf einen letzten Händedruck gewartet ...

Sehr gefühlvoll und einfühlsam geschrieben, Ingrid.

Lieben Gruß
Gunda


Danke dir, liebe Gunda,
... und sei ganz, ganz lieb gegrüßt!
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Liebe Ingrid. -
Zitat: (Original von baesta am 10.01.2012 - 22:48 Uhr) Du hast mich an den Abschied von meiner Mutter erinnert. Ich erinnere mich noch, als sie ins Krankenhaus kam, schrie abend ein Käuzchen so unheimlich, dass es mir ganz schwer ums Herz wurde. Ich war im 6. Monat schwanger und saß jeden Tag an ihrem Krankenbett. Doch sie bekam alles nicht mehr mit, weil die Ärzte sie unter Morphium gesetzt hatten. Es war eine shclimme Zeit und ich konnte nicht mal Abchied nehmen.

Liebe Grüße
Bärbel


Liebe Bärbel, solche Erinnerungen tun weh. Da hast du ja eine schlimme Zeit durchgestanden, in Tagen und Wochen, in denen man sich nur auf das neue Leben in sich freuen sollte, die Angst und Sorge um deine Mutter und das Zusehen eines langsamen Sterbens,
Sei liebevoll umarmt und herzlichst gegrüßt!
Ingrid
.
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: liebste Ingrid, diese Zeilen haben mich so an den Abschied meiner -
Zitat: (Original von UteSchuster am 10.01.2012 - 22:40 Uhr) Schwiegermutter denken lassen,
uns ist die Gnade widerfahren, sie bis zum letzten Atemzug im Arm halten zu dürfen.
Es war so ein glücklicher Moment, als ihr Blick immer ruhiger wurde und in eine andere Welt ging.
Danke für diese Erinnerung, wenn sie auch traurig macht...selbst wenn es über 20 Jahre her ist.
Ich dachte es wäre jedesmal so....leider konnte ich meine Eltern nicht so liebevoll bis zuletzt begleiten.

Ganz liebe Grüße nach Wien

Ute


Liebe Ute, danke dir herzlich für deinen gefühlvollen Kommi. Ich konnte von meiner Mutter auch nicht Abschied nehmen ... und das tat lange weh.
Mit extra liebem Gruß
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: ***** -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 10.01.2012 - 20:50 Uhr) Ja, liebe Ingrid, es ist gut, wenn man die Möglichkeit zum Abschiednehmen bekommt, du hast das alles sehr behutsam und tief berührend geschrieben.
Man spürt deine große Liebe zu deinem Mamerl.

Ganz liebe Grüße
deine fleur


Stimme dir zu, danke dir für deine lieben Worte. Ich denke, die Liebe lässt uns in solchen Augenblicken sicher das Richtige tun....
Sei herzlichst gegrüßt!
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: ***** -
Zitat: (Original von roxanneworks am 10.01.2012 - 20:19 Uhr)
Ich habe so viele Menschen sterben sehen....

man kann viele Worte finden, der Trauer und des Mitgefühls....
und ich habe mich so oft gefragt, ist es richtig, das was und wie du es sagst? Ich habe irgendwann geschwiegen und war einfach nur da....

tiefgehender Text, liebe Ingrid

liebste Grüße in Deinen Abend
roxanne


Klingt, als hättest du auch schon so viele Menschen sterben sehen. Ich denke, es ist bei jedem anders, bei jedem der stirbt und bei jedem, der ihn begleiten darf. Was richtig ist, was falsch - wer weiß das zu sagen? Das Herz aber und die Liebe lassen uns sicher die richtigen Worte finden, nicht nur die Worte, auch unser Verhalten...
danke dir, liebe Roxanne und sei ganz, ganz lieb gegrüßt!
Ingrid
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NORIS Abschied ist ein schweres Wort ... - drei mal habe ich ihn in ähnlicher Form erleben müssen ... es tut weh ...

LG
Heidemarie
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