Der Nussknacker mit dem Butterherz
Man möchte meinen, er sei der Inbegriff winterlicher Durchsetzungskraft:
Ein Kiefer wie ein Fallgatter, ein Blick wie frisch lackierte Strenge,
und eine Uniform, die so viel Eifer ausstrahlt,
dass selbst Walnüsse ins Zittern geraten.
Doch dann – man glaubt es kaum –
stellt sich heraus, dass dieser martialische Holzheld
ein Herz besitzt, so weich wie der erste Adventskeks,
der beim Herausheben schon zerbricht.
Er windet sich, wenn er zuschnappen soll.
Er räuspert sich, bevor er knackt.
Und bei besonders dicken Schalen
schaut er beleidigt zur Seite,
als wolle er der Welt mitteilen,
dass er eigentlich für Höheres geschaffen sei
als den täglichen Nussdienst.
Natürlich weiß er, dass er genau dafür gemacht wurde.
Aber wehe, man sagt es ihm.
Dann holt er tief Luft – soweit das Holz es zulässt – und gibt sich Mühe,
seiner Bestimmung wenigstens ein wenig
heroischen Glanz einzuhauchen.
Doch kaum ist die Schale gebrochen
und der süße Kern liegt da,
schmilzt er innerlich dahin wie ein kleines Kind,
dem man zu Weihnachten endlich glaubt,
dass es brav war.
Man hört es fast:
ein hölzernes Seufzen,
ein leiser Triumph,
ein zarter Moment der Selbstüberraschung.
Denn der widerspenstige Nussknacker weiß längst: Wer hart wirkt, um nicht verletzt zu werden, entdeckt früher oder
später, dass Zähne nicht die einzigen Werkzeuge sind, um sich durchs Leben zu schlagen.
Manchmal reicht es, das Herz sprechen zu lassen – auch wenn es aus Holz ist
und viel zu weich geraten.
Die Nuss, die sich nicht knacken lassen wollte
Man stelle sich vor:
Eine Walnuss mit Rückgrat.
Eine, die dem Nussknacker trotzig ins hölzerne Gesicht grinst
und flüstert:
„Mich kriegst du nicht.“
Sie liegt da, rund wie ein kleines Universum,
und sonnt sich im Bewusstsein ihrer eigenen Härte.
Während andere Nüsse schon im Vorbeigehen weich werden,
trainiert sie heimlich an der Fensterbank,
damit ihre Schale rechtzeitig zum Fest
stahlhart wirkt.
Und dann kommt er.
Der große Knacker.
Der Meister der Mandibel.
Der hölzerne Krieger mit dem Ruf,
selbst die störrischsten Schalen ins Knie zu zwingen.
Er setzt an.
Er blickt streng.
Er knirscht mit Zähnen, die nie schmerzen,
weil sie sowieso aus Holz sind.
Doch die Nuss denkt nicht daran aufzugeben.
Sie spannt Muskeln, die sie nicht hat,
hustet ein paar Staubpünktchen aus
Stolz,
und ruft ihm zu:
„Du magst die Zähne haben –
aber ich habe Charakter!“
Was folgt, ist ein Duell epischen Ausmaßes.
Holz gegen Hülle.
Sturheit gegen Sturheit.
Ein adventlicher Showdown,
bei dem selbst das Lebkuchenhaus kurz innehält.
Als schließlich ein knapper Knack die Stille durchschneidet,
ist unklar, wer gewonnen hat.
Der Nussknacker behauptet, es sei sein Werk.
Die Nuss behauptet, sie habe freiwillig losgelassen.
Beide schauen sich an wie alte Feinde,
die einander ungern Respekt zollen.
Und am Ende?
Liegt auf dem Tisch ein süßer Kern,
der nur darauf gewartet hat, endlich zu schmecken, was Freiheit bedeutet.
Moral?
Manchmal braucht es zwei Dickschädel,
damit etwas Zartes ans Licht kommt.