Kurzgeschichte
Der ungarische Nikolaus und die Rute aus Birkenflüstern - Denn jede Rute, die die Nacht schwingt, zeichnet auch einen Weg, auf dem die Mutigen am Morgen weitergehen

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"Der ungarische Nikolaus und die Rute aus Birkenflüstern - Denn jede Rute, die die Nacht schwingt, zeichnet auch einen Weg, auf dem die Mutigen am Morgen weitergehen"
Veröffentlicht am 01. Dezember 2025, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
Der ungarische Nikolaus und die Rute aus Birkenflüstern - Denn jede Rute, die die Nacht schwingt, zeichnet auch einen Weg, auf dem die Mutigen am Morgen weitergehen

Der ungarische Nikolaus und die Rute aus Birkenflüstern - Denn jede Rute, die die Nacht schwingt, zeichnet auch einen Weg, auf dem die Mutigen am Morgen weitergehen

Der ungarische Nikolaus und die Rute aus Birkenflüstern

Er trägt keinen Mantel aus flauschigem Rot wie der ferne Cousin Santa Claus, sein Atem duftet nicht nach Rentierwind und Schneeglöckchen. Der ungarische Nikolaus heißt Mikulás. Am Abend des poliert er die Stiefel der Kinder – doch nicht selbst: Sie tun es, sie wienern, sie glauben, sie hoffen. Denn Belohnung fällt nur in saubere Schuhe. Das ist seine stille Magie. Er kommt, begleitet von einem Schatten mit Hörnern: dem Krampus-Pendant Krampusz – ein gestrenger Bote der

Mahnungen, während Mikulás die guten Taten liest wie ein Gedicht. Was schenkt er? Zuckrige Glücksbringer: Schokolade der Marke Tibi, oder in glänzendem Papier: der süße Herzschlag des Baumschmucks, der szaloncukor der Marke Szerencsi. Äpfel, Walnüsse, manchmal kleine Spielwaren – und die Rute aus Birkenflüstern, die nie treffen soll, nur erinnern. Später, in der Adventszeit, wird er zum funkelnden Gast auf Märkten wie dem Vörösmarty Weihnachtsmarkt, wo Lichter singen und Kinderchöre die Luft vergolden.

Er ist kein Überfluss. Er ist Prüfung, Mühe, Wertschätzung. Ein Helfer, der dich ermutigt: Putze die Stiefel, pflege das Herz – und selbst im Winter wächst darin eine Sonne. Denn Mikulás bricht nicht aus dem Kamin herein. Er klopft im Takt der Sehnsucht – und du öffnest. So beginnt das Wunder. Die Nacht vor dem polierten Morgen hängt über den Dächern wie feines Papier. Da wandert der Mikulás, den Sack geschultert, die Schritte bedacht wie Silben.

Neben ihm, kein drohender Schatten mehr, nur ein Zweig – die Rute, Birke, wach und zitternd vor Erwartung. Hinter dem letzten Haus beginnt der Hain: die Birken. Stämme wie Kerzen, Rinde wie Frostgedicht. Doch diese wachsen anders: Sie sprechen. Nicht mit Mund, nur mit Haut und Wind. Wenn die Zeit des Gebens kommt, wandern ihre Stimmen als dünner Chor durch die Fasern des Holzes. Mikulás hebt die Rute, und der Winter hält kurz den Atem an. Ein Dutzend Birken neigt sich – biegsam, nicht unter Last, sondern vor Anteilnahme.

„Wohin trägst du uns dieses Jahr?“, säuseln sie, leiser als fallender Schnee. „Zu einem Herzen, das zaudert“, antwortet er. „Nicht um zu richten. Um zu erinnern.“ Die Birken lächeln in Luft. Ihre Kronen klirren wie Glasbecher am Rand eines Festes. Sie flüstern ihm Lieder zu: über verlorene Mutperlen, über Taten, die nie zu spät wachsen. Und als Mikulás weitergeht, lösen sich einzelne Silben vom Zweig und tanzen den Kindern voraus, in Stiefel, in Träume, in winzige Funken von Morgen.

Wer eine Birke hört, so sagt man in Städten wie Budapest, der trägt kein Urteil, sondern einen Startpunkt. Ein Versprechen, dass Güte eine Bewegung ist, die im Gehen entsteht. Und im Hain wiegt ein Nachhall: Flüstere zurück. Beginne. Glänze. Denn die Birken fordern nicht – sie glauben vor. Und dieses Vor-Glauben ist die wärmste Form von Licht. Der Zauber begann nicht mit Donner, sondern mit einer Frage, so klein wie ein Atemzug. Es war ein kalter Abend, an dem die erste der Silberbirken einen Riss in ihren Stamm bekam – kein Schaden, eher ein

Spalt wie eine gespitzte Feder. Der Wind, ein alter Chronist wie Zeit selbst, kroch hinein, blieb hängen, begann zu lesen. Und was er fand, war kein Harz, sondern Erinnerung. Im Hain nahe einem namenlosen Dorf am Rand der Donauebene hatten Menschen einst ihre unausgesprochenen Wünsche den Birken anvertraut – in Berührungen, in Seufzern, in Stirn-an-Stamm-Momenten. Die Birken behielten alles, wie Chroniken unter Rinde. Als der Wind die erste Rute bricht und ein Kind im Dorfe weint, weil seine guten Taten ungesehen blieben, zittert

der Hain. Die Birke öffnet den Spalt, und der Wind begreift: Erinnerung kann sprechen, wenn man ihr ein Instrument gibt. Da begann er, in jeden Stamm ein Wort zu tragen: Noch. Noch ist die Güte möglich. Noch wächst das Licht. Noch beginnt das Morgen nicht ohne dich. Die Stämme begannen zu summen, erst wie Resonanz einer leeren Saite. Dann wie ein Chor, der nicht ruft, sondern einlädt.

Und so fanden ihre Stimmen den Wanderer Mikulás, der Ruten schnitt, nicht zum Strafen, sondern zum Deuten.

Er verstand: Das leise Wort ist mächtiger als der laute Befehl. Er nahm den Birkenzweig, hielt ihn an sein Herz – und die Birken antworteten. Nicht mit Magie, die wirkt. Sondern mit Magie, die beginnt. Seitdem spricht, wer Rute trägt, nie im Imperativ – nur im Möglichkeitsmodus. Und so begann der Zauber: mit verletzter Hoffnung, mit gehörtem Flüstern, mit einem Wind, der zu lesen lernte, und einem Baum, der den Mut fand, zu sprechen.

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Über den Autor

KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
die Stämme sind kahl
und so schwarz wie ein Pfahl,
die Felder sind weiß
und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

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